JurPC Web-Dok. 57/2023 - DOI 10.7328/jurpcb202338557

OLG Zweibrücken

Beschluss vom 27.12.2022

2 W 14/22

Streitwert bei Wiederherstellung eines Beitrags auf einer Socialmedia-Plattform

JurPC Web-Dok. 57/2023, Abs. 1 - 12


Leitsatz:

Soll im einstweiligen Rechtsschutz der Beitrag eines Nachrichtenportals auf einer Socialmedia-Plattform wiederhergestellt werden, die fast 100.000 „follower“ erreichen kann, steht ein Eingriff in die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit von erheblichem Gewicht im Raum, der einen Streitwert von 7.500,00 € rechtfertigt (hier: Anspruch auf Wiederherstellung einer Persiflage, die sich mit Fragen des Ukraine-Krieges befasst).

Tenor:Abs. 1
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Festsetzung des Streitwertes im Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 8. September 2022 in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 12. November 2022 - Az.: 2 O 103/22 - wird zurückgewiesen.Abs. 2
2. Der Streitwert wird in Abänderung der letzten Streitwertfestsetzung erster Instanz auf insgesamt 10.000,00 € (Verfügungsantrag Ziffer 1: 7.500,-- € und Verfügungsantrag Ziffer 2: 2.500,-- €) festgesetzt.Abs. 3
Die Streitwertbeschwerde ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere nach § 68 Abs.1 Satz 1 GKG statthaft. Die im Anschluss an die Beschlussverfügung vom 27. April 2022 vorgenommene Streitwertfestsetzung stellt trotz des damals noch laufenden Verfahrens nach Widerspruchseinlegung eine anfechtbare Streitwertentscheidung nach § 63 Abs. 2 GKG dar (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 15. Mai 2018, 20 W 54/18).Abs. 4
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil das Landgericht den Verfahrenswert, der sich vorliegend nach § 53 Abs. Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO richtet, nicht zu hoch, sondern zu gering bemessen hat, wobei die Streitwertbeschwerde kein Verschlechterungsverbot kennt (anstatt vieler Laube in BeckOK, 39. Edition § 68 GKG Rn. 161).Abs. 5
a. Für den unter Ziffer 1 der Antragsschrift begehrten Antrag auf Wiederherstellung des gelöschten Beitrages erscheint ein Gegenstandswert von 7.500,00 € angemessen. Richtet sich der Rechtsschutzantrag - wie hier - gegen Löschung eines Internetbeitrages, kommt es für die Wertbemessung auf die Schwere des geltend gemachten Eingriffs in die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit an (Zöller-Herget, 34. Auflage, § 3 ZPO Rn. 16.100). In Fällen, in denen die Löschung nur eine einzige kurze (aus ein bis zwei Sätzen bestehende) Äußerung auf einer Internet-Plattform betrifft, erachtet der Bundesgerichtshof regelmäßig nur einen Streitwert von 500,00 € für angemessen (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2021, III ZR 172/20 Rn. 12). Die nach diesen Maßstäben zu bewertenden Umstände des Einzelfalles rechtfertigen es vorliegend, einen Streitwert von 7.500,00 € in Ansatz zu bringen, weil der im hiesigen Verfahren geltend gemachte Eingriff in die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit von einem weitaus höherem Gewicht ist.Abs. 6
aa. Der Antragsteller ist Herausgeber eines Nachrichtenportals, das nach eigenen Angaben täglich „an die 150.000 Leser“ erreichen soll. Schon deshalb ist der Fall nicht vergleichbar mit dem bloßen „Post“ einer Privatperson, der sich an einen überschaubaren Adressatenkreis richtet.Abs. 7
bb. Der in Streit stehende Beitrag wurde von den ehemaligen Tagesschau-Redakteuren (….) abgefasst, die sich im Wege einer umfangreichen Persiflage mit den Fragen des Umgangs der Medien mit dem Ukraine-Konflikt, der Schuld am Kriegsausbruch und der Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine befassen. Der Text ist offensichtlich darauf ausgerichtet, einen möglichst breiten Adressatenkreis zu erreichen und auf die Meinungsbildung einer großen Anzahl von Personen Einfluss zu nehmen - dies in einem Themenkreis, der die Nachrichtenlage zum Veröffentlichungszeitpunkt beherrschte.Abs. 8
cc. Da sich die Antragstellerin nach eigenen Angaben auch und vor allem der Kommunikation über das von der Antragsgegnerin betriebene Netzwerk „…“ bedienen, bei der sie nach eigenen Angaben über fast 100.000 „follower“ verfügen, steht durchaus ein Eingriff in die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit von erheblichem Gewicht im Raum.Abs. 9
dd. Auch wenn im Eilverfahren regelmäßig nur ein Bruchteil (regelmäßig die Hälfte) des Hauptsachewertes in Ansatz zu bringen ist (Zöller, aaO Rn. 16.63) erscheint die Festsetzung eines Wertes von 7.500,00 € der Höhe nach angemessen.Abs. 10
b. Der unter Ziff. 2 der Antragsschrift gestellte Antrag, mit dem der Antragsteller die Aufhebung des dort näher beschriebenen Warnhinweises im Wege der einstweiligen Verfügung begehrt, ist ein Wert von 2.500,00 € in Ansatz zu bringen. Dabei hat der Senat das Interesse des Antragstellers an der Beseitigung des Warnhinweises gewürdigt und den im Eilverfahren gebotenen hälftigen Abschlag vorgenommen.Abs. 11
3. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.Abs. 12

(online seit: 02.05.2023)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Zweibrücken, OLG, Streitwert bei Wiederherstellung eines Beitrags auf einer Socialmedia-Plattform - JurPC-Web-Dok. 0057/2023