JurPC Web-Dok. 57/2021 - DOI 10.7328/jurpcb202136457

Wolfgang Kuntz [*]

Kuntz, Wolfgang

Antigen-Schnelltests und Impfung: Urkunde, Schriftformerfordernis, Unterschrift ?

JurPC Web-Dok. 57/2021, Abs. 1 - 14


Schnelltests und Zertifikaten kommen aktuell eine besondere Bedeutung zu, führen sie doch dazu, dass Bürger/innen bestimmte Dienstleistungen/Angebote in der Pandemie wieder in Anspruch nehmen dürfen. Dies wirft für die betreffenden Dienstleister aber Fragen auf. Wie soll ein Betreiber/Gastwirt/Kellner/Schulleiter/Trainer im Sportverein beispielsweise wissen, ob und welche Bescheinigungen über negative Schnelltests er akzeptieren kann, ohne gegen die geltenden Regeln zu verstoßen?Abs. 1
Die Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung -TestV) vom 08.03.2021[1] beinhaltet die verschiedenen Arten von Tests, regelt den Anspruch auf eine Testung und legt die zur Testung berechtigten Institutionen und den Anspruch auf Kostenersatz fest. Eine Regelung zur Ausgestaltung eines Testzertifikats enthält die Verordnung jedoch nicht.Abs. 2
Einzelne Länder haben Musterformulare für Testzertifikate veröffentlicht (so z.B. Saarland, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern). Diese sehen auf dem Formular Unterschriftsfelder für Unterschriften durch die Testinstitution sowie durch den/die Gestete/n vor.Abs. 3
Geregelt sind Schriftform bzw. Textform jedoch nicht ausdrücklich. In Mecklenburg-Vorpommern regelt die Corona-Landesverordnung vom 28. November 2020 in § 1a[2] den Umgang mit Schnell- und Selbsttests. Der oder dem Getesteten ist nach dieser Vorschrift ein Nachweis über das Testergebnis auszuhändigen oder mittels einer IT-gestützten Anwendung zur Verfügung zu stellen. Damit lässt Mecklenburg-Vorpommern immerhin ausdrücklich einen Nachweis durch IT-gestützte Anwendungen zu.Abs. 4
In der Begründung zur 18. Verordnung in Rheinland-Pfalz[3] heißt es dagegen beispielsweise zum Nachweis des vollständigen Impfschutzes:Abs. 5
"Der Nachweis eines vollständigen Impfschutzes ersetzt insoweit die sonst für das Betreten der betreffenden Einrichtung erforderliche Bescheinigung über einen negativen Schnell- oder Selbsttest. Der Nachweis eines vollständigen Impfschutzes ist der Betreiberin oder dem Betreiber der Einrichtung vor Betreten der Einrichtung schriftlich oder in elektronischer Form (Scan oder Foto auf einem Endgerät) vorzuweisen."Abs. 6
Bezüglich des Selbsttests und Tests gibt es keine entsprechende Begründung. Man kann nun daraus zum einen folgern, dass es gar keine Anordnung der Schriftform bezüglich der Bestätigung des Tests gibt. Dann wäre man an eine Form gar nicht gebunden.Abs. 7
Man könnte aber die o.g. Begründung analog übernehmen, so dass auch ein Scan oder Foto des Formulars mit aufgebrachter Unterschrift ausreichend wäre. Dementsprechend müsste nach der Sichtweise z.B. in Rheinland-Pfalz die Unterschrift auf dem Original sein und dürfte nur eingescannt oder abfotografiert werden. Wenn aber die elektronische Form zugelassen ist, dann sind die elektronischen Möglichkeiten durch Scan und Foto nicht abschließend, weil Scan und Foto nur eine Abbildung des Schriftstücks darstellen und keine elektronische Form im eigentlichen Sinne sind.Abs. 8
