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| Hans-Georg Hansen * Eine überflüssige Übersignatur signierter Urteile JurPC Web-Dok. 100/2014, Abs. 1 - 13 | | | |
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| Zwar will der Gesetzgeber mit dem erst vor kurzem in
Kraft getretenen Gesetz zur Förderung des elektronischen
Rechtsverkehrs Erleichterungen u.a. dadurch schaffen, dass an Stelle
der qualifizierten elektronischen Signatur alternative Zugangswege
eröffnet werden[1]. Dennoch ist die qualifizierte elektronische
Signatur weiterhin das Maß der Dinge, vor allem wenn man an
gerichtliche elektronische Dokumente denkt. Für diese schreibt
§ 130b ZPO i.d.F. des JKomG vom 22.03.2005 (BGBl. I S. 837)
weiterhin als „Unterschrift" die qualifizierte elektronische
Signatur vor. | Abs. 1 | | Seitdem haben zahlreiche Gericht, z.T. im Pilotversuch,
aufgrund entsprechender Verordnungen am elektronischen Rechtsverkehr
teilgenommen und in einer Vorstufe zu elektronischen Akten
gerichtliche elektronische Dokumente mit einer qualifizierten
elektronischen Signatur versehen. Daher stellen sich diese Gericht,
und verschiedene Verwaltungen, zur Zeit dem Problem, ob die so
signierten Dokumente noch wirksam sind und ob sie diese erneut mit
einer sog. Übersignatur versehen müssen. Der dazu
erforderliche Aufwand ist, man denke etwa nur an Massenverwaltungen,
beträchtlich und würde evtl. angenommene
Rationalisierungsvorteile bei weitem überwiegen. | Abs. 2 | | Das Problem ergibt sich aus dem Wesen der qualifizierten
elektronischen Signatur i.S.d. § 2 Nr. 3 SigG und dem mit ihr
verfolgten Zweck. Signaturen sind Daten in elektronischer Form, die
anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen
verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen,
ausschließlich dem Signaturschlüssel-Inhaber zugeordnet
sind, die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers
ermöglichen, mit Mitteln erzeugt werden, die der
Signaturschlüssel-Inhaber unter seiner alleinigen Kontrolle
halten kann, mit den Daten, auf die sie sich beziehen, so
verknüpft sind, dass eine nachträgliche Veränderung
der Daten erkannt werden kann und die auf einem zum Zeitpunkt ihrer
Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen, mit einer
sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt werden. Die
qualifizierte elektronische Signatur ist ein Substitut der
eigenhändigen Unterschrift. Es handelt sich aber nicht etwa um
eine Verschlüsselung der Unterschrift, sondern um eine Art
elektronisches Siegel zur Ersetzung der Unterschrift [2]. | Abs. 3 | | Eine elektronische Signatur ist damit ein Verfahren, das
dazu dient, Authentizität und Integrität von Daten in
elektronischer Form zu sichern. Authentizität bedeutet dabei,
dass ein signiertes Dokument eindeutig einer bestimmten Person
zugeordnet werden kann, die die Signatur erstellt hat. Unter
Integrität wird in diesem Zusammenhang die Unversehrtheit z. B.
eines elektronischen Dokumentes verstanden, also dass ein
elektronisches Dokument vor Veränderungen oder Manipulationen
geschützt ist. Soll mit der Signatur zugleich nachgewiesen
werden, ob bestimmte Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen
haben, kann nach § 9 Satz 1 SigG zusätzlich ein
Zeitstempel eingeholt werden. Dieser dient verbindlich unter den
Voraussetzungen des § 2 Nr. 14 SigG der Feststellung eines
bestimmten Zeitpunktes, nicht aber der Sicherheit, von wem diese
Daten stammen; er ist auch ohne Signatur möglich. Er verhindert
insbesondere ein unbemerktes Rückdatieren von so signierten
elektronischen Dokumenten. Das ist insbesondere dann von Bedeutung,
wenn der Zeitpunkt der Erstellung des Dokuments von Bedeutung
ist [3]. Deshalb schreibt § 17 Satz 3 SigVO bei Nachsignaturen
zusätzlich einen Zeitstempel vor. | Abs. 4 | | Das SigG und die SigVO enthalten keine
ausdrücklichen Regelungen über die Dauer der
Gültigkeit einer digitalen Signatur. Dagegen werden die
Zertifikate, die für die Erzeugung der Signatur benötigt
werden und auf denen die Signatur beruht (§ 5 Abs. 1 SigG), mit
einem Verfalldatum versehen, was es erlauben soll, der technischen
Entwicklung etwa durch Anheben der Schlüssellängen zu
folgen. Dieses Verfallsdatum des Zertifikats wird bei der Anzeige
des Zertifikats durch die Signaturprüfeinheit
regelmäßig mit angezeigt. Daraus ist aber nicht zu
schließen, dass mit dem Ablauf des Zertifikats zugleich die
auf diesem Zertifikat beruhenden und mit ihm erzeugten Signaturen
„ungültig" würden. | Abs. 5 | | Auch ohne dass dies im SigG eindeutig geregelt ist,
ergibt sich aus einzelnen Bestimmungen, dass Dokumente mit dem mit
der Signatur verknüpften Inhalt wie eine Willenserklärung
mit eigenhändiger Unterschrift auf Dauer gültig sind [4].
