| LAG Rheinland-Pfalz | |
| Urteil vom 08.02.2024 | |
| 5 Sa 154/23 | |
| Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO - immaterieller Schaden | |
| JurPC Web-Dok. 67/2024, Abs. 1 - 49 | |
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| Leitsatz: |
| Die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO stellt als solche keinen immateriellen Schaden dar (ebenso LAG Baden-Württemberg 27. Juli 2023 - 3 Sa 33/22). |
| Tatbestand: | |
| Die Parteien streiten noch über immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). | Abs. 1 |
| Die Beklagte, ein R. Service Center, betreibt ua. am Standort F. H. ein Call-Center für Frachtkommissionierung. Sie beschäftigt an diesem Standort ca. 100 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der L. Industry Solutions und somit Teil der L.gruppe; sie ist nicht tarifgebunden. | Abs. 2 |
| Die im August 1964 geborene Klägerin ist seit dem 1. November 2002 bei der Beklagten zu einer Monatsvergütung von zuletzt € 2.080,00 brutto (ab Oktober 2022) als Mitarbeiterin im Service-Center in der 40-Stunden-Woche beschäftigt. Mit Bescheid vom 20. November 2014 wurde ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 zuerkannt. Am 22. Juni 2015 wurde sie mit Wirkung ab 16. Dezember 2014 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2015 Mitglied der Schwerbehindertenvertretung. Im Jahr 2022 war sie ua. im Zeitraum vom 12. Juli bis 14. September 2022 arbeitsunfähig erkrankt. | Abs. 3 |
| Mit Klageschrift vom 12. Juli 2022 verlangte die Klägerin zunächst die Entfernung von zwei Abmahnungen aus ihrer Personalakte, die ihr die Beklagte am 29. Juni 2022 mit den Bezeichnungen „Verletzung Datenschutz besonders schützenswerter Daten“ und „Störung des Betriebsfriedens“ erteilt hatte (Klageanträge zu 1 und 2). Mit außergerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2022, der Beklagten am 14. Juli 2022 zugegangen, begehrte die Klägerin mit Verweis auf Art. 15 DSGVO | Abs. 4 |
| „im Einzelnen ... folgende Auskunft über | Abs. 5 |
| -die Zwecke, für die meine personenbezogenen Daten verarbeitet werden; | Abs. 6 |
| -die Kategorien personenbezogener Daten, die insoweit verarbeitet werden; | Abs. 7 |
| -die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, ggü. denen die personenbezogenen Daten von mir offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden; | Abs. 8 |
| -die geplante Dauer, für die ihre personenbezogenen Daten von mir gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer; | Abs. 9 |
| -die personenbezogenen Daten, die nicht bei mir erhoben worden sind, mir Auskunft zu erteilen über alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten; | Abs. 10 |
| -das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Abs. 1 und 4 DSGVO und in diesen Fällen aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für mich.“ | Abs. 11 |
| Gleichzeitig verlangte sie, ihr eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte erteilte die gewünschten Auskünfte mit Schreiben vom 30. August 2022, der Klägerin am 2. September 2022 zugegangen; eine Datenkopie übermittelte sie nicht. | Abs. 12 |
| Mit Klageerweiterung vom 2. Februar 2023 beantragte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten, ihr Kopien der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen (Klageantrag zu 3). Ferner verlangte sie nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO die Zahlung von Schadensersatz iHv. € 3.000,00 wegen verspäteter und unvollständiger Auskunft (Klageantrag zu 4). Sie führte aus, ihr sei ein immaterieller Schaden entstanden, der im Kontrollverlust über ihre personenbezogenen Daten liege. Der geforderte Betrag von € 3.000,00 setze sich wie folgt zusammen: für die Verspätung mindestens € 500,00, für die unvollständige Auskunft (keine Kopie) pro Monat jeweils € 500,00, also € 1.000,00; für den Zeitraum von Oktober 2022 bis Januar 2023 weitere € 2.000,00. | Abs. 13 |
