Alexander Konzelmann *RECHTSINFORMATIK: Tagungsbericht IRIS 2011JurPC Web-Dok. 49/2011, Abs. 1 - 12 |
In Salzburg fand von 24. bis 26. Februar 2011 das 14. internationale Rechtsinformatik-Symposion (IRIS 2011) statt. Es handelt sich um eine der größten und bedeutendsten Tagungen auf dem Gebiet der Rechtsinformatik und sie konnte in den letzten Jahren ihren Rang sichern. Eine Vielzahl von Veranstaltern um die Hauptverantwortlichen Erich Schweighofer, Friedrich Lachmayer, Dietmar Jahnel, Peter Mader und Ines Staufer haben ein über sechzigköpfiges Wissenschaftlerteam zur Betreuung der Sessionen, Workshops, Diskussionen und des Tagungsbandes gewonnen. Die veranstaltenden Institutionen rekrutieren sich unter anderem aus Arbeitsgruppen der Universitäten Wien und Salzburg, aus privatrechtlichen Vereinen zur Förderung der Informatik, aber auch aus dem Juristenverband und dem österreichischen Rechtsinformationssystem.
Die Themenbereiche der Sessionen behandeln - jeweils unter dem Eindruck juristisch relevanter IT-Entwicklungen - das Urheberrecht, die Rechtstheorie, die Telekommunikation, Rechtsinformation, elektronische Beweissicherung, Suchtechnologien, die typischen "e"-Materien (e-Government, e-Democracy, e-Procurement, e-Learning, e-Commerce, etc.), die aber in den nächsten Jahrzehnten ihr "e" mangels Alternativen wohl verlieren könnten ("old-Government"?) sowie den Datenschutz, Prozessmanagement, die schlichte Anwendungsprogrammierung als ursprüngliches Herz der Rechtsinformatik, aber auch die Rechtsvisualisierung und Science Fiction. Tagungsort sind Räume im Toscanatrakt der Juridischen Fakultät in Salzburgs Altstadt. Etwa 150 Vorträge in meist sieben parallelen Arbeitskreisen innerhalb von zweieinhalb Tagen fordern die Aufnahmefähigkeit der Tagungsteilnehmer heraus. Schon aus diesem Grund kann ein Bericht nur subjektiv bevorzugte Themen schlaglichtartig benennen. Im übrigen sei auf den umfangreichen Tagungsband verwiesen, der bereits erschienen ist.
Beim klassischen rechtsinformatischen Thema "Suchtechnologien" tauchte in mehreren Abwandlungen die alte Abwägung zwischen Präzision der ausgewiesenen Treffer im Hinblick auf die Suchanfrage einerseits und Vollständigkeit ("recall") der ausgegebenen Trefferliste im Hinblick auf die mit der Suchanfrage "gemeinte" Rechtsfrage auf. Wenn zu wenig interpretiert wird, entgehen dem Nutzer Treffer, wenn zu grob ausgewertet wird, wird das Suchergebnis unübersichtlich. Mehrere Referate und eine Diskussionsrunde zeigten letztlich auf, dass juristische Fachanwendungen immer noch nur von ausgebildeten Juristen mit Gewinn genutzt werden können, aber keineswegs den Fachmann ersetzen. Sämtliche Denkansätze zur Überwindung des Dilemmas Präzision/Vollständigkeit litten an leicht nachweisbaren unerwünschten Nebenwirkungen oder überschießenden Tendenzen. Besonders auffällig war in diesem Zusammenhang der Bericht von Michael Dittenbach, der unter der Überschrift "Patentrecherche als besondere Herausforderung für Textanalyse und Suchtechnologien" die Spezifika der Recherchearbeit von Patentanwälten darstellte. Deren Aufgabe sei es stets, das gesamte relevante Wissensgebiet auf den dokumentierten Stand der Technik zu durchforsten. Bereits ein einziges übersehenes Dokument könne zu einem Haftungsrisiko führen. Weder die Präzisierung noch irgendeine Relevanzsortierung seien also diesem Berufszweig nützlich.
