| Inhaltsübersicht | Abs. 1 |
| I. Schriftsätze per einfacher, unsignierter E-Mail | Abs. 2 |
| II. Computerfax-Rechtsprechung | Abs. 3 |
| III. Die Eröffnung des Elektronischen Rechtsverkehrs | Abs. 4 |
| IV. Zugangseröffnung i.S.d. § 3 a LVwVfG (NRW) | Abs. 5 |
| V. Signaturrecht | Abs. 6 |
| VI. Online-Schutzschrift | Abs. 7 |
| VII. Sonstige Rechtsfragen | Abs. 8 |
| VIII. Exkurs: Dashcam-Rechtsprechung | Abs. 9 |
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| I. Schriftsätze per einfacher, unsignierter E-Mail | Abs. 10 |
| Eine ganze Reihe aktueller Entscheidungen befasst sich mit der Zulässigkeit des Einreichens von Schriftsätzen mittels einfacher, unsignierter E-Mail. Dies betrifft alle Gerichtsbarkeiten. | Abs. 11 |
| Der BGH[1] hat entschieden, dass eine Beschwerdeeinlegung in Vollstreckungssachen nicht per einfacher E-Mail zulässig ist. | Abs. 12 |
| Der BGH führte dabei aus: „Die vom Schuldner mit E-Mail vom 16. März 2014 gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde ging zwar innerhalb der Beschwerdefrist beim Vollstreckungsgericht ein, genügte jedoch nicht den förmlichen Anforderungen an eine Beschwerdeeinlegung. Die gemäß § 569 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderliche Beschwerdeschrift ist ein bestimmender Schriftsatz, für den die allgemeinen Vorschriften der §§ 130, 130a ZPO gelten (vgl. Lipp in MünchKomm ZPO, 4. Aufl., § 569 Rn. 12; Wulf in BeckOK.ZPO, Stand 1.3.2015, § 569 Rn. 7). | Abs. 13 |
| Eine E-Mail ist als elektronisches Dokument nicht an § 130 ZPO zu messen, sondern fällt in den Anwendungsbereich des § 130a ZPO (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357 Rn. 6; Beschluss vom 14. Januar 2010 - VII ZB 112/08, BGHZ 184, 75 Rn. 12; Wagner in MünchKomm ZPO aaO § 129 Rn. 17). Wegen der Flüchtigkeit und der Gefahr einer möglichen, später nicht mehr nachvollziehbaren Manipulation eines elektronischen Dokuments hat der Gesetzgeber die qualifizierte elektronische Signatur des Absenders vorgeschrieben (§ 130a Abs. 1 Satz 2 ZPO), um so dem Dokument eine dem Papierdokument vergleichbare dauerhafte Fassung zu verleihen. Eine E-Mail, die - wie im Streitfall - keine qualifizierte elektronische Signatur aufweist, ist nicht geeignet, die gesetzliche Frist für einen bestimmenden Schriftsatz zu wahren (BGH, NJW-RR 2009, 357 Rn. 9; BGHZ 184, 75 Rn. 12, 15; Musielak/Stadler, ZPO, 12. Aufl., § 129 Rn. 11)." | Abs. 14 |
| Das Verwaltungsgericht Gera[2] entschied, dass bestimmende Schriftsätze im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht per einfacher E-Mail eingereicht werden dürfen. Der Ausdruck einer PDF-Datei mit faksimilierter Unterschrift reiche entgegen BGH nicht zur Erfüllung der Form im Verwaltungsprozess. Die Übermittlung eines elektronischen Dokuments an die eMail-Adresse eines Verwaltungsgerichts erfülle nicht die Formerfordernisse des § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Vor Erlass der entsprechenden Rechtsverordnung nach § 55a Abs. 1 Satz 1 VwGO können bestimmende Schriftsätze nicht wirksam beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Ein vom Gericht hergestellter Ausdruck einer PDF-Datei, die zu den Akten gelangt ist, genüge nicht der Formvorschrift des § 81 Abs. 1VwGO, selbst wenn in diesem Dokument eine faksimilierte Unterschrift enthalten sei. Das Gericht folgt für das Verwaltungsprozessrecht nicht der vom BGH zu § 14 Abs. 2 Satz 1 FamFG vertretenen Auffassung[3], dass ein vom Gericht hergestellter mit der faksimilierten Unterschrift eines Beteiligten versehener Ausdruck eines pdf-Dokuments, der zu den Akten gelangt ist, die Formvorschriften erfülle. | Abs. 15 |
| Das Landessozialgericht des Saarlandes[4] urteilte über eine auf postalisch eingelegte Berufung der Berufsgenossenschaft, die statt einer Unterschrift lediglich den Hinweis enthielt, dass der Schriftsatz elektronisch erstellt und damit ohne Unterschrift gültig sei. Das Gericht entschied, dass eine solche Berufung nicht formgerecht eingelegt worden sei, auch wenn wie vorliegend ein Teil der Verwaltungsakten mitgeschickt worden sei. Das LSG habe bei dieser bewusst gewählten Form der Berufungseinlegung auch nicht die Pflicht, die Berufsgenossenschaft noch während des Laufs der Berufungsfrist auf diesen Fehler hinzuweisen; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne daher bei Nachholung der Unterschrift nach Ablauf der Berufungsfrist nicht gewährt werden. | Abs. 16 |
| Der BGH[5] hatte über eine Beschwerde in einem familiengerichtlichen Verfahren zu entscheiden, bei der die Beschwerdeschrift im Wege einer E-Mail mit angehängter PDF-Datei mit eingescannter Unterschrift eingereicht worden war. Der BGH entschied, dass eine Beschwerdeschrift ist in schriftlicher Form eingereicht sei, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Beschwerdeschrift enthaltenden PDF-Datei vorliege. Ist die Datei durch Einscannen eines von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt, sei auch dem Unterschriftserfordernis des § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG genügt. Der BGH schloss damit an eine Entscheidung aus dem Jahr 2008[6] an. | Abs. 17 |
| Eine einfache E-Mail reicht nach Ansicht des OLG Hamm nicht für ein Wiedereinsetzungsgesuch im Strafprozess[7]. Das Gericht führt aus: „Der Antrag auf Wiedereinsetzung kann schriftlich oder zur Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Die hier zunächst erfolgte Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuchs - an diverse Empfänger - per E-Mail genügt dem gesetzlichen Schriftformerfordernis nicht. § 41 a StPO ordnet an, dass an das Gericht gerichtete Erklärungen, die nach dem Gesetz schriftlich abzufassen oder zu unterzeichnen sind, dann als elektronisches Dokument eingereicht werden können, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen und für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Anbringung einer einfachen E-Mail zur Wahrung der Schriftform nicht ausreichend ist. Soweit - dem Inhalt der E-Mails gleichlautend - ein allerdings nicht unterzeichnetes Anschreiben des Verurteilten am 26. Juni 2014 beim Amtsgericht in Dortmund eingegangen ist, kann vorliegend dahinstehen, ob dem Schriftformerfordernis vorliegend auch ohne Unterzeichnung des Schriftstückes Genüge getan war. Das Schreiben ist nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs.1 S. 1 StPO und mithin erst verspätet eingegangen." | Abs. 18 |
| Ein der Schriftform bedürftiger Schriftsatz kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen[8] gemäß § 55a Abs. 1 S. 3 VwGO nur dann wirksam per E-Mail übermittelt werden, wenn ihm eine qualifizierte elektronische Signatur nach Maßgabe des Signaturgesetzes beigefügt ist. | Abs. 19 |
