Andreas R. Brellochs / Timo Rosenkranz *Chancen und Risiken des Corporate Blogging - juristische und publizistische HerausforderungenJurPC Web-Dok. 23/2007, Abs. 1 - 58 |
Dieser Artikel will einen kritischen Beitrag zur Frage der Nutzung von Web Logs (Blogs) für die Unternehmenskommunikation leisten. Ausgehend von Erkenntnissen aus der Analyse von Fallstudien und Hinweisen der aktuellen Literatur, des relevanten juristischen Umfelds und nicht zuletzt eigenen Erfahrungen mit Web Logs legen wir Chancen, aber auch Risiken dar, die bei der Nutzung externer Web Logs für Unternehmen entstehen können. Wir leiten daraus Erfolgskriterien und Herausforderungen für externe Unternehmens- Web Logs und eine kurze Checkliste für Unternehmen ab, die selbst Blogs einsetzen wollen. Unsere Analyse zeigt, dass Unternehmen klare Nutzen aus diesem Medium mit Rückkanal ziehen können und wir empfehlen, dies zu tun. |
Corporate blogging - hype with challenges and risks This article tries to make a critical contribution to the question of the Web
Logs (Blogs) usage for enterprise communication purposes. Starting from our
analysis of case studies and references from the current literature, the
relevant legal environment and last, but not least, our own experiences with
Web Logs, we present chances, together with risks, which can emerge for
companies. In conclusion, we derive success criteria and challenges of external
company Web Logs and a short check list for companies which plan to set up
blogs. Our analysis shows that companies are able to draw significant
advantages from this medium with feedback channel and we clearly advise to
attempt this.
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1. Was sind Web Logs? |
Web Logs (kurz: Blogs; beide Begriffe verwenden wir hier synonym) werden häufig als Web-Tagebücher oder "online journals" [Morrison 2005] kategorisiert. Mit Hilfe einfach zu handhabender Software können auch nicht Software-affine Web-Nutzer die Blogosphäre - hier definiert als die Gesamtheit aller Web Logs inklusive der dazu gehörigen, spezialisierten Suchwerkzeuge - nutzen, um andere auf informelle Weise täglich, chronologisch geordnet, an ihren Gedanken teilhaben zu lassen. Die Metapher des Tage- oder Logbuches greift also unmittelbar. Die Realität von Blogs geht aber weit darüber hinaus, denn durch die intensive, themenzentrierte Verknüpfung im Web bilden sich Netzwerke von Experten und Interessen. So gelangen praktisch alle Inhalte, angefangen von privaten Banalitäten bis hin zu aktuellsten wissenschaftlichen Forschungsideen, direkt an das interessierte Publikum. Durch diese Möglichkeiten der Kommunikation, Vernetzung und Kooperation sind Web Logs der social software zuzuordnen [Sixtus 2005]. | JurPC Web-Dok. 23/2007, Abs. 1 |
Seit den 1990er Jahren ist die Zahl der Blogs sprunghaft gewachsen und hat sich allein 2005 mehrmals verdoppelt. Technorati (www.technorati.com), die derzeit wohl bekannteste Blog-Suchmaschine, wies im Mai 2005 noch etwa 10 Millionen und mittlerweile weit über 63 Millionen Blogs nach (Stand Januar 2007). Der Schwerpunkt dieses Artikels soll im Bereich des Corporate Blogging liegen. Wir wollen also die Frage behandeln, wie Unternehmen die typischen Herausforderungen von Web Logs meistern und Nutzen aus diesem neuen Kommunikationsmedium ziehen können. | Abs. 2 |
2. Web Log-Einsatz in Unternehmen |
Unternehmen haben rasch das Potenzial von Web Logs für sich erkannt. Allerdings dominierte hier zunächst die Einführung von Blogs zur internen Nutzung, die deutlich einfacher zu bewerkstelligen ist. Intern werden Blogs von Unternehmen häufig eingesetzt, um die Kommunikation über das Intranet zu verbessern. Hier ersetzen Web Logs z.B. einen Teil der sperrigen E-Mail-basierten Kommunikationsprozesse, die dadurch wieder nachvollziehbar und recherchierbar werden. Durch persistente Identifizierungsmerkmale (Permalinks) ist jeder Diskussionsbeitrag in einem Blog durch eine eindeutige URL referenzierbar. | Abs. 3 |