| Im Kammertermin vom 1. Juni 2023 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht einen Teilvergleich. Die Beklagte verpflichtete sich, beide Abmahnungen vom 29. Juni 2022 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, die wegen „Störung des Betriebsfriedens“ sofort, die wegen „Verletzung Datenschutz“ zum 31. August 2023. Die Klägerin verpflichtete sich im Gegenzug, zukünftig bei der Wahl des E-Mail-Verteilers darauf zu achten, dass Nachrichten nicht an Personen gelangen, die mit der Sache nicht unmittelbar zu tun haben. Die Beklagte verpflichtete sich ferner, der Klägerin nach dem 31. August 2023 Einsicht in ihre Personalakte zu gewähren, damit sie sich von der Entfernung der Abmahnungen überzeugen kann. Außerdem verpflichtete sich die Beklagte, der Klägerin - wenn diese ihr vorher mitteilt, welche genauen Daten sie zu sehen wünscht - unverzüglich Einsicht in die über sie gespeicherten personenbezogenen Daten zu gewähren; erforderlichenfalls ihr sodann Kopien zur Verfügung zu stellen. | Abs. 14 |
| Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, | Abs. 15 |
| die Beklagte zu verurteilen, an sie € 3.000,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. | Abs. 16 |
| Die Beklagte hat beantragt, | Abs. 17 |
| die Klage abzuweisen. | Abs. 18 |
| Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 1. Juni 2023 Bezug genommen. | Abs. 19 |
| Das Arbeitsgericht hat die Beklagte, unter Abweisung der Klage im Übrigen, verurteilt, der Klägerin € 1.000,00 zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe aus Art. 82 DSGVO einen Anspruch auf Ersatz ihres immateriellen Schadens. Die Beklagte habe ihre Pflichten im Zusammenhang mit dem Auskunftsersuchen der Klägerin vom 13. Juli 2022 verletzt, denn sie habe erst mit Schreiben vom 30. August 2022, zugegangen am 2. September 2022, geantwortet und damit nicht innerhalb der Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO. Außerdem habe sie der Klägerin die geforderten Kopien nicht zeitnah herausgegeben. Das Verschulden der Beklagten werde nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO vermutet. Nach Abwägung der Umstände sei immaterieller Schadensersatz iHv. € 1.000,00 angemessen, aber auch ausreichend. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 1. Juni 2023 Bezug genommen. | Abs. 20 |
| Gegen das am 9. Juni 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 7. Juli 2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 11. September 2023 verlängerten Begründungsfrist mit einem am 11. September 2023 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Begründungsschrift wurde der Klägerin am 25. September 2023 zugestellt. Sie hat innerhalb der bis zum 17. November 2023 verlängerten Erwiderungsfrist mit Schriftsatz vom 17. November 2023 Anschlussberufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. | Abs. 21 |
| Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO einen Schadensersatzanspruch begründe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 04.05.2023 - C 300/21) könnten nationale Gerichte Schadensersatzansprüche nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zwar nicht mit der Begründung ablehnen, dass der entstandene Schaden keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht habe. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO für sich genommen einen Schadensersatzanspruch der betroffenen Person eröffne. Die klagende Partei müsse vielmehr einen etwaigen immateriellen Schaden nachweisen. Die Klägerin selbst habe vorgetragen, dass der immaterielle Schaden allein im Kontrollverlust über ihre personenbezogenen Daten liege. Inwiefern ein solcher Kontrollverlust erfolgt sein soll, habe sie nicht dargelegt. In einem laufenden Arbeitsverhältnis sei die zweckgebundene Datenverarbeitung zulässig. Zu keinem Zeitpunkt seien die Daten der Klägerin „außer Kontrolle“ geraten; sie seien vielmehr in zulässiger Weise verarbeitet worden. Die Klägerin stütze ihren Anspruch wesentlich auf eine verspätete Auskunft, nicht aber auf eine unzulässige Verarbeitung der Daten. | Abs. 22 |
| Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich, | Abs. 23 |
| 1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 1. Juni 2023, Az. 6 Ca 350/22, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen, | Abs. 24 |
| 2. die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen. | Abs. 25 |
| Die Klägerin beantragt, | Abs. 26 |
| 1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, | Abs. 27 |
| 2. das oben bezeichnete Urteil auf die Anschlussberufung abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere € 2.000,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. | Abs. 28 |
| Sie macht geltend, das Arbeitsgericht hätte ihr Schadensersatz iHv. € 3.000,00 zusprechen müssen. Sie habe einen immateriellen Schaden erlitten, der im Kontrollverlust über ihre personenbezogenen Daten liege. Die Beklagte sei mit ihren zweitinstanzlichen Einwendungen ausgeschlossen. Die Entscheidung hätte bereits ohne Begründung vollständig zu ihren Gunsten ausfallen müssen, da die Beklagte erstinstanzlich hierzu inhaltlich keinen Vortrag geleistet habe. Für die Beurteilung des eingetretenen immateriellen Schadens sei ihre Situation im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen. Sie habe im Rechtsstreit 6 Ca 738/22 (LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 155/23) gegen die Beklagte eine Klage wegen Benachteiligung und Mobbings erhoben. Auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 30. Dezember 2022 und vom 8. Mai 2023 im Rechtsstreit 6 Ca 738/22 nehme sie Bezug. Sie habe mannigfaltige Benachteiligungen erlitten. Sie befinde sich seit Jahren in einem belasteten Arbeitsverhältnis, wobei immer wieder in regelmäßigen Abständen nachdrücklich negativ auf sie in unterschiedlichster Art und Weise eingewirkt werde. Sie erhalte keine angemessenen Gehaltserhöhungen und werde ständig unbegründeten Konfrontationen ausgesetzt. Sie müsse nach einer Beschäftigungszeit von über 20 Jahren bei der Beklagten immer noch für den gesetzlichen Mindestlohn arbeiten. Deshalb habe sie im Rechtsstreit 6 Ca 738/22 (LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 155/23) einen weiteren Auskunftsanspruch geltend gemacht, um Informationen über die Einkünfte anderer Arbeitnehmer in der Abteilung zu erhalten, damit sie beurteilen könne, inwiefern sie benachteiligt werde. Die Beklagte habe ihr völlig grundlos einen Aufhebungsvertrag angeboten, das beantragte Zwischenzeugnis (Rechtsstreit 5 Ca 357/21) nicht ausgestellt, völlig unberechtigt eine Störung des Betriebsfriedens vorgeworfen und ihr eine angemessene Gehaltsentwicklung vorenthalten. Die nicht fristgemäße und nicht vollständige Erfüllung ihres DSGVO-Auskunftsbegehrens sei ein weiterer Baustein, um sie in ihrer Ehre und ihrer Persönlichkeit zu verletzen. Die Beklagte habe ihr das klare Signal übermittelt, dass man sich mit ihren berechtigten Anliegen nicht beschäftige, und wenn, nur unzureichend, unvollständig und nicht fristgerecht. Hier sei ein besonders hoher immaterieller Schaden zu verzeichnen. Die Beklagte habe ihr mit Datum vom 29. Juni 2022 zwei unbegründete Abmahnungen erteilt, eine wegen Störung des Betriebsfriedens, eine wegen einer angeblichen Datenschutzverletzung (Vorwurf: Versendung einer E-Mail an einen über 60 Teilnehmer großen Verteiler von Schwerbehindertenvertretern, Inklusionsbeauftragten und HR-Mitarbeitern der L.gruppe mit Gesundheitsdaten einer Mitarbeiterin). Da die Beklagte erheblichen Wert auf den Datenschutz lege, müsse sie sich umgekehrt an die DSGVO-Fristen halten, wenn sie zur Auskunft verpflichtet sei. Der Pflichtverstoß der Beklagten sei im Zusammenhang mit den anderen