| Das Hessische Landessozialgericht[9] schränkte die Möglichkeit der Formerleichterung gemäß der BGH Rechtsprechung aus dem Jahr 2008 ein, sofern der elektronische Rechtsverkehr bereits eröffnet ist. Das Gericht entschied: „Ist nach § 65a Abs. 1 S1 SGG die Möglichkeit durch Rechtsverordnung der Landesregierung für den Zuständigkeitsbereich zugelassen, elektronische Dokumente an das Gericht zu übermitteln, so ist für diesen Regelungsbereich die entsprechende Anwendung der durch BGH, Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 9/08[10] - richterrechtlich begründeten Formerleichterung ausgeschlossen." Die sog "Computerfax"-Rechtsprechung könne nicht auf ein unsigniert übersandtes elektronisches Dokument im PDF-Format mit eingescannter Unterschrift übertragen werden. Die elektronische Form stelle keinen Unterfall bzw. keine Sonderform der Schriftform dar. Vielmehr handele es sich um eine eigenständige Form, die der Gesetzgeber als zusätzliche Option neben der bisherigen schriftlichen Form eingeführt hat. | Abs. 20 |
| Nach VG Minden[11] ist eine Anfechtung eines Beihilfebescheids per E-Mail grundsätzlich nur möglich, wenn diese dem Schriftformerfordernis genügt. Die Ersetzung der vorgeschriebenen Schriftform durch die elektronische Form der E-Mail setzt voraus, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist. Fehlt diese, ist das Rechtsmittel nicht wirksam eingelegt. | Abs. 21 |
| Das Hessische Finanzgericht[12] urteilte, dass ein Einspruch gegen den Haftungsbescheid mittels einfacher E-Mail die Form nicht wahre, weil nach § 87a Abs. 3 AO a.F. die elektronische Form nur im Fall einer qualifizierten elektronischen Signatur eine der Schriftform gleichgestellte Verkörperung des Einspruchs darstelle und § 357 Abs. 1 AO a.F. keine erleichterte elektronische Form vorgesehen habe. Der Klägerin sei hinsichtlich der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 AO), weil der Beklagte in der Fußzeile des Haftungsbescheids eine E-Mail-Anschrift angegeben und damit zum Ausdruck gebracht hatte, dass entsprechend Ziffer 1 Satz 2, 2. Halbsatz des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) in der zu § 357 im Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs gültigen Fassung die Einlegung eines Einspruch mittels E-Mail auch ohne qualifizierte elektronische Signatur eröffnet gewesen sei. | Abs. 22 |
| Das Kammergericht[13] urteilte, dass §§ 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG, 130a Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht nur eine Ordnungsvorschrift darstelle, sondern auch in familiengerichtlichen Verfahren die Beschwerde, wenn sie als elektronisches Dokument übermittelt werde, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein müsse. | Abs. 23 |
| Die elektronische Übermittlung signierter und verschlüsselter Nachrichten und Dokumente in Gerichtsverfahren sowie in Verfahren nach der EU-Dienstleistungsrichtlinie ist im Freistaat Sachsen nur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) zulässig, entschied das Sächsische Oberverwaltungsgericht[14]. Dieses Verfahren verlange eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG. | Abs. 24 |
| Ab 1.6.2014 können beim Bayerischen Landessozialgericht[15] auch elektronische Dokumente eingereicht werden. Um eine vorgeschriebene Schriftform zu ersetzen, müssen die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr 3 SigG versehen sein. Eine E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur mit Dokumenten, die eine eingescannte Unterschrift des Beschwerdeführers enthalten, genügt nicht der Schriftform. | Abs. 25 |
| Das Sächsische Landessozialgericht hatte über eine Beschwerdeeinlegung per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur zu befinden. Bei § 73 Abs. 6 S. 3 SGG handele es sich um eine Ermessensvorschrift. Das Gericht darf deshalb nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der ohne schriftliche Vollmacht auftretende Vertreter eines Beteiligten immer eine wirksame Vollmacht besitze, nur weil er ein Verwandter in gerader Linie des Beteiligten ist. In der Unterstellung einer Prozessvollmacht bei Verwandten in gerader Linie liegt weder eine Prozessführungsbefugnis kraft Gesetzes noch eine Fiktion der Bevollmächtigung (Anschluss an LSG Stuttgart vom 25.9.2012 - L 11 KR 3845/12 B). Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist gemäß § 65a Abs. 1 S. 3 SGG eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG vorgeschrieben. Eine dennoch mit einfacher E-Mail eingelegte Beschwerde ist somit weder schriftlich noch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle noch in elektronischer Form eingelegt und entfaltet damit keine Rechtswirkung[16]. | Abs. 26 |
| Das OVG Nordrhein-Westfalen[17] hatte über eine am 17. April 2014 per E-Mail an das Verwaltungsgericht übermittelte "Beschwerde gleich Strafanzeige" zu entscheiden. Diese sei nicht als eine Erinnerung nach §§ 151, 165 VwGO zu verstehen. Ein mit einfacher E-Mail erhobener Rechtsbehelf sei formunwirksam. Die Einreichung eines elektronischen Dokuments bei den Verwaltungsgerichten in NRW wahre nur dann die elektronische Form, wenn der Einsender hierfür das EGVP-Postfach des Verwaltungsgerichts wählt. | Abs. 27 |
| Auch das VG München[18] befand über eine zunächst per E-Mail eingereichte Klageschrift. Das Gericht führt aus: „Die Kläger haben die Klageschrift am 27. März 2014 zunächst per E-Mail an das Bayerische Verwaltungsgericht München übermittelt. Die einmonatige Klagefrist ist grundsätzlich nur gewahrt, wenn auch die Mindestanforderungen des § 81 Abs. 1 VwGO, wonach die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben ist, beachtet wurden. Die Klageerhebung per E-Mail mit eingescannten Unterschriften entspricht dem Schriftformerfordernis des § 81 Abs. 1 VwGO jedoch nicht. § 55a VwGO ermöglicht zwar die gleichberechtigte Nutzung elektronischer Dokumente neben den herkömmlichen papiergebundenen Schriftstücken, doch bedarf es einer entsprechenden Rechtsverordnung, welche bestimmt, ob und wie dem Gericht elektronische Dokumente übermittelt werden können. Das klassische E-Mailing unterfällt zweifelsohne der hiervon erfassten elektronischen Kommunikation. Die in Bayern auf dieser Grundlage erlassene Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr und elektronisches Verfahren in Bayern (E-Rechtsverkehrsverordnung – ERVV; GVBl. 2006, S. 1084) sieht die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation für die Verwaltungsgerichte bisher nicht vor. Die Klageeinreichung per E-Mail war daher unzulässig." | Abs. 28 |
| Eine mit einfacher E-Mail eingelegte Berufung genüge dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs 2 SGG nicht, sagte das Thüringer Landessozialgericht[19]. | Abs. 29 |
| Ebenso urteilte das SG Mainz[20]. Eine Klageerhebung per E-Mail sei nur dann formgerecht erfolgt, wenn die E-Mail mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wurde. | Abs. 30 |
| Eine sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens entspreche nicht der von § 306 Abs. 1 StPO geforderten Schriftform, wenn die Beschwerdeschrift nicht durch einen Staatsanwalt handschriftlich unterzeichnet ist und stattdessen lediglich den Zusatz enthält, dass das Schreiben elektronisch erstellt sei und deshalb keine Unterschrift enthalte, entschied das OLG Dresden[21]. | Abs. 31 |
