JurPC Web-Dok. 68/2024 - DOI 10.7328/jurpcb202439469

AG Zeitz

Urteil vom 15.02.2024

4 C 171/23

Wirksamkeit der automatischen Verlängerung eines online geschlossenen Partnervermittlungsvertrages

JurPC Web-Dok. 68/2024, Abs. 1 - 39


Leitsätze:

1. Zur Wirksamkeit der automatischen Verlängerung eines online geschlossenen Partnervermittlungsvertrages.

2. Dienste höherer Art; Kündigungsmöglichkeit nach § 627 BGB; Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 BGB.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer automatischen Verlängerung eines online geschlossenen Partnervermittlungsvertrags über die Online-Plattform „elitepartner.de, welche die Klägerin betreibt.Abs. 1
Der Beklagte registrierte sich am 7. Juni 2021 auf www.elitepartner.de und schloss mit der Klägerin einen Vertrag über eine 12-monatige Premium-Mitgliedschaft. Bei Vertragsschluss bezog sich die Klägerin auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese lauteten auszugsweise wie folgt:Abs. 2
5.2. Für den Kauf über die Webseite, findet sich die ordentliche Kündigungsfrist für die entgeltpflichtige Mitgliedschaft innerhalb unserer produktbezogenen Vertragsinhalte, die Sie während des Bestellvorgangs auf der Webseite bestätigen (…).Abs. 3
5.4. Erfolgt durch den Kunden bei einem Kauf über die Webseite keine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gem. Ziffer 5.2, verlängert sich der Vertrag über die entgeltpflichtige Premium-Mitgliedschaft in diesem Fall automatisch nach Maßgabe der produktbezogenen Vertragsinhalte, welche Sie innerhalb des Bestellvorgangs auf der Webseite akzeptiert haben. Innerhalb unserer Bestellbestätigung informieren wir Sie im Übrigen auch über die Dauer und die Kosten einer möglichen Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung. (…)“Abs. 4
Die diesen Vertrag betreffenden produktbezogenen Vertragsinhalte der Klägerin erhielt der Beklagte im Rahmen der Bestellbestätigung am 7. Juni 2021. Die produktbezogenen Vertragsinhalte lauteten auszugsweise wie folgt:Abs. 5
Verlängerung Ihrer MitgliedschaftAbs. 6
Ihre aktuelle Premium-Mitgliedschaft läuft bis zum 8. Juni 2022. (…).Abs. 7
Damit Sie alle Vorteile ohne Unterbrechung nutzen können, verlängert sich Ihre Premium-Mitgliedschaft danach automatisch um je 12 Monate zum Preis von 59,90 EUR pro Monat, was einem Gesamtbeitrag von EUR 718,80 (inkl. MwSt.) entspricht. (…)Abs. 8
Selbstverständlich können Sie Ihre Premium-Mitgliedschaft bis zu 12 Wochen vor Ablauf der aktuellen Laufzeit kündigen. (…)Abs. 9
Mit Fax vom 6. April 2022, das der Klägerin am 7. April 2022 zuging, erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung der Premium-Mitgliedschaft. Am 7. April 2022 erklärte der Beklagte über die Internet-Plattform der Klägerin erneut die Kündigung der Premium-Mitgliedschaft. Am 8. April 2022 erhielt der Beklagte eine E-Mail-Nachricht vom Kundenservice der Klägerin, worin sich dieser dafür bedankte, dass der Beklagte den Kundenservice kürzlich kontaktiert habe.Abs. 10
Unter dem 26. Oktober 2022 und dem 10. November 2022 mahnte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung an. Eine Zahlung durch den Beklagten erfolgte nicht.Abs. 11
Die Klägerin ist der Ansicht, der zwischen ihr und dem Beklagten geschlossene Vertrag sei durch den Beklagten nicht fristgerecht gekündigt worden und habe sich deshalb um 12 Monate verlängert. Es sei ebenfalls kein Verstoß gegen § 307 BGB anzunehmen; derartige Verlängerungsklauseln seien üblich und unter Berücksichtigung von § 309 Nr. 9b und 9c BGB a.F. auch zulässig.Abs. 12
Die Klägerin beantragt,Abs. 13
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 718,80 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2022 und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 134,40 Euro zu zahlen.Abs. 14
Der Beklagte beantragt,Abs. 15
die Klage abzuweisen.Abs. 16
Der Beklagte ist der Ansicht, der zwischen ihm und der Klägerin geschlossene Vertrag habe sich nicht automatisch um weitere 12 Monate verlängert, sondern habe zum 6. Juni 2022 sein Ende gefunden.Abs. 17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.Abs. 18