Ereignissen zu verwerten. Aufgrund des Umstands, dass ihr die begehrte Auskunft nicht fristgerecht erteilt und keine Kopie übermittelt worden sei, habe sie sich weitgehend benachteiligt und gemaßregelt gefühlt. Diese Demütigungen wirkten sich besonders auf ihr bestehendes Krankheitsbild aus; sie leide unter psychischer Belastung, die weitgehend verstärkt worden sei. Wegen der unbegründeten Abmahnungen habe sie unter starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen (ua. Schlafstörungen, Schweißausbrüchen, starkes Unwohlsein) gelitten. Vor diesem Hintergrund sei sie wegen psychischer Belastungen, die durch die Situation im Arbeitsverhältnis schwerwiegend negativ beeinträchtigt worden seien, vom 12. Juli bis zum 14. September 2022 arbeitsunfähig erkrankt. Diese insoweit verursachte gesundheitliche Beeinträchtigung sei letztlich auch der Schaden, den sie erlitten habe, weil ihre Anfrage nicht beantwortet worden sei. Ihr sei abermals verdeutlicht worden, dass sie mit ihren Anliegen ignoriert werde und sie auch im Hinblick auf ihre Daten keine ausreichende Auskunft erhalte. Entgegen der Ansicht der Beklagten, sei die Verzögerung nicht nur sehr gering gewesen, denn abgesehen von der Fristüberschreitung sei ihr die angeforderte Kopie bis zum Vergleichsabschluss nicht freiwillig zur Verfügung gestellt worden. Die Benachteiligung habe somit über viele Monate bestanden. | Abs. 29 |
| Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird auf den Inhalt der zur Information der Kammer beigezogenen Akte 6 Ca 738/22 (LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 155/23) Bezug genommen. | Abs. 30 |
| Entscheidungsgründe: | |
| I. | Abs. 31 |
| Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Auch die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist die für die Einlegung und Begründung der Anschlussberufung geltende Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung eingehalten, § 524 Abs. 2, Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 ArbGG. | Abs. 32 |
| II. | Abs. 33 |
| In der Sache ist die Berufung der Beklagten begründet; die Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin Schadensersatz zu zahlen. Das erstinstanzliche Urteil ist deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen. | Abs. 34 |
| Die Klägerin hat keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, weil die Beklagte ihrem Auskunftsverlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht innerhalb der Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nachgekommen ist. Ein Schadensersatzanspruch folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte der Klägerin die nach § 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO geforderte Datenkopie nicht bereits mit ihrer Auskunft zur Verfügung gestellt hat. | Abs. 35 |
| 1. Die Beklagte hat auf das formelhafte Auskunftsverlangen der Klägerin vom 13. Juli 2022, eingegangen am 14. Juli 2022, nicht innerhalb der Monatsfrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO geantwortet. Ihre Auskunft vom 30. August 2022 ging erst am 2. September 2022 und damit (unstreitig) verspätet bei der Klägerin ein. | Abs. 36 |
| a) Die nicht fristgerechte Auskunftserteilung allein, führt zu keinem immateriellen Schadensersatzanspruch. | Abs. 37 |
| Die Berufungskammer teilt die Rechtsansicht anderer Landesarbeitsgerichte, dass der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO nicht genügt, um einen Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen. Dafür spricht der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO, wonach Personen, denen materieller oder immaterieller „Schaden“ entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz haben. Zwar soll nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 der DSGVO der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 04.05.2023 - C-300/21) auf eine Art und Weise weit ausgelegt werden, die den Zielen der DSGVO in vollem Umfang entspricht. Ein weites Verständnis des Schadensbegriffs bedeutet aber nicht, dass vom Vorliegen eines konkreten Schadens gänzlich abzusehen ist. Verspätete Auskünfte an eine Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO als solche sind somit nicht haftungsauslösend (vgl. LAG Düsseldorf 28.11.2023 - 3 Sa 285/23 - PM Nr. 29/2023; LAG Baden-Württemberg 27.07.2023 - 3 Sa 33/22 - Rn. 78 ff; LAG Hamm 02.12.2022 - 19 Sa 756/22 - Rn. 150 ff mwN). | Abs. 38 |