| Das Hessische Landessozialgericht[22] hält die Klageerhebung per elektronisch übersandter Datei ohne Verwendung einer qualifizierten Signatur hingegen für zulässig. Eine als elektronische Datei (vorliegend: eine PDF-Datei) übersandte Klage, aus der sich entsprechend den verfahrensrechtlichen Vorschriften Kläger, Beklagter sowie ein Klageantrag ergebe, sei auch dann wirksam, wenn bei der Übermittlung keine qualifizierte Signatur zum Einsatz kam, da eine eigenhändige Unterschrift zur Wirksamkeit der Klage nicht erforderlich sei, solange die Klage dem Kläger eindeutig zugeordnet werden könne und kein Anlass zu der Annahme bestehe, dass die Klage ohne den Willen des Klägers übersandt wurde. | Abs. 32 |
| Das OLG Düsseldorf[23] urteilte, dass in FG-Verfahren (vorliegend ging es um eine Personenstandssache) ein Rechtsmittel mit einer als Anhang einer einfachen E-Mail eingereichten nicht unterzeichneten Schrift nicht wirksam eingelegt werden könne. | Abs. 33 |
| Das LG Limburg[24]entschied, dass eine qualifizierte elektronische Signatur gemäß § 41a StPO bezogen auf einen Schriftsatz die Unterschrift ersetze und die Urheberschaft der Person, auf die die Signatur lautet, beschreibe. Sei ein Schriftsatz, mit dem Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt werde, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Verteidigers versehen, sei dieser auch dann Urheber des Schriftsatzes, wenn im Schriftsatz selbst die E-Mail-Adresse eines Kanzleisozius angegeben sei. | Abs. 34 |
| Das Verwaltungsgericht Dresden[25] entschied die Frage, ob ein Widerspruch formwirksam auch durch einfache E-Mail eingelegt werden kann. | Abs. 35 |
| In dem entschiedenen Fall hatte ein Vertreter der Klägerin einen Widerspruch per unsignierter E-Mail an eine Sachbearbeiterin der unteren Immissionsschutzbehörde der Beklagten gesandt. Diese E-Mail enthielt eine PDF-Datei, die ein eingescanntes und im Original von zwei Vertretern der Klägerin handschriftlich unterzeichnetes Widerspruchsschreiben enthielt. Erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist wurde die E-Mail der Klägerin erstmalig ausgedruckt und zur Akte genommen. Der Widerspruch wurde als unzulässig zurückgewiesen. | Abs. 36 |
| Das Gericht entschied zunächst, dass eine § 70 Abs. 1 VwGO entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung nicht dadurch unvollständig und fehlerhaft werde, dass sie keinen Hinweis auf die bei der Widerspruchsbehörde (noch) nicht vorhandene Möglichkeit der Widerspruchseinlegung in elektronischer Form (§ 3a VwVfG) enthalte. Die vorliegende Widerspruchseinlegung per einfacher E-Mail wahre nicht das Schriftformerfordernis nach § 70 Abs. 1 VwGO. Dem Schriftformerfordernis nach § 70 Abs. 1 VwGO genüge ein eingescanntes und elektronisch übermitteltes Widerspruchsschreiben, wenn das Schreiben im Original mit der eigenhändigen Unterschrift seines Verfassers abschließe und wenn der Empfänger das ihm übermittelte Schreiben ausdrucke. Der so übermittelte Widerspruch sei nur dann fristgemäß eingelegt, wenn der Ausdruck des übersandten Schreibens binnen der Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 1 VwGO erfolge. | Abs. 37 |
| Das Gericht folgt damit insbesondere zwei Beschlüssen des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 18.03.2015, XII ZB 424/14) und des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 11.07.2013, 2 AZB 6/13), die in ihren jeweiligen Entscheidungen in ähnlichen Konstellationen zu diesen Beurteilungen gekommen waren. | Abs. 38 |
| Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen[26] hatte über die Zulässigkeit der Einreichung einer Verfassungsbeschwerde per einfacher E-Mail zu entscheiden. Das Gericht entschied, dass die Verfassungsbeschwerde, die sich der Sache nach gegen die Regelung in Art. 21 (Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Sächsischen Landtages) des Gesetzes begleitender Regelungen zum Doppelhaushalt 2015/2016 (Haushaltsbegleitgesetz 2015/2016 – HBG 2015/2016) vom 29. April 2015 richte, bereits unzulässig sei. Die Einreichung der Verfassungsbeschwerde durch einfache E-Mail genüge schon nicht dem Schriftformerfordernis des § 10 SächsVerfGHG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Im Freistaat Sachsen sei der elektronische Rechtsverkehr zum Verfassungsgerichtshof bislang nicht eröffnet worden; eine einfache, nicht qualifiziert signierte E-Mail genüge auch sonst nicht dem Schriftformerfordernis, weil sie keine hinreichend sichere Feststellung der Identität des Beschwerdeführers sowie der Authentizität und Validität der Übermittlung ermögliche. Der im Betreff der E-Mail angekündigte Schriftsatz sei bislang nicht bei dem Verfassungsgerichtshof eingegangen. | Abs. 39 |
| Die Einlegung der Berufung durch elektronische Übermittlung eines im Original unterschriebenen eingescannten Schriftsatzes, der qualifiziert elektronisch signiert ist, sei auch dann formwirksam, wenn der Inhaber der qualifizierten elektronischen Signatur nicht mit dem Urheber des eingescannten Schriftsatzes übereinstimme, entschied das Sächsische Landessozialgericht[27] | Abs. 40 |
| Das OLG Frankfurt[28] urteilte, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs per E-Mail in Hessen ausschließlich unter den in § 41a StPO genannten Voraussetzungen, über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) und unter Beachtung der nach Anlage 2 zu § 2 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften (ElRVerkV Hessen - GVBl. 2007, 699) vorgeschriebenen Form zulässig sei. Da das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG in § 1 ElRVerkV nicht genannt sei, erscheine zweifelhaft, ob der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in dieser Verfahrensart überhaupt per E-Mail eingelegt werden könne. | Abs. 41 |
| II. Computerfax-Rechtsprechung | Abs. 42 |
| Den aktuellen Entscheidungen wird zunächst eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung des BGH vorangestellt. Ausgangspunkt war eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes aus dem Jahr 2000[29], die festlegte, dass in Prozessen mit Vertretungszwang bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden können. Da hierbei ein körperliches Originalschriftstück nicht vorliegt, wird den Vorgaben der gesetzlich erforderlichen Schriftform gemäß § 130 Nr. 6 ZPO entweder dadurch genügt, dass die Unterschrift des Erklärenden eingescannt wird, oder dadurch, dass sich auf dem Schriftsatz der Hinweis befindet, dass der Urheber wegen der gewählten Übertragungsform an der Unterschrift gehindert ist. Die elektronische Speicherung tritt in diesem Fall nicht an die Stelle der Schriftform; der Empfänger kann von dieser Telekopie erst dann Kenntnis nehmen, wenn sie ausgedruckt vorliegt. Dieses Computerfax wird von der ZPO als schriftliches Dokument in Form einer Telekopie eingeordnet. Davon zu unterscheiden ist ein elektronisches Dokument. Ein elektronisches Dokument im Sinne von § 130a ZPO besteht aus der in einer elektronischen Datei enthaltenen Datenfolge. Es wahrt nur dann die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform, wenn es für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist. | Abs. 43 |
