LG Hamburg |
UWG § 1 |
Leitsätze (der Redaktion) |
1. Als Mitstörer bei unverlangt zugesandter Fax-Werbung über 0190-Nummern ist jeder anzusehen, von dem ernstlich zu befürchten ist, dass er an der wettbewerbswidrigen Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten willentlich und adäquat kausal mitwirkt, vorausgesetzt, dass der als Mitstörer in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit besaß, die Handlung zu verhindern. Für die Mitstörereigenschaft ist es weder erforderlich, dass der als Mitstörer in Anspruch Genommene in einem Wettbewerbsverhältnis zum Anspruchsteller steht, noch dass ihn ein Verschulden trifft. 2. Als Mitstörer haftet demnach, wer dem Werbungstreibenden einen 0190-Nummernblock zur Nutzung überlässt und trotz zwischenzeitlich erlangter Kenntnis darüber, dass der Kunde diesen Nummernblock in wettbewerbswidriger Weise beworben hat, zunächst keine Abmahnung ausspricht bzw. eine nachfolgende Sperrung dieses Nummernblocks bewirkt. |
Tatbestand |
Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch. | JurPC Web-Dok. 208/2003, Abs. 1 |
Der Antragsteller ist selbstständiger Rechtsanwalt in Hamburg und unterhält unter der Rufnummer 040- .. einen Telefax-Anschluss, der seiner geschäftlichen Korrespondenz dient. | Abs. 2 |
Die Antragsgegnerin ist Anbieterin von so genannten Mehrwertdienste-Rufnummern (Anlage ASt 1). Die D. T. AG hat unter anderem den Rufnummernblock 0190-826 348 xxx an die Antragsgegnerin vergeben (Anlage ASt 2). | Abs. 3 |
Am 3. März 2003 wurde das als Anlage ASt 3 zur Akte gereichte Telefax-Schreiben "VERBRAUCHER o Kurier - Gut informiert. TOP Informationen zu Finanzen, Recht und Gesundheit" unaufgefordert an eine Vielzahl von Telefax-Anschlüssen in der Bundesrepublik Deutschland -so auch an den o.g. Telefaxanschluss der Kanzlei des Antragstellers- übersandt. Darin wurde er aufgefordert verschiedene Informationen per Abruftelefax über diverse Telefonnummern aus dem Nummernblock 0190-826 348 xxx abzurufen. Eine Geschäftsbeziehung oder einen sonstigen Kontakt zum Anbieter der beworbenen Informationen hatte der Antragsteller ebenso wenig wie ein Interesse an den angebotenen Informationen (Anlage ASt 4). | Abs. 4 |
Mit Schreiben vom 7. März 2003 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und forderte sie zur Abgabe einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf (Anlage ASt 5). Einen Tag später lagen der Antragsgegnerin zwei weitere Beschwerden wegen unverlangt zugesandter Telefaxwerbung vor. Mit Antwortschreiben vom 10. März 2003 nahm die Antragsgegnerin zur Abmahnung des Antragstellers Stellung. Sie führte u.a. aus: | Abs. 5 |
| Abs. 6 |
Die verlangte Unterlassungsverpflichtungserklärung wurde jedoch nicht abgegeben. | Abs. 7 |
Nachfolgend erwirkte der Antragsteller mit Antrag vom 11. März 2003 die vorliegende einstweilige Beschlussverfügung des Landgerichts Hamburg vom 13. März 2003, mit welcher der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde,
| Abs. 8 |
Diese Beschlussverfügung wurde der Antragsgegnerin am 19. März 2003 zugestellt. | Abs. 9 |
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrem Widerspruch vom 4. April 2003 gegen die Beschlussverfügung der Kammer vom 13. März 2003. | Abs. 10 |
Die Antragsgegnerin hat unstreitig gestellt, dass die streitgegenständliche unerbetene Werbung per Telefax wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG ist. Im Hinblick auf den Inhalt des Werbefaxes hat sie nicht in Abrede gestellt, dass ein Wettbewerbsverhältnis besteht. | Abs. 11 |
