JurPC Web-Dok. 127/2023 - DOI 10.7328/jurpcb2023389127

LG Bonn
Urteil vom 01.08.2023

33 T 52/23

Nichtbeantwortung einer E-Mail als unwiderlegbare Fiktion

JurPC Web-Dok. 127/2023


Leitsätze:

  1. Angesichts dessen, dass ohnehin sehr fragwürdig ist, dass eine Nachfrage per E-Mail (die leicht übersehen wird) gemäß § 329 Abs. 2 S. 2 HGB rechtlich weitreichend negative Folgen für die betroffene Gesellschaft haben können soll (nach der Rechtsprechung des OLG Köln, vgl. OLG Köln, Beschluss vom 11.10.2016, 28 Wx 26/16; OLG Köln, Beschluss vom 30.11.2017, 28 Wx 15/17 (nicht veröffentlicht), wonach ohne nähere bzw. plausible Begründung entgegen LG Bonn, Beschluss vom 26.04.2017, 36 T 537/18, die Nichtbeantwortung einer E-Mail eine unwiderlegbare Fiktion begründe, aufgrund derer ein Ordnungsgeld festgesetzt werden könne, ohne dass dies gegen das verfassungsrechtliche Schuldprinzip verstoße), ist die Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Nachfrage gemäß § 329 Abs. 2 S. 1 HGB dementsprechend kritisch und restriktiv zu prüfen.
  2. Im Falle, dass die betroffene Gesellschaft mit dem oft genutzten Datev-Programm, dessen Funktionsweise dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers bekannt ist, den Jahresabschluss eingereicht hat und die aus der eingereichten Bilanz ersichtliche Bilanzsumme nur leicht über dem Schwellwert i. H. v. 350.000,00 € des § 267a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB liegt, besteht kein objektiver Anlass für eine Nachfrage i. S. v. § 329 Abs. 2 S. 1 HGB (weil das Unterschreiten der Kennzahlen gemäß § 267 a Abs. 1 Nr. 2 u. 3 HGB im Datev-Programm abgefragt wird), so dass die Nachfrage rechtswidrig ist und Nichtbeantwortung der E-Mail binnen der gesetzten Frist nicht die Fiktion gemäß § 329 Abs. 2 S. 2 HGB zu Lasten der betroffenen Gesellschaft auslösen kann.

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[online seit: 13.09.2023]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok.

Zitiervorschlag: Bonn, LG, Nichtbeantwortung einer E-Mail als unwiderlegbare Fiktion - JurPC-Web-Dok. 0127/2023