Franz Kummer von weblaw.ch berichtete hingegen von der Erarbeitung eines zentralen Einstiegspunktes für eine juristische Suchmaschine unter dem Stichwort "Single Point of Entry". Diese Technik sucht über heterogene Inhalte mehrerer Datenbanken und sammlungen mit einer vom Nutzer skalierbaren Methode, sowohl in einer Bibliografie-Anwendung als auch in online- Datenbanken und zusätzlich noch auf dem Standort-System des Nutzers und im offenen Internet. Die entstehende Trefferliste kumuliert die Ergebnisse, das System merkt sich Anmerkungen und Ergänzungen zur Bibliografie-Datenbasis für die Zukunft. Eine solche Suchmaschine komme nicht ohne ein Ranking zu einer erwünscht übersichtlichen Trefferliste. Dietmar Jahnel hatte Änderungen der österreichischen Rechtsliteratur gesammelt und typologisiert. Zudem untersuchte er, welche Art von Fachtexten in welchen Publikationen zu finden sind und erstellte eine exakte Statistik über jüngst elektronisch erfasste Literatur, innerhalb welcher er Kommentare weitgehend vermisste. Der Rida-Literaturindex durchsuche nunmehr zum Ausgleich einer Zersplitterungstendenz außer den verlagseigenen Bibliotheken und Bibliografien noch RDB, LexisNexis und Linde online, woraus eine Gessamttrefferliste resultiere. Matthias Kraft berichtete, dass die Forderung nach einem Single-Point-of-Access für produktübergreifende Metasuchen mit konsolidierter relevanz-sortierter Trefferliste sowie nach einer Hypertextverknüpfung über mehrere Anwendungen hinweg schon aus den achtziger Jahren stamme. Nun werde sie unter dem Eindruck der IPhone-ähnlichen und tablet-PCs mit ihren in sich geschlossenen Apps und e-Books wieder virulent. Er vertrat die Ansicht, nur eine Volltextsuche könne so weit differenziert werden, dass sie die Variantenreichtümer verschiedener Fachanwendungen bewältige. Eine feiner strukturierte oder Metadatensuche hingegen könne sinnvoll nur noch über die Schnittstelle der jeweils in Betracht kommenden Programme realisiert werden. Manfred Baschiera und Angela Stöger-Frank stellten eine public-private-partnership-Initiative im Bereich Rechtsinformatik vor. Die Literatur-, Vorschriften- und Entscheidungssammlung "FinDok" für die Finanzverwaltung und den Unabhängigen Finanzsenat UFS beziehe die Primärliteratur aus den RIS-Datenbanken und die Sekundärliteratur von LexisNexis über einen SOAP-Client vom Webserver der LexisNexis-Datenbanken. Um den Einstieg für die Nutzer zu erleichtern, sei die Suchmaske identisch geblieben und nur die Trefferliste sei um zwei weitere Tabs ergänzt worden, welche die zusätzliche Literatur und Entscheidungen vom privaten Partner auflisten. Sowohl die Interpretation der Suchanfragen als auch die Konfiguration des SOAP-Clients seien besondere Herausforderungen gewesen.