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.Abs. 19
I.Abs. 20
Der Klägerin steht der begehrte Anspruch gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Der Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 611 Abs. 1 Halbsatz 2, 612 BGB i.V.m. dem Partnerschaftsvermittlungsvertrag.Abs. 21
Seit dem 9. Juni 2022 besteht zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Partnerschaftsvermittlungsvertrag mehr, aus dem sich eine Vergütungspflicht des Beklagten ergeben könnte. Die Klägerin und der Beklagte haben zwar am 7. Juni 2021 einen Vertrag über eine 12-monatige Premium-Mitgliedschaft des Beklagten bei der von der Klägerin betriebenen Online-Plattform „www.elitepartner.de“ geschlossen. Dieser Vertrag endete jedoch mit Ablauf des 8. Juni 2022, denn der Beklagte hat keine erneute Willenserklärung abgegeben, die auf eine Verlängerung des Vertrags über den 8. Juni 2022 hinaus gerichtet war und der Vertrag hat sich auch nicht automatisch um weitere 12 Monate verlängert.Abs. 22
1.Abs. 23
Der Beklagte hat keine erneute Willenserklärung abgegeben, die auf eine Verlängerung des Vertrags mit der Klägerin über den 8. Juni 2022 hinaus gerichtet gewesen wäre. Stattdessen hat der Beklagte, indem er am 6. April 2022 per Fax und am 7. April 2022 über das Kontaktformular auf der von der Klägerin bereitgestellten Online-Plattform die Kündigung des Vertrags erklärte, eindeutig zum Ausdruck gebracht, am Vertrag jedenfalls nicht über den ursprünglich vereinbarten Vertragszeitraum, der am 8. Juni 2022 endete, festhalten zu wollen.Abs. 24
2.Abs. 25
Der Vertrag hat sich auch nicht automatisch um weitere 12 Monate verlängert. Die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, wonach sich der Vertrag automatisch um 12 Monate verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von 12 Wochen vor dem Vertragsende gekündigt wird, sind unwirksam.Abs. 26
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sind von dieser wirksam in den Vertrag mit dem Beklagten einbezogen worden.Abs. 27
Die Klauseln halten jedoch der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht stand.Abs. 28
Die Unwirksamkeit folgt nicht bereits aus § 309 Nr. 9 BGB a.F., denn weder beinhalten die Klauseln eine längere Kündigungsfrist als drei Monate zulasten des Beklagten noch eine stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr. Die Neuregelung in § 309 Nr. 9 b) BGB, wonach eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses unwirksam ist, es sei denn das Vertragsverhältnis wird nur auf unbestimmte Zeit verlängert und dem anderen Vertragsteil wird das Recht eingeräumt, das verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen, greift nicht auf den streitgegenständlichen Fall. Diese Neuregelung gilt für die Verträge, die ab dem 1. März 2022 entstehen. Für sog. Altverträge, die bereits vor dem 1. März 2022 entstanden sind, verbleibt es bei der alten Rechtslage (vgl. Art. 229 § 60 Satz 2 EGBGB).Abs. 29
Die Klauseln sind nach § 307 BGB unwirksam, da sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. In Fällen, die von § 309 Nr. 9 BGB erfasst werden, kann sich eine Unwirksamkeit gemäß § 307 BGB aus besonderen, von § 309 nicht erfassten Gründen ergeben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Dezember 1996, Az. XII ZR 193/95, Rn. 16 - juris). Diese liegen hier vor.Abs. 30
Die Klauseln enthalten Bestimmungen, die nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von einer gesetzlichen Regelung abweichen und mit wesentlichen Grundgedanken dieser gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sind.Abs. 31
Sie weichen von der im Gesetz vorgesehenen freien Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB ab. § 627 BGB ist auch einschlägig (vgl. hierzu im Ergebnis auch AG Königs-Wusterhausen, Beschluss vom 7. März 2023, Az. 4 C 1788/21), denn die Parteien haben einen Dienstvertrag vereinbart, aufgrund dessen die Klägerin Dienste höherer Art, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, zu leisten hatte. Die Klägerin und der Beklagte haben zunächst im Schwerpunkt einen Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff. BGB vereinbart, denn im Rahmen der sog. „Premium-Mitgliedschaft“ verpflichtete sich die Klägerin vorrangig zur Erbringung von Diensten und nicht zur Herstellung eines Werks. Zwar ist ausweislich Ziffer 3.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin auch die Auswertung einer Persönlichkeitsanalyse Teil der entgeltlichen Leistungen, die die Klägerin im Rahmen einer Premium-Mitgliedschaft erbringt. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Vermittlung der uneingeschränkten Kontaktaufnahme zwischen den einzelnen Kunden der Klägerin zum Zweck der Partnerfindung. Die Klägerin versteht das von ihr betriebene, hier streitgegenständliche Portal „www.elitepartner.de“, ausweislich Ziffer 1.4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, als soziales Netzwerk, das seinen Kunden die Möglichkeit bietet, sich zu präsentieren und mit anderen Kunden zu interagieren.Abs. 32
