JurPC Web-Dok. 61/2024 - DOI 10.7328/jurpcb202439462

Joachim von Ungern-Sternberg [*]

Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtsübertragung auf Verwertungsgesellschaften nach § 10 VGG
Änderungsvorhaben des Regierungsentwurfs des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes

JurPC Web-Dok. 61/2024, Abs. 1 - 42


Inhaber von Ansprüchen aus dem Urheberrechtsgesetz können diese Rechte schon aus praktischen Gründen vielfach nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend machen. Zahlreiche Vergütungsansprüche sind ohnehin kraft Gesetzes verwertungsgesellschaftspflichtig. Die meisten Rechtsinhaber haben keine Wahl, bei welcher Verwertungsgesellschaft sie ihre Rechte einbringen, weil Verwertungsgesellschaften wie die GEMA, die VG WORT oder die GVL jeweils in ihrem Geschäftsbereich zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich ein Wahrnehmungsmonopol haben. Für diese Verwertungsgesellschaften ist die kollektive Wahrnehmung der Ansprüche, die Rechtsinhaber bei ihnen einbringen, ein Massengeschäft.Abs. 1
In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber zahlreiche neue gesetzliche Vergütungsansprüche eingeführt. Die Verwertungsgesellschaften sind – nicht zuletzt im eigenen Organisationsinteresse – daran interessiert, ihren Geschäftsbereich möglichst einfach auf solche urheberrechtlichen Ansprüche, ggf. aber auch auf die Wahrnehmung weiterer Nutzungsrechte, ausdehnen zu können. Nach Unionsrecht (Art. 5 Abs. 7 VG-RL)[1] und nationalem Recht (§ 10 VGG) setzt dies jedoch voraus, dass die Rechtsinhaber der Übertragung bzw. Einräumung weiterer Rechte tatsächlich zustimmen. Diese rechtlichen Vorgaben werden von Verwertungsgesellschaften missachtet, die wie die GEMA[2], die VG WORT[3] oder die GVL[4] in ihren Wahrnehmungsverträgen AGB-Klauseln vorsehen, nach denen die Zustimmung des Rechtsinhabers zu einer Abänderung oder Ergänzung des Wahrnehmungsvertrags bei Einhaltung bestimmter Formalien durch die Fiktion seiner Zustimmung ersetzt wird, auch wenn es um die Erweiterung der Rechtseinräumung oder der Rechtsübertragung auf die Verwertungsgesellschaft geht[5]. Diese Klauseln sind ohnehin bereits nach allgemeinem AGB-Recht unwirksam (§ 307 BGB), weil sie den Verwertungsgesellschaften eine Handhabe geben, den Inhalt der Wahrnehmungsverträge nach ihrem eigenen freiesten Ermessen tiefgreifend umzugestalten[6]. Sie sind aber auch unwirksam, weil sie gegen die zwingende Regelung des § 10 VGG verstoßen.Abs. 2
Der Regierungsentwurf des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) schlägt nunmehr in seinem Art. 28 im Interesse der Verwertungsgesellschaften, die bei der Erweiterung der Rechtsübertragung in ihren Wahrnehmungsverträgen derartige Zustimmungsfiktionen vorsehen, eine Änderung des § 10 VGG vor[7]. Danach soll § 10 Satz 2 VGG aufgehoben werden, in dem geregelt ist, dass eine Vereinbarung über die Wahrnehmung von Rechten durch die Verwertungsgesellschaft der Textform (§ 126b BGB) bedarf. Dieser Vorschlag ist mit dem Unionsrecht unvereinbar. Unabhängig davon wäre er auch nach seiner Umsetzung keine Grundlage für Regelungen wie in den Wahrnehmungsverträgen der GEMA, der VG WORT und der GVL, nach denen eine Erweiterung der vertraglichen Rechtseinräumung oder Rechtsübertragung auf die Verwertungsgesellschaft mittels einer Zustimmungsfiktion möglich sein soll[8].Abs. 3