Die Mengen an off-topic E-Mails, general interest-oder current awareness-Inhalten, die heute die elektronischen Postkörbe der Beschäftigten überfluten, bieten ausreichende Gründe, um Unternehmen nach neuen Wegen der internen Kommunikation suchen zu lassen. | Abs. 4 |
Regelmäßigen Einsatz finden Web Logs innerhalb von Unternehmen beim Teilen und Entwickeln von Wissen, also für Zwecke des Wissensmanagements. Hier werden beispielsweise communities of practice durch Web Logs gebildet und verbunden. | Abs. 5 |
In diesem Artikel behandeln wir jedoch die externe Nutzung von Web Logs durch Unternehmen, also den Bereich des externen corporate web logging. | Abs. 6 |
Seit wenigen Jahren setzen vor allem Unternehmen in den USA Blogs zunehmend extern ein. Nach der BlogOn Social Media Adoption Survey 2005 [BlogOn 2005], durchgeführt durch das Beratungsunternehmen Guidewire, betreiben 55 Prozent der befragten US-Großunternehmen einen "Corporate Weblog". 91,4 Prozent davon verwenden Blogs für die interne Kommunikation, während 96,6 Prozent auch die externe Anwendung im Auge haben. Dabei wurden über die Hälfte der Blogs im Laufe des Jahres 2005 gestartet. Auch weiteres Wachstumspotenzial scheint vorhanden zu sein, denn 70 Prozent der US-Unternehmen, die zur Zeit der Befragung (noch) nicht bloggten, gaben an, der Idee von Web Logs positiv gegenüber zu stehen, während 13 Prozent innerhalb eines Jahres eigene Blogs starten wollten. | Abs. 7 |
In Europa sind die Unternehmen beim Einsatz von externen Web Logs noch deutlich zurückhaltender. | Abs. 8 |
Im deutschsprachigen Raum gibt es mittlerweile aber auch positive Beispiele für die Nutzung externer Blogs. Eine Befragung des Wirtschaftsmagazins Capital [Schneider 2005] unter den Dax-30-Unternehmen in Deutschland ergab Ende 2005, dass fünf der 30 Großunternehmen bereits interne oder externe Blogs betreiben, wobei externe Blogs noch deutlich in der Minderheit sind. | Abs. 9 |
3. Varianten des Corporate Blogging |
Doch wer sind die Blogger in Unternehmen? Nicht etwa unter technikfaszinierten operativen Mitarbeitern sind Corporate-Blogger typischerweise zu finden: Blogging ist geradezu zur Chefsache geworden, denn die CEOs und leitenden Manager börsennotierter Unternehmen in den USA schreiben gleich reihenweise ihre eigenen Web Logs. Grundanliegen dieser sogenannten "CEO-Blogs" [DB Research 2005, S. 4] (Typologie in Anlehnung an [Zerfaß 2005]) ist es häufig, sich als Themenführer zu positionieren. Bob Lutz, Verwaltungsrats-Vizepräsident von General Motors, Jonathan Schwartz, leitender Geschäftsführer von Sun Microsystems sowie leitende Manager von Boeing und Hewlett-Packard sind allesamt fleißige Blogger. Einer aktuellen Umfrage des Beratungsunternehmens Backbonemedia zufolge [Cass et al 2005] sind 78 Prozent der "Corporate Blogger" Führungskräfte ("president",45 Prozent oder "head of department", 33 Prozent), während nur 22 Prozent den sonstigen Funktionen in den Unternehmen zuzuordnen sind ("staff"). Zu ganz ähnlichen Resultaten kommt Susan Kuchinskas [Kuchinskas 2005], wonach über 40 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen einen bloggenden CEO hatten. | Abs. 10 |
Von den Blogs einzelner führender Manager zu unterscheiden sind die sogenannten Service- oder Customer-Relationship (CR-) Blogs [DB Research 2005, S.4]. In diesem Fall nutzen ausgewählte Mitarbeiter im Rahmen der Unternehmens-PR ein dafür eingerichtetes Unternehmens-Weblog zur Kontaktaufnahme mit den (potentiellen) Kunden. Dabei nutzt das bloggende Unternehmen im Grunde nur die Technik eines Weblogs zur klassischen, organisierten PR-Arbeit. Der Kommunikationsstil ist auch hier persönlich und informell, die Ziele sind aber stärker operativ ausgerichtet: Information über Produkte, abfragen der Kundenmeinung etc. | Abs. 11 |