Ein Plenarvortrag von Thomas Gordon behandelte "Perspektiven und Grenzen der künstlichen Intelligenz im Recht". Letztlich ging es um eine Standortbestimmung der Rechtsinformatik im engeren Sinne, eingeleitet durch einen historischen Abriss von Publikationen, Tagungen und prägenden Persönlichkeiten, fortgesetzt durch eine Nennung aktueller Trends, wobei die Streittheorien vertieft dargestellt wurden. Der Vortrag wurde abgerundet durch die Frage nach der Rückwirkung der juristischen KI-Forschung auf Lehre und Praxis und beschlossen mit einer Art Durchhalte-Aufruf. Die wissenschaftliche Arbeit zum Thema "känstliche Intelligenz und Recht" stünden auch nach fünfzig Jahren immer noch relativ am Anfang. Sie leide noch immer darunter, dass nicht-deduktive Schlussformen und Argumentationsstrukturen seit den Alten Griechen vernachlässigt würden, obwohl gerade die computergestützte Rechtsfindung derartige Methoden nötig habe. Und es wurde um Geduld und engagiertes Weitermachen gebeten. Im einzelnen war festzuhalten:
Soweit sich die Rechtsinformatik mit theoretischen und praktischen Lösungsansätzen zur rechnergestützten Streitbeilegung befasse, könne und müsse dieses Anliegen durch Differenzierungen unterstützt werden. Es gebe unterschiedliche Arten von Streiten, die auch methodisch unterschiedlich zu führen seien. Gordon differenzierte Streite nach ihrem Objekt: solche über abstrakte Regeln, über konkrete Fälle, über Beweise, über Zwecke und Ziele, über Werte, über Verfahren und auch über Begriffswelten (Ontologien). Weiterhin gab er zu bedenken, dass bei den Juristen auf unterschiedlichen "Bühnen" unterschiedliche Dialogtypen und -protokolle gälten. Denn es gebe jeweils eigene Ordnungen für Diskussionen mit der Verwaltung, vor einem Gericht der Eingangsinstanz, vor Gerichten höherer Instanz, vor Schiedsgerichten, Diskussionen bei Vertragsverhandlungen oder zum Beispiel bei repräsentativ-demokratischer Entscheidungsfindung mit vorherigen Bürgerbeteiligung. Teils gälten gleiche und teils unterschiedliche Regeln. Es sei jeweils zu prüfen, welche Art der "Argumentbildung" zu welcher Streitform und zu welchem Streitgegenstand passe. Zudem gebe es in jedem Diskurs noch die "Betrachtungsschichten", also die rhetorische, die dialektische und die logische Perspektive. Hierbei gelte kein Entweder-oder sondern eine kumulative Betrachtungsweise. Konkrete Handlungsanweisungen für bestimmte Fülle nannte er in diesem Rahmen nicht.
Bei der Untersuchung von Rückwirkungen ("Impact") aus Arbeiten der Disziplin "KI und Recht" auf die Theorie der Philosophie konnte kein großer Einfluss festgestellt werden. Etwas größer sei der hingegen ihr Einfluss auf die Praxis: Anbieter juristischer Such- und Expertensysteme wie LexisNexis und Westlaw verwendeten Retrievalsysteme aus der KI-Forschung, es gebe Programme zur strukturierten rechnergestützten Fallbearbeitung wie Fallsoft und normfall mit Hyperlinks und Retrieval. Im Netz fänden sich für kleine Ausschnitte der Rechtsfindung gratis-Assistenten (z.B. bei Janolaw.de), groöe Systemhäuser wie Oracle entwickelten e-Government-Initiativen und viele gut ausgebildete Rechtsinformatiker gingen nicht in de universitäre Forschung, sondern in die Praxis, so Gordon.