I. Rechtslage nach geltendem Recht

1. Unionsrecht

Die Verwertungsgesellschaftenrichtlinie 2014/26/EU vom 26.2.2014 (VG-RL) hat u.a. zum Ziel, den Rechtsinhabern in größtmöglichem Umfang die Wahl- und Einflussmöglichkeit zu sichern, welcher Verwertungsgesellschaft sie welche Rechte und zu welchen Bedingungen einräumen wollen (vgl. Erwgrd. 19 Satz 1, Art. 5 Abs. 2 VG-RL)[9]. Bei der Festlegung der von der Verwertungsgesellschaft wahrgenommenen Rechte oder Rechtekategorien sollte ein Gleichgewicht zwischen der Freiheit der Rechtsinhaber, über ihre Werke und sonstigen Schutzgegenstände zu verfügen, und der Fähigkeit der Verwertungsgesellschaft, die Rechte wirksam wahrzunehmen, gewahrt bleiben (Erwgrd. 19 Satz 3). Unter Beachtung dieses Gleichgewichts sollte es den Rechtsinhabern leicht möglich sein, der Verwertungsgesellschaft diese Rechte oder Rechtekategorien zu entziehen und sie selbst wahrzunehmen oder sie ganz oder teilweise einer anderen Verwertungsgesellschaft anzuvertrauen oder zu übertragen, und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung der Verwertungsgesellschaft oder des Rechtsinhabers (Erwgrd. 19 Satz 4, Art. 5 Abs. 4 VG-RL).Abs. 4
Die Verwertungsgesellschaftenrichtlinie geht danach davon aus, dass es nicht selbstverständlich ist, dass Verwertungsgesellschaften in einem Mitgliedstaat ein tatsächliches Monopol haben, und es für die Rechtsinhaber vorteilhaft ist, wenn sie wählen können, durch wen sie ihre Rechte wahrnehmen lassen. Ziel der Richtlinie ist deshalb auch ein Wettbewerb in- und ausländischer Verwertungsgesellschaften untereinander und mit Verwertern bei der Wahrnehmung von Nutzungsrechten und gesetzlichen Vergütungsansprüchen.Abs. 5
Entsprechend dieser Zielsetzung regelt Art. 5 Abs. 7 VG-RL die Anforderungen an die Form der Rechtseinräumung oder Rechtsübertragung an eine Verwertungsgesellschaft wie folgt:Abs. 6
„Beauftragt ein Rechtsinhaber eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung mit der Wahrnehmung seiner Rechte, so erteilt er ausdrücklich für jedes Recht oder jede Kategorie von Rechten oder jede Art von Werken und jeden sonstigen Schutzgegenstand seine Zustimmung zur Wahrnehmung dieser Rechte. Diese Zustimmung ist zu dokumentieren.“Abs. 7
Diese Regelung soll nicht nur sichern, dass dem Rechtsinhaber bei einer Rechtsübertragung auf eine Verwertungsgesellschaft die Tragweite seiner Verfügungen deutlich vor Augen geführt wird. Sie soll auch gewährleisten, dass der Umfang der Verfügungen nicht nur in irgendwelchen Unterlagen der Verwertungsgesellschaft festgehalten wird[10], sondern auch für den Rechtsinhaber selbst anhand seiner eigenen Unterlagen klar ersichtlich ist und bleibt. Andernfalls wäre der Rechtsinhaber später wesentlich in seinen Möglichkeiten, über seine Rechte zu verfügen (etwa durch Einbringung seiner Rechte bei einer anderen Verwertungsgesellschaft), beschränkt.Abs. 8
Nach der deutschen Fassung des Richtlinientextes wird dementsprechend bestimmt, dass der Rechtsinhaber seine Zustimmung zur Rechtswahrnehmung „ausdrücklich“ erteilen muss[11] und „seine Zustimmung“ zu dokumentieren ist. Dem kann in der Praxis des Massengeschäfts der Verwertungsgesellschaften nur dadurch entsprochen werden, dass die Rechtsinhaber ihre Zustimmung zu einer Erweiterung der Rechtsübertragung zumindest in Textform erklären müssen. Die französische und die italienische Textfassung sprechen zwar nicht von einer „ausdrücklichen“ Erteilung der Zustimmung zur Rechtswahrnehmung, verlangen aber in Art. 5 Abs. 7 Satz 2 VG-RL dasselbe mit der Forderung der Einhaltung der Schriftform („Ce consentement est constaté par écrit.“ bzw. „Qualsiasi consenso di questo tipo è espresso in forma scritta.“)[12]. In der englischen Textfassung des Art. 5 Abs. 7 Satz 2 VG-RL, die ebenfalls nicht von einer ausdrücklichen Erteilung der Zustimmung spricht, wird die Dokumentation der Zustimmung als solcher mit den Worten verlangt: „Any such consent shall be evidenced in documentary form.“ Nach allen diesen Textfassungen wird somit zumindest gefordert, dass die Zustimmung zur Rechtswahrnehmung für jedes Recht oder jede Kategorie von Rechten oder jede Art von Werken und jeden sonstigen Schutzgegenstand durch den Rechtsinhaber tatsächlich abgegeben wird und seine Erklärung als solche in einem Dokument nachweisbar ist.Abs. 9
Nach dem Zweck des Art. 5 Abs. 7 VG-RL, dem Rechtsinhaber die Tragweite seiner Rechtsübertragungen auf die Verwertungsgesellschaft vor Augen zu führen und den Umfang seiner Verfügungen auch für ihn klar zu dokumentieren, ist es selbstverständlich, dass die Vorschrift – ihrem Wortlaut entsprechend – für alle Vereinbarungen eines Rechtsinhabers mit einer Verwertungsgesellschaft über die Übertragung oder Einräumung von Rechten gilt und damit auch für entsprechende spätere Änderungen und Ergänzungen des Wahrnehmungsauftrags. Würde die Vorschrift nur für den erstmaligen Abschluss eines Wahrnehmungsvertrags gelten, wäre sie schon deshalb überflüssig, weil dafür ohnehin fast ausnahmslos die Schriftform gewählt wird.Abs. 10
Der Umstand, dass die Anforderungen des Art. 5 Abs. 7 VG-RL auch für spätere Änderungen und Ergänzungen der Rechtseinräumung oder Rechtsübertragung in den Wahrnehmungsverträgen gelten, wird durch Erwägungsgrund 19 Satz 11 bestätigt. Dieser lautet:Abs. 11
„Das in dem Auftrag enthaltene Erfordernis der Zustimmung der Rechtsinhaber zur Wahrnehmung eines jeden Rechts, einer jeden Rechtekategorie bzw. in Bezug auf Arten von Werken und sonstigen Schutzgegenständen bei Erteilung des Wahrnehmungsauftrags sollte die Rechtsinhaber nicht daran hindern, spätere Vorschläge zur Änderung des Auftrags stillschweigend nach geltendem nationalem Recht anzunehmen.“Abs. 12
Der Erwägungsgrund bestätigt die Selbstverständlichkeit, dass Art. 5 Abs. 7 VG-RL auch die Anforderungen an spätere Änderungen und Ergänzungen des Wahrnehmungsauftrags regelt. Im Übrigen kommt diesem Erwägungsgrund allerdings neben Art. 5 Abs. 7 VG-RL kaum eine Bedeutung zu. Ein Erwägungsgrund kann ohnehin nur für die Auslegung einer Richtlinienvorschrift bedeutsam sein, da er nicht zum verfügenden Teil der Richtlinie gehört[13]. Wenn es ein nationales Recht entsprechend Erwägungsgrund 19 Satz 11 zulassen sollte, dass die Zustimmung des Rechtsinhabers zur Rechtswahrnehmung „stillschweigend“ erklärt werden kann, könnte dies nach der zwingenden Vorschrift des Art. 5 Abs. 7 VG-RL nichts daran ändern, dass der Rechtsinhaber „seine Zustimmung“ tatsächlich gegenüber der Verwertungsgesellschaft erklären muss und diese Zustimmung als solche zumindest in Textform zu dokumentieren ist.Abs. 13
Die Ersetzung der tatsächlichen Zustimmung der Rechtsinhaber auf der Grundlage von Regelungen wie in den Wahrnehmungsverträgen der GEMA, der VG WORT und der GVL[14], die eine Zustimmungsfiktion begründen sollen, ist danach durch Art. 5 Abs. 7 VG-RL ausgeschlossen[15]. Dies gilt für die entsprechenden Klauseln der Wahrnehmungsverträge dieser Verwertungsgesellschaften auch deshalb, weil nach diesen Klauseln – entgegen der Zielsetzung des Art. 5 Abs. 7 VG-RL – nicht einmal sichergestellt ist, dass die Rechtsinhaber von einer Änderung oder Ergänzung ihres Wahrnehmungsauftrags wenigstens Kenntnis erhalten.Abs. 14
Aber auch eine lediglich konkludente („stillschweigende“) Zustimmung des Rechtsinhabers genügt nach Art. 5 Abs. 7 VG-RL nicht, weil diese Vorschrift verlangt, dass „die Zustimmung“ des Rechtsinhabers zu dokumentieren ist, nicht lediglich die Umstände, aus denen auf eine konkludente Zustimmung geschlossen werden könnte. Ein bloßes Schweigen auf ein Angebot der Verwertungsgesellschaft zur Änderung des Wahrnehmungsvertrags könnte schon deshalb nicht als Zustimmung behandelt werden, weil Schweigen im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Zustimmung bedeutet[16]. Abs. 15
Es ist im Übrigen schwer vorstellbar, wie eine Verwertungsgesellschaft von der Vielzahl ihrer Berechtigten lediglich konkludente Erklärungen der Zustimmung zur Wahrnehmung bestimmter Rechte einholen und die für eine konkludente Zustimmung sprechenden Umstände in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise dokumentieren könnte. Selbst wenn dies durchführbar sein sollte, wäre es jedenfalls nicht weniger aufwendig als die Einholung schriftlicher Zustimmungserklärungen der Rechtsinhaber. Es müsste dann sichergestellt werden und beweisbar sein, dass das Angebot zur Wahrnehmung bestimmter Rechte die einzelnen Rechtsinhaber selbst erreicht hat und sie auf das Angebot gegenüber der Verwertungsgesellschaft jeweils in einer Weise reagiert haben, die unzweifelhaft als konkludente Erklärung der Zustimmung zu verstehen war.Abs. 16