In den Ländern, in denen Formulare als Muster vorgeschlagen werden, gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Schriftform. Anders als im Zivilrecht (§ 126 BGB) ist im Verwaltungsrecht die Schriftform nicht gesetzlich definiert. Dieser Umstand trägt den Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens Rechnung. Das hat zur Folge, dass anders als bei § 126 Abs. 1 BGB die Anordnung der Schriftform nicht immer eine Unterschrift erfordert, sondern nur, wenn dies nach dem Zweck der Schriftform im jeweiligen Regelungskontext notwendig ist[4].Abs. 9
Allerdings könnte aus dem Vorhandensein von Musterformularen mit vorgesehenen Unterschriftsfeldern geschlossen werden, dass damit die Schriftform und das Unterschriftserfordernis „stillschweigend“ angeordnet bzw. vorausgesetzt werden. Dagegen spricht aber entscheidend, dass die Schriftform durch eine gesetzliche Regelung vorgeschrieben sein muss, es muss sich dabei um eine ausdrückliche Anordnung in einem Gesetz bzw. in einer Rechtsvorschrift handeln.Abs. 10
Die Verwendung der Muster ist in einigen Ländern - Ausnahme ist Mecklenburg-Vorpommern (siehe dazu § 1 a Abs. 6 der Corona-Landesverordnung vom 28. November 2020) - auch nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben. So ist dies beispielsweise im Bereich der Zwangsvollstreckung nach der ZPO durch die Gerichtsvollzieherformular-Verordnung geschehen, in welcher die Verwendung bestimmter Formulare zwingend angeordnet wird. Dort wird durch die Verordnung geregelt, wie das Formular zu gestalten ist und dass es verbindlich ist. Derartige Regelungen fehlen im vorliegenden Kontext vollständig.Abs. 11
Es gibt auch keine ausdrückliche Anordnung der Textform (entsprechend der Regelung in § 126 b BGB).Abs. 12
Daher ist es wohl zulässig, die angebotenen Formulare elektronisch, d.h. z.B. in einer App mit allen im Musterformular vorgesehenen Feldern elektronisch nachzubilden und die Unterschrift z.B. durch einen elektronischen Scanner mit einem ähnlichen Verfahren wie sie bei den Paketdiensten zum Einsatz kommen aufzubringen.Abs. 13
Dieser kurze Beitrag kann als „Zwischenruf“ selbstverständlich nur Anregungen und erste Überlegungen zu den vielfältigen Rechtsfragen um die Teststrategie liefern. Interessant wäre auch eine ausführlichere Analyse der damit verbundenen Datenschutzfragen - die Redaktion freut sich über Leserbriefe und Beiträge zu diesem Thema, welches sicherlich in den nächsten Wochen auch die Gerichte ausführlicher beschäftigen wird.Abs. 14

Fußnoten
[*] Wolfgang Kuntz ist Rechtsanwalt in Saarbrücken, Syndikusanwalt der Makrolog AG, Wiesbaden, und verantwortlicher Redakteur von JurPC.
[1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Verordnungen/Corona-TestV_BAnz_AT_09.03.2021_V1.pdf (zuletzt abgerufen am 18.04.2021)
[2] https://www.landesrecht-mv.de/bsmv/document/jlr-CoronaVVMV4V17P1a (zuletzt abgerufen am 18.04.2021)
[3] https://corona.rlp.de/fileadmin/rlp-stk/pdf-Dateien/Corona/18._CoBelVO/18._CoBeLVO.pdf (zuletzt abgerufen am 18.04.2021)
[4] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2016/bericht-schriftformerfordernisse.pdf;jsessionid=A166F2871A516F575F90911EA7D9EADC.2_cid287?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt aufgerufen am 18.04.2021); dort S. 4

[online seit: 20.04.2021]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Kuntz, Wolfgang, Antigen-Schnelltests und Impfung: Urkunde, Schriftformerfordernis, Unterschrift? - JurPC-Web-Dok. 0057/2021