JurPC Web-Dok. 63/2023 - DOI 10.7328/jurpcb202338563

OVG Sachsen-Anhalt

Beschluss vom 20.03.2023

3 L 108/22.Z

Ordnungsgemäße Antragstellung auf Informationszugang

JurPC Web-Dok. 63/2023, Abs. 1 - 26


Leitsätze:

1. Zur Frage, welche Angaben zur Identitätsfeststellung des Antragstellers bei einem Antrag auf Informationszugang erforderlich sind.

2. Ein Erfordernis, sich mit einem Antrag auf Informationszugang an die Behördenleitung zu wenden, gibt es nicht. Der Antrag kann auch an einen einzelnen Mitarbeiter der Behörde gerichtet sein.

3. Zur Frage, welche Angaben zum Auffinden der Information für einen Antrag auf Informationszugang erforderlich sind.

4. Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

Gründe:

I. Das Verfahren wird entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit der Rechtsstreit gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO in der Hauptsache erledigt ist. Der Kläger hat den Rechtsstreit hinsichtlich des Begehrens, Einsicht in Unterlagen und gespeicherte Daten über seinen Sohn R. zu gewähren, für in der Hauptsache erledigt erklärt. Dieser Erledigungserklärung hat der Beklagte nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widersprochen. Der Kläger wurde auf die Folge der Erledigung hingewiesen.Abs. 1
II. Die Feststellung der teilweisen Unwirksamkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Halle erfolgt gemäß § 173 Satz 1 i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 ZPO.Abs. 2
III. Im Übrigen bleibt der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung ohne Erfolg.Abs. 3
Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der vom Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zuzulassen.Abs. 4
„Ernstliche Zweifel“ i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2017 - 2 BvR 2615/14 - juris Rn. 19 m.w.N.). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und unter anderem konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 - juris Rn. 3 m.w.N.). Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 13. März 2019 - 13 LA 160/18 - juris Rn. 9; VGH BW, Beschluss vom 11. Februar 2019 - 12 S 2789/18 - juris Rn. 3). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Die Zweifel müssen sich vielmehr zugleich auf das Ergebnis der angegriffenen Entscheidung, also die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel beziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 - juris Rn. 9; BayVGH, Beschluss vom 19. Oktober 2018 - 8 ZB 18.1235 - juris Rn. 9).Abs. 5
Hieran gemessen begründen die mit der Zulassungsschrift erhobenen Einwände keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.Abs. 6
1. Der Beklagte meint, die Klage sei unzulässig. Er sei nicht untätig gewesen, da ein wirksamer Antrag (auf Informationszugang) nicht vorgelegen habe. Die erforderlichen Angaben zur Person (Name, ladungsfähige Anschrift) hätten gefehlt. Der Kläger habe seine Wohnadresse nicht angegeben. Es sei ihm als Adressaten der Anfrage nicht zuzumuten, zur Klärung der Identität auf andere bei ihm vorhandene Daten zurückzugreifen. Die verwendete E-Mail-Adresse sei ihm ebenfalls nicht bekannt gewesen. Die damals zuständige Personalreferentin im Referat … habe zwar aufgrund ihrer Dienststellung auf die Personalakte des Klägers und damit auf dessen Adresse zurückgreifen können, die anderen vom Kläger benannten Personen jedoch nicht. Die Angabe einer ladungsfähigen Adresse sei erforderlich gewesen, um ihn zu identifizieren und ihm eine Antwort zukommen zu lassen. Es gehöre zu einer verlässlichen Grundlage eines Behördenhandelns, dass der Antragsteller diese Daten offenbare. Bei einem schriftlichen Antrag gehöre dies dazu, bei einem mündlichen Antrag oder einem Antrag zur Niederschrift werde die Anschrift auf Nachfrage oder durch Vorlage eines Ausweises angegeben.Abs. 7
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klage abweichend von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Untätigkeitsklage zulässig sei, da der Beklagte über das Informationsgesuch des Klägers nicht abschließend entschieden habe, ohne dass hierfür ein zureichender Grund ersichtlich vom Beklagten geltend gemacht worden sei (§ 75 Satz 1 VwGO). Daran bestehen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten keine begründeten Zweifel.Abs. 8