2. Rechtslage nach geltendem deutschem Recht

Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 7 VG-RL wird im geltenden deutschen Recht durch § 10 VGG umgesetzt[17]. Dieser lautet:Abs. 17
㤠10 Zustimmung zur RechtswahrnehmungAbs. 18
1Nimmt eine Verwertungsgesellschaft auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Rechtsinhaber Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wahr, holt sie dessen Zustimmung zur Wahrnehmung für jedes einzelne Recht ein und dokumentiert diese. 2Die Vereinbarung bedarf, auch soweit Rechte an künftigen Werken eingeräumt werden, der Textform.“Abs. 19
Die Anforderungen der nach § 10 Satz 2 VGG einzuhaltenden Textform werden in § 126b BGB wie folgt festgelegt:Abs. 20
㤠126b TextformAbs. 21
Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, dasAbs. 22
1. es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
2. geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.“
Die richtlinienkonform auszulegende Vorschrift des § 10 VGG entspricht damit Art. 5 Abs. 7 VG-RL. Gefordert wird eine tatsächliche Willenserklärung des Rechtsinhabers. Eine Willenserklärung im Sinne des BGB ist – nach der Definition des BGH – die Äußerung eines Willens, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet ist. Sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck, d.h. einen Willen, der auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt[18]. Eine Willenserklärung wird zudem nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB erst wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht.Abs. 23
Eine „stillschweigende“ (konkludente) Willenserklärung des Rechtsinhabers genügt nach § 10 VGG nicht, weil dessen Satz 2 für die Vereinbarung über die Rechtseinräumung bzw. Rechtsübertragung die Textform fordert. Der Regierungsentwurf des VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes zu § 10 VGG-E sah zwar noch vor, dass Rechtsinhaber nicht gehindert sein sollten, „spätere Vorschläge zur Änderung des Wahrnehmungsauftrags stillschweigend anzunehmen, soweit dies nach allgemeinen Grundsätzen rechtlich zulässig ist“[19]. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat daran aber nicht festgehalten, sondern die Forderung der Textform (§ 126b BGB) durch Anfügung des § 10 Satz 2 VGG empfohlen, der dann Gesetz wurde[20]. Entgegen der Darstellung der Begründung des Art. 28 BEG IV zur vorgeschlagenen Aufhebung des § 10 Satz 2 VGG[21] ist deshalb nach geltendem Recht eine Änderung des Umfangs der Rechtseinräumung oder der Rechtsübertragung auf eine Verwertungsgesellschaft nicht durch stillschweigende (konkludente) Zustimmung des Rechtsinhabers zu einem Angebot der Verwertungsgesellschaft möglich[22]. Erst recht schließt § 10 S. 2 VGG in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 7 VG-RL – und entgegen der Ansicht von Verwertungsgesellschaften wie der GEMA, der VG WORT und der GVL[23] – eine Ersetzung der tatsächlichen Zustimmung des Rechtsinhabers durch eine Zustimmungsfiktion auf der Grundlage von AGB-Klauseln aus[24].Abs. 24
Die Anforderungen des § 10 VGG gelten – Art. 5 Abs. 7 VG-RL entsprechend – auch für spätere Änderungen und Ergänzungen des Umfangs der Rechtseinräumung oder der Rechtsübertragung auf die Verwertungsgesellschaft[25]. Nur für solche späteren Vereinbarungen auf der Grundlage eines bereits schriftlich abgeschlossenen Wahrnehmungsvertrags hat die Vorschrift überhaupt eine praktische Bedeutung. Die Geltung der Vorschrift für sämtliche Vereinbarungen über die Übertragung oder Einräumung von Rechten klingt bereits in den Eingangsworten des § 10 VGG an: „Nimmt eine Verwertungsgesellschaft auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Rechtsinhaber Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wahr, …“Abs. 25

