JurPC Web-Dok. 27/2012 - DOI 10.7328/jurpcb/2012272132

Volker Heydt *

Verbesserungsbedürftiger Zugang zu EuGH- und nationaler Rechtsprechung in den Datenbanken **

JurPC Web-Dok. 27/2012, Abs. 1 - 9


1.  Man liest oder hört von Vorabentscheidungsersuchen, die ein deutsches Gericht an den EuGH gerichtet hat. Man kennt z.B. das Aktenzeichen des BFH oder das Datum des Vorlagebeschlusses und informiert sich auf der Webseite des Gerichts(1); u.a. beim BFH findet man dann den Text des Vorlagebeschlusses, auch Pressemitteilungen der vorlegenden Gerichte sind häufig(2). Namen der Kläger sowie den Zeitpunkt des Eingangs des Beschlusses beim EuGH und dessen Aktenzeichen erfährt man hingegen nicht, obwohl diese Daten nachgetragen werden könnten, sobald sie bekannt sind(3). Anders als beim BVerfG werden auch die Prozessbevollmächtigten nicht erwähnt. JurPC Web-Dok.
27/2012, Abs. 1
2.  Man sucht sodann auf der Webseite des EuGH die betreffende neue Rechtssache; die numerische Liste (Rechtsprechung > Zugang mit Aktenzeichen)(4) wird zwar täglich aktualisiert, doch oft vergehen Wochen oder gar Monate, bevor ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH eingeht(5). Im Übrigen muss man den Namen des Klägers des Ausgangsverfahrens kennen. Wenn das vorlegende Gericht, wie in Deutschland üblich, den Namen nicht veröffentlicht oder den EuGH um Anonymisierung des Verfahrens gebeten hat (offenbar die Regel in Schweden und verbreitet in Finnland), steht man ziemlich hilflos da. Man kann über das Suchformular des EuGH(6) eine Rechtssache evtl. aber doch finden, indem man gewisse Eingrenzungskriterien verwendet, insbesondere durch Eingabe des vorlegenden Gerichts in der Zeile „Worte im Text“. Durch ein Anklicken der Nummer der Rechtssache in der numerischen Liste oder ihr Eingeben in das allgemeine Suchformular wird man neuerdings auf eine Art Karteikarte in der neugestalteten Datenbank InfoCuria weitergeleitet. Auf dieser ist von Anfang an verzeichnet, welches Gericht um die Vorabentscheidung ersucht hat, wann der Beschluss eingegangen ist und welche Sachgebiete betroffen sind; das Aktenzeichen des vorlegenden Gerichts sowie das Datum seines Beschlusses erscheint dort allerdings ebenso wenig wie in der späteren EuGH-Entscheidung. Auch einen Hinweis auf die Webseite des nationalen Gerichts oder gar einen Hyperlink zu einem elektronisch verfügbaren Vorlagebeschluss findet man leider nicht. Abs. 2
3.  Der Wortlaut der Vorlagefragen wird erst in diese Datenbank aufgenommen, wenn ihre - zwecks Zustellung an die Mitgliedstaaten erforderliche - Übersetzung in alle anderen Sprachen vorliegt; diese Vorlagefragen werden sodann in der nächsten Sammelnummer des Amtsblatts mit EuGH-Angelegenheiten abgedruckt(7). Vor einem Urteil erfährt man allerdings nicht, wer die Parteien vertritt, es sei denn, man sieht die Terminrolle ein, die bei der mündlichen Verhandlung vor dem Sitzungssaal – in der Verfahrenssprache - aushängt, aber im Internet nicht zugänglich ist. Abs. 3
4.  Da der EuGH die Vorabentscheidungsersuchen zwecks Notifizierung an die Mitgliedstaaten in alle Sprachen übersetzt, wäre darüber hinaus nachdrücklich zu wünschen, dass die Öffentlichkeit Zugang zu den Ersuchen in allen sprachlichen Versionen erhielte; damit würde jedem Interessenten, vor allem auch den Gerichten in anderen Mitgliedstaaten, bereits lange vor dem Urteil des EuGH (oder ggfs. vor den Schlussanträgen) detaillierte Kenntnis von Verfahren ermöglicht, womit die entsprechenden Rechtsfragen in anderen Verfahren bereits frühzeitig berücksichtigt werden können. Die alleinige Veröffentlichung der Vorlagefragen im Amtsblatt reicht dafür meist nicht aus. Schließlich dürfte es auch angemessen sein, die teuren Übersetzungen nicht dem internen Dienst des EuGH und den Organen und Mitgliedstaaten vorzubehalten. Abs. 4
5.  Die EuGH-Entscheidung wird am Tage ihres Ergehens veröffentlicht, und zwar in allen Sprachen (leider gilt das nicht für die oft aussagekräftigeren Schlussanträge). Sie wird auf der Webseite des Vorlagegerichts aber nicht einmal vermerkt; auch das anschließende Schicksal des Verfahrens ist nicht immer erkennbar(8). Auch wenn der EuGH vom endgültigen Urteil des nationalen Gerichts in Kenntnis gesetzt wird, so verzeichnet er dies jedenfalls nicht in seiner Datenbank. Abs. 5
6.  Auch bei den zahlreichen von der Kommission eingereichten Klagen in Vertragsverletzungsverfahren wäre zu wünschen, dass die nichtssagende Bezeichnung Kommission gegen Mitgliedstaat X in der numerischen Liste um einen unterscheidungskräftigen Begriff ergänzt wird, unter dem die Rechtssache eindeutig und möglichst griffig zitiert werden kann - wie eben bei den Vorabentscheidungsersuchen durch den Namen. Im Fall von Verfahren wegen Nichtumsetzung von Richtlinien bietet sich dafür die Nummer der Richtlinie an, in den übrigen Fällen ein Begriff in der Verfahrenssprache, der aber unabhängig von seiner Übersetzbarkeit nicht übersetzt werden sollte. Die Kommission könnte eine entsprechende Praxis des EuGH entscheidend beeinflussen, indem sie entsprechende Zusätze in ihren verfahrenseinleitenden Klagen anbrächte. Abs. 6
7.  Zusammenfassend erscheinen folgende Verbesserungen zur Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit des elektronischen Zugangs zu Gerichtsverfahren auf nationaler und europäischer Ebene wünschenswert: Abs. 7
Auf nationaler Ebene:
  • Nennung der Parteinamen (oder anonymisierte Bezeichnung mit Unterscheidungskraft) im veröffentlichten Vorlagebeschluss mit Angabe der Prozessbevollmächtigten
  • Datum der Absendung des Vorabentscheidungsersuchens
  • Aktenzeichen des EuGH mit Link zur EuGH-Webseite
  • Nach Eingang der Antwort des EuGH: Hinweis auf abschließende Entscheidung (und sei es z.B. Erledigung durch Rücknahme der Revision)
Abs. 8
Auf Seiten des EuGH:
  • Angabe des Aktenzeichens des vorlegenden Gerichts auf der Webseite und bei der Veröffentlichung im ABl.
  • Ggfs. Angabe des Verfahrensbevollmächtigten
  • Ggfs. Hinweis und Hyperlink zum veröffentlichten Vorlagebeschluss
  • Zugang zu den Übersetzungen der Vorlagebeschlüsse
  • Datum und ggfs. Hyperlink zur abschließenden Entscheidung des nationalen Gerichts
  • Unterscheidungskräftige Bezeichnung bei Vertragsverletzungsverfahren