Geht man davon aus, dass zu einer ordnungsgemäßen Antragstellung auf Informationszugang die Offenlegung der Identität des Antragstellers erforderlich ist (vgl. hierzu aber einschränkend: OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2022 - 16 A 857/21 - juris Rn. 119 und Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 14 zu § 7 IFG), ergibt sich aus dem Vorbringen des Beklagten nicht, dass die Identität des Klägers aufgrund mangelnder Angaben im Antrag nicht geklärt war. Der Beklagte räumt ein, dass die Personalreferentin Frau W., an die sich die Anfrage gerichtet hat, auf die Adresse des Klägers zurückgreifen konnte. Aus der E-Mail der Referatsleiterin an Frau W. vom 19. September 2019 ergibt sich, dass auch die Referatsleiterin wusste, welche Person den Antrag gestellt hat. Warum gleichwohl die Identität des Klägers ohne weitere Angaben nicht geklärt sein könnte oder aus welchen Vorschriften sich die Pflicht ergeben sollte, trotz geklärter Identität die genaue Adresse anzugeben, führt der Beklagte nicht aus. Es bestanden auch keine Schwierigkeiten, dem Kläger eine Antwort zukommen zu lassen. Hierfür konnte der Beklagte ohne weiteres die E-Mail-Adresse verwenden, die in der E-Mail des Beklagten vom 11. September 2019 auch für eine Zwischennachricht an den Kläger genutzt wurde. Unabhängig davon spricht viel dafür, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger zur Vervollständigung eines seines Erachtens unvollständigen Antrags aufzufordern und mangels einer solchen Aufforderung ein zureichender Grund für das Absehen von einer Entscheidung nicht vorlag (vgl. hierzu: Porsch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 43. EL August 2022, § 75 Rn. 5).Abs. 9
2. Weiter trägt der Beklagte vor: Der Antrag sei bei der Behördenleitung zu stellen und nicht bei einem einzelnen Mitarbeiter mit dem Hinweis, das Begehren sei an weitere Personen weiterzuleiten, wenn nicht nur Auskunft über die bei dem jeweiligen Mitarbeiter vorhandenen personenbezogenen Daten begehrt werde. Nur so sei die Behördenleitung in der Lage, das Begehren zu koordinieren und ggf. die Auskunft zu erteilen. Andernfalls könnten mehrere Personen Auskünfte über dieselben personenbezogenen Daten erteilen. Der Kläger sei über dieses Erfordernis auch informiert worden.Abs. 10
Auch aus diesen Ausführungen ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Aus § 1 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 22 VwVfG folgt, dass ein Antrag bei der „Behörde“ zu stellen ist. Ist die Behörde unzuständig, hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob der Antrag an die zuständige Behörde weiterzuleiten ist (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 22 Rn. 45). An der Zuständigkeit des Beklagten bestehen indes keine Zweifel. Ein Erfordernis, sich mit einem Antrag an die Behördenleitung zu wenden, gibt es nicht. Sofern die angesprochene Stelle nicht oder nicht allein zuständig sein sollte, kann der Antrag an die Behördenleitung oder - wie es auch geschehen ist - an andere zuständige Stellen weitergeleitet werden. Warum eine solche Koordination im Rahmen der behördeninternen Organisation auf Schwierigkeiten stoßen sollte, ist nicht ersichtlich.Abs. 11
3. Auch das Vorbringen, der Antrag müsse postalisch an die Behörde gerichtet sein, und nicht an einen einzelnen Mitarbeiter, dessen E-Mail-Adresse zufälligerweise bekannt geworden sei, weil nur so gewährleistet sei, dass die Behördenleitung von diesem Antrag Kenntnis erlange und an die zuständige Stelle weiterleiten könne, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der Antrag schriftlich, mündlich oder „auf andere Weise“, also auch per E-Mail, gestellt werden könne, hierzu auf entsprechende Rechtsansichten in der Literatur verwiesen und darauf hingewiesen, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften kein Schriftformerfordernis für die Antragstellung vorsähen, so dass die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 VwVfG nicht erfüllt sein müssten. Damit setzt sich der Beklagte nicht auseinander. Wie bereits ausgeführt, gibt es auch keine Verpflichtung, sich mit einem Antrag an die Behördenleitung zu wenden. Die Behördenleitung kann - wenn sie es wünscht - durch entsprechende behördeninterne Dienstanweisungen sicherstellen, dass Anträge, die bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingehen, stets an sie weitergeleitet werden.Abs. 12