Bei den geschuldeten Diensten handelt es sich auch um solche höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Hierunter werden Dienste verstanden, die besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen oder die den persönlichen Lebensbereich betreffen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2019, Az. IX ZR 11/18, Rn. 13 - juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die von der Klägerin zu erbringenden Dienste erfordern überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten. Ausweislich Ziffer 3.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin unterbreitet diese den Kunden Partnervorschläge. Gemäß Ziffer 3.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist eine uneingeschränkte Kontaktaufnahme mit den vorgeschlagenen Personen nur im Rahmen der hier streitgegenständlichen Premium-Mitgliedschaft möglich, ansonsten beschränkt sich die Kontaktaufnahme auf vorgefertigte Nachrichten. Obschon die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin keine Informationen dazu enthalten, wer die Kontaktvorschläge aufgrund welcher Kriterien auswählt, kann doch der Kunde davon ausgehen, dass die Auswahl der Partnervorschläge durch sog. Matching-Algorithmus erfolgt, welche von fachkompetenten und vertrauenswürdigen Personen erdacht und programmiert sowie im konkreten Fall auch unter der Aufsicht ebenso fachkundiger und vertrauenswürdiger Personen abläuft (vgl. hierzu AG Hamburg, Urteil vom 25. September 2022, Az. 9 C 464/19).Abs. 33
Die von der Klägerin zu erbringenden Dienste betreffen darüber hinaus auch den persönlichen Lebensbereich des Beklagten. Die Klägerin wertet ausweislich Ziffer 3.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft den „ElitePartner-Persönlichkeitstest“ aus und erstellt eine „ausführliche Persönlichkeitsanalyse.“ Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass dazu vom Kunden Angaben über seine eigene Person und die des gewünschten Partners gemacht werden. Der Kunde muss dabei auf die Seriosität seines Vertragspartners vertrauen, mit den Kundenangaben verantwortungsbewusst umzugehen. Das Vertragsverhältnis berührt insoweit in besonderem Maße die Privat- und Intimsphäre des Kunden (so auch BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009, Az. III ZR 93/09, Rn. 19 - juris). Bei der Nutzung der von der Klägerin bereitgestellten Online-Plattform werden darüber hinaus kontinuierlich weitere persönliche Angaben über Kunden akkumuliert, denn ausweislich Ziffer 3.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen bezieht die Klägerin fortlaufend hinzukommende Neukunden in Partnervorschläge ein.Abs. 34
Die Regelung des § 627 BGB sieht die Möglichkeit der fristlosen Kündigung vor. Von dieser Regelung weichen die Klauseln der Klägerin ab. Aus den von der Klägerin verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, namentlich Ziffern 5.2 und 5.4, ergibt sich, dass eine Kündigung der Premium-Mitgliedschaft nur unter Einhaltung der benannten Kündigungsfrist wirksam ist, sich anderenfalls der Vertrag automatisch um 12 Monate verlängert. Diese Regelung ist mit dem wesentlichen Grundgedanken von § 627 BGB nicht zu vereinbaren. Die Möglichkeit der fristlosen Kündigung in § 627 BGB kann nur durch einzelvertragliche Abrede, nicht jedoch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden. Dies gründet sich auf das besondere Vertrauen, aufgrund dessen die von der Vorschrift erfassten Dienste zu übertragen werden pflegen. Die Bestimmung will den Vertragspartnern, vor allem für den Fall des Vertrauensverlustes, ein Kündigungsrecht einräumen. Ein solcher Vertrauensverlust ist allerdings kein außergewöhnliches, bei regelrechtem oder vertragsgemäßem Erbringen der Dienste kaum eintretendes Ereignis, das einem wichtigen Grund nach § 626 BGB vergleichbar wäre. Stattdessen kann ein Vertrauensverlust auch schon durch unwägbare Umstände, sogar rational nicht begründbare Empfindungen eintreten, die objektiv keinen wichtigen Grund darstellen. Bei Dienstverhältnissen, die ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzen, soll die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausmaß gewahrt werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1998, Az. III ZR 226/97, Rn. 19 - juris). Dies schließt die Möglichkeit ein, ohne Angabe eines Kündigungsgrunds und ohne Einhaltung einer Frist, jederzeit kündigen zu können.Abs. 35
II.Abs. 36
Mangels eines begründet geltend gemachten Hauptanspruchs hat die Klägerin weder einen Anspruch auf die Zahlung von Verzugszinsen noch auf die begehrten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.Abs. 37
III.Abs. 38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO sowie die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 3 ZPO.Abs. 39

(online seit: 30.04.2024)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Zeitz, AG, Wirksamkeit der automatischen Verlängerung eines online geschlossenen Partnervermittlungsvertrages - JurPC-Web-Dok. 0068/2024