JurPC Web-Dok. 64/2024 - DOI 10.7328/jurpcb202439465

LG Koblenz

Urteil vom 27.02.2024

11 O 12/23

Keine Bestätigung durch ein Telefonat des Verbrauchers nach erfolgter Kündigung eines online zustande gekommenen Vertrages

JurPC Web-Dok. 64/2024, Abs. 1 - 28


Leitsätze (der Redaktion):

1.Der Maßstab zulässiger Authentifizierungsmaßnahmen ist bei Online-Verbraucherverträgen im Einzelfall zu beurteilen. Aufgrund der Umstände des Einzelfalls ist vorliegend eine telefonische Bestätigung durch den Verbraucher unzulässig. Nach § 312k Abs. 2 S. 3 Nr. 1 b) BGB muss die Bestätigungsseite es dem Verbraucher ermöglichen, Angaben zu seiner eindeutigen Identifizierbarkeit zu machen.

2. Soweit ein weitergehendes Interesse an einer Authentifizierung geltend gemacht wird, wäre dies vorrangig durch eine Bestätigung über den von dem Verbraucher gewählten Kommunikationskanal zu erreichen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein an den Verbraucher unter der von ihm hinterlegten E-Mail-Adresse gesendeter Bestätigungslink zur Identifizierung weniger geeignet wäre als ein Telefonat.

Tatbestand:

Die Beklagte bietet, auch gegenüber Verbrauchern, den Abschluss von Dienstleistungsverträgen über Dauerschuldverhältnisse unter anderem zur Bereitstellung von Webspeicherplatz, E-Mail-Postfächern und Servern an.Abs. 1
Der Kläger begehrt von der Beklagten es zu unterlassen, dass die Beklagte auf eine online erklärte Kündigung gegenüber Verbrauchern behauptet, dass zur Wirksamkeit der Kündigung noch ein Telefonat mit der Beklagten erforderlich sei.Abs. 2
Ein Kunde der Beklagten der Zeuge H., welcher seinen Vertrag mit der Beklagten als Verbraucher unterhielt, hat seinen Vertrag mit der Beklagten per Internet gekündigt. Er hat daraufhin von der Beklagten Mitteilungen erhalten, er möge seine Kündigung binnen 14 Tagen telefonisch bestätigen, ansonsten bleibe das Vertragsverhältnis unverändert bestehen.Abs. 3
Der Kläger behauptet, im Fall eines Anrufs nach der Kündigung werde seitens der BeklagtenAbs. 4
- mittels rhetorischer Kunstfertigkeit oder durch Anbieten anderer Vertragskonditionen - versucht, den Verbraucher zu überzeugen, von seinem Kündigungswillen Abstand zu nehmen.Abs. 5
Der Kläger ist der Ansicht, die Mitteilung der Beklagten gegenüber Verbrauchern nach einer Kündigung, es müsse eine Rückbestätigung erfolgen, stelle eine unlautere geschäftliche Handlung dar. Sie enthalte unwahre Angaben über Rechte des Verbrauchers.Abs. 6
Der Kläger beantragt,Abs. 7
der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft zu vollstrecken an den Mitgliedern der Geschäftsführung, zu untersagen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern diesen nach einer der Beklagten zugegangenen Kündigungserklärung eines Dienstleistungsvertrages in Form eines Dauerschuldverhältnisses mitzuteilen, die telefonische Bestätigung der erklärten Kündigung sei erforderlich, wie in der Anlage K1 und K2 abgebildet.Abs. 8
Die Beklagte beantragt,Abs. 9
die Klage abzuweisen.Abs. 10
Sie trägt vor, zur fraglichen Zeit habe sie neben der Kündigungsmöglichkeit über den Kündigungsbutton gem. § 312 k BGB als weitere Kündigungsmöglichkeit eine Kündigungsvormerkung angeboten. Es sei unklar, und werde vom Kläger nicht dargelegt, ob der Kunde vom Kündigungsbutton oder von der Kündigungsvormerkung Gebrauch gemacht habe. Es sei auch zu unterscheiden zwischen einer Kündigung über die Verwalteroberfläche eines eingeloggten Nutzers und der Kündigung nach § 312 k BGB, welche keine Anmeldung im Kundenportal erfordere. Zu alledem sei von Klägerseite nicht ausreichend vorgetragen.Abs. 11
Die Beklagte ist der Ansicht, ohne die telefonische Rückbestätigung der Kündigung bestünde das Risiko, dass unberechtigte Dritte den Vertrag eines Kunden kündigen könnten. Auch für den Fall einer Kündigung nach § 312k BGB sei es für die Beklagte erforderlich, sich davon zu überzeugen, dass die Kündigung auch vom Erklärenden stammt. Dabei biete ein fernmündliches Gespräch ein Mehr an Sicherheit verglichen etwa mit einem Bestätigungslink innerhalb einer E-Mail. Es finde keine Irreführung des Verbrauchers statt. Außerdem werde eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers nicht beeinflusst.Abs. 12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.Abs. 13