4. Soweit der Beklagte vorträgt, es handele sich nicht um einen Antrag auf Auskunft über amtliche Informationen gemäß § 2 Nr. 1 IZG LSA, sondern um konkrete personenbezogenen Daten bzw. konkrete Verwaltungsrechtsverhältnisse, so dass die Regelungen des Landesbeamtengesetzes zur Einsichtnahme in die Personalakte bzw. die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung gemäß § 1 Abs. 3 IZG LSA vorgingen, wird er den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat als Rechtsgrundlage für die Auskunftsansprüche hinsichtlich des Klägers nicht nur das Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt, sondern auch § 87 Abs. 1 und 2 LBG LSA herangezogen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt, warum der Anwendungsbereich des Informationszugangsgesetzes nicht gemäß § 1 Abs. 3 IZG LSA durch § 87 LBG LSA und durch Art. 15 DS-GVO verdrängt werde (S. 6 f. der Urteilsabschrift). Damit setzt sich der Beklagte nicht auseinander.Abs. 13
5. Auch soweit der Beklagte meint, der Auskunftsanspruch greife nicht durch, weil der Kläger keine näheren Angaben zum Auffinden der Information gemacht habe, hat er ernstliche Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung nicht hinreichend dargelegt. Der Beklagte trägt vor, dass die Regelungen des Informationszugangsgesetzes nicht zu einer Umgehung der Vorschriften des Datenschutzrechts führen dürften, und beruft sich dabei auf Art. 15 DSGVO und § 11 Abs. 2 Satz 3 DSAG LSA. Auch in diesem Zusammenhang setzt sich der Beklagte nicht näher mit der Ansicht des Verwaltungsgerichts auseinander, dass das Informationszugangsrecht nach dem Informationszugangsgesetz nicht durch Art. 15 DS-GVO verdrängt werde. Auch das Verwaltungsgericht ist - bei Anwendung des Informationszugangsgesetzes - der Auffassung, dass der Antrag auf Auskunft hinsichtlich der begehrten Informationen hinreichend bestimmt sein muss (vgl. hierzu auch Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 23). Das Verwaltungsgericht ist aber unter Berufung auf entsprechende Rechtsprechung (OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2019 - 15 A 769/18 - juris Rn. 11) davon ausgegangen, dass vom Antragsteller nicht stets verlangt werden könne, die Unterlagen, auf die sich sein Informationsbegehren beziehe, im Einzelnen genau zu bezeichnen, wenn die Einsicht in bisher unbekannte Unterlagen begehrt werde. Eine solche Bezeichnung sei dem Antragsteller regelmäßig ohne eigene Kenntnis des Akteninhalts nicht möglich. Es reiche in derartigen Fallgestaltungen aus, wenn der Antragsteller sein Auskunftsbegehren im Rahmen des ihn Möglichen umschreibe (vgl. hierzu auch Schoch, a.a.O. zum IFG und BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 2005 - 7 C 5.04 - juris Rn. 17 und vom 23. Februar 2017 - 7 C 31.15 - juris Rn. 26 jeweils zum UIG). Dem kann der Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass es bei ihm keine „Geheimverfahren“ gebe und der Kläger konkrete Verwaltungsverfahren benennen könne, an denen er beteiligt worden sei. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass außerhalb der konkreten Vorgänge, über die der Kläger Kenntnis hat, Unterlagen und Daten über ihn existieren. Der Beklagte trägt selbst nicht vor, dass er den Kläger stets über sämtliche Vorgänge und Daten informiert hat, die ihn betreffen.Abs. 14
Der Beklagte hat auch nicht hinreichend dargelegt, warum er auf der Grundlage datenschutzrechtlicher Vorschriften zu einer Verweigerung der erbetenen Auskünfte berechtigt sein sollte. Die vom Beklagten zitierte Regelung des Art. 15 DSGVO begründet ein Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten und sieht eine Ausnahme des Auskunftsrechts aufgrund mangelnder Angaben zum Auffinden der erbetenen Unterlagen nicht ausdrücklich vor. Nach Erwägungsgrund 63 Satz 7 DSGVO soll der Verantwortliche, an den sich das Auskunftsbegehren richtet, eine Präzisierung des Auskunftsbegehrens verlangen können, wenn er eine große Menge von Informationen über die betreffende Person verarbeitet. Zu diesen Voraussetzungen hat der Beklagte nichts vorgetragen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 1. Alt. DSAG LSA unterbleibt zwar die Erteilung einer Auskunft, wenn die betroffene Person keine Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen. Aber auch bei Anwendung dieser Vorschrift ist zu beachten, dass mit Blick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Einschränkungen des Informationsrechts nur zulässig sind, wenn sie gegenläufigen Interessen von größerem Gewicht dienen. Grundsätzlich kann die Sicherung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung staatlicher Stellen eine Einschränkung des Auskunftsrechts rechtfertigen. Ob im Einzelfall eine Auskunftserteilung ausgeschlossen werden darf oder nicht, richtet sich insbesondere nach der Bedeutung des Auskunftsrechts für die Grundrechte des Betroffenen, nach dem Gewicht der jeweiligen behördlichen Aufgabe und nach den Auswirkungen einer Auskunft auf die Aufgabenerfüllung (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 1 KR 13/12 R - juris Rn. 21 zu § 83 Abs. 2 Satz 2 SGB X).Abs. 15
