JurPC Web-Dok. 212/2010 - DOI 10.7328/jurpcb/20102512190

David Jahn *

Jugendmedienschutz im Informationszeitalter - 6. Bayreuther Forum für Wirtschafts- und Medienrecht

JurPC Web-Dok. 212/2010, Abs. 1 - 12


Am 5. und 6. November veranstaltete die Bayreuther Forschungsstelle für Wirtschafts- und Medienrecht (FWMR) ihr mittlerweile 6. Forum. Das Generalthema der Veranstaltung, die der Direktor der FWMR Prof. Dr. Stefan Leible gemeinsam mit Prof. Dr. Nikolaus Bosch organisierte, lautete diesmal „Jugendmedienschutz im Informationszeitalter“ und fand in den Räumen der Universität in Bayreuth statt. JurPC Web-Dok.
212/2010, Abs. 1
Gleich nach der kurzen Begrüßung der Teilnehmer und einer Einführung in das Generalthema durch die Veranstalter folgte die Eröffnungsrede der Bundesministerin der Justiz Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die FDP-Politikerin warnte in ihrem Vortrag vor gesetzgeberischem Aktionismus: Jugendmedienschutz dürfe nicht auf staatliche Regulierung reduziert werden. Vielmehr sei es erforderlich, auch die Medienkompetenz der Eltern und Jugendlichen zu stärken. Daneben sei die Unterstützung der Wirtschaft in Form regulierter Selbstregulierung wichtig. Auch zur aktuellen Diskussion um die RTL 2-Sendung „Tatort Internet“ nahm Leutheusser-SchnarrenbergerStellung. Diese suggeriere den Zuschauern, dass es Strafbarkeitslücken gebe. Dagegen seien Verhaltensweisen wie das „Cyber-Grooming“, also das gezielte Ansprechen von Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel der sexuellen Belästigung, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt strafbar. „Ein Blick ins Gesetz erleichtert auch hier die Rechtsfindung“, bemerkte die Ministerin hierzu und verwies auf § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB. In Bezug zur Debatte um das Vorgehen gegen kinderpornografische Inhalte im Netz sprach sich Leutheusser-Schnarrenberger gegen das Sperren von Netzinhalten aus. Stoppschilder oder Sperren seien leicht zu umgehen. Das Löschen sei hingegen wirkungsvoller als angenommen. Problematisch sei jedoch, dass derzeit nur 6,3 Beamtenstellen im Bundeskriminalamt damit betraut wären. Die Ministerin warb zudem für die geplante „Stiftung Datenschutz“, die auch für Aufklärung im Umgang mit Daten im Netz sorgen könne. Abs. 2
Sehr anschaulich illustrierte im Folgenden der Medienwissenschaftler Prof. Dr. phil. Jochen Koubekvon der Universität Bayreuth in seinem Vortrag „Warum das verbotene so anzieht – eine medienwissenschaftliche Betrachtung“, warum gerade die Grenzen des normierten gesellschaftlichen Miteinanders einen so großen Reiz ausüben, dass Übertretungshandlungen nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern bewusst gesucht werden. Abs. 3
Der Frage, ob sich durch Gesetze das Medienverhalten steuern lässt, ging anschließend Dr. Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut nach. Regulierung im Jugendmedienschutz vollziehe sich im Spannungsfeld von formalem Recht, privaten Vertragsgestaltungen, Softwarearchitektur und sozialen Normen. Schulz betonte, dass insbesondere dann, wenn es um die Steuerung individuellen Nutzungsverhaltens geht, Gesetze zunehmend die indirekte Steuerung über Softwarearchitektur und Beeinflussung sozialer Normen in den Blick nehmen müssten, um effizient zu sein. Abs. 4
Anders als dies Schlagworte wie „Zensursula“ nahelegen würden, handele es sich bei den politisch gescholtenen Netzsperren nicht um eine Zensur im Sinne des Grundgesetztes, resümierte Prof. Dr. Christian zu Coellnvon der Universität Köln nach der Mittagspause in seinem Vortrag „Jugendmedienschutz zwischen staatlichem Schutzauftrag und Zensurverbot“. Daraus ließe sich jedoch nicht folgern, dass Netzsperren in jedem Falle verfassungsrechtlich zulässig wären. Dies müsse eine Abwägung der vom Grundgesetz geschützten Positionen ergeben. Abs. 5
Im Anschluss daran spürte SWR-Justiziar Dr. Hermann Eicher der Frage nach, ob der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in der Fassung des 14. RÄStV zeitgemäß ist. Eicher beantwortete die Frage dahingehend, dass der Gesetzgeber durchaus seiner Aufgabe gerecht geworden sei. An verschiedenen Stellen sah Eicher jedoch Verbesserungspotential. Etwa der Gedanke der Prävention käme im 14. RÄStV zu kurz. Man müsse bei aller Kritik aber auch berücksichtigen, dass die Kapazität des Gesetzgebers in diesem Bereich nur sehr begrenzt sei. Abs. 6