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.Abs. 14
Der Unterlassungsanspruch des Klägers folgt aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG.Abs. 15
Er ist als Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet, aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 4 UKlaG.Abs. 16
Ungeachtet der Ausführungen der Beklagten zu Kündigungsvormerkung und zu Kündigungsmöglichkeiten vor log-in und nach log-in ist unstreitig, dass der vom Kläger benannte Zeuge Kunde der Beklagten war und seinen Vertrag gekündigt hat. Das ergibt sich auch aus den Anlagen K1 und K2 in denen der Verbraucher aufgefordert wird, die Kündigung binnen zwei Wochen zu bestätigen, und nicht etwa eine Kündigung erst auszusprechen. Dass der Verbraucher diese Erklärungen durch die Beklagte erhalten hat, ist ebenfalls unstreitig und ergibt sich in Bezug auf die Anlage K2 daraus, dass diese an V. H. gerichtet ist. In Bezug auf die Anlage K1 spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Ausdruck der Internetseite zum Zeitpunkt der Abgabe der Kündigung handelt, oder um einen Ausdruck der Vertragsstatus- Oberfläche im Kundeportal, die erst nach der Kündigung aufgerufen wurde, denn in beiden Fällen wird der Verbraucher zu Bestätigung der Kündigung aufgefordert.Abs. 17
Das Vorgehen der Beklagten, nach Zugang einer Kündigung eines Verbrauchers bei ihr, den Verbraucher aufzufordern, seine Kündigung innerhalb von 14 Tagen telefonisch zu bestätigen, stellt eine geschäftliche Handlung dar. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung im Sinne des UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt. Dazu gehören auch Verhaltensweisen, die auf eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung oder das Verhindern einer Geschäftsbeendigung gerichtet sind (BeckOK UWG/Alexander, 22. Ed. 1.10.2023, UWG § 2 Rn. 93). Dies ist vorliegend der Fall. Die genannte Aufforderung der Beklagten enthält die Mitteilung, das Vertragsverhältnis bleibe bestehen, sofern eine telefonische Bestätigung der Kündigung binnen 14 Tagen nicht erfolge.Abs. 18
Die geschäftliche Handlung der Beklagten ist gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig, da sie gemäß § 5 Abs. 1 UWG unlauter ist. Danach handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, § 5 Abs. 1 UWG.Abs. 19
Die geschäftliche Handlung der Beklagten ist irreführend. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält. Erfasst werden auch irreführende Angaben über deren Inhalt, Umfang und Dauer sowie etwaige Voraussetzungen für die Geltendmachung bestimmter Rechte, zu denen auch Kündigungsrechte zählen (Harte- Bavendamm/Henning-Bodewig/Weidert, 5. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1263-1264). Die Angabe der Beklagten, eine Kündigung ihr zugegangene Kündigung müsse telefonisch bestätigt werden, ist unwahr.Abs. 20
Zwar kann es bei Abgabe einer Kündigung über den sog. Kündigungsbutton nach § 312k BGB zur Vermeidung von Missbrauch zulässig und ggf. sogar geboten sein, Verbraucher im Anschluss an die Abgabe der Kündigungserklärung um eine Bestätigung zu bitten (Sümmermann/Ewald: Das Gesetz für faire Verbraucherverträge, MMR 2022, 713, 717).Abs. 21