Dass unter diesen Voraussetzungen die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Auskunftsbegehren sei hinreichend bestimmt, fehlerhaft sei und ein Grund vorliege, die Auskunft zu verweigern, ergibt sich aus dem Vorbringen des Beklagten nicht. Der Beklagte behauptet, dass der Aufwand für die Erteilung der erbetenen Auskünfte „zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebs“ führen würde, ohne diese Annahme näher zu belegen. So beschreibt der Beklagte zwar, dass bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nachgefragt werden müsse, ob bei ihnen Verwaltungsverfahren mit Beteiligung des Klägers durchgeführt worden seien, und weist auf Wechsel der Zuständigkeiten und das Ausscheiden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hin. Warum dies zu einem Aufwand führen würde, der mit der ungehinderten Fortführung des Dienstbetriebs nicht zu vereinbaren wäre, bleibt jedoch unklar. Der Beklagte führt nicht aus, welche Maßnahmen die betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchführen müssten, welcher Zeitaufwand damit verbunden wäre und welche anderen Aufgaben aufgrund des Aufwands nicht erledigt werden könnten. Soweit der Beklagte meint, es dürfte nicht im Interesse des Klägers liegen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragt werden, die bislang nicht mit seinen Angelegenheiten befasst gewesen seien, handelt es sich um eine reine Spekulation. Der Kläger wird sich darüber bewusst sein, dass mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Beklagten sein Auskunftsbegehren zu bearbeiten haben, zumal er in der E-Mail vom 11. September 2019 bei der Beschreibung der „insbesondere“ zu berücksichtigenden Vorgänge von mehreren Personen und diesen „jeweils zugeordneten Abteilungen“ spricht. Sollte der Beklagte Zweifel haben, dass der Kläger aufgrund der Notwendigkeit, eine größere Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Angelegenheit zu befassen, an seinem umfassenden Auskunftsbegehren festhalten will, hätte er den Kläger befragen können, ob er sein Begehren auf Vorgänge in bestimmten Referaten beschränkt.Abs. 16
6. Soweit sich der Beklagte gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, er, der Beklagte, habe sich „hierzu“ nicht geäußert, spricht er damit offenbar die Aussage des Gerichts an, dass der Beklagte nichts zu Ausschlussgründen, insbesondere im Hinblick auf Geheimhaltungsinteressen Dritter, vorgetragen und sich inhaltlich nicht mit dem Anspruch des Klägers auseinandergesetzt habe (S. 7 f. der Urteilsabschrift). Der Beklagte trägt in diesem Zusammenhang vor, er habe stets die Auffassung vertreten, dass die Klage unzulässig sei, weil die Voraussetzungen des § 75 VwGO nicht erfüllt seien. Er habe einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt, da er aufgrund der gerichtlichen Anfrage davon ausgegangen sei, dass das Gericht dies nicht anders sehe. Der in der gerichtlichen Verfügung vom 14. Februar 2022 geäußerten Auffassung, dass die Klage zulässig sei, sei er entgegengetreten. Das Verwaltungsgericht hätte nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, weil es den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und mit den Beteiligten erörtert habe.Abs. 17
Damit macht der Beklagte in der Sache Verfahrensmängel geltend. Werden ernstliche Zweifel aus einem Verfahrensfehler hergeleitet, wird ein Zulassungsgrund nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird; entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Oktober 2015 - 15 ZB 14.2115 - juris Rn. 19; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Rudisile, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 124 Rn. 26g).Abs. 18
a) Ohne Erfolg rügt der Beklagte, das Verwaltungsgericht habe nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO waren erfüllt. Die Beteiligten - auch der Beklagte mit seinem Schriftsatz vom 11. Januar 2022 - haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Soweit der Beklagte meint, er sei bei Abgabe seiner Erklärung davon ausgegangen, dass das Gericht seiner Auffassung folgen würde, dass die Klage mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 75 VwGO unzulässig sei, ist dies für die Wirksamkeit der Prozesserklärung unerheblich.Abs. 19