Ein erfolgreiches Beispiel für einen CR-Blog ist derjenige des deutschen Herstellers für Tiefkühlprodukte, Frosta (www.blog-frosta.de; 06.01.2007). Ende Juni 2005 lancierte das Unternehmen einen Web Log, in dem Mitarbeiter aus vielen Abteilungen, von FuE und Produktion über Ein- und Verkauf und Verbraucherservice, bis hin zur Geschäftsleitung aus persönlicher Sicht schreiben. Die Themen sollen nicht von PR-Leuten vorgeschlagen oder formuliert werden, wie das Mission Statement vorgibt. Interessant ist der Einsatz des Frosta-Blogs auch als Marktforschungsinstrument: Frosta setzt seinen Web Log gelegentlich auch zu Umfragen über Produkteigenschaften und die Platzierung von Produkten ein und nutzt damit den Rückkanal bei Web Logs gezielt. | Abs. 12 |
Auf die unterschiedlichen Potentiale und rechtlichen Hintergründe dieser beiden Corporate-Blogging-Varianten soll im folgenden eingegangen werden. Sie sehen wir als die Haupttypen der Blogging-Typologie nach [Zerfaß 2005]. Schließlich gibt es aber auch noch die privaten Blogs der Mitarbeiter, der Hobby-Blogger, bei denen es um ihre Tätigkeit im und für das Unternehmen geht. Diese haben mit dem hier zu erörternden Corporate Blogging aus juristischer Sicht eher weniger zu tun; wichtig kann es hier aber für ein Unternehmen sein, im Rahmen einer sogenannten "Blogging Policy" Richtlinien für die bloggenden Mitarbeiter aufzustellen, damit es später nicht zu einem für beide Seiten ärgerlichen Rechtsstreit um die Inhalte solcher Tagebücher kommt. | Abs. 13 |
4. Potenziale von Corporate Weblogs |
Warum sollten sich Unternehmen die Mühe machen, Web Logs in ihrem
Kommunikationsmix zu berücksichtigen? Wo liegt der potenzielle Nutzen für ein
Unternehmen? Hier einige wichtige Aspekte: | Abs. 14 |
| Abs. 15 |
| Abs. 16 |
| Abs. 17 |
| Abs. 18 |
| Abs. 19 |
Nun sind einige dieser Nutzenpotenziale nicht wirklich neu und ausschließlich für Blogs kennzeichnend. So gab es beispielsweise auch bisher schon Möglichkeiten für Unternehmen, Kommunikationskanäle mit Rückkanal zu ihren Kunden zu öffnen. Aber der Aufwand dafür war unverhältnismäßig höher und die Kommunikationssituation (z.B. im Fall von Workshops) eher laborartig. In ihrer Kombination jedoch schaffen die Eigenschaften von Web Logs tatsächlich "agglomerative Mehrwerte" [Kuhlen 1995, S. 90], die für Unternehmen interessant sein können! | Abs. 20 |
5. Anforderungen an eigene Corporate Weblogs |
Auch angesichts der oben gezeigten Nutzen sind Blogs keine reinen Repräsentanten der schönen neuen Welt der Unternehmenskommunikation ohne Sorgen. Fallstudien zeigen, dass sich Unternehmen mit Web Logs auf publizistisches Glatteis begeben können und dass sich auch dieses Publikationsmedium mit Rückkanal durchaus zum Nachteil eines Unternehmens auswirken kann, falls nicht notwendige Vorkehrungen getroffen werden. | Abs. 21 |
Bei den Anforderungen, die Corporate Weblogs zu berücksichtigen haben, sind insbesondere die publizistischen von Bedeutung. Bis zum 28.02.2007 hat der Gesetzgeber bei Websites zwischen Telediensten und Mediendiensten unterschieden. Dabei war der überwiegende Teil von Unternehmens-Websites als Teledienste im Sinne des Teledienstegesetzes (TDG) zu bewerten, sofern bei ihnen der Aspekt der Indivi dualkommunikation im Vordergrund steht. Bei Weblogs ist dies allerdings anders: hier geht es gerade nicht um Individualkommunikation oder reine Werbung; vielmehr möchte der Autor durch von ihm redigierte (keine bloße Wiedergabe von Pressemitteilungen) und an die Allgemeinheit gerichtete Texte auf die Meinungsbildung Einfluss nehmen. Daher wird man Blogs generell als Mediendienste i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 4 des alten Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) i.V.m. § 2 Abs. 4 Nr. 3 TDG anzusehen haben, auch wenn sie beispielsweise als CR- oder Service-Blogs in eine Unternehmenswebsite integriert sind. Daran knüpften sich auch bestimmte publizistische Anforderungen, die nur für Mediendienste galten. | Abs. 22 |