Hierfür sprechen z.B. die Regelungen der §§ 6 Abs. 1
Satz 2 SigG; 17 SigVO: Daten mit einer qualifizierten elektronischen
Signatur sind nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SigG neu zu signieren,
wenn diese für längere Zeit in signierter Form
benötigt werden, als die für ihre Erzeugung und
Prüfung eingesetzten Algorithmen und zugehörigen Parameter
als geeignet beurteilt sind. Darauf ist bei der Antragstellung zur
Signatur hinzuweisen. Diese Regelung ist Ausdruck und Folge der
Sicherheitsvermutung der qualifizierten elektronischen Signatur, die
auf der Identitätsprüfung des Signaturausstellers und der
Prüfung der Algorithmen und Parameter der Signatur beruht.
Hierfür spricht auch der systematische Zusammenhang, da §
6 SigG der Sicherheit und dauernden Prüfbarkeit von Signaturen
dient. Die Dauer und Eignung der bei der Signatur eingesetzten
Algorithmen wiederum ist nach den Referenznummern für allgemein
anerkannte Normen für Produkte für qualifizierte
elektronische Signaturen aufgrund des § 15 Abs. 6 SigVO im
Bundesanzeiger bekannt zu machen, da ein Nachweis einer
abschließend sicheren Kryptografie bislang nicht gelungen
ist [5]. Auch dort wird wiederum -neben technischen Einzelheiten der
Verschlüsselungsalgorithmen- auf die Notwendigkeit hingewiesen,
dass vor Ablauf der „Eignungsfrist eines Algorithmus, auf
dessen Sicherheit die Signatur beruht", ein neuer qualifizierter
Zeitstempel, ggf. für mehrere qualifiziert digital signierte
Dokumente gleichzeitig, erzeugt werden solle. | Abs. 6 | | Diese Regelungen dienen allein der Erhaltung des
Beweiswerts der qualifiziert elektronischen Signatur und beinhalten
keine Aussage zu deren Gültigkeitsdauer. Dies wäre auch
rechtssystematisch höchst problematisch, da dann die
Wirksamkeit von Willenserklärungen von der Beweiseignung von
krypologischen Verfahren abhängig gemacht würde, die nicht
exakt bestimmbar, sicher aber nicht zeitlich unbegrenzt sicher sind.
Das SigG, und die europäischen Richtlinien, auf der es
beruht [6], soll gerade eine dauerhafte rechtlich gleiche
Verbindlichkeit zwischen handschriftlich unterzeichneten und
qualifiziert elektronisch signierten Dokumenten erreichen. Damit ist
ein Wegfall der Rechtswirksamkeit der Signatur einer
Willenserklärung, die ja einer handschriftlichen Unterschrift
entspricht, nicht vereinbar. Sonst wäre es möglich, sich
etwa wegen Verlustes des Signaturschlüssels durch eine Sperrung
des Zertifikats nachträglich der Rechtsverbindlichkeit einer
Willenserklärung zu entziehen, die mittels einer qualifizierten
elektronischen Signatur abgegeben wurde. Sperrungen wirken deshalb
grundsätzlich ex nunc, berühren also die Rechtswirksamkeit
der vor der Sperrung erzeugten Signatur nicht [7]. Deshalb verbietet
§ 6 Abs. 1 Satz 4 SigG auch ausdrücklich die
rückwirkende Sperrung von Zertifikaten. | Abs. 7 | | Voraussetzung für den Schluss von einer digitalen
Signatur auf die Verbindlichkeit eines signierten Textes ist damit
nebst dem positiven Resultat der Signaturprüfeinheit die allein
Gültigkeit des Zertifikats im Moment der
Unterzeichnung [8]. | Abs. 8 | | Ein Übersignatur, ob nur mit einem neuen
Zeitstempel oder mit neuer qualifizierten elektronischen Signatur
ist also als Maßnahme der langfristigen Datensicherung
(§§ 6 Abs. 1Satz 2 SigG; 17 SigVO) nur erforderlich, wenn
sichergestellt sein muss, dass auch lange nach der ersten
qualifizierten elektronischen Signatur dieser der gleiche Beweiswert
wie bei der Erstellung zukommen soll. Das mag bei elektronisch
geführten Verwaltungsakten von Bedeutung sei, wozu § 33
Abs. 4 Nr. 4b und Abs. 5 VwVfG Regelungen enthalten. Ähnliche
Regelungen bestehen insbesondere für die Bereiche des
Gesellschafts-, Handels-, Steuerrechts [9]. | Abs. 9 | | Bei gerichtlichen elektronischen Dokumenten bedarf es
solcher Regelungen und Maßnahmen nicht, da die
Prozessordnungen dafür andere und geeignetere Abläufe
für Urteile oder verfahrensbeendende Beschlüsse vorsehen.
