Ausgabe vom 28. März 2023
41/2023   BGH: Action Replay (Vorlagebeschluss vom 23.02.2023, I ZR 157/21)
 Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 bis 3, Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 111 vom 5. Mai 2009, S. 16) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet? 2. Liegt eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?
42/2023   OLG Frankfurt a.M.: Speicherung von Daten in Wirtschaftsauskunftei nach Forderungstilgung (Urteil vom 18.01.2023, 7 U 100/22)
 Die Notwendigkeit einer Speicherung von Daten in einer Wirtschaftsauskunftei entfällt nicht allein deswegen, weil die Forderung zwischenzeitlich getilgt worden ist und ein entsprechender Eintrag in das Schuldnerverzeichnis nach § 882e ZPO zu löschen wäre, wenn die Begleichung der Forderung nachgewiesen wird.
43/2023   Schleswig-Holsteinisches OLG: Folgen des Verstoßes eines Notars gegen die Pflicht zur elektronischen Einreichung beim Grundbuchamt (Beschluss vom 01.03.2023, 2 Wx 10/23)
 Gemäß § 135 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 ERVV SH ist der Notar verpflichtet, soweit technisch möglich, Dokumente in durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Es handelt sich um eine Verpflichtung, die der Notar verbindlich einzuhalten hat. Die Nichteinhaltung des § 135 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 ERVV SH führt jedoch nicht dazu, dass die Einreichung unwirksam ist, § 135 Abs. 1 Satz 3 GBO. Der Verstoß wirkt sich auf das Verfahren beim Grundbuchamt nicht aus, was der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient und die Beteiligten vor ansonsten drohenden erheblichen Risiken schützt. Gelten der Antrag und die eingereichten Dokumente wegen § 135 Abs. 1 Satz 3 GBO als wirksam eingegangen, fehlt es (insoweit) an einem Eintragungshindernis, § 18 Abs. 1 GBO. Deshalb kann das Grundbuchamt - trotz eines Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 ERVV SH - weder eine Zwischenverfügung noch eine Zurückweisung erlassen. Die Einhaltung der Pflicht zur Einreichung von Dokumenten nach § 135 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 ERVV SH kann jedoch durch die Dienstaufsicht durchgesetzt werden. Die Dienstaufsicht hat insbesondere bei einem wiederholten bzw. ständigen Verstoß ein disziplinarisches Einschreiten zu überprüfen.
44/2023   OLG Zweibrücken: Weitersendung eines per Satellit empfangenen Fernseh- oder Hörfunksignals (Urteil vom 26.01.2023, 4 U 101/22)
 Die Weitersendung eines per Satellit empfangenen Fernseh- oder Hörfunksignals durch ein Kabelnetz an die Empfangsgeräte der Bewohner einer Senioreneinrichtung mit vollstationärer Altenpflege stellt keine öffentliche Wiedergabe dar, da sich die Weiterleitung nicht an eine unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten richtet.
 
Ausgabe vom 21. März 2023
37/2023   OLG Frankfurt a.M.: Parodierende Auseinandersetzung mit einem urheberrechtlich geschützten Lichtbild (Urteil vom 02.02.2023, 11 U 101/22)
 Eine Parodie im Sinne des § 51a UrhG liegt nicht vor, wenn sich ein zu prüfender Wort- und/oder Bildbeitrag in der Kritik am Gegenstand des urheberrechtlich geschützten Lichtbild(werk)s - hier: dem auf der Fotografie abgebildeten Rechtsanwalt - erschöpft und weder Humor noch Verspottung erkennen lässt.
38/2023   VG Karlsruhe: Beweiskraft einer eingescannten Postzustellungsurkunde (Beschluss vom 21.02.2023, A 19 K 304/23)
 Eine Verletzung der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgender Gebote ordnungsgemäßer Aktenführung (insbes. Aktenverständlichkeit, Aktenwahrheit, Aktenvollständigkeit und Aktenbeständigkeit) rechtfertigt für sich allein nicht, eine materiell-rechtlich nicht gebotene bzw. gerechtfertigte Entscheidung zu treffen. Wird das Original einer Postzustellungsurkunde nachträglich vorgelegt, ist dieses auch dann beachtlich, wenn sich in der vorgelegten elektronischen Akte kein Hinweis darauf findet, dass es sich um eine hybride Akte handelt und auch Papierdokumente Bestandteil der vollständigen Akten sind. Auf das elektronische Dokument "Scan einer Postzustellungsurkunde" finden die §§ 415, 418 ZPO nur dann aufgrund der Anordnung des § 371b ZPO entsprechend Anwendung, wenn der Scan nach dem Stand der Technik erfolgt ist und eine Bestätigung vorliegt, dass das elektronische Dokument mit der Urschrift bildlich und inhaltlich übereinstimmt. Den derzeit (Februar 2023) vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Asylverfahren vorgelegten elektronischen Akten lassen sich diese Umstände - Scan nach dem Stand der Technik, Bestätigung der Übereinstimmung - nicht entnehmen, so dass die Anwendung von § 371b ZPO regelmäßig ausgeschlossen ist.
