LG Leipzig |
BGB § 12 |
Leitsatz (der Redaktion) |
Die Gemeinde Waldheim hat keinen Anspruch auf Untersagung des Gebrauchs der Domain "waldheim.de" gegen ein privates Veranstaltungshaus gleichen Namens, das die Domain zuerst hat registrieren lassen, da es insoweit beim Grundsatz der Priorität der Registrierung bleibt und ein höher zu bewertendes Interesse der Gemeinde am Gebrauch der Domain nicht gegeben ist. |
Tatbestand |
Die Parteien streiten um den Gebrauch einer Internet-Domain. | JurPC Web-Dok. 6/2002, Abs. 1 |
Die Klägerin ist eine über 800 Jahre alte Stadt im Zentrum Sachsens mit ca. 10.000 Einwohnern. Die Beklagte, gegründet um 1930, ist ein Veranstaltungshaus mit Hotel und Biergarten. | Abs. 2 |
Seit 1996 benutzt die Beklagte im Internet die Domain "...", wobei als Inhaber dieser Domain selbst von 1996 bis zum 24.05.2000 Herr ... und seit dem 24.05.2000 die Beklagte selbst eingetragen war. Am 08.03.2000 erfuhr die Klägerin im Rahmen der Anmeldung dieser Internet-Domain davon, dass diese bereits von der Beklagten besetzt war. Unter dem 28.03.2000 forderte daraufhin die Klägerin Herrn ... und am 12.09.2000 die Be klagte auf, die Domain freizugeben. | Abs. 3 |
Die Klägerin geht davon aus, dass die Beklagte die Domain freigeben müsse. Zum Zeitpunkt der Übertragung der Domain von Herrn F. auf die Beklagte habe diese von der bereits erfolgten Geltendmachung der Rechte durch die Klägerin gewusst. Die Klägerin sei wegen der Ansiedlung des Kosmetikherstellers ... der unmittelbaren Nähe zur Burg und Talsperre ... und wegen der sogenannten "... Prozesse" überregional bekannt. In Sachsen würden 60 %, im Gebiet der neuen Bundesländer insgesamt 25 % und im Gebiet der alten Bundesländer 10 % der Einwohner die Klägerin kennen. Die Domain werde benötigt, um die Ansiedlung von arbeitsschaffenden Unternehmen und die Verbesserung der gewerblichen Struktur zu begünstigen. Bei einer Domain-Benutzung durch die Beklagte sei dies nicht gewährleistet. Darüber hinaus werde die Daseinsvorsorge und Daseinsfürsorge für ... die Bevölkerung vereitelt, wenn man die Internetseiten der Klägerin erst durch gebührenpflichtige Suchmaschinen auffinde. Die Beklagte selbst genieße nur regionale Bekanntheit. Einen Hinweis auf die Beklagte gäbe es nicht einmal in der Homepage in München. | Abs. 4 |
Die Klägerin hat beantragt,
| Abs. 5 |
Die Beklagte hat beantragt,
| Abs. 6 |
Die Beklagte geht davon aus, dass Gründe für eine Übertragung der Domain auf die Klägerin nicht vorlägen. Seit 1996 gehöre der Beklagten die Domain; anfangs treuhänderisch gehalten von Herrn ... . Es werde bestritten, dass die Klägerin eine überregional bekannte Gemeinde sei. Die Beklagte sei dagegen eines der größten Veranstaltungshäuser in Bayern und unter dem Namen "..." in der gesamten Region aber auch überregional bekannt. Viele der größten wirtschaftlichen Unternehmen Deutschlands hätten Veranstaltungen in ihren Räumlichkeiten abgehalten. Die von der Beklagten genutzte Domain sei deren wichtigstes Marketinginstrument; eine Änderung nicht zumutbar. Die Klägerin sei unter der von ihr genutzten Domain "Stadt ..." problemlos auffindbar im Internet. | Abs. 7 |
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. | Abs. 8 |
Das Gericht hat nicht Beweis erhoben. | Abs. 9 |
Entscheidungsgründe |
I. Die Klage ist zulässig. | Abs. 10 |
1. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Leipzig ergibt sich aus § 32 ZPO. Als unerlaubte Handlung i.S.d. Vorschrift kommen auch die geltend gemachten Handlungen gegen das Namensrecht in Betracht (vgl. Zöller, ZPO-Kommentar, § 32 Rn. 9). Erfolgsort bei dieser Art unerlaubter Handlung ist jeder, wo die Internet-Domain bestimmungsgemäß abzurufen ist (Zöller, aaO., Rn. 16). | Abs. 11 |
2. Die Klägerin ist prozessfähig. Sie wurde als juristische Person des öffentlichen Rechts ordnungsgemäß vom Bürgermeister vertreten. Selbst wenn eine Bevollmächtigung durch den Stadtrat entgegen dem Wortlaut des § 51 I 2 SächsGemO notwendig sein sollte, wäre diese durch Stadtratsbeschluss vom 14.12.2000 nachträglich erfolgt. Damit sind die Klageerhebung und die Vornahme von Prozesshandlungen wirksam genehmigt worden (vgl. Zöller, § 51 Rn. 8). | Abs. 12 |
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. | Abs. 13 |
1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassen der Internet-Domain "..." und Freigabe dieser Adresse gegen die Beklagte nicht zu. Die Tatbestandsvoraussetzung der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 12 BGB liegen nicht vor. | Abs. 14 |