II. Beabsichtigte Streichung des Textformerfordernisses nach § 10 Satz 2 VGG durch Art. 28 des Regierungsentwurfs des BEG IV

Nach Art. 28 des Regierungsentwurfs des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) soll § 10 Satz 2 VGG, der die Textform (§ 126b BGB) vorschreibt, aufgehoben werden[26]. Für die Verpflichtung, einer Verwertungsgesellschaft Nutzungsrechte an künftigen Werken einzuräumen, soll es allerdings – anders als für gesetzliche Vergütungsansprüche – nach § 40 Abs. 1 UrhG-E bei der Textform verbleiben[27]. Die Streichung des § 10 Satz 2 VGG wird wie folgt begründet:Abs. 26
„Zu Artikel 28 (Änderung des Verwertungsgesellschaftengesetzes)Abs. 27
§ 10 Satz 2 VGG hatte den Zweck, für Verträge zwischen Rechtsinhabern und Verwertungsgesellschaften über die Wahrnehmung von Rechten an künftigen Werken eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis nach § 40 Absatz 1 Satz 1 UrhG zu schaffen. Solche Verträge sollten in Textform im Sinne des § 126b BGB abgeschlossen werden können. Hierdurch sollten – auch im Interesse der Rechtsinhaber – Geschäftsprozesse effizienter organisiert und Kosten bei Verwertungsgesellschaften eingespart werden (vergleiche Bundestagsdrucksache 18/8268, S. 10).Abs. 28
Der Wortlaut von § 10 Satz 2 VGG bot Spielraum für Auslegungen, die über den mit der Regelung verfolgten Zweck hinausgingen. So wurde für die Erweiterung eines bestehenden Wahrnehmungsvertrags um die Wahrnehmung von Rechten an Sammelwerken auf der Grundlage von § 10 Satz 2 VGG für erforderlich gehalten, dass jeder betroffene Rechtsinhaber mit einem Änderungsvertragsangebot individuell adressiert wird und dieser ausdrücklich seine Zustimmung erteilt, und zwar ohne dass es dabei um die Wahrnehmung von Rechten an künftigen Werken ging (vergleiche LG München, Teilurteil vom 4. Oktober 2021, 42 O 13841/19, Rn. 155 ff).Abs. 29
Der mit dem gestrichenen § 10 Satz 2 VGG beabsichtigte Regelungsgehalt wird in den neuen § 40 Absatz 1 Satz 2 UrhG-E übertragen. Hierdurch wird klargestellt, dass Wahrnehmungsverträge zwischen Rechtsinhabern und Verwertungsgesellschaften nicht in jedem Fall, sondern nur bei einer Einigung über die Wahrnehmung von Rechten an künftigen Werken den Anforderungen des § 126b BGB genügen müssen. Im Übrigen bleibt es dabei, dass Rechtsinhaber nicht daran gehindert werden sollen, etwaige spätere Vorschläge zur Änderung des Wahrnehmungsauftrags stillschweigend anzunehmen, soweit dies nach allgemeinen Grundsätzen rechtlich zulässig ist (vergleiche die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 10 VGG in Bundestagsdrucksache 18/7223, S. 75).“Abs. 30
Diese Ausführungen sind in verschiedener Hinsicht nicht nur ungewöhnlich, sondern bei näherer Betrachtung auch befremdlich:Abs. 31
Die vorgeschlagene Gesetzesänderung wird maßgeblich damit begründet, der Wortlaut des geltenden § 10 Satz 2 VGG biete „Spielraum für Auslegungen“, die über den mit der Regelung verfolgten Zweck hinausgingen. Es sei klarzustellen, „dass Wahrnehmungsverträge zwischen Rechtsinhabern und Verwertungsgesellschaften nicht in jedem Fall, sondern nur bei einer Einigung über die Wahrnehmung von Rechten an künftigen Werken den Anforderungen des § 126b BGB genügen müssen“. Der Wortlaut des § 10 Satz 2 VGG ist jedoch eindeutig: „Die Vereinbarung bedarf, auch soweit (sic!) Rechte an künftigen Werken eingeräumt werden, der Textform.“Abs. 32
Die Begründung des Regierungsentwurfs verschweigt auch, dass das Textformerfordernis in § 10 Satz 2 VGG auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zurückging, die den Regelungsvorschlag des damaligen Regierungsentwurfs ergänzte[28]. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 10 Satz 2 VGG ist es ausgeschlossen, dass die danach vorgeschriebene Textform nicht für jede Rechtseinräumung oder Rechtsübertragung (d.h. nicht für alle Verfügungen über Nutzungsrechte und gesetzliche Vergütungsansprüche) gelten sollte. Nach ihrem Wortlaut und Sinn bietet die Vorschrift des § 10 VGG keine Grundlage für die Behauptung des Regierungsentwurfs, mit § 10 Satz 2 VGG sei nur beabsichtigt gewesen, das Schriftformerfordernis des § 40 Abs. 1 Satz 1 UrhG für Verträge über künftige Werke bei Verträgen von Verwertungsgesellschaften mit Berechtigten durch das Textformerfordernis zu ersetzen.Abs. 33
Entgegen der Behauptung des Regierungsentwurfs lässt es § 10 VGG in seiner geltenden Fassung auch nicht zu, dass die Rechtsinhaber spätere Vorschläge zur Änderung ihres Wahrnehmungsauftrags lediglich stillschweigend annehmen. Wie dargelegt, findet sich für diese Behauptung nicht einmal ein Anhaltspunkt in den Gesetzesmaterialien zu § 10 VGG, aus denen sich die Begründung für die Einfügung des späteren § 10 Satz 2 VGG in das Gesetz ergibt[29]. Abs. 34