Nun hat der Deutsche Bundestag allerdings am 18.01.2007 zum 01.03.2007 eine Zusammenführung dieser bisher separat geregelten Kategorien der Tele- und der Mediendienste zu den sogenannten "Telemedien" beschlossen. Die Bundesländer werden zum 01.03.2007 den bestehenden Mediendienstestaatsvertrag aufheben und sich künftig auf die Regelung der medienrechtlichen Anforderungen bezüglich der auf Meinungsbildung ausgerichteten Telemedien beschränken, weshalb der bestehende Rundfunkstaatsvertrag (RStV) ebenfalls zum 01.03.2007 entsprechend angepasst wird. Danach sind nun grundsätzlich alle Websites als Telemedien anzusehen und unterliegen einer einfachen Impressumspflicht, sofern Sie "geschäftsmäßig, in der Regel gegen Entgelt" angeboten werden (§ 5 Abs. 1 TelemedienG) oder jedenfalls "nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen" (§ 55 Abs. 1 RStV). Anzugeben sind dann Name und eine ladungsfähige Anschrift des Betreibers. | Abs. 23 |
Da Corporate Weblogs kaum jemals ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen werden, müssen diese auch die vorgenannten Anforderungen erfüllen. Wird das Blog vom Unternehmen selbst betrieben, also etwa als CR- oder Service-Blog und nicht etwa von einem einzelnen Mitarbeiter, muss es zudem auch Angaben zum Vertretungsberechtigten (Vorstand, Geschäftsführer) und Handelsregistereintrag, u.U. auch die USt-IdNr., enthalten. Anzuraten ist zusätzlich immer die Angabe einer elektronischen Kontaktmöglichkeit. | Abs. 24 |
Darüber hinaus ergeben sich aber noch zusätzliche Anforderungen, die aus der Nähe von Blogs zu Presseerzeugnissen folgen. Sobald das Blog "journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote" enthält (§ 55 Abs. 2 RStV) bedarf es der Benennung eines inhaltlich Verantwortlichen im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages mit Anschrift. Dies entspricht der Angabe "V.i.S.d.P." bei der klassischen (Druck-)Presse. | Abs. 25 |
Ein Blog kann (und sollte) gewisse journalistische Anforderungen auch durchaus erfüllen. Zwar wird man nicht jedes elektronische Tagebuch als journalistischredaktionell gestaltet ansehen können, etwa wenn es eine bloße Aneinanderreihung völlig unabhängiger Einzelsachverhalte darstellt. Sobald es aber als Beitrag zur Meinungsbildung und Berichterstattung angesehen werden kann und sich eine sinnvolle Auswahl und Zusammenstellung der einzelnen Beiträge erkennen lässt, wird man bereits von "journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten" sprechen können. Ein Corporate Blog, das diese Voraus setzungen nicht erfüllt, wäre im übrigen ohnehin schlicht verzichtbar. | Abs. 26 |
Damit wird die Benennung eines inhaltlich Verantwortlichen i.S.d. § 55 Abs. 2 RStV bei Corporate Weblogs, seien es nun CEO-Blogs oder CR/Service-Blogs, in aller Regel erforderlich sein. Dies wird im ersteren Fall kein Problem darstellen, da die publizierende Führungspersönlichkeit nur sich selbst zu benennen braucht. Bei den CR- / Service-Blogs sollte die Benennung eines inhaltlich Verantwortlichen gut überlegt und (natürlich) mit diesem abgesprochen sein. Denn sie sollte auch mit einer regelmäßig durchgeführten in haltlichen Überprüfung des Blogs durch diese Person einhergehen; er oder sie kann schließlich für die Inhalte in gewissen Umfang haftbar gemacht werden (dazu sogleich). Letztlich sollte aufgrund der fachlichen Nähe hier ein Mitarbeiter der PR-Abteilung bestimmt werden. Damit wird natürlich wieder eine Nähe zur klassischen PR-Arbeit eines Unternehmens hergestellt, die bei den CEO-Blogs vermeidbar ist. | Abs. 27 |
Aus der Einordnung von Blogs als journalistisch-redaktionelle Angebote gemäß § 55 Abs. 2 RStV ergeben sich noch weitere journalistische Sorgfaltserfordernisse. So muss gemäß § 58 Abs. 1 RStV zwischen Inhalten und Werbung getrennt werden. Das zwingt aber nun nicht etwa dazu, die positive Form der Berichterstattung über das eigene Unternehmen einzuschränken oder keine Links und Banner des Unternehmens anzubringen. Da ja gar kein Anschein der Objektivität erweckt wird, kann dies mangels Gefahr einer Irreführung der Öffentlichkeit auch nicht problematisch sein. Tendenziöse Berichterstattung ist folglich vollkommen im Rahmen des Zulässigen, sollte allerdings sorgfältig und nicht in einer Weise, die objektive Tatsachen verfälscht, redigiert sein. Dabei können auch bloße Meinungen niedergelegt werden.. Klare Werbung außerhalb des Rahmens einer Berichterstattung (etwa durch Banner) sollte allerdings von den eigenen Text-Inhalten deutlich erkennbar abgesetzt und explizit gekennzeichnet werden. | Abs. 28 |
