LG München I
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MarkenG § 14 Abs. 2 Ziff. 2, Abs. 5, UWG § 1 |
Leitsatz (der Redaktion) |
Es begründet einen Unterlassungsanspruch aufgrund Markenrechts sowie aufgrund ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, wenn im Internet eine Domain "myintershop" registriert und anschließend zu verkaufen versucht wird, obwohl bereits eine Domain "intershop" besteht und genutzt wird; dies ist dem klassischen Fall des "Domaingrabbing" so weit angenähert, dass die hierzu ergangene Unterlassungs-Rechtsprechung anwendbar ist. |
Tatbestand |
Die Verfügungsklägerin (im folgenden Klägerin genannt) firmiert unter der Bezeichnung "Intershop" und vertreibt über diese Firma eine Software für den Waren- und Dienstleistungsabsatz über das Internet. Sie ist Inhaberin der deutschen Wortmarke "intershop", die am 21.03.1996 angemeldet und am 20.09.1996 unter der Registriernummer 39613750 für die Warenklassen 9, 38 und 42 eingetragen wurde (Anlage Ast 1). | JurPC Web-Dok. 133/2000, Abs. 1 |
Die Klägerin ist auch Inhaberin der Wort-/Bildmarke "intershop", die am 12.07.1995 angemeldet und am 14.01.1997 eingetragen wurde. Dort geschützte Waren- und Dienstleistungen sind "die Vermittlung von Angeboten und Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Waren sowie über die Erbringung von Dienstleistungen über das Internet sowie die Telekommunikation" (Anlage ASt 2). | Abs. 2 |
Schließlich verfügt die Klägerin über eine entsprechende IR-Marke mit Registrierung vom 16.11.1998 (Anlage ASt 3). | Abs. 3 |
Die Klägerin betreibt seit dem Jahr 1997 unter der Internet-Adresse "intershop.de" und "intershop.com" einen Waren- und Dienstleistungshandel im Internet und verwendet in diesem Zusammenhang die Bezeichnung Intershop als allgemeine Geschäftsbezeichnung (Anlage Ast 4). | Abs. 4 |
Die Klägerin ist eine börsennotierte Gesellschaft, hat zahlreiche strategische Partnerschaften und ist bekannt (vgl. Anlagen Ast 5, 6 und 7). | Abs. 5 |
Der Verfügungsbeklagte (im folgenden Beklagter genannt) ist von Beruf EDV-Techniker. Er hat sich vor 9 Jahren selbständig gemacht und ist seit 4 Jahren Internet-Service-Provider. Er hat nach seinen Angaben "einige Partner in seinem Unternehmen", das nach außen als "OK Computer Center Brilon" auftritt. | Abs. 6 |
Der Beklagte ist seit etwa 1 Jahr Inhaber der Domain "myboom". | Abs. 7 |
Etwa Anfang Februar 2000 stellte der Beklagte fest, daß seit 20.07.1999 in den USA die Domain "myintershop.com" existiert. | Abs. 8 |
Der Beklagte hatte hierauf die Idee, im Zusammenspiel mit anderen Reservierungen noch offener Domains wie z.B. "myintel", eine Art Portal (Pressearchiv) im Internet mit entsprechenden Firmenerfolgsgeschichten aufzubauen und die Werbeflächen dann selbst zu vermarkten. | Abs. 9 |
In Verfolgung dieser Geschäftsidee ließ sich der Beklagte Anfang Februar 2000 bei der Denic folgende bisher noch nicht besetzte Domainnamen reservieren: "mymicrosoft.de", "mymcdonalds.de", "myintel.de", "myintershop.de", usw. (vgl. Anlage Ast 10 und Ast 11). | Abs. 10 |
Am 10.02.2000 boten zwei "Internet-Auktionshäuser" (ricardo.de und domain brokerage) diese vom Antragsgegner reservierten "MY-..."-Domains an, und zwar zu Preisen zwischen 3 Millionen und 5 Millionen DM, die hier streitgegenständliche Domain "MYINTERSHOP.DE" für 4 Millionen DM (vgl. Anlage Ast 10). | Abs. 11 |
Die Klägerin erhielt hiervon durch eine anonyme e-mail vom 10.02.2000 Kenntnis (Ast 9). Es ist zwischen den Parteien streitig, wer die - im Ergebnis erfolglose - Versteigerung veranlaßt hat. Die Klägerin ist sich aufgrund verschiedener Beweismittel sicher, daß dies vom Beklagten ausging; der Beklagte selbst bestreitet dies, kann jedoch "nicht ausschließen, daß die Information und die Kondition bezüglich der Auktion von meinen Mitarbeitern kam". | Abs. 12 |
Die Klägerin nahm jedenfalls die Information bezüglich der Reservierung des Domainnamens und der entsprechenden Auktion zum Anlaß, den Beklagten mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 10.02.2000 abzumahnen unter Beifügung einer vorformulierten Unterlassungserklärung (vgl. Anlage Ast 12). | Abs. 13 |
Der Beklagte ist dem nicht nachgekommen. | Abs. 14 |