| Wird eine Textdatei elektronisch auf ein Faxgerät versendet, so handele es sich um ein sog. Computerfax, entschied der BGH[30]. Der BGH führte mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2010 weiter[31] Der Prozessbevollmächtigte, der eine Berufungsbegründung per Computerfax übermittele, müsse entweder selbst überprüfen, ob das Dokument seine Unterschrift enthalte oder er müsse sein Personal durch allgemeine Anweisung oder konkrete Einzelanweisung darauf hinweisen, dass das Computerfax nur mit eingescannter Unterschrift versendet werden dürfe. | Abs. 44 |
| Das LSG Berlin-Brandenburg[32] hielt ein Rechtsmittel, das mit Computerfax mit lediglich eingescannter Unterschrift eingelegt worden sei, für unwirksam. Das elektronische Einscannen/Einfügen einer als Datei hinterlegten Unterschrift in einen Schriftsatz und die Übermittlung per Computerfax sei technisch grundsätzlich jedem möglich, der Zugriff auf die entsprechenden elektronischen Daten hat. Weil damit zumindest nicht zweifelsfrei erkennbar sei, dass der Betroffene selbst Aussteller des Computerfaxes ist, entspreche eine Rechtsmitteleinlegung per Computerfax nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form und sei damit unzulässig. Das Gleiche gelte für einen mittels unsignierter elektronischer Gerichts- und Verwaltungspost (EGVP) eingescannten Schriftsatz. | Abs. 45 |
| Eine Berufungsbegründung könne derzeit noch nicht fristwahrend per Computerfax im EGVP-System beim Saarländischen Oberlandesgericht[33] eingereicht werden. Denn der elektronische Rechtsverkehr mit dem Saarländischen Oberlandesgericht sei aus rechtlichen Gründen noch nicht eröffnet. Jedoch könne ein Computerfax mit eingescannter Unterschrift formwirksam und fristwahrend an das "normale" Faxgerät des Berufungsgerichts übermittelt werden. Der Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, könne auch im Falle einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des so übermittelten Schriftsatzes sei allein die auf Veranlassung des Prozessbevollmächtigten am Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde (Anschluss GmSOGB, 5. April 2000, GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160). | Abs. 46 |
| Der BFH[34] entschied, dass die gesetzlich gebotene Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen auch durch Übersendung per Telefax gewahrt werde. Die Festsetzungsfrist werde nach Maßgabe des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO schon gewahrt, wenn der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde - mit ihrem Wissen und Wollen - verlassen habe und dem Adressaten tatsächlich zugegangen sei. Auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe komme es danach nicht an. | Abs. 47 |
| Die Wirksamkeit einer Bekanntgabe behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen per Telefax wird nach der Rechtsprechung des BVerwG durch die Einfügung der Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr in die Verfahrensgesetze nicht berührt. Ein Computerfax oder Funkfax stellt kein elektronisches Dokument dar. | Abs. 48 |
| III. Die Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs | Abs. 49 |
| Der BGH[35] bestätigte, dass für den Bundesgerichtshof der elektronische Rechtsverkehr in notariellen Disziplinarsachen und verwaltungsrechtlichen Notarsachen nicht eröffnet sei. | Abs. 50 |
| IV. Zugangseröffnung i.S.d. § 3 a LVwVfG (NRW) | Abs. 51 |
| Das OVG Nordrhein-Westfalen[36] urteilte, dass von einer Zugangseröffnung i.S.v. § 3 a Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (NRW) grundsätzlich nicht schon dann auszugehen sei, wenn ein privater Empfänger über einen E-Mail-Account verfüge und die E-Mail-Adresse der Behörde bekannt sei. Vielmehr sei zusätzlich erforderlich, dass der private Empfänger der Behörde die E-Mail-Adresse gezielt in dem betreffenden Verfahren mitgeteilt habe und dass bereits in der Vergangenheit in diesem Verfahren zwischen der Behörde und dem Bürger auf diesem Weg korrespondiert worden sei. Für Behörden, geschäftliche Nutzer und Rechtsanwälte gelte demgegenüber ein strengerer Maßstab. Bei diesen Verfahrensakteuren könne eine Zugangseröffnung regelmäßig schon dann angenommen werden, wenn sie eine elektronische Adresse auf ihren Briefköpfen oder auf ihrer Homepage im Internet als Kontaktadresse angeben. Enthalte die Rechtsbehelfsbelehrung keine Belehrung über ihren Adressaten, sei sie grundsätzlich nicht i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO unterblieben oder unrichtig erteilt. Dies gelte uneingeschränkt auch bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Anders verhalte es sich aber, wenn sich die Rechtsbehelfsbelehrung nur auf einen konkreten Adressaten beziehe, etwa auf den im Adressfeld genannten unmittelbaren Adressaten des Bescheids selbst. | Abs. 52 |
| V. Signaturrecht | Abs. 53 |
| Die Vergabekammer Südbayern[37] entschied einige interessante Fragen des Signaturrechts. Ein Bieter in einem Vergabeverfahren hatte die Ausschreibungsunterlagen fristgerecht elektronisch signiert und mit dem günstigsten Angebot aller Bieter eingereicht, die Signatur war jedoch etwa 20 Tage vor Angebotsschluss gesperrt worden. Ein Angebot auf einem anderem Übertragungsweg - was nach der Ausschreibung möglich war - hatte der Bieter nicht abgegeben. Das Angebot des Bieters wurde anschließend wegen fehlender Unterschrift bzw. Signatur ausgeschlossen und dem Bieter wurde mitgeteilt, dass die Vergabe des Auftrags anderweitig geplant sei. Der Bieter stellte nach vorangegangener Rüge einen Nachprüfungsantrag mit dem Ziel festzustellen, dass sein Ausschluss vom Verfahren rechtswidrig erfolgt sei. | Abs. 54 |
| Die Vergabekammer entschied, dass die Sperrung der Karte gemäß § 8 SigG bewirke, dass die durch das qualifizierte Zertifikat bestätigte Zuordnung des öffentlichen Signaturprüfschlüssels zum Signaturschlüssel-Inhaber ab dem Sperrzeitpunkt nicht mehr gelte. Durch eine Sperrung nach § 8 SigG des qualifizierten Anwender-Zertifikats, das auf der Signaturkarte des Benutzers hinterlegt ist, werde nicht nur der Anscheinsbeweis des § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO aufgehoben, sondern es könne nach der Eintragung des Sperrmerks nach § 7 Abs. 2 Satz 2 SigV keine qualifizierte digitale Signatur nach der Definition in § 2 Nr. 2 und Nr. 3 SigG mehr erstellt werden. Eine nach der Sperrung dennoch erfolgte Signatur genüge nicht den gesetzlichen Formanforderungen des § 126a BGB oder § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 VOB/A EG. Die Umdeutung der damit unwirksamen qualifizierten digitalen Signatur gemäß § 2 Nr. 3 SigG in eine formwirksame fortgeschrittene digitale Signatur gemäß § 2 Nr. 2 SigG begegne aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlichen Bedenken und scheide jedenfalls dann aus, wenn nicht sicher gewährleistet sei, dass die Signatur gemäß § 2 Nr. 2c) und d) SigG mit Mitteln erzeugt wurde, die der Signaturschlüssel-Inhaber unter alleiniger Kontrolle halten könne und so mit den verbundenen Daten verknüpft sei, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden könne. Die Nachforderung einer digitalen Signatur gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A EG nach Abgabe eines mit einer ungültigen digitalen Signatur versehenen Angebots komme nicht in Betracht. | Abs. 55 |
| Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof[38] entschied die Frage, ob es rechtmäßig ist, wenn einem Mitarbeiter des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) von der Behördenleitung vorgeschrieben wird, eine Signaturkarte für eine qualifizierte elektronische Signatur (qeS) bei einem Zertifizierungsdiensteanbieter zu beantragen und diese Karte anschließend dienstlich zu nutzen. | Abs. 56 |
| Die Präsidentin des DPMA ordnete im Jahr 2011 die Einführung einer qualifizierten elektronischen Signatur im DPMA zum Nachweis der Integrität und Authentizität signierter Daten an. Die Bediensteten, darunter der Kläger, wurden verpflichtet, bei dem nach Ausschreibung ausgewählten Zertifizierungsdiensteanbieter einen Antrag auf Erteilung einer Signaturkarte zu stellen und die erhaltene Karte zu nutzen. Der Kläger wurde danach schriftlich aufgefordert, die Signaturkarte zu beantragen. Nach erfolglosem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz erhob der Kläger Klage, die das Verwaltungsgericht abwies. Der Kläger rügte, dass § 5 EAPatV keine tragfähige Rechtsgrundlage für die Einführung einer qeS sei. | Abs. 57 |
| Der VGH stellte einen Grundrechtseingriff in die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG fest, nahm aber an, dass die rechtfertigenden Voraussetzungen für einen Eingriff gegeben seien. Gesetzliche Grundlage für den Eingriff sei § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG. Die angeordnete Maßnahme müsse dazu jedoch verhältnismäßig sein. Der VGH nahm die Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahme an. Die Erforderlichkeit sei zu bejahen, weil die qeS einen hohen Sicherheitsstandard gewährleiste angesichts des Haftungsrisikos der Behörde. Gegenüber der fortgeschrittenen Signatur biete die qeS einen weit höheren Sicherheitsstandard. Die Verfügung sei für den Kläger auch zumutbar. Der mit der Anordnung verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung weise gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem sicheren elektronischen Rechtsverkehr nur eine geringe Intensität auf. Auch der Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Vertragsfreiheit sei zumutbar. | Abs. 58 |
| VI. Online-Schutzschrift | Abs. 59 |
| Das OLG Frankfurt[39] hat entschieden, dass die Kosten für die Einreichung einer Online-Schutzschrift bei einem zentralen Schutzschriftenregister - wenn ein Eilantrag eingereicht worden ist - im Rahmen von Nr. 7001 VV-RVG als Kosten des Rechtsstreits erstattungsfähig sind. | Abs. 60 |
| Das OLG Frankfurt begründet dies wie folgt: „Kosten für die Hinterlegung einer Online-Schutzschrift bei einem zentralen Schutzschriftenregister sind als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig, wenn es nach Einreichen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu einem Prozessrechtsverhältnis kommt (vgl. LG Hamburg, Beschl. v. 14.6.2012, 324 O 729/11; vgl. auch OLG Düsseldorf, WRP 1995, 499). Es handelt sich um „Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen" nach 7001 VV RVG, die ausweislich der vorgelegten Rechnung tatsächlich angefallen sind (Bl. 916 d.A.). Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde auf die Entscheidung des OLG Hamburg, GRUR-RR 2014, 96. Danach sind die Kosten für Schutzschriften, die im Hinblick auf den sog. fliegenden Gerichtsstand bei anderen Landgerichten eingereicht werden, nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens des Gerichts erstattungsfähig, bei dem das Verfügungsverfahren durchgeführt wurde. Um einen solchen Sachverhalt geht es hier nicht, worauf bereits das Landgericht in dem Nichtabhilfebeschluss zutreffend hingewiesen hat." | Abs. 61 |
| VII. Sonstige Rechtsfragen | Abs. 62 |
| Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung einer Klage in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes mache eine Rechtsmittelbelehrung rechtswidrig, entschied das VG Potsdam[40]. | Abs. 63 |
| Die Rechtsbehelfsfrist oder eine sonstige Frist werde nicht durch elektronische Übermittlung der Steuererklärung mittels Elster gewahrt, entschied das Niedersächsische Finanzgericht[41]. Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsbehelfsfrist könne wegen evtl. technischer Probleme bei der Datenübermittlung nicht gewährt werden, wenn es dem Steuerpflichtigen möglich sei, anstelle der komprimierten Steuererklärung ein formloses Einspruchsschreiben einzureichen oder den Einspruch zur Niederschrift zu erklären. Auch eine evtl. irrtümliche Vorstellung, die erfolgreiche Datenübermittlung würde die Rechtsbehelfsfrist wahren, stelle keinen Entschuldigungsgrund i.S.d. § 110 AO dar, wenn auf der Internestseite unter www.elster.de ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Telenummer auf der komprimierten Erklärung für die Bediensteten des FA den Schlüssel bilde, um die übermittelten Daten bearbeiten zu können, und aus diesem Grund dringend empfohlen werde, die komprimierte Steuererklärung möglichst zeitnah nach der Datenübermittlung bei dem FA einzureichen. | Abs. 64 |
| Das VG Gelsenkirchen[42] hatte über eine Belehrung zur Klageeinreichung auf einem Bescheid zu befinden. Das Gericht urteilte: „Über die vom Kläger angesprochene Möglichkeit, auf elektronischem Weg Klage zu erheben, hat der Bescheid zu Recht nicht belehrt. Diese Möglichkeit bestand bei Erlass des Feststellungsbescheids am 2. April 2012 noch nicht. Beim zuständigen Verwaltungsgericht Gelsenkirchen können erst seit dem 1. Januar 2013 Dokumente auf elektronischem Weg eingereicht werden (vgl. Anlage zur Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen - ERVVO VG/FG - vom 7. November 2012, dort Ziffer 5.)." | Abs. 65 |
| Sofern eine Gemeinde alle notwendigen Voraussetzungen zur Nutzung eines elektronischen Mandatsarbeitsplatzes schaffe, sei die elektronische Ladung zu Sitzungen des Gemeinderates und deren Ausschüsse nicht von der Zustimmung des Mandatsträgers abhängig, so VG Magdeburg[43]. | Abs. 66 |
| Das Bundessozialgericht[44] ist der Ansicht, dass Ausgestaltung und Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte verfassungsgemäß seien. | Abs. 67 |
| Das Finanzgericht Bremen[45] entschied, dass die Verpflichtung zur Übermittlung von Umsatzsteuervoranmeldungen auf elektronischem Weg nach § 18 Abs. 1 UStG ist verfassungsgemäß sei und Unionsrecht entspreche. | Abs. 68 |