Ein Best-Paper-Award ging an Stephanie Schorre, die sich im Arbeitskreis Datenschutz mit dem Beitrag "Ich weiß, was du letzten Sommer gelesen hast - E-Reader und die Implikationen für den Datenschutz" ein aufmerksames Publikum sicherte und zur Vorsicht im Umgang mit sensiblen persönlichen oder personalisierbaren Daten mahnte. Es sei nicht durchweg bekannt, wie der Dienstleister mit gewonnen Informationen zum Nutzerverhalten wie Lesezeichen, Annotationen oder Lesefrequenz umgehe. Dieser Beitrag betraf gleichermaßen den Bereich des e-Commerce, in welchem Alexander Konzelmann über den möglichen Einfluss der Nachbarrechtsordnungen auf die Neugestaltung des von EuGH-Urteilen vom 8. September 2010 betroffenen deutschen (online-)Glücksspielrechts sprach. Die Möglichkeiten, via e-Commerce-Anwendungen bei ausländischen Anbietern an online-Glücksspielen teilzunehmen, werde zu einem Wettbewerb um die Spieler und deren Umsatzsteuerbeiträge führen, der sich auf die laufenden Gespräche über neue Staatsverträge auswirke. Karl Flieder stellte aus technischer Sicht die Vorteile des schlankeren REST-Protokolls (REpresentational State Transfer) gegenüber SOAP (früher: Simple Object Access Protocol) dar und zeigte, dass Google, Yahoo und Microsoft für online-APIs schon 2009 nur noch mit REST arbeiteten, amazon habe noch manche auf SOAP-Basis im Einsatz. Die Unterschiede liegen darin, dass REST nur Point-to-point, nicht End-to-end genutzt werde, ausschließlich via HTTP(S) arbeite und verschiedene Dokumentenformate - als Referenz - transferieren könne. Zwar existierten für SOAP verlockende Code-Generatoren (Java), aber REST sei transparenter und lade statt ganzer zu übertragender Dokumente nur deren URI in den Speicher. REST agiere zwischen Aware-Client und -Server und beschränke sich auf die Aktionen Get, Post, Put und Delete als Entsprechungen zu den HTTP-Begriffen Read, Create, Update und Delete (in dieser Reihenfolge). Ebenfalls als Entwicklung im e-Commerce führte Michael Kohlfürst sogenannte Location-Based Services als wichtige kommende Werbeplattform vor: Es handelt sich um werblich gewinnorientierte Communities, die am jeweiligen Standort eines Smartphone-Nutzers anknüpfen und ihn bitten, sich dort "einzuchecken". Dafür genügt oft ein Klick oder auch das Auslesen eines QuickResponse - Codes (unregelmäßig fleckige Quadrate, wie man sie als Ersatz für Briefmarken aus Freistemplern kennt). Der Nutzer teilt damit seinen Freunden beim Diensteanbieter, aber auch parallel bei anderen sozialen Netzwerken mit, wo er ist und kann an bestimmten Orten sogar Anwesenheits-Punkte sammeln, er erhält oft Zusatzinformationen und darf örtliche Leistungsanbieter bewerten. Angeschlossene Geschäftsleute können so bekannter werden oder auch einen "Claim" als Hausherr auf einen Ort beim Dienstebetreiber anmelden. Aufschwung in touristischer Hinsicht würden solche Dienste aus Sicht von Kohlfürst ab 2015 nehmen, weil dann die Roaming-Gebühren in der EU wegfallen sollen.
Im Arbeitskreis über juristische Informatik-Systeme und Anwendungen referierte Bernd Schaudinn aus der Sicht des Strafverteidigers über die Methodik der juristischen Fallbearbeitung. Er beklagte das weitgehende Fehlen einer solchen Disziplin in der Juristenausbildung, also das vertiefte Arbeiten an der Sachverhaltsaufbereitung mit dem Ziel der Feststellung von Rechtstatsachen und der Vorbereitung alternativer Subsumtionen. Auch Themen wie Aussagepsychologie, systematische Beweiswürdigung und Vernehmungslehre kämen im Verhältnis zu ihrer berufspraktischen Relevanz im Curriculum zu kurz. Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung im Strafverfahren sei es wichtig, Hypothesen zu formulieren und stufenweise den Verfahrensstoff auf Übereinstimmung mit diesen Hypothesen abzugleichen. Er ließ die Frage offen, ob es einen "Allgemeinen Teil" der Rechtsanwendungsmethode und einen besonderen Regelkanon zur softwaregestützten Fallbearbeitung gebe. Felix Gantner und Heide Ebert fragten, warum Legisten immer noch mit Word anstatt mit XML arbeiteten. Beide favorisierten ein Modell, bei dem mit einem eingeschränkten Word in der vertrauten Arbeitsumgebung geschrieben wird, danach die Daten jedoch in strukturiertem XML abgespeichert werden, und zwar so im Hintergrund, dass der Schreiber die Spitzklammern nicht anschauen muss. Gantner befasste sich schwerpunktmäßig mit der Generierung von Formularen zur vereinfachten Rechtsanwendung direkt aus dem Gesetzestext heraus; die Wartung solcher generierter Formulare soll künftig durch die Zwischenschaltung von Ontologien zu den Unterbegriffen der verwendeten Tatbestandsmerkmale erfolgen: Wenn eine Vorschriftenänderung eine Änderung einer für das Formularfeld relevanten Ontologieeinheit bewirke, dann sei auch eine Änderung des Formulars angezeigt, andernfalls könne es bleiben. Ebert zeigte ein Redaktionssystem (Schema ST4), welches für die technische und pharmakologische Dokumentation entwickelt wurde und für die Formulierung von Gesetzentwürfen angepasst werden kann. Es soll beim Erfassen, beim Bearbeiten, beim Ändern und bei der Veröffentlichung von Vorschriftentexten auf "unsichtbarer" XML-Basis helfen. Beispielsweise soll es beim Schreiben eines Textes ähnliche Textbausteine aus dem Vorschriftenbestand anzeigen, die dann zur Wahrung einheitlicher Terminologien übernommen werden können. Es soll Kommentare, updateresistente redaktionelle Links und Workflowunterstützung durch die Verwaltung von Rechten und Rollen bieten. Aus der Diskussion war zu entnehmen, dass solche Redaktionssysteme weniger Akzeptanz bei deutschen als bei schweizerischen Verfassern von Normentwürfen finden: Marius Roth berichtete von einer Einführungsphase von lediglich 6 Monaten in einer schweizerischen Kantonsregierung.
In der deutschen Praxis zur Ermittlung von Verkehrsverstößen wie Geschwindigkeitsübertretungen oder Abstandsunterschreitungen sah Andreas Popp einen Schritt auf dem Weg zum automatisierten Ermittlungseingriff. Der grundrechtsrelevante Eingriff stellt das Fotografieren des Verdächtigen dar, die Rechtsgrundlage für das Abbilden wird allgemein in § 46 OWiG in Verbindung mit § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO gesehen. Dieser Paragraph sieht vor, dass vor dem Fotografieren ein Verdacht bestehen muss. Wenn nun eine Geschwindigkeitsmessanlage eine Überschreitung messe und daraufhin erst die Kamera auslöse, sei der Eingriffstatbestand des § 100h StPO dem Wortlaut nach gemäß herrschender Meinung erfüllt. Andere Stimmen würden bestreiten, dass eine Maschine einen "Verdacht" hegen könne, hierzu bedürfe es des Dazwischentretens einer natürlichen Person. Andere würden bezweifeln, dass die Vorschrift, die der Gesetzgeber zur Bekämpfung von Terrorismus und Bandenkriminalität geschaffen habe, ihrem Telos nach für die Ahndung von Verkehrsverstößen herangezogen werden dürfe. Popp selbst hielt den maßvollen Grundrechtseingriff bei Verdacht einer mindestens fahrlässigen Verfehlung für angemessen, auch wenn der Verdacht des subjektiven Tatbestandes quasi unterstellt würde; es gebe auch sonst einige feste Beweisregeln, z.B. die unwiderlegbare Vermutung einer absoluten Fahruntüchtigkeit ab einer bestimmten Blutalkoholkonzentration. Insofern liege keine Singularität vor.