Vorsicht ist dann geboten, wenn es um Äußerungen über die Konkurrenz und ihre Produkte geht: hier treten neben die publizistischen auch wettbewerbsrechtliche Anforderungen. Selbst wenn also, beispielsweise in einem CEO-Blog, eine Führungspersönlichkeit des Unternehmens herabsetzende Äußerungen über Konkurrenzprodukte gemacht hat und sich insoweit auf die Wahrnehmung berechtigter (journalistischer) Interessen stützen kann, mag dies wettbewerbsrechtliche Konsequenzen für das beschäftigende Unternehmen haben, dem diese Äußerungen dann unter Umständen zugerechnet würden. Insofern empfiehlt es sich, in einer Blogging Policy des Unternehmens klar festzulegen, welche Äußerungen in Corporate Blogs nicht zulässig sein sollen. Diese sollte die bloggenden Mitarbeiter sicherheitshalber auch auffordern, in ihrem Impressum anzugeben, dass sie ihre persönlichen Meinungen wiedergeben, die nicht zwangsläufig mit den Ansichten ihres Unternehmens identisch sind. | Abs. 29 |
Falls nun aber tatsächlich einmal ein Fall auftritt, in dem sich jemand durch Angaben innerhalb eines Blogs in seinen Rechten verletzt fühlt, ist zwischen den folgenden verschiedenen Sachverhalten zu unterscheiden. Geht es um Inhalte, die vom Blogger selber stammen (von den im Rahmen von CR- / Service-Blogs bloggenden Mitarbeitern), dann trifft diesen die aus den § 56 RStV folgende Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung, da es sich bei Corporate Blogs, wie dargelegt, in aller Regel um journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote zur Meinungsbildung handeln wird. Die Gegendarstellungspflicht gilt unabhängig vom Wahrheitsgehalt der im Web Log getroffenen Aussage. Im Zweifel sollte eine Gegendarstellung daher auch immer veröffentlicht werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Dazu sollte der Gegendarstellungstext möglichst ohne Kommen tierung im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Text in das Blog eingestellt oder zumindest offensichtlich mit diesem verlinkt werden. Einem vermeintlichen Widerrufsanspruch muss der Blogger dagegen nur nachkommen, wenn die Unwahrheit einer seiner Äußerungen objektiv feststeht. Dazu wird es aber bei Beachtung der genannten Vo raussetzungen nicht kommen. | Abs. 30 |
Soweit es um Links geht, sollte ohnehin in das Impressum bereits ein weitgehender Haftungsausschluss aufgenommen werden. Der hilft aber nicht über Sorglosigkeit im Umgang mit Links hinweg. Das Einfügen des vermeintlichen Tenors eines inzwischen völlig veralteten erstinstanzlichen Urteils des LG Hamburg vom 12. Mai 1998 ("Distanzierung" von den Inhalten der gesetzten Links) wiegt viele Website-Betreiber in einer trügerischen Sicherheit, hilft aber nicht wirklich weiter. Wenn der Blogger einen Link in den Text aufnimmt, sollte dieser vielmehr in einen Zusammenhang mit dem Text gesetzt wer den, der klarmacht, dass er die verlinkte Seite besucht hat und bei ihr zu diesem Zeitpunkt keinerlei bedenkliche Inhalte sondern nur weiterführende Informationen zur Blog-Thematik gefunden hat. Als be denklich müssen Inhalte erachtet werden, die eine strafrechtliche oder wettbewerbsrechtliche Relevanz haben könnten (!); diese sollten auch nicht etwa dazu verlinkt werden, um kritisch auf ihre Brisanz hinzuweisen. Im übrigen ist bei Kenntnis von bedenklichen Änderungen an den verlinkten Seiten der Link sofort zu entfernen. Eine ständige turnusmäßige Überprüfung aller Links auf bedenkliche Änderungen kann aber natürlich auch nach der Rechtsprechung nicht erwartet werden. | Abs. 31 |
Schließlich bleibt noch die Haftung für fremde Inhalte, also z.B. Kommentare innerhalb des Blogs. Dies ist das zur Zeit sicherlich problematischste Feld. Während Bundes- und Landesgesetzgeber die Web-Anbieter eigentlich weitgehend von der Verantwortung für fremde Inhalte entlasten wollten und deshalb in den alten § 11 TDG und § 9 MDStV sowie im neuen § 10 Telemediengesetz eine weitgehende Haftungsfreistellung eingefügt haben, hat nach dem "Rolex-Ricardo-Urteil" des BGH die Rechtsprechung insbesondere mancher Untergerichte zu erheblicher Unsicherheit hinsichtlich der Überwachungs- und Sorgfaltspflichten der Content-Provider geführt. Der Gesetzgeber des Telemediengesetzes hat dieses Problem zwar gesehen und in der Gesetzesbegründung angesprochen, aber regelungstechnisch nicht adressiert. | Abs. 32 |