2. a) Nach allgemein herrschender Meinung genießen auch Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts den Namensschutz aus § 12 BGB, obwohl dieser im Titel über natürlichen Personen steht. Ihr Unterscheidungsinteresse an einem Gesamtnamen ist ebenso schutzwürdig, wie das von natürlichen Personen (RGZ 101, S. 169 f.; BGHZ 124, 173/178; Palandt, BGB-Kommentar, § 12 Rn. 9; Müko, BGB-Kommentar, § 12 Rn. 34; Heinrichs-Soergel, § 12 Rn. 29). | Abs. 15 |
b) Gleichwohl liegt in der Benutzung der Internet-Domain "..." durch die Beklagte kein unbefugter Gebrauch des gleichen Namens vor. Zwar unterfällt der Domain-Name grundsätzlich auch dem Namensschutz des § 12 BGB, aber er ist nach dem objektiven Empfängerhorizont und den Gepflogenheiten des Internetverkehrs neben der Namen- und Adressenfunktion als Bezeichnung des Anbieters von Informationen im Netz zu verstehen (vgl. Bücking in NJW 1997, S. 1886/1889; a.A. LG Köln: BB 1997, 1121). | Abs. 16 |
Der Auffassung, wonach der Domain-Name als eine Art Telefonnummer zu behandeln sei, ist wegen der all zu technischen und oberflächlichen Betrachtungsweise der Übermittlungsvorgänge im Datennetz wegen der mit dieser Auffassung verbundenen legitimen namens- oder kennzeichnungsrechtlichen Interessen, die damit beschnitten werden, nicht zu folgen. Die Beklagte gebraucht jedoch als Internet-Domain ihren eigenen Namen. | Abs. 17 |
c) Eine Beeinträchtigung des Namensrechtes der Klägerin liegt wegen des Grundsatzes der Priorität und dem hier nicht gegebenen besonderen Interesse der Klägerin an der Benutzung der Domain im Ergebnis der Interessenabwägung nicht vor. Ein umfassender Schutz von Domain-Namen kann schon deshalb nicht erfolgen, weil sonst die Entwicklung und Nutzung des wirtschaftlich attraktiven Mediums "Internet" aufgrund der Vielzahl von gleichen Namen behindert wird und die Besonderheit der Domain als Bestandteil von Internetadressen nicht genügend berücksichtigt werden kann (vgl. Bücking, aaO., S. 1886, 1890; a.A. LG Mannheim in NJW 1996, S. 2736 f). Eine Beeinträchtigung kann allenfalls dann angenommen werden, wenn der zuerst registrierte Benutzer (hier: die Beklagte) zwar ein legitimes Interesse an der Benutzung des Namens hat, gleichwohl aber höher zu bewertende Interessen des anderen Namensinhabers an der Domain vorliegen, die eine Ausnahme vom Prioritätsgrundsatz rechtfertigen. Die Beklagte hat ein legitimes Interesse an der Benutzung des Domain-Namens. Sie führt ein gleichnamiges Veranstaltungshaus und hat eine gewisse überregionale Bekanntheit substantiiert vorgetragen. Hierfür sprechen die Veranstaltungen zahlreicher großer Firmen in den Räumlichkeiten der Beklagten. Ebenso substantiiert vorgetragen hat die Beklagte, dass ihre Internetseite von der Bevölkerung angenommen wurde; sich mithin in den vergangenen vier bis fünf Jahren hinreichend etabliert hat. Ein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Benutzung dieser Domain, die die berechtigten Interessen der Beklagten weit überwiegen, besteht dagegen nicht. Zwar macht die Klägerin ihre überregionale Bekanntheit geltend. Ihre Behauptungen erfolgten jedoch zu keinem Zeitpunkt ohne konkreten Bezugspunkt. Die pauschale Behauptung, der Bekanntheitsgrad liege in bestimmten Territorien bei einem behaupteten Prozentsatz, reicht mangels Vortrag entsprechender Anknüpfungstatsachen für eine Beweiserhebung (hier: die Einholung eines Sachverständigengutachtens) nicht aus. Darüber hinaus ist allein der reine Bekanntheitsgrad einer Stadt kein ausreichender Grund, einem legitimen Benutzer einer Domain dessen weitere Nutzung zu untersagen. Gleiches gilt für die Behauptung, die Internet-Domain sei für die Daseinsvorsorge und Daseinsfürsorge der Bewohner der Stadt Waldheim so notwendig, dass es erforderlich wäre, der Beklagten die Nutzung ihrer bereits seit mehreren Jahren genutzten Domain zu untersagen. Auch hier ist mangels weiterer Anhaltspunkte eine Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes nicht gerechtfertigt. Dies muss umso mehr gelten, als die Klägerin unter zwei weiteren Domain-Namen im Internet hinreichend und auffindbar vertreten ist. Nicht unberücksichtigt bleiben konnte auch, dass die Beklagte bereits vorgerichtlich angeboten hat, durch einen Hinweis auf ihrer Internetseite direkt den Internetnutzern, die die Klägerin im Internet suchen, direkten Zugang zur Domain der Klägerin zu verschaffen. Dieses Angebot hat die Klägerin jedoch nicht angenommen. | Abs. 18 |
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Abs. 1 ZPO. | JurPC Web-Dok. 6/2002, Abs. 19 |
[online seit: 04.02.2002] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Leipzig, LG, waldheim.de - JurPC-Web-Dok. 0006/2002 |