| b) Der von der Klägerin angeführte „Kontrollverlust“ über ihre personenbezogenen Daten stellt keinen ersatzfähigen immateriellen Schaden dar (ebenso LAG Baden-Württemberg 27.07.2023 - 3 Sa 33/22 - Rn. 82). Im Streitfall ist zudem nicht erkennbar, worin der „Kontrollverlust“ der Klägerin bestanden haben soll. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Daten der Klägerin nicht „außer Kontrolle“ geraten seien, sondern für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet wurden, § 26 BDSG. Hierauf kann sich die Beklagte - entgegen der Ansicht der Klägerin - im Berufungsverfahren berufen. Die Rüge einer „Verspätung möglicher Verteidigungshandlungen“ ist rechtlich nicht tragfähig. | Abs. 39 |
| Es stellt auch keinen ersatzfähigen immateriellen Schaden dar, dass sich die Klägerin über die nicht fristgerechte Antwort der Beklagten auf ihr Auskunftsverlangen geärgert hat. „Bloßer Ärger“ des Betroffenen genügt genauso wenig wie das „bloße Warten“ auf die Auskunft (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 06.10.2022 im Verfahren C-300/21), um einen immateriellen Schaden annehmen zu können. | Abs. 40 |
| Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der in seinem Urteil vom 4. Mai 2023 (Rechtssache C-300/21 Österreichische Post) betont hat, dass ein Schadensersatzanspruch das Vorliegen eines „Schadens“ erfordere. Der bloße Verstoß gegen die DSGVO reiche daher nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch der betroffenen Person zu begründen (Rn. 42). Ein Schadensersatzanspruch hänge zwar nicht davon ab, dass der betreffende Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreiche. Das bedeute allerdings nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen sei, der für sie negative Folgen gehabt habe, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden iSv. Art. 82 DSGVO darstellen (Rn. 50). | Abs. 41 |
| c) Im Streitfall ist es der Klägerin nicht gelungen, einen durch die verzögerte Auskunftserteilung entstandenen immateriellen Schaden im Sinne der Norm darzulegen. | Abs. 42 |
| Die Klägerin macht geltend, dass das Arbeitsverhältnis seit Jahren belastet sei; sie bezieht sich auf ihre Ausführungen im weiteren Rechtsstreit 6 Ca 738/22 (LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 155/23). Dort verlangt sie von der Beklagten ua. ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens € 30.000,00 wegen Benachteiligung und Mobbings. Die um 18 Tage verspätete Antwort der Beklagten auf ihr Auskunftsbegehren betrachtet die Klägerin als einen weiteren „Baustein“, um sie in ihrer Ehre und ihrer Persönlichkeit zu verletzen. Die Beklagte habe ihr das „klare Signal“ übermittelt, dass man sich mit ihren Anliegen nicht beschäftige, und wenn, nur unzureichend, unvollständig und nicht fristgerecht. Damit hat die Klägerin keinen kausalen Schaden durch die verspätete Auskunftserteilung dargelegt. Dasselbe gilt, soweit sie auf die zwei Abmahnungen der Beklagten mit Datum vom 29. Juni 2022 abhebt. | Abs. 43 |