Nach dem Regierungsentwurf des BEG IV soll das Textformerfordernis des § 126b BGB trotz der beabsichtigten Streichung des § 10 Satz 2 VGG gemäß dem neu zu fassenden § 40 Abs. 1 Satz 2 UrhG-E weiterhin für Einigungen von Rechtsinhabern mit Verwertungsgesellschaften über die Wahrnehmung von Nutzungsrechten an künftigen Werken gelten. Dies hat zur Folge, dass Vereinbarungen von Verwertungsgesellschaften mit Rechtsinhabern über den Umfang der Einräumung von Nutzungsrechten auch nach Aufhebung des § 10 Satz 2 VGG praktisch durchweg die Textform einhalten müssten, weil sich Rechtseinräumungen und Rechtsübertragungen in den Wahrnehmungsverträgen grundsätzlich nicht nur auf die betreffenden Rechte an bereits geschaffenen Werken, sondern auch auf diese Rechte an künftigen Werken beziehen[30]. Abs. 35
Entgegen der Begründung des Regierungsentwurfs war dies auch in dem darin angeführten Fall des Landgerichts München I (Teil-Urt. v. 4.10.2021 – 42 O 13841/19) nicht anders[31]. Bei dieser Entscheidung ging es darum, ob die spätere Erweiterung des Rechteumfangs aller bestehenden Wahrnehmungsverträge der VG WORT auf Rechte an Sammelwerken wirksam ist. Zu diesen Rechten gehörten nicht nur gesetzliche Vergütungsansprüche, sondern auch Nutzungsrechte – und zwar auch Nutzungsrechte an künftigen Werken. Auch bei Geltung der vom Regierungsentwurf angestrebten Gesetzesänderung wäre eine solche Änderung der Wahrnehmungsverträge nur bei Wahrung der Textform wirksam gewesen.Abs. 36
Neben der unzutreffenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Fall des Landgerichts München I ist bemerkenswert, dass der Regierungsentwurf die vorgeschlagene Aufhebung des § 10 Satz 2 VGG maßgeblich damit begründet, dass das Landgericht München I in seiner Entscheidung eine Auslegung des § 10 VGG vertreten habe, die über den mit der Regelung verfolgten Zweck hinausgegangen sei. Dabei rügt die Begründung, das Landgericht München I habe es für erforderlich gehalten, dass jedes Änderungsvertragsangebot der Verwertungsgesellschaft individuell adressiert werde und dass der Rechtsinhaber seine Zustimmung ausdrücklich erteile. Die Begründung des Regierungsentwurfs übersieht jedoch, dass jedes Vertragsänderungsangebot einer Verwertungsgesellschaft als Willenserklärung gegenüber Abwesenden gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB erst wirksam werden kann, wenn es dem Rechtsinhaber zugeht. Dies setzt voraus, dass das Angebot individuell adressiert wird. Eine „ausdrückliche“ Zustimmung des Rechtsinhabers hat das Landgerichts München I entgegen der Darstellung des Regierungsentwurfs – mit näherer Begründung – gar nicht für notwendig gehalten[32]. Abs. 37
Die maßgebliche Begründung zu Art. 28 des Regierungsentwurfs mit einem konkret zitierten landgerichtlichen Teil-Urteil und mit einer fehlerhaften Kritik an dieser Entscheidung ist nicht nur als solche ungewöhnlich, sondern auch deshalb besonders auffällig, weil das landgerichtliche Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Das Revisionsverfahren ist derzeit beim Bundesgerichtshof anhängig (Gz. I ZR 135/23). Falls dies dem federführenden Bundesministerium der Justiz bekannt war, könnte daraus geschlossen werden, dass mit der Begründung der beabsichtigten Gesetzesänderung auch auf das schwebende Revisionsverfahren Einfluss genommen werden sollte. Dies wäre ein wohl einmaliger und sehr bedenklicher Vorgang.Abs. 38
Die Begründung des Regierungsentwurfs übergeht zudem die Rechtslage nach dem zwingenden Unionsrecht, das durch § 10 VGG umgesetzt wird. Auch nach Streichung des § 10 Satz 2 VGG wäre der verbliebene Satz 1 des § 10 VGG weiterhin richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 7 VG-RL ist jedoch – wie bereits dargelegt[33] – entgegen der Begründung des Regierungsentwurfs eine lediglich „stillschweigende“ (konkludente) Zustimmung des Rechtsinhabers zu einem Angebot der Verwertungsgesellschaft auf eine Einräumung oder Übertragung von Nutzungsrechten und gesetzlichen Vergütungsansprüchen ausgeschlossen. Nach Art. 5 Abs. 7 VG-RL muss „die Zustimmung“ des Rechtsinhabers dokumentiert werden. Die Dokumentation der Absendung eines Schreibens der Verwertungsgesellschaft an den individuell adressierten Rechtsinhaber und die Dokumentation des Zugangs dieses Schreibens könnten dazu nicht genügen. Zu dokumentieren wäre vielmehr auch der Inhalt einer „stillschweigenden“ Willenserklärung mit ihrem Bezug auf die einzelnen betroffenen Rechte samt den Umständen, aus denen die Abgabe dieser konkludenten Willenserklärung durch den Rechtsinhaber zu schließen ist, weiterhin der Zugang der Willenserklärung bei der Verwertungsgesellschaft, ohne den sie nicht wirksam sein kann (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies alles lässt sich im Massengeschäft der Verwertungsgesellschaften nicht umsetzen. Die Textform ist daher im Hinblick auf das Unionsrecht auch für die Einräumung weiterer Nutzungsrechte und die Übertragung weiterer gesetzlicher Vergütungsansprüche auf die Verwertungsgesellschaft unentbehrlich.Abs. 39