Zum Topos E-Learning hielten Ulrike Kugler und Anton Geist einen Vortrag über neue Wege der Vermittlung juristischer Informationskompetenz durch die Bibliothek der Wiener Universität, die hierbei als Bibliothek selbst Methode lehrt. Sie berichteten über das Projekt JusNavigator, bei welchem den Studierenden die Möglichkeit geboten wird, über das Universitätsnetzwerk auf Meta-Informationen zu Rechtsgebieten und juristischen Informationsquellen zuzugreifen und zwar über eine Art Tag-Clouds, die jeweils ihrerseits feiner untergliedert sind. Es wird in erster Linie nach Inhalten und nach dem studentischen Bedarf differenziert, nicht aber nach den Verlagen und Datenbankanbietern. Am Ende landet der Suchende beim online-Bibliothekskatalog oder bei einem Video über die relevante Datenbank. Spezifisch juristische Informationskompetenz bedeute nach Geist/Kugler, dass man sich Fähigkeiten aneignet, sich in einer bestimmten Situation die passenden Werkzeuge auszusuchen, mit welchen man das aktuelle Problem effektiv lösen könne. Man solle wissen, dass man etwas sucht, was man genau sucht und wo man es am besten herbekommt. Zudem muss man die erhaltenen - eventuell widersprüchlichen - Informationen nach individueller Relevanz sortieren, bewerten und sie so aufbereiten, dass man sie selbst möglichst verlustfrei wiedergeben könne. Für Juristen bedeute das, dass man primäre und sekundäre Rechtsquellen unterscheiden lernt, sich mit Lehrmaterialien, Fachbüchern, -zeitschriften, Datenbanken und Tutorials stets neu vertraut macht und sich der Entstehung der verfügbaren Informationsquellen bewusst ist.
Eine interaktive Anleitung zum rechtswissenschaftlichen Arbeiten stellen Michael Nueber und Stefan Unger vor, die in einem gleichnamigen Projekt der Wiener Universität tätig sind. Das Besondere daran sei die Interaktivität. Diese bedeute in ihrer konkreten Ausgestaltung, dass Lektionen als Kurzvideos und als schriftliche Wikis vorliegen und über ein Forum zugänglich gemacht werden. Je nach Lernfortschritt können Lektionen knapper oder ausführlicher behandelt werden und der Studierende kann sich ein Stück weit selbst das rechtwissenschaftliche Arbeiten beibringen, jedoch unter Verwendung der vordefinierten Texte und Videos. Das Projekt ist auf dem e-Learning-Server der Wiener Universität gehosted (https://learn.wu.ac.at/rwa/). Es entstand als Youtube-Videosammlung unter Anderem zur Vermeidung von Prüfungssituationen, in welchen Studenten sich nicht bewusst sind, wie korrekt in einer Datenbank recherchiert wird oder wie Zitate gemäß AZR zu bilden und zu dokumentieren sind. Es will als Ergänzung zum klassischen juristischen Methodenunterricht verstanden werden und wendet sich an alle WU-Studenten.
Eine Initiative der Universität Bologna, geleitet von Monica Palmirani, hat eine XML-Struktur zur Erarbeitung, Publikation, Pflege und Archivierung von Gesetzestexten erstellt. Ziel war das kontrollierte Arbeiten am Text durch mehrere Instanzen mit dauerhafter plattformunabhängiger Ablage. Fabio Vitali vom dortigen Institut CIRSFID zeigte einen praktischen Implementationsbeginn für mehrere akrikanische Staaten unter der englischsprachigen Webseite http://www.akomantoso.org/.
Das komplette Tagungsprogramm ist abrufbar auf der Homepage des Symposions bei http://www.univie.ac.at/RI/IRIS2011/programm.html, aktualisiert im Dokument http://www.univie.ac.at/RI/IRIS2011/Progr_IRIS2011_v17feb11.pdf.
* Dr. Alexander Konzelmann ist Lektor für elektronische Medien beim Richard Boorberg Verlag Stuttgart |
[ online seit: 16.03.2011 ] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Konzelmann, Alexander, RECHTSINFORMATIK: Tagungsbericht IRIS 2011 - JurPC-Web-Dok. 0049/2011 |