| Es ist objektiv nicht nachvollziehbar, weshalb die nach Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO um 18 Tage verspätete Antwort der Beklagten auf ein Auskunftsbegehren, das sich im reinen Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO erschöpfte, zu einer „Demütigung “ der Klägerin geführt haben könnte. Auch eine Verletzung der Ehre oder des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise, d.h. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden der Klägerin, nicht erkennbar. Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei wegen der psychischen Belastung, ausgelöst durch die nicht fristgerechte Auskunft der Beklagten, in der Zeit vom 12. Juli bis 14. September 2002 arbeitsunfähig erkrankt, ist ein Kausalzusammenhang nicht gegeben. Das Auskunftsverlangen der Klägerin vom 13. Juli 2022 ist bei der Beklagten am 14. Juli 2022 eingegangen, die Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO am 15. August 2022 (einem Montag) abgelaufen. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin begann bereits am 12. Juli 2022. Die verspätete Auskunft der Beklagten kann auf der Zeitschiene für diesen Arbeitsunfähigkeitszeitraum nicht ursächlich gewesen sein. Hinzu kommt, dass die Klägerin behauptet, sie habe aufgrund der beiden Abmahnungen der Beklagten vom 29. Juni 2022 unter starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen (ua. Schlafstörungen, Schweißausbrüchen, starkes Unwohlsein) gelitten. Der teils widersprüchliche Sachvortrag der Klägerin ist nicht geeignet, einen Kausalzusammenhang zwischen ihrer psychischen Erkrankung und der nicht fristgerechten Auskunft schlüssig darzulegen. Bei objektiver Betrachtung ist das Auskunftsbegehren der Klägerin eine Reaktion auf die Abmahnung wegen Verletzung des Datenschutzes, und nicht umgekehrt. Das belegt schon die zeitliche Abfolge. | Abs. 44 |
| 2. Die Beklagte ist nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie der Klägerin nicht bereits mit der erteilten Auskunft vom 30. August 2022 die geforderte Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO zur Verfügung gestellt hat. Es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. | Abs. 45 |
| Die Klägerin hat sich in ihrem schriftlichen Auskunftsbegehren vom 13. Juli 2022 auf eine bloße Wiederholung des Normwortlauts des Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO beschränkt. Ansonsten hat sie - unbestimmt - verlangt, ihr eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Dies genügt für einen Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO grundsätzlich nicht. Die bloße Wiederholung des Wortlauts der Norm lässt nicht erkennen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt wird (vgl. BAG 16.12.2021 - 2 AZR 235/21 - Rn. 33 mwN). Erst wenn die geforderte Auskunft vorliegt, kann die betroffene Person beschreiben, von welchen konkret verarbeiteten personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt wird. Hier hat sich die Beklagte in Ziff. 3 des Teilvergleichs vom 1. Juni 2023 bereit erklärt, der Klägerin (in einem zu vereinbarenden Termin mit ihrem Vorgesetzten) Einsicht in die über sie gespeicherten personenbezogenen Daten zu ermöglichen, wenn ihr „die Klägerin vorher mitteilt, welche genauen Daten sie zu sehen wünscht“. Anders als die Klägerin meint, bestand vor der Konkretisierung ihres Einsichtsbegehrens kein rechtswidriger Zustand. Ihr Vorwurf, die Beklagte habe sie über „viele Monate“ benachteiligt, weil sie ihr mit der Auskunft keine Datenkopie zur Verfügung gestellt hat, ist nicht berechtigt. | Abs. 46 |
| III. | Abs. 47 |
| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten zweiter Instanz hat die Klägerin zu tragen, weil sie (bei einem Streitwert von € 3.000,00) in vollem Umfang unterlegen ist. Die Kosten erster Instanz sind unter Berücksichtigung der Kosten des Teilvergleichs, § 98 ZPO, verhältnismäßig zu teilen. Danach hat die Klägerin 70% und die Beklagte 30% der Kosten erster Instanz (bei einem Streitwert von € 9.160,00) zu tragen. | Abs. 48 |
| Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen. | Abs. 49 |
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| (online seit: 30.04.2024) | |
| Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs. | |