VG Schwerin | ||
Beschluss vom 27.07.2023 | ||
4 D 593/23 SN | ||
Einbeziehung von Angaben aus der Datei „xjustiz_nachricht.xml“ | ||
JurPC Web-Dok. 124/2023, Abs. 1 - 16 | ||
Leitsätze: | ||
1. Zur Einbeziehung von Angaben aus der Datei „xjustiz_nachricht.xml“ im Sinne von § 2 Abs. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 2 ERVV, die als strukturierter maschinenlesbarer Datensatz dem auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 55a Abs. 3 Satz 1 Var. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO eingereichten elektronischen Dokument beigefügt wird, bei der Frage, ob eine wirksame Prozesserklärung vorliegt. 2. Im Rahmen des § 169 Abs. 1 VwGO ist es unzulässig, den Vollstreckungsgläubiger selbst mit der Ausführung der Vollstreckung zu beauftragen. | ||
Gründe: | ||
Die Beteiligten haben das Vollstreckungsverfahren im Sinne des § 169 Abs. 1 VwGO in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Antragsgegner hat sich der Erledigungserklärung des Antragstellers wirksam angeschlossen. | Abs. 1 | |
Auf die Erledigungserklärung des Antragstellers hat der Antragsgegnervertreter ausweislich der gerichtlichen Transfer- und Prüfvermerke auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach das elektronische Dokument „Nachrichtentext.pdf“ mit folgendem Text übersandt: | Abs. 2 | |
„Betreff: Straßenausbaubeiträge | Abs. 3 | |
schließt sich der Antragsgegner der Erledigungserklärung an.“ | Abs. 4 | |
Der Text endet nach der anschließenden Angabe des Namens des Antragsgegnervertreters mit dem Wort „Rechtsanwalt“. | Abs. 5 | |
Der gerichtliche Prüfvermerk weist unter „Angaben zur Nachricht“ den Antragsgegnervertreter mit Vor- und Nachnamen als Absender, unter Aktenzeichen des Absenders eine Kurzbezeichnung der Verfahrensbeteiligten (ergänzt um die Abkürzung „KAG“) sowie unter Empfänger das erkennende Gericht sowie das gerichtliche Aktenzeichen aus. Unter „Angaben zu den Dokumenten“ sind im Prüfvermerk ausgewiesen: „Nachrichtentext.pdf“ und „xjustiz_nachricht.xml“. | Abs. 6 | |
Das elektronische Dokument „Nachrichtentext.pdf“ genügt im Gesamtkontext den Anforderungen, die an einen bestimmenden Schriftsatz zu stellen sind. | Abs. 7 | |
Gemäß § 55a Abs. 1 VwGO können u.a. vorbereitende Schriftsätze und schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden. Diese Voraussetzungen, die etwa über § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 253 Abs. 4 ZPO auch für bestimmende Schriftsätze gelten (vgl. Braun Binder in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 55 a Rn. 59), sind hier erfüllt. Es ist insbesondere davon auszugehen, dass die das – auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 55a Abs. 3 Satz 1 Var. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO eingereichte – Dokument „Nachrichtentext.pdf“ (einfach) signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders und Inhabers des elektronischen Postfachs übereinstimmt. Da die Datei „Nachrichtentext.pdf“ im PDF-Format bereits beim Absender entstanden ist und nicht erst auf dem Justizserver nach dem Übersenden eines beim Absender noch nicht in diesem Format vorhandenen Nachrichtentextes (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 17 U 42/22 –, juris Rn. 38 f.; LAG Niedersachsen, Urteil vom 22. Februar 2023 – 4 Sa 833/22 –, juris Rn. 4, 20), genügt die Erklärung auch den formellen Anforderungen, die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV an ein elektronisches Dokument im Sinne des § 55a Abs. 1 VwGO zu stellen sind. | Abs. 8 | |
Inhaltlich wird das Dokument „Nachrichtentext.pdf“ allerdings erst durch die ergänzenden Angaben in der Datei „xjustiz_nachricht.xml“ zu einem bestimmenden Schriftsatz, was im vorliegenden Fall ausreichend ist. | Abs. 9 | |
Bei der XML-Datei handelt es sich nicht um ein elektronisches Dokument im Sinne des § 55a Abs. 1 VwGO. Sie ist vielmehr der strukturierte maschinenlesbare Datensatz mit den nach § 2 Abs. 3 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) vorgeschriebenen Angaben, der den nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 ERVV bekanntgemachten Definitions- oder Schemadateien (vgl. Nummer 2 der Bekanntmachung zu § 5 ERVV – Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung - ERVB 2022) entspricht (ein von dem Übermittlungssystem erzeugter „Datensatz“, vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 17 U 42/22 –, juris Rn. 37, 39). Die entsprechenden Daten werden sogleich in den gerichtlichen Prüfvermerk übernommen, ohne dass auch die Datei „xjustiz_nachricht.xml“ in die Gerichtakte aufgenommen wird. Sie weist auch nicht das in § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV vorgeschriebene PDF-Format auf. | Abs. 10 | |