Sie ist jedoch der Ansicht, dass sie nicht als Störer im wettbewerblichen Sinne anzusehen sei. | Abs. 12 |
Die Antragsgegnerin trägt vor, sie habe den Nummernblock 0190-826 348 xxx der polnischen Firma "Serwis Komputerowy, M... P...., ul. Wielunska 11 K..., PL - 98300 Wielun" mit Vertrag vom 3. Februar 2003 zur Nutzung überlassen (Anlage AG 1). Grundlage dieses Vertrages seien gemäß § 1 Abs. 2 des Vertrages auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin sowie der Verhaltenskodex für Telefonmehrwertdienste (Anlagen AG 2 und AG 3) gewesen. Die Antragsgegnerin trägt weiter vor, sie habe sich mit Schreiben vom 11. März 2003 an ihren Kunden in Polen gewandt. Darin habe sie u.a. ausgeführt:
| Abs. 13 |
Mit weiterem Schreiben vom 19. März 2003 habe sie sich dann erneut an ihren Kunden in Polen gewandt. In diesem Schreiben habe sie u.a. ausgeführt:
| Abs. 14 |
Der Kunde habe jedoch nicht reagiert. Nachdem sie, die Antragsgegnerin von dritter Seite eine weitere Abmahnung wegen unerlaubter Telefax-Werbung erhalten habe, habe sie schließlich mit Schreiben vom 26. März 2003 den Vertrag mit ihrem Kunden zum 31. März 2003 gekündigt (Anlage AG 6). | Abs. 15 |
Die Antragsgegnerin bestreitet, dass das streitgegenständliche Telefax (Anlage ASt 3) über einen Anschluss versandt worden sei, den die Antragsgegnerin ihrem Kunden zur Verfügung gestellt habe. Daher scheide sie als unmittelbarer Störer aus. | Abs. 16 |
Auch eine Haftung als mittelbarer Störer scheide aus, weil sie alles Erforderliche und Zumutbare getan habe, etwaige wettbewerbswidrige Handlungen zu vermeiden. Vor Zugang des ersten Abmahnschreibens habe sie weder die rechtliche, noch die tatsächliche Möglichkeit gehabt, die vom Antragsteller gerügte wettbewerbswidrige Handlung zu verhindern. Mit der Einbeziehung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Verhaltenskodexes für Telefonmehrwertdienste (Anlagen AG 2 und AG 3) in das Vertragsverhältnis (Anlage AG 1) habe sie das Notwendige getan, um etwaigen Verstößen vorzubeugen. | Abs. 17 |
Die Antragsgegnerin beantragt,
| Abs. 18 |
Der Antragsteller beantragt,
| Abs. 19 |
Der Antragsteller meint, es sei davon auszugehen, dass die Untervermietung der Rufnummern durch die Antragsgegnerin nur zum Schein erfolgt sei, um einer Haftung zu entgehen. | Abs. 20 |
Der Antragsteller bestreitet, dass überhaupt eine Firma Serwis Komputerowy M... P... in Wielun (Polen) existiere (Anlagen ASt 7 und ASt 8), und dass die Antragsgegnerin und die angebliche Firma Serwis Komputerowy M... P... den als Anlage AG 1 vorgelegten Vertrag mit Rechtsbindungswillen abgeschlossen hätten. | Abs. 21 |
Weiter bestreitet er, dass die Antragsgegnerin die vorgelegten Schreiben vom 11. März 2003 (Anlage AG 4), 19. März 2003 (Anlage AG 5) und 26. März 2003 (Anlage AG 6) überhaupt an die Firma Serwis Komputerowy M... P... abgesandt habe, und dass die Antragsgegnerin die angebliche Geschäftsbeziehung durch Ausspruch der Abmahnungen bzw. Kündigung habe beenden wollen. | Abs. 22 |
Die Antragsgegnerin sperre die jeweiligen Rufnummernblocks nicht tatsächlich, sondern übertrage sie lediglich auf Schwesterunternehmen. Hinsichtlich dieser Rufnummernblocks würde dann auch weiterhin wettbewerbswidrig, nämlich mit unverlangten Faxzusendungen, geworben (Anlagen ASt 9 bis ASt 14). | Abs. 23 |
Er ist der Ansicht, die Antragsgegnerin hafte zumindest als mittelbare Störerin. | Abs. 24 |