So hat beispielsweise das LG Hamburg Ende 2005 die grundsätzliche Haftung des Heise-Zeitschriften-Verlages für von Nutzern eingestellte Forenbeiträge in sein Online-Forenangebot selbst ohne Kenntnis deren rechtswidriger Inhalte festgestellt (Vgl. www.heise.de/newsticker/meldung/66982; 06.01.2007). Dieses offensichtliche Fehlurteil hat für erhebliche Unruhe in der gesamten Online-Medienbranche gesorgt, wurde sodann aber in der Berufung vom Hanseatischen Oberlandsgericht insoweit abgemildert, dass nur ab Kenntnis einer Rechtsverletzung die Kontrolle eines einzelnen Artikelforums zumutbar sei, sofern weitere Rechtsverletzungen drohten. Damit scheint sich nun in der Rechtsprechung eine einheitlichere Linie zu entwickeln, die davon ausgeht, dass jedenfalls erst ab Kenntnis von rechtsverletzenden Inhalten der Dienstebetreiber (unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Diensteangebots) alles ihm Mögliche unternehmen muss, um eine Beendigung der Rechtsverletzung (durch Löschen des Beitrages) oder eine Wiederholung (durch regelmäßiges Durchforsten betroffener Angebotsteile auf Wiederholungen dieser spezifischen Verletzung) zu verhindern (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 22.08.2006, Az. 324 O 721/05; OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.6.2006, Az. I 15 U 21/06; zu Prüfungspflichten von eBay vgl. OLG München, Urteil vom 21.09.2006, Az. 29 U 2119/06). | Abs. 33 |
Corporate Bloggern kann in Anbetracht dieser Rechtslage derzeit nur dringend geraten werden, ab dem Moment in dem sie von offensichtliche Rechtsverstößen oder Aufrufen zu Rechtsverstößen, etwa durch Nutzer-Kommentare, innerhalb ihres Blogs erfahren, diese (am besten mit einer Erklärung versehen!) zu löschen und die Abgabe von Kommentaren durch diese Nutzer für die Zukunft zu sperren. Damit sollte in der Regel das Zumutbare getan sein. Weitere Schritte (etwa den Einsatz professioneller Filtersysteme) wird man nur erwarten dürfen, wenn ein Corporate Weblog wie ein professionelles Foren-Angebot betrieben wird, was kaum je der Fall sein dürfte. | Abs. 34 |
Die gleiche Vorgehensweise wie bei Rechtsverstößen durch Nutzer-Kommentare ist bei negativen Nutzer-Kommentaren über Konkurrenz-Produkte anzuraten, da die wettbewerbsrechtliche Relevanz solcher Äußerungen in Foren und Weblogs im Moment noch völlig ungeklärt ist. | Abs. 35 |
Um darüber hinaus Unterlassungsansprüche, etwa wegen Urheberrechtsverletzungen, zu vermeiden, sollte im Zweifel auf die Benutzung von Bildern oder Textpassagen verzichtet werden, deren Lizenzierung oder gar Urheberschaft ungeklärt ist. Bei der Verwendung von Frames sollten zudem nur eigene Inhalte verlinkt werden, bei der Verlinkung auf fremde Inhalte sollte ein neues Browser-Fenster gewählt werden. | Abs. 36 |
Um einige dieser vorgenannten Risiken abzufangen und auch aus arbeitsrechtlichen Gründen juristische Klarheit im Unternehmen zu schaffen, empfiehlt es sich, in einer betrieblichen Richtlinie (Blogging Policy) klar festzuhalten wer, was, wie häufig und wie in Blogs publizieren darf. Bestandteil der Blogging Policy sollten kon krete Verhaltensvereinbarungen sein, wie sie z.B. bei IBM implementiert wurden. Wichtig ist die Einordnung von CEO-Blogs und anderen individuellen Mitarbeiter-Blogs als "individual interactions, not corporate communications" [Snell 2005]. Ferner sollten auch die soeben dargestellten publizistischen Anforderungen an Blogs in die Blogging Policy aufgenommen werden, also Impressumspflicht, Angabe eines inhaltlich Verantwortlichen i.S.d. RStV, Einhaltung journalistischer Sorgfaltsgebote, Gegendarstellungspflichten und vorsichtiger Umgang mit Links und Nutzerkommentaren. | Abs. 37 |