III. Zusammenfassung

Der Vorschlag in Art. 28 des Regierungsentwurfs eines Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV), im geltenden § 10 VGG das Erfordernis der Textform (§ 126b BGB) für die Zustimmung zur Rechtswahrnehmung zu streichen, ist mit dem vorrangigen Unionsrecht (Art. 5 Abs. 7 VG-RL) nicht vereinbar. Dieses verlangt, dass ein Rechtsinhaber, der eine Verwertungsgesellschaft mit der Wahrnehmung ihm zustehender Rechte beauftragt, „seine Zustimmung“ zur Rechtswahrnehmung tatsächlich erteilt. Zudem ist „die Zustimmung“ zu dokumentieren. Schon aus praktischen Gründen können die Verwertungsgesellschaften im Massengeschäft mit den Berechtigten diese Pflicht zur Dokumentation „der Zustimmung“ nicht ohne Einhaltung der Textform umsetzen. Die Textform ist auch nach Sinn und Zweck der von der Verwertungsgesellschaftenrichtlinie vorgeschriebenen Dokumentation der Zustimmung erforderlich. In verschiedenen Textfassungen fordert die Richtlinie sogar ausdrücklich die Schriftform.Abs. 40
In der Praxis der Verwertungsgesellschaften bliebe die Einhaltung der Textform auch bei Geltung des § 40 UrhG-E in der Fassung des Regierungsentwurfs in weitestem Umfang notwendig. Nach dieser Vorschrift soll die Textform auch in Zukunft für Verträge gelten, die Rechtsinhaber mit einer Verwertungsgesellschaft über die Einräumung von Nutzungsrechten an künftigen Werken schließen. Davon wären praktisch alle Änderungen von Wahrnehmungsverträgen zur Einräumung weiterer Nutzungsrechte betroffen, weil sich die Einräumung und die Übertragung von Rechten in den Wahrnehmungsverträgen grundsätzlich auch auf die Rechte an künftigen Werken beziehen. Für die Übertragung gesetzlicher Vergütungsansprüche würde die Textform dagegen entfallen – dies allerdings in Widerspruch zum Unionsrecht (Art. 5 Abs. 7 VG-RL).Abs. 41
Eine Fiktion der Zustimmung, wie sie in den Wahrnehmungsverträgen der GEMA, der VG WORT und der GVL auch für Vereinbarungen über die Einräumung bzw. Übertragung von Nutzungsrechten und gesetzlichen Vergütungsansprüchen auf die Verwertungsgesellschaft vorgesehen ist, widerspricht nach geltendem Recht der zwingenden Vorschrift des § 10 VGG. Sie wäre im Hinblick auf Art. 5 Abs. 7 VG-RL, der durch § 10 VGG umgesetzt wird, auch dann rechtswidrig, wenn gemäß dem Regierungsentwurf des BEG IV das Textformerfordernis des § 10 Satz 2 VGG aufgehoben würde. Die Ersetzung der tatsächlichen Zustimmung des Rechtsinhabers durch eine Zustimmungsfiktion wäre auch nach dem dann verbleibenden – richtlinienkonform auszulegenden – § 10 Satz 1 VGG ausgeschlossen.Abs. 42

Fußnoten:

[*] Dr. Joachim von Ungern-Sternberg ist Richter am BGH a. D., Freiburg i. Br.
[1] Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.2.2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt, Amtsblatt der Europäischen Union, L 084 v. 20.3.2014, S. 72).
(abrufbar: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX%3A32014L0026).
[2] Vgl. § 6 Buchst. a Berechtigungsvertrag der GEMA i.d.F. vom 10./11. Mai 2023 (abrufbar: www.gema.de):
„a) ….
Beschließt die Mitgliederversammlung in Zukunft Abänderungen oder Ergänzungen des Berechtigungsvertrages, die aus Gründen der kollektiven Rechtewahrnehmung für alle Berechtigten einheitlich gelten müssen, so gelten auch diese Abänderungen oder Ergänzungen als Bestandteil des Berechtigungsvertrages. Alle sonstigen Abänderungen oder Ergänzungen des Berechtigungsvertrages, insbesondere soweit sie den Umfang der von der GEMA wahrgenommenen Rechte betreffen, bedürfen der Zustimmung des Berechtigten. Abänderungen oder Ergänzungen des Berechtigungsvertrages sind dem Berechtigten schriftlich mitzuteilen. Soweit die Zustimmung des Berechtigten erforderlich ist, gilt diese als erteilt, wenn der Berechtigte der Abänderung oder Ergänzung nicht binnen drei Monaten seit Absendung der schriftlichen Mitteilung ausdrücklich schriftlich widerspricht; auf diese Rechtsfolge ist er in der Mitteilung hinzuweisen. Die schriftliche Mitteilung erfolgt in der auf die Mitgliederversammlung folgenden, an alle Mitglieder versandten Publikation „virtuos“, wobei auf dem Titelblatt in hervorgehobener Weise auf diese Mitteilung hingewiesen wird. …“
[3] Vgl. § 6 Abs. 2 Wahrnehmungsvertrag der VG WORT i.d.F. vom 10.12.2021 (abrufbar: www.vgwort.de):
„Beschließt die Mitgliederversammlung in Zukunft Änderungen oder Ergänzungen des Wahrnehmungsvertrages oder des Inkassoauftrages für das Ausland, so gelten diese als Bestandteil dieses Vertrages; dies gilt insbesondere auch für zur Zeit des Vertragsabschlusses noch nicht bekannte Nutzungsarten. Änderungen oder Ergänzungen sind dem Berechtigten in Textform mitzuteilen. Die Zustimmung des Berechtigten zur Änderung oder Ergänzung gilt als erteilt, wenn er nicht binnen sechs Wochen seit Absendung ausdrücklich widerspricht; auf diese Rechtsfolge ist er in der Mitteilung hinzuweisen.“
[4] Vgl. § 9 Abs. 2 Wahrnehmungsvertrag der GVL für ausübende Künstlerinnen und Künstler i.d.F. vom 23.11.2021 (abrufbar: www.gvl.de):
„Von der Gesellschafter- und Delegiertenversammlung beschlossene künftige Änderungen des Wahrnehmungsvertrages, beispielsweise hinsichtlich neuer Rechte oder neuer Nutzungsarten, werden Bestandteil dieses Vertrages, wenn sie dem Berechtigten in Textform mitgeteilt wurden und dieser zustimmt. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn der Berechtigte nicht binnen sechs Wochen seit Absendung der Mitteilung ausdrücklich widerspricht; auf diese Rechtsfolge ist er in der Mitteilung hinzuweisen.“
[5] Anders als die GEMA, die VG WORT und die GVL berücksichtigt die VG Bild-Kunst in § 8 ihres Wahrnehmungsvertrags für die Berufsgruppen I und II (Stand 12/2021, abrufbar: www.bildkunst.de) die Anforderungen des § 10 VGG wie folgt: „Bei Änderungen oder Ergänzungen der Rechtewahrnehmung (§ 1 bis § 5) bedarf die Zustimmung des Berechtigten der Textform.“
[6] Vgl. dazu näher v. Ungern-Sternberg JurPC Web-Dok. 33/2022 Abs. 52 ff.; ders. GRUR 2020, 923, 927 ff., jeweils m.w.N. In AGB kann zudem – auch im kaufmännischen Verkehr – nicht einschränkungslos fingiert werden, dass Schweigen als Zustimmung gilt (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.2021 – XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344 Rn. 21 ff. = NJW 2021, 2273).
[7] Regierungsentwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (Viertes Bürokratientlastungsgesetz) zu Art. 28 (Änderung des Verwertungsgesellschaftengesetzes), BR-Drucks. 129/24, S. 21, 118.
[8] AA die Stellungnahmen der GVL und der VG WORT gegenüber dem Bundesministerium der Justiz zum gleichlautenden Referentenentwurf eines Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (vgl. GVL, Schreiben vom 1.2.2024; VG WORT, Stellungnahme vom 2.2.2024; Referentenentwurf und Schreiben der GVL und der VG WORT jeweils abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2024_BEG_IV.html?nn=110490). Die Stellungnahmen der GVL und der VG WORT enthalten dazu wortgleich folgenden Satz:
„Keinesfalls sollte aber mit § 10 S. 2 VGG ausgeschlossen werden, dass Verwertungsgesellschaften und Berechtigte spätere Änderungen des Wahrnehmungsvertrages im Wege eines ‚Widerspruchsverfahrens’ stillschweigend vereinbaren.“
Beide Verwertungsgesellschaften setzen in ihren Stellungnahmen rechtsfehlerhaft eine Zustimmungsfiktion mit einer „stillschweigenden“ (konkludenten) Zustimmung gleich.
[9] Vgl. Reinbothe in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, Einl. VGG Rn. 30; ders. in Festschrift für Gernot Schulze, 2017, S. 283, 290.
[10] Demgegenüber hält Gerlach (in Wandtke/Bullinger, UrhR, 6. Aufl. 2022, VGG § 10 Rn. 1-3) – ohne Hinweis auf die Rechtslage nach dem Unionsrecht – nach deutschem Recht eine Zustimmungsfiktion und deren interne Dokumentation durch die Verwertungsgesellschaft für ausreichend.
[11] Ebenso die spanische Textfassung: „En los supuestos en que un titular de derechos autorice a una entidad de gestión colectiva a gestionar sus derechos, otorgará consentimiento explícito para cada derecho o categoría de derechos o tipo de obras y otras prestaciones que autorice a la entidad de gestión colectiva a gestionar. Todo consentimiento deberá constar por escrito.“
