Ralf Winter *Buchrezension: Strömer, Online-Recht, 3. Aufl. 2002JurPC Web-Dok. 13/2003, Abs. 1 - 9 |
Tobias H. Strömer Online-Recht. Rechtsfragen im Internet. 2002 3., aktualisierte und erw. Aufl. 508 Seiten 46,00 (D) dpunkt-Verlag, Heidelberg ISBN 3-89864-146-5 |
1. Bereits in dritter, aktualisierter und erweiterter Auflage schreibt Tobias H. Strömer über ein Rechtsgebiet, "das es eigentlich gar nicht gibt" (S. 2), weil es "in einer Vielzahl verschiedener Gesetze geregelt" (S. 3) ist. Erklärt sich daraus einerseits das Bedürfnis nach einer Gesamtdarstellung des Online-Rechts, steht andererseits deren Autor vor dem Problem, die umfangreiche Materie sachgerecht zu präsentieren; denn Online-Recht ist mehr als der Streit um die (besseren) Rechte an einer Domain, auch wenn die Fülle einschlägiger Entscheidungen zuweilen ein anderes Bild vermittelt. | JurPC Web-Dok. 13/2003, Abs. 1 |
Entsprechend behandelt Strömer nicht nur das Domainrecht, sondern auch Probleme, die sich aus der Abgrenzung verschiedener Provider (u. a. Access-, Presence-, Content-Provider), deren Vertragsgestaltungen und Abrechnungen ergeben können; wie er auf sämtliche wichtige Fragen eingeht, die der Electronic Commerce oder die "Nutzung des Internets im Unternehmen"(1) aufwirft. Weitere Kapitel sind den "Rechtsfallen beim Internetauftritt" (z. B. im Zusammenhang mit der Impressumspflicht) und dem geistigen Eigentum im Internet gewidmet, während ein Abschnitt ausführlich zeigt, dass auch strafrechtliche Aspekte zu einer Darstellung des Online-Rechts gehören. Hier geht es insbesondere um pornografische Angebote und die Veranstaltung von Glücksspielen im Internet; allerdings wird die Problematik zu oberflächlich abgehandelt. In jeweils neuen Kapiteln widmet sich Strömer datenschutzrechtlichen Fragen, dem "Umgang mit Netzbetreibern" und "Verfahrensfragen". Das Werk runden ab eine Aufstellung wichtiger deutscher Urteile zum Online-Recht - deren Brauchbarkeit darunter leidet, dass zwar Leitsätze, aber keine Fundstellen angegeben sind - und der Abdruck wichtiger Regelungen (z. B. Statut der DENIC e. G.). | Abs. 2 |
2. Es versteht sich von selbst, dass angesichts einer dermaßen breit angelegten Darstellung nicht jedes Detail erschöpfend erörtert werden kann; gleichwohl wird manches zu kurz abgehandelt, auch wenn Strömers Ansatz "nicht das dogmatisch korrekte Einsortieren von rechtlichen Problemen in juristische Schubladen, sondern vielmehr das Aufzeigen praktisch gangbarer Wege" (S. 3) ist. | Abs. 3 |
So ist zwar zutreffend, dass alle Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund außerordentlich (fristlos) gekündigt werden können (vgl. S. 21, 22), doch spielt nach der - von Strömer an sich berücksichtigten - Schuldrechtsreform die Rechtsnatur des Vertrages eine wichtige Rolle. Während nämlich auf Dienstverträge die 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB Anwendung findet, gilt diese Frist für die außerordentliche Kündigung anderer Dauerschuldverhältnisse nicht (vgl. § 314 III BGB), auch nicht entsprechend(2). Diskussionswürdig ist gleichfalls, ob - wie Strömer meint (vgl. S. 369) - die Verjährung nach § 8 TKV nach wie vor erst mit dem Ende eines Kalenderjahres eintritt, nachdem der Verweis auf § 201 BGB a. F. nunmehr leer läuft und § 200 BGB n. F. den Verjährungsbeginn an die Entstehung des Anspruchs knüpft(3). | Abs. 4 |
Die exemplarische Aufzählung lässt sich fortsetzen: Strömers Hinweis etwa, das Rechtsberatungsgesetz verbiete "die Beantwortung konkreter Rechtsfragen [ ] über den Einzelfall hinaus" (S. 45) in Foren und Mailinglisten durch "Hobbyjuristen" (ebd.), greift mangels Problematisierung der Frage, wann eine geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vorliegt(4), zu kurz. Angesichts der umfangreichen Kasuistik(5) reicht die Erläuterung, Geschäftsmäßigkeit sei "die auf Widerholung angelegte Beratung" (ebd.) kaum aus. Auch die Ausführungen zum "kaufmännischen Bestätigungsschreiben" (S. 136) können nicht befriedigen, da Strömer nicht klar genug zwischen affirmativen und konstitutiven Bestätigungen trennt(6) und damit Anlass zu dem Missverständnis gibt, nur ein Kaufmann könne sich zu Beweiszwecken in einem Bestätigungsschreiben auf einen per e-Mail geschlossenen Vertrag beziehen. Offen bleibt schließlich, ob ein PC-Nutzer zur Installation von "Blockersoftware" gegen 0190-Dialer (vgl. S. 382) verpflichtet ist(7) - eine Forderung, die außer Acht lässt, dass diverse Autodialer in der Lage sind, Schutzprogramme zu umgehen oder sich gar z. B. als "Blockersoftware" zu tarnen(8). | Abs. 5 |