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 13. Mai 2003 verwiesen. | Abs. 25 |
Entscheidungsgründe |
Der Widerspruch der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet. | Abs. 26 |
I. Der Antragsteller kann die Antragsgegnerin gemäß § 1 UWG darauf in Anspruch nehmen, dass sie es unterlässt, sich an unerbetener Faxwerbung zu beteiligen. Dass die unerbetene Werbung per Telefax als solche wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG ist, zieht auch die Antragsgegnerin nicht in Zweifel. Eine derartig unerbetene Faxwerbung hat vorliegend unstreitig stattgefunden. | Abs. 27 |
Der Antragsteller ist zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert. Es besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Antragsteller als Rechtsanwalt und dem Vertreiber der beworbenen Informationsdienste, da beide Seiten in gewissen Grenzen substituierbare Informationsleistungen auf rechtlichem Gebiet anbieten. | Abs. 28 |
Die Antragsgegnerin haftet jedenfalls als Mitstörer für die in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße. Als Mitstörer ist jeder anzusehen, von dem ernstlich zu befürchten ist, dass er an der wettbewerbswidrigen Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten willentlich und adäquat kausal mitwirkt, vorausgesetzt, dass der als Mitstörer in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit besaß, die Handlung zu verhindern. Für die Mitstörereigenschaft ist es weder erforderlich, dass der als Mitstörer in Anspruch Genommene in einem Wettbewerbsverhältnis zum Anspruchsteller steht, noch dass ihn ein Verschulden trifft. | Abs. 29 |
Die Antragsgegnerin hat jedenfalls an der Aufrechterhaltung der hier streitgegenständlichen unerlaubten Faxwerbung willentlich und adäquat kausal mitgewirkt, denn sie hat dem Werbungstreibenden den Nummernblock 0190-826 348 xxx zur Nutzung überlassen und trotz zwischenzeitlich erlangter Kenntnis darüber, dass ihr Kunde diesen Nummernblock in wettbewerbswidriger Weise beworben hat, zunächst keine Abmahnung ausgesprochen bzw. eine nachfolgende Sperrung dieses Nummernblock bewirkt. | Abs. 30 |
Die Antragsgegnerin hatte auch die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, die Fortsetzung derartiger Wettbewerbsverstöße zu unterbinden. Sie hat hierzu selbst vorgetragen, dass entsprechende Vereinbarungen in dem Nutzungsüberlassungsvertrag enthalten seien. Unabhängig davon ist dieser Vertrag als Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund kündbar, wenn die überlassenen Rufnummern fortgesetzt im Zusammenhang mit Wettbewerbsverstößen der vorliegenden Art verwendet werden. | Abs. 31 |
Die Antragsgegnerin haftet daher als Mitstörer für die vorliegende unerlaubte Faxwerbung, ohne dass es darauf ankäme, ob die Antragsgegnerin ein Verschulden an der streitgegenständlichen Werbung trifft. Wie die Kammer bereits in der Sache 312 O 443/02 ausgeführt hat, ist in dem hier in Rede stehenden Bereich der 0190-Rufnummern kein Grund dafür ersichtlich, von der verschuldensunabhängigen Mitstörerhaftung für derartige Wettbewerbsverstöße Ausnahmen vorzusehen. Es würde die Intensivierung der am Markt bereits anzutreffenden weitreichenden missbräuchlichen Verwendung derartiger Rufnummern geradezu herausfordern, würde man es dem Inhaber derartiger Rufnummern gestatten, die rechtliche Verantwortung für deren Nutzung auf für die Rechtsverfolgung häufig nicht oder nur schwer erreichbare Dritte abzuwälzen, denen er die Rufnummern überlässt. | Abs. 32 |