6. Herausforderungen durch fremde Weblogs |
Von den Anforderungen an das Corporate Blogging zu trennen sind die
Herausforderungen, die sich für Unternehmen durch den immer größer werdenden
Markt privater Weblogs ergeben: | Abs. 38 |
| Abs. 39 |
| Abs. 40 |
| Abs. 41 |
| Abs. 42 |
| Abs. 43 |
7. Erfolgskriterien von Corporate Weblogs |
Die Kommunikationssituation bei Corporate Weblogs ist ein schmaler Grat
zwischen den Interessen verschiedenster Stakeholder und den Anforderungen des
Mediums. Hier können leicht schizophrene Situationen entstehen, auf die
bloggende Mitarbeiter vorbereitet sein müssen: Der Blogger ist einerseits zur
Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet und soll trotzdem möglichst
ehrlich auf kritische Fragen antworten. Er soll klar im Interesse seines
Unternehmens handeln und trotzdem auch Diskussionen über die Schwächen dessen
Produkte zulassen. Hier zusammengefasst einige der Erfolgskriterien, die dem
Blogging zugrunde liegen: | Abs. 44 |
| Abs. 45 |
| Abs. 46 |
| Abs. 47 |
| Abs. 48 |
| Abs. 49 |
| Abs. 50 |
| Abs. 51 |
| Abs. 52 |
| Abs. 53 |
| Abs. 54 |
8. Kurze Checkliste für Corporate Weblogs |
Vor der Einrichtung eines Weblogs:
| Abs. 55 |
Nach der Entscheidung für die Einrichtung eines Weblogs:
| Abs. 56 |
9. Schluss und Zusammenfassung |
Das Veränderungspotenzial von Blogs auf die externen und internen Kommunikationsprozesse von Unternehmen wird gelegentlich als so groß eingeschätzt, dass ihnen gar die Kraft zugesprochen wird, eine neue Ära der Unternehmenskommunikation herbeizuführen [Morrison 2005]. Die Richtigkeit dieser Prognose wird sich im Lauf der Zeit erweisen müssen. Als sicher kann man jedoch annehmen, dass Unternehmen es sich in Zukunft immer weniger werden erlauben können, Blogs im Sinne einer vorbeugenden Krisenkommunikation als Medium der Meinungsbildung zu ignorieren. Zwar sehen kritische Stimmen die unternehmensexternen Einsatzmöglichkeiten von Web Logs eingeschränkt. Sicher handelt es sich nicht um "ein neues Zaubermittel der Unternehmenskommunikation" [DB Research 2005], aber um ein Medium, das wohl in Zukunft seinen selbstverständlichen Platz im Kommunikationsmix von Unternehmen einnehmen wird. Wir haben gezeigt, dass die Nutzung des enormen Potenzials von Web Logs für Unternehmen tatsächlich mit gewissen Risi ken verbunden und an einige Voraussetzungen geknüpft ist. Trotzdem gibt es genügend gute Gründe für Unternehmen, sich dieses Kommunikationskanals zu bedienen, was wir angesichts der großen Chancen ausdrücklich - mit ausreichendem Bewusstsein für die bestehenden Probleme - empfehlen! Gewisse Einschränkungen der Eignung von Blogs bestehen für börsennotierte Unternehmen. Hier gibt es eine Reihe juristischer Vorschriften die Publizität betreffend, die die Operationalisierung erschweren. Allerdings sind börsennotierte Unternehmen sowieso weitgehend publikationspflichtig und damit schon besser durchschaubar als Privatunternehmen. Die höchste Attraktivität von Blogs sehen wir deshalb für mittlere und kleinere Unternehmen, die durch Web Logs z.B. ihre Außenwahrnehmung verbessern und ihre Kundenbindung stärken wollen. | Abs. 57 |
Wir haben am Beispiel der deutschen Gesetzeslage und Rechtsprechung gezeigt,
dass gerade die juristischen Rahmenbedingungen für diese Art der
Unternehmens-Publizität hierzulande deutlich günstiger sind als z.B. in den
USA. Die potenziellen Risiken sind durch eine Reihe von Vorkehrungen
beherrschbar und die Nutzenpotenziale offensichtlich gerade für Unternehmen in
der Produktentwicklung und für Unternehmen interessant, in denen eine
Verbesserung des Kontaktes zu Kunden (und hier vor allem auch des Rückkanals
vom Kunden her) erwünscht ist. Die Herausforderung für Unternehmen besteht aber
nicht nur darin, einen geeigneten organisatorischen Rahmen zu schaffen, um die
Risiken zu beherrschen und das Nutzenpotenzial von Web Logs auszuschöpfen:
Blogs stehen stellvertretend für ein verändertes Kommunikationsverhalten und
stellen damit auch eine Herausforderung an die kulturelle Entwicklungsfähigkeit
von Organisationen dar.