39/2023   LSG Niedersachsen-Bremen: Anspruch gegen Aufsichtsbehörde aus der DSGVO (Urteil vom 14.02.2023, L 16 SF 5/21 DS (KR))
 Aus Art 57 Abs 1f DSGVO iVm Art 77, 78 Abs 1 DSGVO ergibt sich nicht lediglich ein petitionsähnliches Recht in dem Sinne, dass sich die Aufsichtsbehörde, hier der beklagte Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationssicherheit, mit der Beschwerde befasst, sondern es besteht ein Anspruch auf eine gerichtlich überprüfbare ermessenfehlerfreie Entscheidung. Der Aufsichtsbehörde steht sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen zu. Stellt die Aufsichtsbehörde einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung fest, ist ihr Entschließungsermessen angesichts ihrer sich aus Art 57 Abs 1a DSGVO ergebenden Verpflichtung, die Anwendung der Datenschutzgrundverordnung durchzusetzen, regelmäßig dahingehend reduziert, von ihren Abhilfebefugnissen nach Art 58 Abs 2 DSGVO Gebrauch zu machen bzw mit dem Ziel der Abstellung des Verstoßes vorzugehen. Im Bereich des Auswahlermessens steht der Behörde ein weiter Spielraum zu, ein bestimmtes behördliches Handeln kann regelmäßig nicht verlangt werden. Macht der Kläger keine Ansprüche aus seinem Sozialleistungsverhältnis geltend, sondern Ansprüche aus der DSGVO auf ein hoheitliches Einschreiten des Datenschutzbeauftragten, sind Kosten gemäß § 197a SGG iVm dem GKG zu erheben und die §§ 154 bis 162 VwGO anzuwenden. Der Kläger steht nicht in einem Sozialrechtsverhältnis zur Datenschutzaufsichtsbehörde und ist nicht in seiner Eigenschaft als Zugehöriger eines privilegierten Personenkreises im Sinne des § 183 SGG beteiligt. Die garantierte Kostenfreiheit des Beschwerdeverfahrens (Art 57 Abs 3 DSGVO) gilt nach den Grundsätzen der DSGVO nicht für das Gerichtsverfahren.
40/2023   LAG Niedersachsen: Einreichung eines nicht den Formatvorgaben nach § 46c Abs. 2 ArbGG iVm. § 2 Abs. 1 ERVV entsprechenden Schreibens (Beschluss vom 22.02.2023, 4 Sa 833/22)
 Die Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV, wonach das elektronische Dokument im Dateiformat PDF zu übermitteln ist und ausnahmsweise zusätzlich im Dateiformat TIFF übermittelt werden darf (§ 2 Abs. 1 Satz 2 ERVV) sind zwingend. Ein im Format "MSG" übermitteltes Schreiben an das Gericht ist nicht formwirksam iSv. § 46c Abs. 2 ArbGG iVm. § 2 Abs. 1 ERVV eingegangen, auch wenn diesem Schreiben die Berufungsbegründung als Anlage im Format PDF beigefügt ist.
 
Ausgabe vom 14. März 2023
33/2023   BGH: rakuten.de (Urteil vom 10.11.2022, I ZR 10/22)
 Händler im Sinne des § 54b Abs. 1 UrhG ist, wer gewerblich Geräte und Speichermedien erwirbt und weiterveräußert, also Kaufverträge über diese Produkte abschließt. Es ist mit Blick auf die aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG folgende Ergebnispflicht bei der Gewährung des gerechten Ausgleichs für die Anfertigung von privaten Vervielfältigungen nicht geboten, Online-Marktplätze, die die Vermittlung von Kaufverträgen über vergütungspflichtige Geräte und Speichermedien ermöglichen, in den Kreis der Schuldner der Gerätevergütung (§ 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 und 2 UrhG) aufzunehmen. Die analoge Anwendung des § 54b Abs. 1 UrhG auf Internet-Marktplätze kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht.
34/2023   LG Frankfurt a.M.: Keine anwaltliche Tätigkeit bei Einschaltung eines "Entschädigungsmangers" II (Urteil vom 23.02.2023, 2-24 S 97/22)
 Die Einschaltung eines "Entschädigungsmanagers" im Rahmen von Ansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung zum Zweck der Generierung einer E-Mail an den Verpflichteten führt nicht zu einer Beauftragung mit einer anwaltlichen Tätigkeit vor Eintritt des Verzuges. Durch die Zurverfügungstellung eines "Entschädigungsmanagers" als digitale Plattform, mittels derer Fluggäste durch Eingabe von Daten eine E-Mail generieren können, die eine Zahlungsaufforderung beinhaltet, wird keine anwaltliche Tätigkeit erbracht. Denn der Entschädigungsmanager erstellt die E-Mail als automatisiertes Verfahren unter Einsatz eines Algorithmus. Eine anwaltliche Tätigkeit wird hierdurch nicht ausgeführt, weil kein Rechtsanwalt die Berechtigung der Forderung prüft und die E-Mail auch nicht von einem Rechtsanwalt entworfen wird.