| Bei anwaltlicher Tätigkeit im Rahmen bewilligter Beratungshilfe sei für die Ermittlung der Pauschale gem. Nr. 7002 RVG-VV nicht auf das Ergebnis einer etwaigen Gebührenanrechnung abzustellen, sondern es seien die tatsächlich erfüllten Gebührentatbestände ausschlaggebend, so das Amtsgericht Schöneberg[46]. Die im Rahmen der Beratung angefallene Post- und Telekommunikationspauschale sei nicht auf die Vergütung anzurechnen, die für die anschließende außergerichtliche Vertretung anfällt. Die Höhe der Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 RVG-VV sei aus den jeweils erfüllten Gebührentatbeständen des Nr. 2500 ff. RVG-VV zu ermitteln. Für die Entstehung der Pauschale sei angesichts des zunehmenden elektronischen Rechtsverkehrs die Kommunikation durch elektronische Medien (per mail, skype, Videotelefonie, Mobiltelefon, etc.) ausreichend, so dass die Pauschale bereits mit der ersten Inanspruchnahme dieser Medien anfalle. | Abs. 69 |
| Das OVG Nordrhein-Westfalen[47] nahm zu einigen Fragen des Informationsweiterverwendungsgesetzes Stellung. Das Informationsweiterverwendungsgesetz begründe kein eigenständiges Zugangsrecht zu Informationen. Ob ein solches Zugangsrecht bestehe, richte sich nach den einschlägigen Gesetzen, insbesondere den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder. § 137 Abs. 3 SGB V a. F. enthalte keine Regelung i. S. d. § 1 Abs. 3 IFG über den Zugang zu den Qualitätsberichten der Krankenhäuser im XML-Format. Die Nutzung von Informationen sei i. S. d. § 2 Nr. 3 IWG auf die Erzielung von Entgelt gerichtet, wenn die Information grundsätzlich in gleicher Weise auch von einem privaten Anbieter zum Zweck der Gewinnerzielung genutzt werden könnte; auf eine konkrete Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall komme es nicht an. | Abs. 70 |
| Zu den Unterlagen i. S. d. § 34 Abs 3 BetrVG zählt insbesondere auch das E-Mail-Konto des Betriebsrats, unter dem er seine Korrespondenz führt, entschied das Landesarbeitsgericht München[48]. Die Einsichtnahmemöglichkeit solle nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 BetrVG "jederzeit" bestehen. Für elektronische Unterlagen sei damit zu verlangen, dass sie "auf elektronischem Weg sofort zur Verfügung gestellt werden. Das Einsichtsrecht einzelner Betriebsratsmitglieder sei unabdingbar und könne nicht durch Maßnahmen nach § 9 BDSG beschränkt werden. Der Betriebsrat habe vielmehr Maßnahmen zu treffen, die den Datenmissbrauch innerhalb seines Verantwortungsbereichs begrenzen, ohne das Leserecht für einzelne Betriebsratsmitglieder inhaltlich zu beschränken. | Abs. 71 |
| Rechtliche Wirksamkeitsbedenken gegen die "Umlageordnung zur Finanzierung des elektronischen Rechtsverkehrs" vom 09.04.2014 sowie gegen den Beschluss der Kammerversammlung über die Höhe der Umlage von 63,00 EUR vom 09.04.2014 bestehen nicht, entschied der Anwaltsgerichtshof Hamm[49]. Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I, 3786) sei die gesetzliche Grundlage, aus der eine Kompetenz zur Erhebung der Umlage für die Finanzierung der Schaffung, nicht etwa allein Nutzung, des elektronischen Rechtsverkehrs abgeleitet werden könne. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen §§ 31 a, 177 BRAO bestünden nicht. Der Zweck des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten liege in der Nutzung des Potentials der jüngeren technischen Entwicklung auf prozessualem Gebiet. Die Schaffung eines umfassenden Zugangs für die Rechtsanwaltschaft sei zur Erreichung dieses Ziels geeignet und auch erforderlich. Auch die Zumutbarkeit sei zu bejahen. Der für die Schaffung der Zugangsvoraussetzungen in Rede stehende wirtschaftliche Aufwand der Rechtsanwaltschaft sei angesichts eines in Rede stehenden Betrags von 63,00 EUR für die Jahre 2014 und 2015 sehr gering. Hinzukomme, dass durch den elektronischen Rechtsverkehr der Versand mittels Postsendungen entfalle. Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung sei die Bundesrechtsanwaltskammer verpflichtet, die Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Fortführung der elektronischen Anwaltspostfächer aufzubringen. Dazu erhebe sie nach § 178 Abs. 1 BRAO die notwendigen Beiträge von den Rechtsanwaltskammern. In der Erhebung einer Umlage in genau der Höhe der an die Bundesrechtsanwaltskammer abzuführenden Umlage liege weder eine Ermessensüberschreitung noch ein Ermessensmissbrauch. | Abs. 72 |
| Nach Auffassung des OLG Hamm[50] ist es zulässig, die Mitglieder eines Vereins per E-Mail zur Mitgliederversammlung einzuladen.. Das Gericht schloss sich damit der Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg[51] an. | Abs. 73 |
| Die Erhebung der Aktenversendungspauschale setzt bei einer elektronischen Aktenführung, zwingend und unabdingbar voraus, dass der Aktenauszug den von § 110d OWiG aufgestellten Voraussetzungen genügt und einen zusätzlichen Vermerk betreffend die qualifizierte Signatur des elektronischen Dokuments aufweist. Nur dann kann im Rahmen einer Versendung eines Aktenauszugs eine Aktenversendungspauschale anfallen, da auch nur dann im Rechtssinne Akteneinsicht gewährt worden ist, entschied das Amtsgericht Lüdinghausen[52]. | Abs. 74 |
| Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht[53] ist der Ansicht, dass ein Steuerberater nach §§ 147 Abs. 6, 97, 104 Abs. 2 AO zur Überlassung eines Datensticks mit der Buchführung seines Mandaten an die Finanzverwaltung bzw. alternativ zur Freigabe der Daten bei der DATEV e.G. verpflichtet ist. Dem stünden die Zurückbehaltungsrechte aus § 66 StBerG bzw. § 273 BGB gegenüber dem Mandanten nicht entgegen. | Abs. 75 |
| Das OLG Braunschweig[54] entschied, dass die Kosten für Abschriften, Ausdrucke und Ablichtungen zu den allgemeinen Geschäftskosten eines Rechtsanwalts gehören und daher nur eingeschränkt erstattungsfähig seien. Der Ausdruck einer vollständigen elektronischen Akte, die dem Rechtsanwalt zur dauerhaften Nutzung überlassen wurde, sei grundsätzlich nicht erforderlich. Wenn die elektronischen Akten durch Ordner und Verzeichnisse übersichtlich gestaltet seien und nach gewünschten Informationen deshalb gezielt gesucht werden könnte, sei dem Verteidiger die Arbeit mit ihnen am Computerbildschirm zuzumuten. | Abs. 76 |
| Die elektronische Gesundheitskarte verstößt in ihrer derzeitigen Anwendung nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, urteilte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg[55]. | Abs. 77 |
| VIII. Exkurs: Dashcam-Rechtsprechung | Abs. 78 |
| Seit dem Jahr 2014 beschäftigt sich die Rechtsprechung mit der Zulässigkeit der Verwertung von Videoaufnahmen aus sog. „On-Board-Kameras" bzw. sog. „Dashcams"[56]. | Abs. 79 |
| Aufzeichnungen einer in einem Pkw installierten Dashcam können im Zivilprozess nicht als Beweismittel zum Hergang eines Unfalls verwertet werden, so LG Heilbronn[57]. Die Aufzeichnung der Zweitbeklagten mittels Dashcam verletze diese in ihrem Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasse das Recht am eigenen Bild und sei Ausprägung eines sich an moderne Entwicklungen anpassenden Persönlichkeitsschutzes über personenbezogene Informationen. | Abs. 80 |