Aufgrund entsprechenden Antrags der Klägerin vom 15.02.2000 erließ die Kammer am 16.02.2000 im Beschlußweg folgende | Abs. 15 |
Einstweilige Verfügung: 1. Dem Antragsgegner wird bei Meidung - eines Ordnungsgeldes von DM 5, -- bis zu DM 500. 000, --, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder - einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß § 935 ff, 890 ZPO verboten, im Geschäftsverkehr die Bezeichnung "myintershop" als eigenständige Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Waren- und Dienstleistungen über das Internet zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, insbesondere die Bezeichnung "myintershop" als Domainnamen im Internet zu beanspruchen. 2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Der Streitwert wird auf DM 200. 000, -- festgesetzt. | Abs. 16 |
Diese einstweilige Verfügung wurde dem Beklagten im Parteibetrieb am 21.02.2000 zugestellt. | Abs. 17 |
Mit Schriftsatz vom 23.02.2000 legte der Beklagte hiergegen Widerspruch ein mit dem Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 16.02.2000 und Zurückweisung des Antrags vom 15.02.2000. | Abs. 18 |
Den zugleich gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat die Kammer mit Beschluß vom 24.02.2000 (Blatt 18 der Akten) zurückgewiesen. | Abs. 19 |
Die Klägerin beantragt
| Abs. 20 |
Zur Begründung trägt sie vor,
bereits die Reservierung des streitgegenständlichen Begriffs "myintershop" sei eine Benutzung im Sinne des Kennzeichenrechts. Diese sei aus markenrechtlichen Gesichtspunkten (§ 14 MarkenG), firmenrechtlichen Gesichtspunkten (§ 15 MarkenG), allgemeinen namensrechtlichen Gesichtspunkten (§ 12 BGB) sowie auch wegen ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes (§§ 1, 3 UWG) zu unterlassen. | Abs. 21 |
Der Beklagte betont die "völlig eigenständige Geschäftsidee", die der beabsichtigten Verwendung zugrundeliege. Er wolle nur eine gemeinsame Plattform bieten, in der die Erfolgsgeschichte der jeweiligen Firmen dargestellt werden könnte. Die Verwendung des jeweils reservierten Kennzeichens bewirke keine Sperrung des ursprünglichen Firmennamens, weshalb auch entgegen der Auffassung der Klägerin kein "Domaingrabbing" vorliege. | Abs. 22 |
Schließlich sei durch die Verwendung der Vorsilbe "my" die Annahme von Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. | Abs. 23 |
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die von den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze, die als Anlagen übergebenen Unterlagen sowie das Terminsprotokoll vom 06.03.2000. | Abs. 24 |
Entscheidungsgründe |
Die einstweilige Verfügung vom 15. 02. 2000 erwies sich auch im Widerspruchsverfahren als begründet und war deshalb in Anwendung von § 925 ZPO zu bestätigen. Der Unterlassungsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 2 Ziff. 2, Abs. 5 MarkenG sowie auch im ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 1 UWG. | Abs. 25 |
1) Nach ständiger, inzwischen einheitlicher Internet-Rechtsprechung, auch der Kammer, ist bereits die Reservierung eines Domainnamens (bei der Denic) als kennzeichenrechtliche Verwendung anzusehen. | Abs. 26 |
2) Der Klägerin steht der Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Ziffer 2, Abs. 5 MarkenG zur Seite. Es liegt das Tatbestandsmerkmal der "Gefahr, daß das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird" im Sinne von § 14 Abs. 2 Ziff. 2 MarkenG vor. | Abs. 27 |
a) Die im Tatbestand dieses Urteils im einzelnen erwähnte markenrechtliche Inhaberschaft am kennzeichnungskräftigen Begriff "Intershop" seitens der Klägerin ist unstreitig. Diese Marke wird stark benutzt, ist erfolgreich und bekannt. | Abs. 28 |
b) Das gedankliche Inverbindungbringen, d.h. die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, ist ebenfalls bereits rein tatbestandsmäßig (seit Novellierung des Markenrechts) ein Verletzungstatbestand. Er liegt unter anderem vor, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise trotz Auseinanderhaltens der Zeichen und des als verantwortlich angesehenen Unternehmens aufgrund der Zeichen-Ähnlichkeiten dennoch den unzutreffenden Eindruck gewinnen, die hinter den Zeichen stehenden Unternehmen seien miteinander vertraglich, organisatorisch oder in sonstiger Weise wirtschaftlich verbunden (vgl. z.B. Ingerl/Rohnke, § 14 MarkenG, Rz. 438). | Abs. 29 |
