AG Cloppenburg
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BGB § 355 |
Leitsatz (der Redaktion) |
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Tatbestand |
Die Klägerin, die als Unternehmerin Energiesparerzeugnisse vertreibt, macht die Rückabwicklung eines Online-Kaufvertrages über ein Elektrofahrrad geltend. | JurPC Web-Dok. 54/2013, Abs. 1 |
Der Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.....de einen Online-Shop. Dort bestellte die Klägerin am 30.04.2010 das im Tenor bezeichnete Fahrrad zu einem Gesamtpreis von 2.899,00 EUR zzgl. 39,00 EUR Versandkosten, was der Beklagte am 03.05.2010 bestätigte. Der Bestellung lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten zugrunde, die folgende Regelungen enthielt: | Abs. 2 |
"2. Widerrufsrecht, Widerrufsfolgen, Rücksendung | Abs. 3 |
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (zB. Brief, Fax, E-Mail) oder - wenn Ihnen die Ware vor Fristablauf überlassen wird - durch Übersendung der Ware widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger und nicht vor der Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß ä 312 o Abs.2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs.1, 2 und 4 BGB-InfoV und § 312 e Abs.1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-InfoV und auch nicht bevor der Kaufvertrag durch Ihre Billigung des gekauften Gegenstandes für Sie bindend geworden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Ware. | Abs. 4 |
Widerrufsfolgen | Abs. 5 |
Im Falle eines wirksamen Widerrufs, sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen herauszugeben. Können Sie die empfangenen Leistungen ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgeben, müssen Sie uns gegebenenfalls Wertersatz leisten. Bei Überlassung der Ware gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie auch irn Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Sie können außerdem Wertersatz vermeiden, indem Sie die Ware nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt (Gebrauchsspuren hinterlassen). | Abs. 6 |
Paketversandfähige Ware ist auf unsere Gefahr zurückzusenden. | Abs. 7 |
Nicht paketversandfähige Ware wird bei Ihnen abgeholt. | Abs. 8 |
Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung oder der Ware, für uns mit deren Empfang. | Abs. 9 |
7. Gewährleistung / Transportschäden | Abs. 10 |
Wir bitten darum, offensichtliche Material- oder Herstellungsfehler sowie Transportschäden sofort gegenüber dem Speditionsfahrer zu reklamieren. | Abs. 11 |
Bitte senden Sie das Produkt günstigst als unversichertes Päckchen (Fahrräder werden von unsere Spedition zurückgeholt). | Abs. 12 |
Das Fahrrad, das vom Händler endmontiert und überprüft wurde, wurde nach Zahlung des Kaufpreises und der Versandkosten per Spedition an die Klägerin übersandt und am 25.07.2010 rügte die Klägerin gegenüber dem Beklagten per e-mail Mängel, die der Beklagte am 26.07.2010 zurückwies und anbot, das Fahrrad bei ihm zur Überprüfung vorbeizubringen oder einen Diamant E-Bike-Händler vor Ort aufzusuchen. Am 27.07.2010 erklärte die Klägerin den Widerruf gemäß Nr.2 der AGB des Beklagten sowie ersatzweise den Rücktritt vom Kauf. Mit Schreiben vom 26.08.2010 wurde der Beklagte unter Fristsetzung bis zum 06.09.2010 zur Rückzahlung des Kaufpreises nebst Versandkosten aufgefordert. | Abs. 13 |
Die Klägerin behauptet, sie habe das Fahrrad am 22.07.2010 erhalten und unverzüglich nach Erhalt getestet und folgende Mängel festgestellt: | Abs. 14 |
- | Gashebel sei abgefallen | Abs. 15 |
- | Display der Steuereinheit habe sich blau-grün verfärbt | Abs. 16 |
- | Tretunterstützung habe geruckt, sei teilweise ausgefallen oder habe beschleunigt, ohne dass getreten werde | Abs. 17 |
Der Gashebel sei aufgrund einer fehlerhaften Montage einfach während der Fahrt zunächst unbemerkt abgefallen und verloren gegangen, sei jedoch im beschädigten Zustand durch Überfahren anderer Fahrzeuge wiedergefunden worden. | Abs. 18 |