Im letzten Vortrag vor der Podiumsdiskussion referierte Dr. Arnd Haller, Leiter Recht und Jugendschutzbeauftragter der Google Deutschland GmbH, über „Jugendmedienschutz durch regulierte Selbstregulierung?“. Haller, der selbst Mitglied des Vorstands der FSM (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter) ist, stellte hierbei unter anderem die Aufgaben und Arbeitsweise der FSM vor. Abs. 7
Einen weiteren Höhepunkt und zugleich den Abschluss des ersten Veranstaltungstages stellte die öffentliche Podiumsdiskussion dar, die integraler Bestandteil einer jeden Veranstaltung der FWMR ist. Auf dem hochkarätig besetzten Podium diskutierten neben Arnd Haller der CSU-Bundestagsabgeordnete Dr. Reinhard Brandl, Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, RA Dr. Guido Brinkl, Bereichsleiter Medienpolitik des BITKOM, die aus der RTL 2-Sendung bekannte Journalistin Beate Krafft-Schöning, Gründerin der Initiative NetKids, die Geschäftsführerin von Innocence in Danger Julia von Weiler sowie Verena Weigand, Jugenschutzreferentin der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) und Leiterin der Stabsstelle der Kommission für Jugenmedienschutz (KJM), über das Thema „Jugendmedienschutz im Internet – Kinderporno-Sperren, Netzpolizei oder was?“. In der von Hendrik Wieduwilt, Freier Journalist, moderierten Debatte setzten sich die Teilnehmer unter anderem mit dem schon am Vormittag von Leutheusser-Schnarrenberger kritisierten Sendeformat von „Tatort Internet“ auseinander und beleuchteten die Rolle der Erziehungsberechtigen beim Thema Jugendmedienschutz. Abs. 8
Den zweiten Veranstaltungstag eröffnete Prof. Dr. Hans Kudlich von der Universität Erlangen-Nürnberg mit seinen Ausführungen zum Thema „Sexting und andere Probleme des Verbots jugendpornographischer Schriften in § 184c StGB“. Kudlich kam zu dem Ergebnis, dass die Strafvorschrift des § 184c StGB einige Anwendungsschwierigkeiten und Inkonsistenzen berge, die teils zwar auf „handwerklichen Schwächen“, teils aber auch auf der generell rechtspolitisch fragwürdigen weitreichenden Pönalisierung der Jugendpornographie beruhen würden. Abs. 9
Daran anknüpfend komplettierte Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf von der Universität Vortrag zu den strafrechtlichen Anforderungen an den Jugendmedienschutz im Internet. In Zukunft würden insbesondere die Phänomene „Web 2.0“ und „Cloud Computing“ die Strafrechtswissenschaft vor besondere Herausforderungen stellen, prognostizierte Hilgendorf in seinem abschließenden Ausblick. Abs. 10
Im vorletzten Vortrag gab Dr. Sibylle Gierschmann, LL.M. von Taylor Wessing sodann die Antwort auf die Frage: „Was ist eine geschlossene Benutzergruppe iSv § 4 II JMStV?“. Im Anschluss daran beschloss RAin Carina Neumüller, LL.M., Schulte Riesenkampff Rechtsanwaltsgesellschaft, die Vortragsreihe mit ihrem Referat zum Thema „Jugendmedienschutz bei Onlinespielen“. Neumüller zeigte anhand von Fallbeispielen auf, wie sich das derzeitige System der Alterkennzeichnung auf die Spieleanbieter auswirkt. Abs. 11
Das 6. Forum für Wirtschafts- und Medienrecht ging mit der Ankündigung von Leible zu Ende, dass die Ergebnisse der Veranstaltung in einem Tagungsband dokumentiert würden. Leible wies zudem auf die kommenden Veranstaltungen hin, deren Vorbereitungen sich bereits in vollem Gange befänden. Das 7. Forum würde sich wieder mit einem wirtschaftsrechtlichen Thema auseinandersetzen und am 31.3./1.4.2011 in Bayreuth stattfinden. Ferner stehe der Termin für den elften Kongress des Bayreuther Arbeitskreises für Informationstechnologie – Neue Medien – Recht e.V., kurz: @kit, der 26./27.5.2011, fest.
JurPC Web-Dok.
212/2010, Abs. 12
* David Jahn ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle für Wirtschafts- und Medienrecht der Universität Bayreuth (FWMR).
[ online seit: 14.12.2010 ]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Jahn, David, Jugendmedienschutz im Informationszeitalter - 6. Bayreuther Forum für Wirtschafts- und Medienrecht - JurPC-Web-Dok. 0212/2010