Die Antragsgegnerin ist mithin bereits nach den allgemeinen wettbewerbs-rechtlichen Grundsätzen als (Mit-)Störerin anzusehen. Für die Unterlassung von Wettbewerbsverstößen haften regelmäßig all diejenigen, die in irgendeiner Weise an dem Verstoß mitgewirkt haben, wobei als Mitwirkung ausreicht, dass es einem Dritten rechtlich möglich und zumutbar war, die Handlung zu verhindern (vgl. Baumbach/Hefermehl, 21. Auflage, Einl UWG Rn. 325 ff. m.w.N.). | Abs. 33 |
Unstreitig war der Antragsgegnerin bereits vor Einreichung des Verfügungsantrages bekannt geworden, dass in wettbewerbswidriger Weise für die von ihr vergebenen Rufnummern geworben wurde. Sie war daher grundsätzlich gehalten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten diese wettbewerbswidrige Bewerbung zu verhindern. | Abs. 34 |
Die Sperrung der rechtsverletzend beworbenen Nummern der Antragsgegnerin war auch zumutbar und technisch möglich. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegnerin eine kurzfristige Sperrung des Nummernblocks technisch nicht möglich gewesen wäre, bestehen nicht. Weiter zeigt der weitere Vortrag der Antragsgegnerin, dass diese auch juristisch in der Lage war, den zu ihrem Kunden bestehenden Vertrag nach entsprechender Abmahnung gemäß § 4 Abs. 2 des Vertrages (Anlage AG 1) kurzfristig im Wege der Kündigung zu lösen. | Abs. 35 |
Die behauptete Kündigung des Rufnummern-Blocks 0190-826 348 xxx war jedoch nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr auszuräumen, denn die Antragsgegnerin hatte an denselben Kunden noch weitere Rufnummernblocks vergeben. Insoweit besteht die Wiederholungsgefahr fort. | Abs. 36 |
Diese rechtliche Bewertung steht auch im Einklang mit der speziellen Regelung des § 13 a Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) in Verbindung mit § 41 Telekommunikationsgesetz (TKG). | Abs. 37 |
Der Antragsgegnerin war -auch nach ihrem eigenen Sachvortrag- bereits bei der Beantwortung der Abmahnung bekannt, dass ihr Kunde wiederholt und schwerwiegend gegen § 1 UWG verstoßen hatte. Deshalb hätte sie umgehend gegen ihren Kunden vorgehen müssen, und zwar zunächst im Wege der Abmahnung und, wenn dies -wie hier- nicht zum Erfolg führt, durch kurzfristige Sperrung der verwendeten Abrufnummer und der weiteren an diesen Kunden vergebenen Rufnummern. | Abs. 38 |
Die Antragsgegnerin kann sich demgegenüber auch nicht auf § 9 Abs. 1 TDG berufen. Zum einen ist bereits fraglich, ob das TDG im vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist (vgl. OLG Stuttgart, MMR 2002, 746 ff. -Verantwortlichkeit von Resellern; Spindler, Das Gesetz zum elektronischen Geschäftsverkehr - Verantwortlichkeit der Diensteanbieter und Herkunftslandprinzip, NJW 2002, 921 ff.). Sollte dies der Fall sein, wäre jedoch auch § 8 Abs. 2 S. 2 TDG einschlägig, was zu einer Haftung der Antragsgegnerin nach den allgemeinen Vorschriften führt. | Abs. 39 |
II. Da die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch unterliegt, fallen ihr auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zur Last. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist mit Rücksicht auf die Natur des Eilverfahrens entbehrlich. | JurPC Web-Dok. 208/2003, Abs. 40 |
Anmerkung der Redaktion: Auf die vorliegende Entscheidung hat uns freundlicherweise Herr Rechtsanwalt Raoul F. Sandner, Hamburg, aufmerksam gemacht (Homepage: http://www.vokat.de). |
[online seit: 18.08.2003] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Hamburg, LG, Störereigenschaft bei 0190-Fax-Spam - JurPC-Web-Dok. 0208/2003 |