Allerdings ist dabei der Maßstab zulässiger Authentifizierungsmaßnahmen im Einzelfall zu beurteilen (Sümmermann/Ewald: Das Gesetz für faire Verbraucherverträge, MMR 2022, 713, 718). Aufgrund der Umstände des Einzelfalls ist eine telefonische Bestätigung durch den Verbraucher unzulässig. Nach § 312k Abs. 2 S. 3 Nr. 1 b) BGB muss die Bestätigungsseite es dem Verbraucher ermöglichen, Angaben zu seiner eindeutigen Identifizierbarkeit zu machen. Die Beklagte setzt diese Vorgabe um, indem Angaben zu Vornamen, Nachnamen, der bei ihr hinterlegten E-Mail-Adresse, der Kundennummer und der Vertragsnummer des Verbrauchers abgefragt werden. Insbesondere die Kunden- und Vertragsnummer sind - anders als Name und Adresse - nicht öffentlich oder einem größeren Personenkreis zugänglich. Ihre Angabe schränkt die Missbrauchsgefahr einer Kündigung durch unbefugte Dritte unter dem Namen des Vertragspartners schon für sich genommen in ausreichendem Maß ein (so auch BeckOK BGB/Maume, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 312k Rn. 26).Abs. 22
Soweit die Beklagte darüber hinaus ein weitergehendes Interesse an einer Authentifizierung geltend macht, wäre dies im Übrigen vorrangig durch eine Bestätigung über den von dem Verbraucher gewählten Kommunikationskanal zu erreichen (BeckOK BGB/Maume, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 312k Rn. 36). Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein an den Verbraucher unter der von ihm hinterlegten E-Mail-Adresse gesendeter Bestätigungslink zur Identifizierung weniger geeignet wäre als ein Telefonat. Auch während eines Telefonats ist es der Beklagten nicht möglich, sich umfassende Gewissheit über die wahre Person ihres Gesprächspartners zu verschaffen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es einem unbefugten Dritten, der sich Zugang zu der Kundennummer, der Vertragsnummer und dem E-Mail-Konto des wahren Vertragspartners verschafft hat, auch gelänge, in einem Telefonat über seine Identität zu täuschen.Abs. 23
Die geschäftliche Handlung der Beklagten ist ferner geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Entscheidung liegt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor bei jeder Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden. Die Beklagte stellt den Verbraucher nach Zugang seiner Kündigung vor die Wahl, seine Kündigung nicht telefonisch zu bestätigen, und in der Folge das Vertragsverhältnis fortzusetzen, oder innerhalb von 14 Tagen telefonisch Kontakt zu der Beklagten aufzunehmen. Es wird dadurch eine zusätzliche Entscheidung des Verbrauchers verlangt, ob er an der Ausübung seines Kündigungsrechts festhalten will. Dass sich die Entscheidung des Verbrauchers - zumindest für den Fall, dass er sich zum Tätigwerden entschließt - in einer Willenserklärung äußern müsste, setzt § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nicht voraus (BeckOK UWG/Alexander, 22. Ed. 1.10.2023, UWG § 2 Rn. 22). Ohne die irreführende Aufforderung der Beklagten würde der Verbraucher weder die eine noch die andere Entscheidung treffen.Abs. 24
Eine Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 UWG ergibt sich aus der von der Beklagten eingeräumten, derzeitigen Vorgehensweise nach Zugang einer Kündigung über den Kündigungsbutton nach § 312k BGB.Abs. 25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.Abs. 26
BeschlussAbs. 27
Der Streitwert wird auf 22.000,00 € festgesetzt.Abs. 28

(online seit: 23.04.2024)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Koblenz, LG, Keine Bestätigung durch ein Telefonat des Verbrauchers nach erfolgter Kündigung eines online zustande gekommenen Vertrages - JurPC-Web-Dok. 0064/2024