JurPC Web-Dok.
27/2012, Abs. 9

F u ß n o t e n :
** Der Beitrag erscheint zugleich in: Erich Schweighofer, Franz Kummer und Walter Hötzendorfer (Hrsg.), Transformation juristischer Sprachen, Tagungsband des 15. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2012.
(1) Z.B. BFH 16.1.2008 - II R 45/05; BGH 18.11.2011 - V ZR 232/10; FG Baden-Württemberg 21.12.2009 - 6 K 2260/09; FG Rheinland-Pfalz 18.3.2011 - 4 K 2249/08;
(2) Z.B. BFH 16.1.2008 II R 45/05; FG Baden-Württemberg 21.12.2009 6 K 2260/09;
(3) Lediglich der Newsletter des FG Baden-Württemberg (fg aktuell, Ausgabe II/2010) nicht aber die Datenbank, erwähnt auch das EuGH-Aktenzeichen (C-240/10)
(4) http://curia.europa.eu/fr/content/juris/c2_juris.htm
(5) So ging das Ersuchen des FG Rheinland-Pfalz vom 18.3.2011 erst am 24.10.2011 beim EuGH ein; der in FN 1 genannte Vorlagebeschluss des BGH vom 18.11.2011 war am 20.1.2012 offenbar noch nicht registriert
(6) http://curia.europa.eu/juris/recherche.jsf?language=de
(7) Zuletzt ABl. C 13 vom 14.1.2012; es ist hilfreich, dass darin ebenfalls die letzten gleichartigen Amtsblatt-Ausgaben aufgelistet sind, allerdings würde das Hinzufügen etwa eines redundanten Buchstaben J (für Justiz, justice) zur Amtsblattnummer sofort sichtbar machen, dass es sich um solche eine Sammelnummer handelt
(8) So erfährt man nicht, wie der BFH im Verfahren II R 45/05 die Entscheidung C-67/08 (Block) verarbeitet hat.

* Volker Heydt ist Rechtsanwalt in Brüssel.
[ online seit: 28.02.2012 ]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Heydt, Volker, Verbesserungsbedürftiger Zugang zu EuGH- und nationaler Rechtsprechung in den Datenbanken - JurPC-Web-Dok. 0027/2012