b) Der Verzicht auf mündliche Verhandlung war auch nicht verbraucht, weil das Verwaltungsgericht nach Abgabe der Verzichtserklärung mit der Verfügung vom 14. Februar 2022 auf einige Gesichtspunkte hingewiesen hat und in der Verfügung von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen ist. Als grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung gilt das Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO bis zur nächsten Entscheidung des Gerichts und wird nicht bereits durch eine Änderung der Prozesslage verbraucht (BVerwG, Beschluss vom 1. September 2020 - 4 B 12.20 - juris Rn. 11). Es steht jedoch im Ermessen des Gerichts, ob es trotz wirksamen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang dafür einzustehen, dass trotz der unterbleibenden mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird. Danach kann etwa die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung erforderlich sein, wenn ein Beteiligter geltend macht, eine wesentliche Änderung der Prozesslage erfordere unter dem Gesichtspunkt seines rechtlichen Gehörs deren Durchführung. Ein solcher Fall lag jedoch nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat in der Verfügung vom 14. Februar 2022 Hinweise erteilt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese Gelegenheit hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. April 2022 wahrgenommen, ohne dass er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erbeten oder zum Sachverhalt weiter vorgetragen hat. Auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs kann sich nicht berufen, wer die im konkreten Fall gegebenen prozessualen und faktischen Möglichkeiten nicht genutzt hat, sich Gehör zu verschaffen. Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2023 - 9 A 1246/21 - juris Rn. 32). Daran fehlt es hier.Abs. 20
c) Soweit der Beklagte mit seinem Vorbringen, er habe damit gerechnet, dass das Verwaltungsgericht seiner Auffassung zur Unzulässigkeit der Klage folgen werde, zum Ausdruck bringen will, das Gericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, hat er auch damit keine Verletzung rechtlichen Gehörs dargelegt. Von einem unzulässigen Überraschungsurteil ist auszugehen, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2018 - 4 BN 41.17 - juris Rn. 19 m.w.N.; Beschluss des Senats vom 12. Januar 2023 - 3 L 60/22 juris Rn. 17). Hiervon kann keine Rede sein. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 75 VwGO erfüllt sind, war bereits Gegenstand der Klageschrift vom 23. Dezember 2019. Das Verwaltungsgericht hat - auch in der Anfrage vom 22. Dezember 2022 - nichts geäußert, was darauf hindeuten könnte, dass es der im Schriftsatz vom 24. März 2020 dargestellten Auffassung des Beklagten zur Zulässigkeit der Klage folgen würde. Das Gericht konnte auch nicht davon ausgehen, dass sich der Beklagte vorbehalten hat, noch etwas zur Sache vorzutragen. Bereits in dem Schriftsatz vom 24. März 2020 hat der Beklagte (auch) zur Begründetheit der Klage vorgetragen. Zudem hat das Gericht in der Verfügung vom 14. Februar 2022 ausführlich seine vorläufige Rechtsauffassung dargestellt, die nicht von derjenigen des Urteils abweicht. Der Beklagte hatte - wie bereits ausgeführt - Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen und insbesondere darauf hinzuwirken, dass das Gericht trotz des Verzichts der Beteiligten eine mündliche Verhandlung durchführt.Abs. 21
d) Auch ein zulassungsbegründender Verstoß gegen den Aufklärungsgrundsatz liegt nicht vor. Die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 16. Mai 2019 - 2 L 20/17 - juris Rn. 15). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Beklagten nicht gerecht. Der Beklagte trägt schon nicht vor, welche Aufklärungsmaßnahmen das Verwaltungsgericht hätte ergreifen müssen, um (weitere) Feststellungen zu den im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Ausschlussgründen treffen zu können.Abs. 22