3. Angesichts dieser Schwächen fällt es zunächst schwer, hier eine Empfehlung auszusprechen. Nicht aus dem Blick geraten darf jedoch, dass das schwierige Unternehmen, das gesamte Online-Recht in einem Buch darzustellen, trotz der genannten Einschränkungen in weiten Teilen geglückt ist. Zu diesem Ergebnis muss man jedenfalls kommen, weil das Buch wohl nicht für thematisch versierte Juristen geschrieben wurde, sondern für juristische Laien und Rechtskundige, die sich in die komplexe Materie erst einfinden müssen: | Abs. 6 |
Diesem Personenkreis steht ein ansehnliches Kompendium zur Verfügung, das ebenso gelungen in die Terminologie des Online-Rechts und wichtige technische Abläufe - z. B. die Beantragung einer Domain - einführt, wie es auf eine Fülle von Fragen (erste) Antworten gibt. Zahlreiche Beispiele veranschaulichen auch anspruchsvolle Probleme, und es ist nur zu bedauern, dass Strömer nicht auch seine - viel zu knapp geratenen - Ausführungen zur inhaltlichen Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen im E-Commerce (vgl. S. 143) durch Beispiele aus der Praxis angereichert hat. Dies wäre sicherlich fruchtbarer gewesen als die lapidare Feststellung, dass nicht alle wirksam in einen Vertrag einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen auch einer Inhaltskontrolle standhalten. | Abs. 7 |
Maßgeblich für die vorliegende Publikation streitet darüber hinaus ihre Aktualität. Der Autor setzt sich z. B. mit den Anfang Februar 2002 durch den Düsseldorfer Regierungspräsidenten erlassenen Sperrungsverfügungen(9) auseinander und weist auf den Beschluss des BVerfG vom 09.10.2001(10) sowie auf die Konsequenzen hin, die das "Heininger"-Urteil des EuGH(11) für das Fernabsatzrecht haben könnte. Auch wenn man nicht Strömers Ansicht teilt, dass ein "Internet-Jahr" einem Kalendervierteljahr entspricht (vgl. S. 1), ist dieses Maß an Aktualität eine beachtliche Leistung. Sie macht das Buch ebenso lesenswert wie viele interessante Hintergrundinformationen; etwa die, dass "Spam" für "spiced pork and ham" steht und - daher die Assoziation zu massenhafter e-Mail-Werbung - in einem Sketch von Monty Python's Flying Circus ca. 120 Mal vorkommt. | Abs. 8 |
4. Resümierend kann die Neuauflage des hier rezensierten Werks einzig Juristen, für die Online-Recht Alltag ist, nicht empfohlen werden. Wer sich allerdings, sei er nun Jurist oder nicht, einen ersten Überblick über die umfangreiche Thematik verschaffen will, ist mit dem Band gut beraten. Er sollte allerdings bereit sein, für immerhin 46,00 Euro zahlreiche Rechtschreib- und Flüchtigkeitsfehler sowie die ärgerliche Tatsache zu akzeptieren, dass Fußnotentexte vielfach nicht auf der richtigen Seite stehen.
| JurPC Web-Dok. 13/2003, Abs. 9 |
Fußnoten:(1) Siehe zu dieser Thematik z. B. LAG Hessen, Urt. v. 13.12.2001 - 5 Sa 987/01, JurPC Web-Dok. 359/2002 http://www.jurpc.de/rechtspr/20020359.htm; ArbG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2001 - 8 BV 633/00, JurPC Web-Dok. 297/2002 http://www.jurpc.de/rechtspr/20020297.htm.(2) Heinrichs, in: Palandt, SMG. Ergänzungsband zu BGB 61. Aufl., 2002, § 314 Rn. 10. (3) Vgl. Sedlmeier/Kolk, MMR 2002, 71 (74). (4) Vgl. ausführlich Redaktion, JurPC Web-Dok. 63/2000, Abs. 7 ff. http://www.jurpc.de/aufsatz/20000063.htm. (5) Nachweise bei Rennen/Caliebe, RBerG, Art. 1 § 1 Rn. 56 ff. (6) Zur Terminologie siehe K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 19 III 3 (S. 571). (7) Bejahend AG München, Urt. v. 04.09.2001 - 155 C 14416/01, NJW 2002, 2960 (Ls.); AG Wiesbaden, Urt. v. 29.08.2000 - 92 C 1328/00; verneinend AG Freiburg, Urt. v. 11.06.2002 - 11 C 4381/02, JurPC Web-Dok. 305/2002 http://www.jurpc.de/rechtspr/20020305.htm. (8) Vgl. die heise online-Meldung vom 19.02.2002, http://www.heise.de/newsticker/data/pab-19.02.02-000. (9) Siehe dazu die heise online-Meldung vom 13.11.2002, http://www.heise.de/newsticker/data/jk-13.11.02-000. (10) BVerfG, Beschl. v. 09.10.2001 - 1 BvR 622/01 "Schuldnerspiegel im Internet", MMR 2002, 89; vgl. dazu OLG Rostock, Urt. vom 21.03.2001 - 2 U 55/00, JurPC Web-Dok. 170/2001 http://www.jurpc.de/rechtspr/20010170.htm. (11) EuGH, Urt. v. 13.12.2001 - Rs C-481/99, NJW 2002, 281. |
* Ralf Winter studiert an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn Rechtswissenschaften und bereitet sich zur Zeit auf das erste juristische Staatsexamen vor. Neben den juristischen Pflichtfächern gilt sein Hauptinteresse dem Telekommunikations- und Onlinerecht. |
[online seit: 24.02.2003] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Winter, Ralf, Buchrezension: Strömer, Online-Recht, 3. Aufl. 2002 - JurPC-Web-Dok. 0013/2003 |