Der von der Klägerin im August 2010 beauftragte Sachverständige habe bestätigt, dass das E-Bike ohne Gashebel nicht bestimmungsgemäß genutzt werden könne. Sie habe das Fahrrad nur noch einmal zusammen mit dem Sachverständigen im Oktober 2010 benutzt und zwischen Mängelanzeige gegenüber dem Beklagten und Oktober 2010 gar nicht mehr. | Abs. 19 |
Bei dem Fahrrad handele es sich um eine nicht paketversandfähige Sache. | Abs. 20 |
Die Klägerin beantragt, | Abs. 21 |
1.) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.938,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 07.09.2010 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe des Elektrofahrrades "Diamant E-Bike 40 km/h, Herren 55, Zouma Supreme+", Rahmennummer: WTU359SZ3927E, | Abs. 22 |
2.) festzustellen, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet. | Abs. 23 |
Der Beklagte beantragt, | Abs. 24 |
die Klage abzuweisen. | Abs. 25 |
Er ist der Ansicht, die Klägerin als Unternehmerin habe kein Widerrufsrecht, auch nicht aus den AGBs der Beklagten, da sich aus dem Kontext und durch den Bezug auf § 312 c Abs.2 BGB i.V.m. § 1 Abs.1, 2 und 4 BGB-InfoV und § 312 e Abs.1 S. 1 BGB i.V.m. § 3 BGB-InfoV ergebe, dass ein Widerrufsrecht nur für Verbraucher bestehe. Zudem sei die Flückabwicklung aufgrund Widerrufs jedenfalls verwirkt, da die Klägerin die Ware B zeitnah an den Beklagten hätte zurücksenden müssen. | Abs. 26 |
Er behauptet, er habe das Fahrrad am 20.07.2010 erhalten und direkt an die Klägerin verschickt, so dass sie das Fahrrad nicht erst am 22.07.2010 erhalten haben könne. Das Fahrrad werde von der Klägerin seit fast 2 Jahren genutzt, so dass es aufgrund der Abnutzung wertlos sei. Sie rechne hilfsweise mit einem Anspruch auf Wertersatz auf. | Abs. 27 |
Im übrigen wird wegen der Einzelheiten auf die zwischen den Parteien gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. | Abs. 28 |
Entscheidungsgründe |
Die Klage ist begründet. | Abs. 29 |
1. Die Parteien schlossen am 03.05.2010 einen Kaufvertrag über das im Tenor genannte Elektrofahrrad. Dabei handelte es sich um einen Online-Kauf, so dass ein Fernabsatzvertrag i.S.v. 5 312 b BGB vereinbart wurde. | Abs. 30 |
Aufgrund des wirksamen Widerrufs bzw. Rücktritts von diesem Kaufvertrages durch die Klägerin hat sich das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt, so dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Erstattung der Versandkosten Zug um Zug gegen Übergabe des Elektrofahrrades aus §§ 357 Abs. 1, 346 ff BGB zusteht. Die Parteien haben nämlich ein vertragliches Widerrufsrecht vereinbart, was aufgrund der Vertragsfreiheit der Parteien möglich ist (vgl. Palandt, Vorbem. v. § 355 BGB Rz.5). Dieses Widerrufsrecht wurde nach dem Wortlaut der AGB's des Beklagten, die unstreitig dem Kaufvertrag zugrunde lagen, sämtlichen Käufern eingeräumt, ohne dies auf Verbraucher zu beschränken. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich eine derartige Beschränkung weder aus dem Kontext noch aus dem Bezug auf die § 312 c Abs.2 BGB i.V.m. § 1 Abs.1, 2 und 4 BGB-InfoV und § 312 e Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 3 BGB-InfoV. Denn auf diese Vorschriften wird erst in Rahmen der Belehrung hinsichtlich des Fristenbeginns sowie in Bezug auf die Informationspflichten hingewiesen. Das eigentliche Widerrufsrecht wird aber ohne jeglichen Zusatz oder Hinweis eingeräumt, so dass es auch der Klägerin als Unternehmerin zusteht. Als Teil der AGB's der Beklagten ist diese Regelung nämlich danach zu beurteilen, welche Bedeutung ihr aus der Sicht des üblicherweise angesprochenen Kundenkreises unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zukommt (vgl. BGH, VIII ZR 115/81). Der vom Beklagten angesprochene durchschnittliche Kundenkreis hat aber keine Vorstellung davon, dass gesetzlich lediglich den Verbrauchern ein Widerrufsrecht eingeräumt wird, nicht jedoch Unternehmern. Wird dies in den AGB's dann nicht klar formuliert, geht dies zulasten des Beklagten, § 305 c Abs.2 BGB. Darf der Vertragsgegner somit annehmen, er schließe ein Geschäft ab, das er widerrufen kann, so sind die AGB's so auszulegen, dass dem Kunden ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird (vgl. BGH, VIII ZR 115/81). So ist es hier. | Abs. 31 |