So liegt der Fall hier. Die Verwendung der Vorsilbe "my" im Kennzeichenbereich, auch im Internet, ist nicht ganz neu, wobei es zur Entscheidung dieses Falles nicht darauf ankommt, ob tatsächlich durch die angesprochenen Verkehrskreise, wie der Beklagte meint, hiermit auch die jeweilige Erfolgsgeschichte der "bekannten Firma" abgerufen werden kann. Unbestrittene Tatsache ist, daß eine andere bekannte Firma, nämlich die Firma "SAP" (sogar mit gewisser Beteiligung im weiteren Sinn seitens der Klägerin) das Firmenkennzeichen "mySAP" für sich selbst benutzt (z.B. im Rahmen von Bandenwerbung bei Sportereignissen). Die Zuordnung bei Benutzung der Vorsilbe "my" erfolgt nach allgemeinen Begriffsbestimmungen und auch in dem erwähnten konkreten Beispiel jeweils und ausschließlich zu der - meist bekannten - firmenrechtlichen Kennzeichnung, die sich an die Vorsilbe "my" anschließt. Es ist unerheblich, ob der Beklagte selbst eine andere Vorstellung und Zielsetzung (möglicherweise) hatte, es kommt auf die objektive Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn, d.h. die oben geschilderte Assoziationsmöglichkeit (die sich hier sogar aufdrängt) an. | Abs. 30 |
3) Darüberhinaus steht der Klägerin auch ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nach § 1 UWG zur Seite. Es handelt sich hier zwar nicht um den klassischen Fall des "domaingrabbing", diese neue Spielart der Kennzeichenreservierung ist dieser aber so angenähert und hat die nahezu selben Elemente, so daß die hierzu ergangene Unterlassungs-Rechtsprechung anwendbar ist (§ 1 UWG in Verbindung mit §§ 1004, 826 BGB). | Abs. 31 |
a) Es ist unstreitig, daß der Beklagte sich Anfang Februar 2000 bei der Denic zahlreiche Domains hat reservieren lassen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie jeweils sowohl aus der Vorsilbe "my" und in unmittelbaren Anschluß daran aus bekannten bis berühmten Firmen bzw. deren Kennzeichnungen wie "Intel", "McDonald", "Microsoft" und eben - hier streitgegenständlich - "Intershop" zusammengesetzt sind. Berücksichtigt man, daß der Beklagte nach seinen eigenen Angaben seit etwa einem Jahr Inhaber der Domain "myboom" ist und seine damit zusammenhängende Geschäftsidee nicht unter dieser Domain präsentiert, vielmehr sich an die bekannten Marken in der geschilderten Form anhängen will, so wird deutlich, daß dies allein dem Ausnützen eines bekannten und wirtschaftlich erfolgreichen Markennamens zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken (Vermarktung von Werbeflächen im Internet) dient. | Abs. 32 |
b) Berücksichtigt man weiter, daß der Beklagte die Verwendung zum Beispiel des Begriffs "myintershop" im Internet in den USA kurz vor Reservierung in Deutschland entdeckt hat, so wird zusätzlich deutlich, daß er durch die entsprechende Reservierung in Deutschland eine entsprechende Blockade bzw. Behinderung des eigentlichen Berechtigten, hier eben der Klägerin, bewirkt. | Abs. 33 |
c) Die Kammer hat auch keinen Zweifel, daß der Beklagte die hierdurch erworbene Rechtsposition (durch Reservierung) in der Form vermarkten wollte, daß er die Domain an die jeweiligen Firmen "weiterverkauft". Es steht nach den vorgelegten Unterlagen jedenfalls zur Überzeugung der Kammer fest, daß entweder der Beklagte selbst oder aber einer seiner Mitarbeiter die entsprechende "Auktionierung" mit einem angegebenen Kaufpreis von 4 Millionen DM veranlaßt hat. Allein der Beklagte (oder seine Firma) war der entsprechende "Domainseller". | Abs. 34 |
Die Zusammenschau dieser oben geschilderten Gesichtspunkte ergibt - klar - die unlautere Ausnutzung eines bekannten und erfolgreichen Firmennamens bzw. der entsprechenden Marke, die durch die Reservierung sich ergebende Blockade und Behinderung mit dem Ziel der Erlangung eigener wirtschaftlicher Vorteile (vgl. stellvertretend Baumbach/Hefermehl, 21. Auflage 1999, Rz. 249 b und Rz. 561 zu § 1 UWG). | Abs. 35 |
4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit war nicht veranlaßt. | Abs. 36 |
Der Entscheidung durch den Vorsitzenden allein haben die
Parteien gemäß § 349 Abs. 3 ZPO ausdrücklich zugestimmt.
| JurPC Web-Dok. 133/2000, Abs. 37 |
[online seit: 26.06.2000] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: München I, LG, "Intershop" - JurPC-Web-Dok. 0133/2000 |