Ungeachtet dessen können die darin enthaltenen Daten zum vorliegenden Verfahren, die in den (diesem zugeordneten) Prüfvermerk übernommen worden sind (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 17 U 42/22 –, juris Rn. 37, 39), bei der Frage einbezogen werden, ob das Dokument „Nachrichtentext.pdf“ inhaltlich die an einen bestimmenden Schriftsatz zu stellenden Anforderungen erfüllt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 17 U 42/22 –, juris Rn. 40; vgl. auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 11 CS 18.2480 –, juris Rn. 11, wonach es ausreicht, wenn sich für das Gericht erst im Zusammenhang mit einer Klageschrift beigefügten Unterlagen erschließt, worum es dem Kläger geht, in welcher Angelegenheit die Klage erhoben wird oder auf welchen konkreten Fall sich die Rechtshängigkeit bezieht). Dies gilt umso mehr, als die Datei „xjustiz_nachricht.xml“ in die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 55a Abs. 3 Satz 1 Var. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO sowie die Sicherheitsarchitektur des Justiznetzes einbezogen ist (vgl. zu dem letztgenannten Aspekt auch H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, Stand: 06.07.2023, § 55a VwGO, Rn. 105 f.). | Abs. 11 | |
In Verbindung mit den im Prüfvermerk niedergelegten Angaben des Absenders zum betroffenen Verfahren (entnommen aus der Datei „xjustiz_nachricht.xml“) stellt das elektronische Dokument „Nachrichtentext.pdf“ auch inhaltlich eine ausreichende Prozesserklärung dar. Nicht erforderlich ist, dass bereits in der entsprechenden PDF-Datei alle für einen bestimmenden Schriftsatz notwendigen Angaben enthalten sind oder diese zumindest im PDF-Format übermittelt werden. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem das elektronische Dokument die Prozesserklärung und die nach § 55a Abs. 3 Satz 1 Var. 2 VwGO erforderliche (einfache) elektronische Signatur aufweist. | Abs. 12 | |
Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist das Vollstreckungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 21. Oktober 2003 – 9 C 03.2302 –, juris Rn. 10; VG Hannover, Beschluss vom 29. Januar 2004 – 6 D 85/04 –, juris Rn 1). Der maßgebliche Sach- und Streitstand ist der im Zeitpunkt des (jeweiligen) erledigenden Ereignisses. | Abs. 13 | |
Danach entspricht es billigem Ermessen, die Kosten bezogen auf den vor Eingang des Schriftsatzes vom 9. Mai 2023 erledigten Teil der Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss dem Antragsteller aufzuerlegen, weil sein Vollstreckungsantrag, mit dem er als Vollstreckungsgläubiger selbst mit der Ausführung der Vollstreckung beauftragt werden wollte, jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt keinen Erfolg haben konnte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2016 – OVG 3 K 65.15 –, juris Rn. 5; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. Januar 2023 – 2 O 90/22 –, juris Rn. 11, wonach die Vollstreckungsgläubigerin die Herrin des Vollstreckungsverfahrens ist; OVG Bautzen, Beschluss vom 25. August 2016 – 1 E 122/15 –, juris Rn. 12). | Abs. 14 | |
Soweit sich der übrige Teil der Vollstreckung bis zur vollständigen Erledigung des Verfahrens auf die Zinsen bezog, die auf den Hauptanspruch angefallen waren, entspricht es bereits unter Einbeziehung des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO billigem Ermessen, die Kosten ebenfalls dem Antragsteller aufzuerlegen. Nach der vorgenannten Bestimmung können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringeren Teil unterlegen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der diesbezügliche Teil besondere Kosten veranlasst hat (vgl. Olbertz in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 155 Rn. 9). Auch mit Blick auf die ähnliche Vorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vgl. VG München, Urteil vom 1. Juni 2023 – M 26b K 19.6177 –, juris Rn. 39) wäre das Unterliegen des Antragsgegners bei einer Fortführung des Vollstreckungsverfahrens im Verhältnis zum Unterliegen des Antragstellers im Hinblick auf die die Hauptforderung nur als gering anzusehen gewesen (unter 10 Prozent). Soweit die Verursachung besonderer Kosten im Rahmen des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt werden kann (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. November 1980 – 1 B 802/80 –, juris Rn. 7), vermag dies zu keinem abweichenden Ergebnis zu führen (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 8 C 18.244 –, juris). | Abs. 15 | |
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5301 des Kostenverzeichnisses in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes eine Festgebühr anfällt. | Abs. 16 | |
(online seit: 06.09.2023) | ||
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs. |
Zitiervorschlag: Schwerin, VG, Einbeziehung von Angaben aus der Datei "xjustiz_nachricht.xml" - JurPC-Web-Dok. 0124/2023 |