Der Widerruf durch die Klägerin wurde unstreitig auch fristgerecht erklärt, so dass es dahinstehen kann, ob die Klägerin das Fahrrad am 22.07.2010 oder früher erhalten hat. | Abs. 32 |
Da es für den Widerruf bzw. für das vertragliche Rücktrittsrecht der Klägerin keines Grundes bedarf, kann es dahinstehen, ob das Elektrofahrrad bei Gefahrübergang mangelhaft war. | Abs. 33 |
Aufgrund des wirksamen Widerrufs bzw. Rücktritts sind daher nach den §§ 346 ff die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Das gilt nicht nur für den Kaufpreis, sondern auch für die Versandkosten. Denn die Zusendekosten sind beim Widerruf des Fernabsatzvertrages vorn Unternehmer zu tragen (vgl. BGH VIII ZR 268/07, Urteil v. 07.07.2010). | Abs. 34 |
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die von der Klägerin begehrte Rüokabwicklung auch nicht verwirkt. Die Klägerin war nach den AGB’s des Beklagten nicht zur Zurücksendung des Fahrrades verpflichtet. Denn es wurde ausdrücklich geregelt, dass im Falle des Widerrufs nicht paketversandfähige Ware bei dem Käufer abgeholt wird. Dass es sich bei dem streitgegenständlichen Elektrofahrrad um eine nicht paketversandfähige Ware handelt, ergibt sich bereits daraus, dass das Fahrrad zur Erfüllung des Kaufvertrages unstreitig per Spedition an die Klägerin übersandt worden ist. | Abs. 35 |
Der Beklagte kann auch nicht mit einem Wertersatzanspruch aufrechnen. Sofern der Beklagte behauptet, das Fahrrad werde von der Klägerin seit fast 2 Jahren genutzt und sei deshalb aufgrund der Abnutzung wertlos, so ist dem entgegenzuhalten, dass eine Verschlechterung des empfangenen Gegenstandes durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme außer Betracht bleibt, § 346 Abs.2 Nr.3 BGB, und dass eine Pflicht zum Wertersatz nach § 346 Abs.3 Nr.2 BGB entfällt, soweit der Gläubiger die Verschlechterung zu vertreten hat. So ist es hier. Wenn sich der Wert des Fahrrades aufgrund der Besitzzeit bei der Klägerin verringert haben sollte, hat das der Beklagte zu vertreten, der nach seinen AGB's verpflichtet war, das Fahrrad bei der Klägerin abzuholen. Erfolgt dies nicht, kann es dann keinen Wertersatz verlangen. | Abs. 36 |
2. Das Feststellungsinteresse der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten ergibt sich aus § 756, 765 ZPO. Ist die Rücksendung als Paket nicht möglich, wovon aufgrund der Tatsache, dass das Fahrrad an die Klägerin per Spedition versandt worden ist, auszugehen ist, genügt das Rücknahmeverlangen. Aus der Schick— wird eine Holschuld, so dass der Unternehmer durch das Rücknahmeverlangen gem. § 295 BGB in Annahmeverzug kommt (vgl. Palandt, § 357 BGB Rz. 5). Dies haben die Parteien auch so gewollt. Denn in den AGB's des Beklagten wurde ausdrücklich geregelt, dass nicht paketversandfähige Ware bei dem Käufer abgeholt wird. | Abs. 37 |
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 709 S. 1, 2 ZPO. | Abs. 38 |
Der Streitwert wird auf bis zu 6.000,00 EUR festgesetzt, § 3 ZPO, § 45 Abs.3 GKG.
| JurPC Web-Dok. 54/2013, Abs. 39 |
[ online seit: 02.04.2013 ] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen,
JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Amtsgericht Cloppenburg, Urteil vom 02.10.2012, 21 C 193/12, Widerrufsrecht auch für Unternehmer möglich - JurPC-Web-Dok. 0054/2013 |