| Das AG Nienburg[58] urteilte, dass im Strafverfahren kein generelles Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufzeichnungen bestehe. Ob eine Dashcam-Aufzeichnung im Strafverfahren verwertet werden dürfe, sei eine Frage des Einzelfalls. | Abs. 81 |
| Das Gericht führt aus: | Abs. 82 |
| „Die Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm entsprechend § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG sind erfüllt. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Zeugen an der Anfertigung der Aufzeichnung zum Zwecke der Beweissicherung und dem Interesse des Angeklagten an der Unverletzlichkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt das Interesse des Zeugen (a.A. AG München, Beschluss vom 13.08.2014, 345 C 5551/14; VG Ansbach, Urteil vom 12.08.2014, AN 4 K 13.01634, - beide zitiert nach juris - ). Maßgeblich ist insoweit, dass die kurze, anlassbezogene Aufzeichnung nur die Fahrzeuge, aber nicht die Insassen der Fahrzeuge abbildet und nur Vorgänge erfasst, die sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignen. Der Eingriff in das Recht des Angeklagten ist daher denkbar gering, während das Interesse des Zeugen an einem effektiven Rechtsschutz besonders hoch ist." | Abs. 83 |
| Das AG Düsseldorf[59] vertritt die Ansicht, dass Video-Aufnahmen mit einer Dash-Cam, die anlässlich eines Verkehrsunfalls gemacht wurden und durch die das Unfallgeschehen aufgeklärt wird, obwohl die Partei, deren Fehlverhalten zum Unfall führte, nicht zu sehen ist, als Beweismittel verwertbar seien, da sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Partei nicht verletzen. Grundsätzlich sei eine Güterabwägung zwischen einer möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzung und dem Interesse des Geschädigten an der Aufklärung der Schuldfrage vorzunehmen. | Abs. 84 |
| Dieser Ansicht ist auch das AG München[60], das ausführt, dass für die Frage, ob ein privat aufgenommenes Verkehrsvideo in einem Zivilgerichtsverfahren nach einem Verkehrsunfall ausgewertet werden dürfe, die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen seien. | Abs. 85 |
| Wolle ein Unfallbeteiligter von einer zufällig gewonnenen Videoaufnahme im Gerichtsverfahren Gebrauch machen, sei dies zulässig, da der Gebrauch von seinem anerkannten Interesse, Beweise zu sichern, gedeckt werde. Es mache keinen Unterschied, ob Beweismittel erst nach dem Unfall gewonnen würden oder bereits angefertigte Aufnahmen nun mit einer bestimmten Zielrichtung verwertet würden. | Abs. 86 |
| Demgegenüber ist das AG München[61] in einer späteren Entscheidung der Ansicht, dass Aufzeichnungen aus einer Dash-Cam können im Zivilprozess nicht als Beweismittel verwertet werden dürften. „Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine in einem PKW installierte Autokamera („Car-Cam" bzw. „Dash-Cam") verstößt gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG sowie gegen § 22 S. 1 KunstUrhG und verletzt den Beklagten in seinem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Es liegen auch keine überwiegenden Interessen des Beweisführers vor, die die Verwertung dieser rechtswidrig erlangten Beweismittel erlauben würden." | Abs. 87 |
| Das VG Ansbach[62] stellte die datenschutzrechtliche Unzulässigkeit sog. Dash-Cams fest. Durch sog. On-Board-Kameras ("Dash-Cams") würden personenbezogene Daten in nicht automatisierten Dateien verarbeitet, genutzt und dafür erhoben. Die Aufnahmen seien nicht automatisierte Dateien gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG. Bei reinen Videoaufzeichnungen ohne ergänzende Informationen fehle es zwar an einer Zugänglichkeit nach bestimmten Merkmalen. Würden allerdings den Bildaufzeichnungen weitere Informationen, wie Uhrzeit, Datum oder eventuell Standort, beigefügt, sei von einer Zugänglichkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 BDSG auszugehen. Der Betreiber einer On-Board-Kamera verstoße in der von ihm gewählten Betriebsform gegen das datenschutzrechtliche Verbot, dass die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) unzulässig ist. Eine Ausnahme gem. § 6 b BDSG, der den allgemeinen Zulässigkeitsnormen (insbes. § 28 BDSG) als lex specialis vorgeht, sei nicht gegeben. Dieser datenschutzrechtliche Verstoß sei auch als schwerwiegend anzusehen. Bei einer permanenten Überwachung des Verkehrsraums und der damit angesammelten Daten über Verkehrsteilnehmer liege ein schwerwiegender Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, da ein besonders schwerer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen gegeben sei. | Abs. 88 |
| Das Amtsgericht Nürnberg[63] entschied, dass private Videoaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen auch unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher und urheberrechtlicher Aspekte sowie unter Wahrung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der abgebildeten Personen in einem Verkehrsunfallprozess verwertbar sein könnten. Das Gericht stellte sich damit explizit gegen die vom Amtsgericht München und Landgericht Heilbronn vertretene Rechtsauffassung. | Abs. 89 |
| Das Amtsgericht Köln[64] hatte bereits im Jahr 2014 entschieden, dass es grundsätzlich keine Bedenken gegen eine sachverständige Unfallrekonstruktion anhand einer von einem unbeteiligten Zeugen gemachten Videoaufnahme mittels einer Dash-Cam gebe. | Abs. 90 |
| Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht Wien[65] für das österreichische Recht entschieden, dass eine Videoaufzeichnung mittels einer Dash-Cam, die kontinuierlich filme, jedoch in 60-Sekunden Abständen überschreibend speichere, als Videoüberwachung eine unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten darstelle. | Abs. 91 |
| Die Dashcam-Rechtsprechung ist derzeit Gegenstand der Untersuchung in verschiedenen wissenschaftlichen Beiträgen[66]. U.a. geht es dabei um die Untersuchung der Frage, ob insbesondere das Datenschutzrecht einem rechtskonformen Einsatz dieser „On-Board-Kameras" entgegensteht. In der juristischen Diskussion und Wertung sollte der Aspekt nicht unbeachtet bleiben, ob ein Beweisinstrument, das zur Klärung von wichtigen Haftungsfragen dienen kann, durch Überlegungen des Datenschutzes einfach beiseitegelegt und „beerdigt" werden sollte. Man kann hierbei an Fallgestaltungen mit schwer verletzten Unfallopfern denken, bei denen eine Klärung des Unfallhergangs auf andere Weise nicht möglich ist. Die Diskussion hierzu ist gerade im Gange[67]. | Abs. 92 |
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| Fußnoten | |
| * Wolfgang Kuntz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht in Saarbrücken und für die "Gemeinsame Kommission Elektronischer Rechtsverkehr des EDV-Gerichtstages e.V." tätig. |