Denn nach den Prozessordnungen wird nicht das Original eines Urteils
zugestellt, sondern immer nur eine Ausfertigung. Dies mag man
hinterfragen, wenn ein Gericht den Prozessbeteiligten ein
qualifiziert elektronisch vom Richter signiertes Urteil zustellt, da
dieses faktisch ebenfalls ein Original ist. Einer solchen Zustellung
bedarf es aber weder, noch ist sie vorgeschrieben. Denn Urteile
werden von Amts wegen zugestellt, wobei das Original in der Akte
verbleibt und den Parteien lediglich eine Ausfertigung zu
übergeben ist. | Abs. 10 | | Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften eines als
elektronisches Dokument (§ 130b) vorliegenden Urteils
können nach § 317 Abs. 3, der auf § 298 verweist, in
die Papierform überführt werden. Zusätzlich zu dem
Transfervermerk ist in diesem Fall allerdings noch ein
Ausfertigungsvermerk des Urkundsbeamten notwendig [10]. Die
elektronische Zustellung eines elektronischen gerichtlichen
Dokuments erlauben §§ 174 Abs. 3; 130 Abs. 1 Satz 1 und 2
ZPO. | Abs. 11 | | Auch dabei ist den Prozessbeteiligten grundsätzlich
nicht das Urteil im Original und auch keine Abschrift, sondern nur
eine Ausfertigung des Urteils zuzustellen. Diese muss nicht die
Signatur des Richters enthalten, sondern u.a. den Namen des
Richters, der unterschrieben bzw. signiert hat und den signierten
Verkündungs- bzw. Ausfertigungsvermerk [11]. Das Prozessrecht
schreibt hierzu die Beifügung einer qualifizierten
elektronischen Signatur vor, welche die „zu verantwortende
Person" des Gerichts zu erstellen hat. Dies ist i.d.R. die Person,
welche die Richtigkeit der Ausfertigung beurkundet, also nach
§§ 317 Abs. 2 und 3 ZPO der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle, und nicht der Richter. | Abs. 12 | | Daraus folgt, dass die Signatur des Richters auch nach
längerer Zeit nicht zu erneuern ist, weil der Beweiswert der
Richterunterschrift in der signierten Originaldatei des
elektronischen gerichtlichen Dokuments im IT-Gerichtssystem sich
nicht ändert und mit Zeitablauf auch geringer wird. Denkbar
sind allenfalls Veränderungen im Beweiswert der zugestellten
Ausfertigung, z.B. wenn sie nach längerer Zeit erstmals als
Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen genutzt werden
sollen. Dann ist es aber Aufgabe und im Interesse des
Gläubigers, der aus diesem Urteil vollstrecken will, ggf. eine
weitere Ausfertigung zu beantragen (§ 733 ZPO), die dann
seitens des dann zuständigen Urkundsbeamten des Gerichts neu zu
signieren wäre. Eine „flächendeckende"
Übersignatur aller gerichtlichen elektronischen Dokumente, die
qualifiziert elektronisch signiert wurden, ist
mithin überflüssig. | Abs. 13 |
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| Fußnoten | | | |
| [1] BT-Drucks. 17/1263 S. 20 | | [2] Hertel in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2012,
§ 126a BGB, Rn 46 mwN | | [3] BT-Drucks. 14/4552 S. 19; Brisch/Brisch in
Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimedia-Recht, Stand: Sept.
2013, 13.3, Rdn. 59 ff | | [4] Bieser, Beck'scher IuK-Kommentar, 2001, §
2 SigG Rdn. 6 | | [5] vgl. zuletzt Bekanntmachung zur elektronischen
Signatur nach dem Signaturgesetz und der Signaturverordnung
(Übersicht über geeignete Algorithmen) vom 18.02.2013;
Brisch/Brisch a.a.O,, Rdn. 212 | | [6] Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen
Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie und Richtlinie
1999/93/EG über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für
elektronische Signaturen (Signaturrichtlinie) | | [7] Bieser, § 8 SigG Rdn. 12 | | [8] Schlauri, Elektronische Signaturen, Diss.
Zürich 2002, S. 49 f mwN | | [9] Vgl. Brisch/Brisch, a.a.O., Rdn. 211 mwN | | [10] Prütting Münchener Kommentar zur ZPO, 4.
Auflage 2013, § 298 Rdn. 6 | | [11] Musielak, ZPO, 10. Auflage 2013, § 174 Rdn. 4;
§ 317 Rdn. 11 | |
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| * Dr. Hans-Georg Hansen ist Richter am Landessozialgericht Rheinland-Pfalz. | |
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| [online seit: 17.06.2014] | | | |
| Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok,
Abs. | | | | |