[12] Ebenso die niederländische und die spanische Textfassung: „Elke toestemming daartoe moet schriftelijk worden bewezen.“ bzw. „Todo consentimiento deberá constar por escrito."
[13] Vgl. EuGH, Urt. v. 21.3.2024 – C-10/22, Rn. 51 – LEA/Jamendo.
[14] Vgl. oben Fn. 2 bis 4.
[15] AA Vertreter von Verwertungsgesellschaften – ohne Hinweis auf die Rechtslage nach dem Unionsrecht: Staats/Melichar in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 53 Rn. 55; Gerlach in Wandtke/Bullinger, UrhR, 6. Aufl. 2022, VGG § 10 Rn. 1-3. Heine/Holzmüller (in Heine/Holzmüller, VGG, 2019, VGG § 10 Rn. 24) verweisen zwar auf den Erwgrd. 19 der VG-RL, setzen aber verfehlt eine „stillschweigende“ Zustimmung, von der dort die Rede ist, mit einer Zustimmungsfiktion gleich (ebenso Staats/Melichar a.a.O., Gerlach a.a.O. sowie die oben in Fn. 8 angeführten Stellungnahmen der GVL und der VG WORT zum Referentenentwurf eines Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes).
[16] Vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2017 – XII ZR 8/17, NJW 2018, 296 Rn. 21.
[17] Vgl. Regierungsentwurf des VG-Richtlinien-Umsetzungsgesetzes zu § 10 VGG-E, BT-Drucks. 18/7223, S. 15, 75.
[18] BGH, Urt. v. 17.10.2000 – X ZR 97/99, BGHZ 145, 343, 346 = NJW 2001, 289, 290; BGH, Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 96 = WuM 202, 2900, 423.
[19] Begründung des Regierungsentwurfs des VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes zu § 10 VGG-E, BT-Drucks. 18/7223, S. 75.
[20] Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/8268, S. 3, 10.
[21] Begründung des Regierungsentwurfs des BEG IV zu Art. 28, BR-Drucks. 129/24, S. 118; ebenso BeckOK UrhR/Freudenberg, 41. Ed. 15.2.2024, VGG § 10 Rn. 24; Staats/Melichar in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 3. Aufl. 2021, § 53 Rn. 55.
[22] Vgl. Reinbothe in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, VGG § 10 Rn. 6: „Damit ist gem. § 10 S. 2 für jede Wahrnehmungsvereinbarung iSv. § 10 S. 1 die Textform erforderlich. Die Vereinbarung muss also eine lesbare, auf einem Datenträger abgegebene Erklärung sein, die die Person des Erklärenden erkennen lässt.“
[23] Vgl. oben Abschnitt I. 1 Fn. 8 und 15.
[24] Vgl. dazu oben Abschnitt I. 1. m.w.N.
[25] Vgl. Heine/Holzmüller in Heine/Holzmüller, VGG, 2019, VGG § 10 Rn. 26; Reinbothe in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, VGG § 9 Rn. 17, § 10 Rn. 6; BeckOK UrhR/Freudenberg, 41. Ed. 15.2.2024, VGG § 10 Rn. 28; Raue in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, VGG § 10 Rn. 4.
[26] Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs des BEG IV zu Art. 28, BR-Drucks. 129/24, S. 21, 118.
[27] Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs des BEG IV zu Art. 27 Nr. 2, BR-Drucks. 129/24, S. 20, 117.
[28] Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/8268, S. 3, 10. Die Änderung wurde wie folgt begründet:
„Die Einfügung in § 10 bestimmt, dass für Vereinbarungen, mit denen Rechtsinhaber die Verwertungsgesellschaft mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragen (Wahrnehmungsverträge), abweichend von § 40 Absatz 1 Satz 1 des Urheberrechtsgesetzes auf das Schriftformerfordernis verzichtet werden kann. Es erscheint ausreichend, wenn für diese Vereinbarungen Textform im Sinne des § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gilt; dies dient – auch im Interesse der Rechtsinhaber – einer effizienteren Organisation der Geschäftsprozesse und der Kosteneinsparung bei der Verwertungsgesellschaft.“
[29] Selbst, wenn dies anders wäre, käme es nicht darauf an. Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren, die im Gesetz keinen Niederschlag gefunden haben, sind für die Auslegung des Gesetzes ohne Belang (vgl. BGH, Urt. v. 21.4,2016 – I ZR 198/13, BGHZ 210, 77 Rn. 69 = GRUR 2016, 596 – Verlegeranteil; BGH, Urt. v. 5.11.2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 30 = NJW 2020, 461).
[30] Vgl. § 1 Berechtigungsvertrag der GEMA i.d.F. vom 10./11. Mai 2023 (abrufbar: www.gema.de); § 2 Wahrnehmungsvertrag der VG WORT i.d.F. vom 10.12.2021 (abrufbar: www.vgwort.de); § 1 Wahrnehmungsvertrag der GVL für ausübende Künstlerinnen und Künstler vom i.d.F. vom 23.11.2021 (abrufbar: www.gvl.de).
[31] Vgl. Landgericht München I, Teil-Urt. v. 4.10.2021 – 42 O 13841/19, S. 45 ff. (als pdf abrufbar: JurPC Web-Dok. 137/2021 = https://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20210137) = GRUR-RS 2021, 28922 Rn. 155 ff. Zur Entscheidung des Landgerichts München I vgl. Flechsig GRUR-Prax 2021, 682; v. Ungern-Sternberg JurPC Web-Dok. 33/2022 Fn. 37 <abrufbar unter https://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20220033#fn51> jeweils m.w.N.; Berufungsurteil OLG München, Urt. v. 27.7.2023 – 29 U 7919/21, <abrufbar: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-GRURRS-B-2023-N-22410?hl=true> = GRUR-RS 2023, 22410 (Anm. Flechsig GRUR-Prax 2023, 570); Revisionsverfahren beim BGH anhängig (Gz. I ZR 135/23).
[32] Landgericht München I, Teil-Urt. v. 4.10.2021 – 42 O 13841/19, S. 47 (als pdf abrufbar: JurPC Web-Dok. 137/2021 = https://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20210137) = GRUR-RS 2021, 28922 Rn. 158.
[33] Vgl. oben Abschnitt I. 1.

[online seit: 24.04.2024]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: von Ungern-Sternberg, Joachim, Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtsübertragung auf Verwertungsgesellschaften nach § 10 VGG Änderungsvorhaben des Regierungsentwurfs des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes - JurPC-Web-Dok. 0061/2024