| [1] Ergänzte und überarbeitete Fassung eines Vortrags, den der Autor auf dem diesjährigen EDV-Gerichtstag in Saarbrücken am 25.09.2015 im Arbeitskreis „Rechtsprechung zu eGovernment und eJustice" gehalten hat. Der vorliegende Beitrag schließt an die Ausführungen von VorsRiBVerwG Prof. Dr. Uwe Berlit, JurPC Web-Dok. 176/2015, (= http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150176) an. |
| [1] BGH, Beschluss vom 11.06.2015, I ZB 64/14 |
| [2] VG Gera, Beschluss vom 27.05.2015, 2 E 254/15 |
| [3] BGH, Beschluss vom 18. März 2015, XII ZB 424/14 |
| [4] LSG des Saarlandes, Urteil vom 25.03.2015, L 2 U 30/14 |
| [5] BGH, Beschluss vom 18.03.2015, XII ZB 424/14 |
| [6] BGH, Beschluss vom 15.07.2008, X ZB 8/08 = NJW 2008, 2649. |
| [7] OLG Hamm, Beschluss vom 16.02.2015, III-1 Ws 677/14 |
| [8] VG Gelsenkirchen, Urteil vom 03.02.2015, 6 K 4434/13 |
| [9] Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 09.01.2015, L 6 AS 639/14 B ER |
| [10] BGH, Beschluss vom 15.07.2008, X ZB 8/08: Eine Berufungsbegründung ist in schriftlicher Form eingereicht, sobald dem Berufungsgericht ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Berufungsbegründung enthaltenden Bilddatei (hier: PDF-Datei) vorliegt. Ist die Datei durch Einscannen eines vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt, ist auch dem Unterschriftserfordernis des § 130 Nr. 6 ZPO genügt. |
| [11] VG Minden, Urteil vom 15.12.2014, 10 K 3420/13 |
| [12] Das Hessische Finanzgericht, Urteil vom 20.11.2014, 4 K 208/13 |
| [13] KG Berlin, Beschluss vom 08.08.2014, 13 UF 202/14 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20140192 |
| [14] Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.07.2014, 4 E 59/14 |
| [15][15] Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10.07.2014, L 7 AS 410/14 B ER |
| [16] Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.06.2014, L 3 AS 318/12 B ER |
| [17] OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.05.2014, 19 E 449/14 |
| [18] VG München, Urteil vom 30.04.2014, M 18 K 14.1321 |
| [19] Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 25.02.2014, L 6 KR 905/13 |
| [20] SG Mainz, Urteil vom 20.02.2014, S 10 AS 1166/13 |
| [21] OLG Dresden, Beschluss vom 13.02.2014, 2 Ws 658/13 |
| [22] Hessische Landessozialgericht, Beschluss vom 05.02.2014, L 7 AL 169/13 B |
| [23] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2014, I-3 Wx 231/13 |
| [24] LG Limburg, Beschluss vom 10.12.2013, 1 Qs 172/13 |
| [25] VG Dresden, Urteil vom 16.09.2015, 3 K 1566/12 |
| [26] Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 28. August 2015, Vf. 57-IV-15 |
| [27] Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. September 2015, L 2 U 39/12 |
| [28] OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. September 2015, 3 VAs 17/15 |
| [29] Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 5. April 2000, GmS-OGB 1/98 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20000160 |
| [30] BGH, Beschluss vom 14.10.2014, XI ZB 13/13 |
| [31] BGH, 14. Januar 2010, VII ZB 112/08, WM 2010, 1000 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20100053 |
| [32] LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.07.2014, L 29 AS 1052/14 NZB |
| [33] Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19.03.2014, 2 U 16/13 |
| [34] BFH, Urteil vom 28.01.2014, VIII R 28/13 |
| [35] BGH, Beschluss vom 16.03.2015, NotSt (Brfg) 7/14 |
| [36] OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2014, 2 B 1111/14 |
| [37] Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 21.05.2015, Z3-3-3194-1-08-02/15 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20130180 |
| [38] Bayerischer VGH, Beschluss vom 24.09.2015, 6 ZB 14.291 |
| [39] OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.07.2015, 6 W 72/15 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150157 |
| [40] VG Potsdam, Urteil vom 19.05.2014, 12 K 1994/13 |
| [41] Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 13.03.2014, 4 K 32/12 |
| [42] VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12.03.2014, 7 K 3381/13 |
| [43] VG Magdeburg, Beschluss vom 19.01.2015, 9 B 466/14 |
| [44] BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R |
| [45] FG Bremen, Urteil vom 26.06.2014, 2 K 12/14 (2) |
| [46] AG Schöneberg, Beschluss vom 17.04.2014, 70 II RB 274/13 |
| [47] OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.04.2014, 8 A 1129/11 |
| [48] Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 24.02.2014, 3 TaBV 92/13 |
| [49] AGH Hamm, Urteil vom 17.04.2015, 1 AGH 5/15 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150130 |
| [50] OLG Hamm, Beschluss vom 24. September 2015, 27 W 104/15 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150170 |
| [51] Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 06.05.2013, 2 W 35/13 = RPfleger 2013, 457 f. |
| [52] AG Lüdinghausen, Beschluss vom 13. August 2015, 19 OWi 166/15 (b) = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150166 |
| [53] Schleswig-Holsteinische Finanzgericht, Beschluss vom 12. Oktober 2015, 2 V 95/15 |
| [54] OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. August 2015, 1 Ws 233/15 |
| [55] Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.03.2015, L 1 KR 18/14 |
| [56] Die Frage wird auch in zahlreichen Aufsatz-Beiträgen thematisiert: u.a. Allendorf, SVR 2015, S. 171 ff., Nugel, VRR 2015, S. 12 f., Saenger/Möller, JA 2015, S. 12 ff., Vahle, DSB 2015, S. 90 f., Lachenmann/Schwiering, CR 2015, S. 402 f., Koehl, SVR 2015, S. 235 ff., Reibach, DuD 2015, S. 157 ff., Fuchs, ZD 2015, S. 212 ff., Ahrens, MDR 2015, S. 926 ff., Terhaag/Schwarz, K&R 2015, S. 556 ff. |
| [57] LG Heilbronn, Urteil vom 03.02.2015, I 3 S 19/14 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150045 |
| [58] AG Nienburg, Urteil vom 20.01.2015, 4 Ds 155/14 |
| [59] AG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2014, 24 C 6736/14 |
| [60] AG München, Urteil vom 06.06.2013, 343 C 4445/13 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20140052 |
| [61] AG München, Beschluss vom 13.08.2014, 345 C 5551/14 |
| [62] VG Ansbach, Urteil vom 12.08.2014, AN 4 K 13.01634 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150006 |
| [63] AG Nürnberg, Urteil vom 08.05.2015, 18 C 8938/14 |
| [64] AG Köln, Urteil vom 01.09.2014, 273 C 162/13 |
| [65] Bundesverwaltungsgericht Wien, Entscheidung vom 30. Januar 2015, Az.: W214 2011104-1/9E |
| [66] Siehe bereits die Nachweise oben bei Fn. 57, daneben insbesondere auch Ferdinand Wessels, Dashcams im Lichte des Datenschutzes - Beweissicherung vs. Informationelle Selbstbestimmung, JurPC Web-Dok. 186/2015 = http://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20150186 |
| [67] Vgl. z.B. auch die Erörterungen auf dem diesjährigen EDV-Gerichtstag vom 23.-25.09.2015 in Saarbrücken im Arbeitskreis "Rechtsprechung zu eGovernment und eJustice" |
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| (online seit: 08.12.2015) |
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| Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok, Abs. |
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