7. Aus dem Vorbringen des Beklagten, der Kläger habe zu den personenbezogenen Daten, die im Rahmen der automatischen Datenverarbeitung gespeichert und verarbeitet worden seien, bereits Auskunft erhalten und außerdem am 4. September 2019 seine Personalakte eingesehen, so dass ein Teil des Auskunftsbegehrens bereits erledigt gewesen sei, ergeben sich ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Beklagte erläutert nicht näher, welche Annahmen des Verwaltungsgerichts aufgrund der vorgetragenen Umstände seines Erachtens fehlerhaft gewesen sein sollen. Mit dem Begriff der „Erledigung“ will der Beklagte offenbar zum Ausdruck bringen, dass dem Kläger für seine Klage teilweise, soweit er bereits Auskünfte erhalten habe, das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Allerdings ist bereits das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Informationen, die der Kläger bereits erhalten hat, nicht von dem Klagebegehren umfasst sind. So hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger ein Recht auf Einsicht „in seine vollständige Personalakte, hier ab dem Stand 04. September 2019“ habe. Entsprechend hat der Kläger in der E-Mail vom 11. September 2019 auch seinen Antrag formuliert. Der Urteilstenor enthält zwar keine Einschränkungen im Hinblick auf bereits erteilte Auskünfte. Allerdings hätte eine teilweise Ablehnung des Auskunftsanspruchs und - damit verbunden - eine teilweise Klageabweisung auch die Teilbarkeit vorausgesetzt (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 439). Zur Frage, ob und wie die dem Kläger bereits übermittelten Daten und Unterlagen von den weiteren Daten und Unterlagen abzugrenzen sind, macht der Beklagte keine näheren Angaben. Soweit der Beklagte ausführt, dass der Kläger bereits Auskunft zu den personenbezogenen Daten erhalten habe, die im Rahmen der automatischen Datenverarbeitung gespeichert und verarbeitet worden seien, ist nicht ersichtlich, welchen Stand die dem Kläger erteilte Auskunft aufweist. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Herausnahme bzw. das Ausfiltern bereits erteilter Unterlagen oder Daten für den Beklagten nicht mit einem Mehraufwand verbunden wäre, der wenig Sinn macht, wenn es keinen sachlichen Grund dafür gibt, dem Kläger die - schon einmal erteilte - Auskunft vorzuenthalten. Entsprechendes gilt auch für etwaige Teilung der Personalakte in Vorgänge vor und nach dem 4. September 2019.Abs. 23
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist und das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingestellt wurde, hat der Beklagte nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) die Kosten des Verfahrens - in beiden Instanzen - zu tragen, weil der Zulassungsantrag vor dem erledigenden Ereignis - dem Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes des Klägers R. - keinen Erfolg gehabt hätte und das Urteil daher rechtskräftig geworden wäre, wenn der Senat zuvor über den Antrag entschieden hätte. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Die Einwände des Beklagten unterscheiden im Wesentlichen nicht hinsichtlich der Person, über die der Kläger Auskünfte begehrt hat. Speziell auf den Auskunftsanspruch hinsichtlich des Sohnes R. geht der Beklagte nur im letzten Abschnitt seines Schriftsatzes vom 22. November 2022 ein. Auch mit diesen Einwänden hat der Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht dargelegt. Soweit der Beklagte vorträgt, dass es bei ihm eine Datenbank gemäß § 84c SchulG LSA nicht gebe und die in § 84a Abs. 10 SchulG LSA vorausgesetzten Daten nicht vorhanden seien, weil es sich üblicherweise um in der Schülerakte von der Schule angelegte Daten handele, schließt dies nicht aus, dass beim Beklagten andere Daten oder (nicht automatisiert gespeicherte) Unterlagen über den Sohn des Klägers R. vorhanden waren. Das Auskunftsbegehren wäre schon aus diesem Grund nicht leergelaufen. Es kann daher für die insoweit allein noch offene Kostenentscheidung dahinstehen, ob sich das Auskunftsbegehren hinsichtlich des Sohnes des Klägers R. auf Daten und Unterlagen erstreckt hat, die (nur) bei der Schule vorhanden waren, und ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, auch hierüber Auskunft zu erteilen.Abs. 24
III. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 40, 47, 52 Abs. 2 GKG. Der Antrag auf Zulassung der Berufung betraf nur noch Auskünfte über den Kläger und über dessen Sohn R.. Der Senat geht - wie das Verwaltungsgericht - davon aus, dass für jede Person, über die Auskünfte begehrt werden, der Auffangstreitwert von 5.000 € anzusetzen ist.Abs. 25
IV. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).Abs. 26

(online seit: 09.05.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: OVG Sachsen-Anhalt, Ordnungsgemäße Antragstellung auf Informationszugang - JurPC-Web-Dok. 0063/2023