| JurPC Web-Dok. 23/2007, Abs. 58 |
10. Literatur |
[BlogOn 2005] BlogOn Social Media Adoption Survey 2005 (Executive Summary). Guidewire Group. www.guidewiregroup.com/site/pdf/CorporateBloggingSurvey.pdf (28.2.2006) |
[Cass et al 2005] John Cass, Kristine Munroe, Stephen Turcotte (2005): Corporate Blogging: Is it worth the hype? Backbonemedia Inc. Corporate Blogging Survey and Case Studies, 2005. www.backbonemedia.com/blogsurvey/blogsurvey2005.pdf(2.3.2006) |
[DB Research 2005] Claudia Jüch, et al: Blogs: ein neues Zaubermittel der Unternehmenskommunikation? Deutsche Bank Research (Economics-Digitale Ökonomie und struk tureller Wandel, Nr. 53), 22. August 2005. |
[Kuchinskas 2005] Susan Kuchinskas: Corporate Blogging Takes Off. In: Internet News, 17. Oktober 2005. / www.internetnews.com (6.12.2005) |
[Kuhlen 1999] Rainer Kuhlen: Die Konsequenzen von Informations assistenten. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1999. |
[Kuhlen 1995] Rainer Kuhlen: Informationsmarkt. Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. (Schriften zur Informationswissenschaft, 15). Universitätsverlag Konstanz, 1995. |
[Lyons 2005] Daniel Lyons: Attack of the Blogs. In: Forbes, 14. November 2005, p. 128-138. |
[McGregor 2004] Jena McGregor: Post(er) Boy. Robert Scoble's starter set of corporate blogging guidelines. In: Fast Company 1. April 2004, No. 81. www.fastcompany.com/magazine/81/blog_scoble.html (2.3.2006). |
[Morrison 2005] Scott Morrison: The rise of the corporate blogger. Guide to blogging electronic communication. In: Financial Times, 15. July 2005, p. 12. |
[Schneider 2005] Mark C. Schneider: Immer mehr Dax-30-Konzerne setzen auf Weblogs. In: Capital Nr. 26/2005 (8. Dezember 2005). |
[Sellin 2005] Rüdiger Sellin: Corporate Weblogs - mehr als ein Infokanal. In: comtec 06-2005, S. 32-34. |
[Sixtus 2005] Mario Sixtus: Die Humanisierung des Netzes. In: Die Zeit, Nr. 35-2005, 25.08.2005. S. 31. |
[Sixtus 2006] Mario Sixtus: Dünnhäutige Klowände. In: Frankfurter Rundschau, 1. Februar 2006, S. 26 |
[Snell 2005] James Snell: Blogging@IBM, 16.Mai 2005. www-128.ibm.com/developerworks/blogs/dw_blog_comments.jspa?blog=351&entry=81328(2.3.2006) |
[Suitt 2003] Halley Suitt: A Blogger in Their Midst. (HBR Case Study). In: Harvard Business Review, September 2003, p. 30-40. |
[Technorati 2006] Blog Suchmaschine Technorati. www.technorati.com(24.2.2006). |
[Zerfaß 2005] Ansgar Zerfaß, Dietrich Boelter: Die neuen Meinungsmacher. Weblogs als Herausforderung für Kampagnen, Marketing, PR und Medien. Graz: Nausner & Nausner, 2005. |
* Dipl. Inf.-Wiss. Andreas R. Brellochs war nach dem Studium der Dokumentation (HBI Stuttgart) und der Informationswissenschaft (Universität Konstanz) bis 1998 selbständiger Berater im Bereich Online-Werbung, 1998-2003 Information Manager bei der Prognos AG für Wirtschaftsforschung in Basel, seit 2003 bei "The Boston Consulting Group AG" (Knowledge Group) in Zürich. Nebenberuflich ist er tätig als Lehrbeauftragter an den Hochschulen Genf (HEG) und Konstanz und an der Universität Bern, ehrenamtliche Tätigkeit übt er im Vorstand der Schweizerischen Vereinigung für Dokumentation (SVD) aus. Ref. jur. Timo Rosenkranz hat an den Universitäten Trier und Oxford Rechtswissenschaften studiert und promoviert zur Zeit an der Bucerius Law School in Hamburg über Internationales Urheberrecht. Er ist Autor mehrerer Veröffentlichungen zum Internetrecht. |
[ online seit: 13.02.2007 ] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Brellochs, Andreas R., Chancen und Risiken des Corporate Blogging - juristische und publizistische Herausforderungen - JurPC-Web-Dok. 0023/2007 |