Ralf Zosel *Publizieren und Kooperieren mit WikiWikiWebJurPC Web-Dok. 193/2003, Abs. 1 - 13 |
Inhaltsübersicht: |
Fehler im Internet |
Was tun Sie, wenn Sie einen Fehler im Internet finden? Das kommt darauf an, werden Sie als Jurist sagen. Einen einfachen Rechtschreibfehler ignorieren Sie wahrscheinlich. Treten die Rechtschreibfehler gehäuft auf, ärgern Sie sich vielleicht. Bei inhaltlichen Ungenauigkeiten könnten Sie den Autor per E-Mail informieren, der den Fehler dann eventuell verbessern wird. Wenn das überhaupt noch möglich ist, denn in Internet-Foren z.B. können einmal abgegebene Beiträge nicht mehr verändert werden. Dafür können Sie aber immerhin eine eigene Stellungnahme abgeben, die dann zu dem Beitrag veröffentlicht wird. Der Fehler ist damit zwar nicht beseitigt, aber entschärft. | JurPC Web-Dok. 193/2003, Abs. 1 |
Einfach ins Web schreiben |
Wäre es nicht schön, Sie könnten den Fehler gleich selber an Ort und Stelle verbessern? Sie bräuchten keine E-Mail schreiben, der Autor wäre Ihnen dankbar und die nachfolgenden Leser würden unmittelbar von Ihrer Initiative profitieren. Warum geht das nicht? Weil nicht jeder die erforderlichen Schreibrechte (und das technische Know- How) hat, um eine HTML-Seite abzuändern. Und überhaupt, wer garantiert denn dem Autor, dass wirklich nur Fehler korrigiert werden, und nicht etwa sein ganzer Text entstellt oder gar gelöscht wird? Das kann nicht gehen! | Abs. 2 |
WikiWikiWeb |
Geht aber doch. Klingt unglaublich und hat auch einen ungewöhnlichen Namen: WikiWikiWeb. Solche Websites erkennen Sie an dem Link Editieren auf jeder Seite. Wenn Sie darauf klicken, öffnet sich in Ihrem Browser eine Textbox. Darin steht der Inhalt der Seite als einfacher Text. Sie nehmen die gewünschten Änderungen vor und klicken auf Speichern. Sie brauchen weder ein Passwort, noch ein Zusatzprogramm, noch HTML-Kenntnisse. Ihre Änderungen sind sofort online. Möglich wird dies durch die WikiWikiWeb-Technologie, die bereits 1995 von Ward Cunningham entwickelt wurde(1). "Wiki wiki" ist hawaiianisch und heißt "schnell". | Abs. 3 |
Jeder kann schreiben |
Aber dann kann auch jeder einfach Unsinn reinschreiben. Wie kann das verhindert werden? Verhindert gar nicht, aber jeder kann die Verunstaltung sehr leicht wieder rückgängig machen. Alle alten Versionen der Seiten werden aufbewahrt und stehen als Historie zur Verfügung. Jede noch so kleine Änderung wird in einer Differenz-Ansicht transparent gemacht. In einem funktionierenden Wiki halten sich unsinnige Einträge oft nur wenige Minuten. | Abs. 4 |
Websites gemeinsam erstellen |
Damit ein Wiki funktioniert, gibt es gewisse Spielregeln, nach denen sich die Teilnehmer richten sollen. Zum Beispiel soll man Beiträge im Wiki nicht verunstalten, sondern verbessern. Die Einhaltung der Spielregeln wird aber nicht, wie sonst im Internet üblich, technisch erzwungen. Das ganze beruht vielmehr - wie so manches im richtigen Leben auch - auf bloßer Konvention. Und wenn sich mal jemand darüber hinwegsetzt, dann macht es den anderen kaum Mühe, das zu korrigieren. | Abs. 5 |
In klassischen Internet-Foren verschwinden die Beiträge mit der Zeit in einem Archiv. Die Informationen, aber auch die Fehlinformationen, können dann nur noch über Volltextsuche erschlossen werden. Ein Wiki dagegen kann sich mit der Zeit zu einer komplexen und stets aktuellen Website entwickeln, die auch einen navigierenden Zugang ermöglicht. | Abs. 6 |
Im Wiki sind die Seiten üblicherweise ungewöhnlich stark verlinkt. Die Verlinkung entsteht wie es dem Prinzip von Wiki entspricht denkbar einfach. Es muss weder eine kryptische HTML-Markierung(2) noch eine umständliche URL(3) eingefügt werden. Jede Seite im Wiki hat einen WikiNamen, d.h. ein groß geschriebenes Wort mit einem weiteren Großbuchstaben in der Mitte. Wollen Sie z.B. auf die StartSeite verlinken, genügt es, in den Text zu schreiben: StartSeite. Das System erkennt den WikiNamen (an der Schreibweise) und fügt beim Anzeigen einen Link auf die Seite dieses Namens ein. Existiert die Seite noch nicht, so wird beim Klicken auf den Link einfach die Möglichkeit eröffnet, die Seite anzulegen. | Abs. 7 |
Einsatzgebiete für Juristen |
Die Grundprinzipien von WikiWikiWeb sind Geschwindigkeit, Einfachheit und Offenheit(4). Die Technik ist vergleichsweise simpel und tritt für den Anwender in den Hintergrund. Selbst der Computerlaie ist nach einer kurzen Einführung in der Lage, selbständig im Internet zu publizieren. Als Jurist sind Sie also nicht gezwungen, sich erst mit HTML, FTP und dergleichen technischen Einzelheiten zu beschäftigen, sondern können sich gleich voll auf den Inhalt konzentrieren. | Abs. 8 |
Die Einfachheit und Offenheit von WikiWikiWeb ermöglicht eine auf den ersten Blick ungewohnte Form der Zusammenarbeit via Internet. Anders als bei herkömmlichen Werkzeugen (z.B. Mailinglisten und Newsforen) arbeiten mehrere Personen gemeinsam an einem Dokument. Das erspart das ständige Zitieren (Quoten) der vorangegangen Beiträge, weil jeder seinen Gedanken gleich an passender Stelle eintragen kann. Vor allem aber ist die Diskussion nur ein Übergangsstadium und kann gleich wieder verdichtet werden, sobald ein gewisser Diskussionsstand erreicht ist. Man arbeitet also ergebnisorientiert. | Abs. 9 |
Aber nicht nur das völlig offene, "echte" Wiki bietet Perspektiven für Juristen, sondern auch für geschlossene Systeme ergeben sich interessante Anwendungsmöglichkeiten, z.B. im Intranet. Firmen wie Motorola, SAP und Disney haben bereits WikiWikiWeb im Einsatz(5). Die juris GmbH ist dabei, ein geschlossenes Wiki als Kommunikationsmedium der Dokumentationsstellen zu etablieren. An der Universität des Saarlandes gibt es bereits in unterschiedlichen Fachbereichen Ansätze für den Einsatz von WikiWikiWeb zur internen Kommunikation und als Lernplattform. | Abs. 10 |
Gerade für den internen Gebrauch ist die WikiWikiWeb-Technologie wegen ihrer Einfachheit oft komplizierten Content-Management-Systemen überlegen. Ein Wiki-Server kann kostenlos über das Internet heruntergeladen werden und ist in wenigen Minuten einsatzbereit. Es gibt bereits Firmen(6), die sich auf den Support in diesem Umfeld spezialisiert haben. | Abs. 11 |
JuraWiki |
Um als Jurist von WikiWikiWeb zu profitieren, müssen Sie aber gar keinen eigenen Server installieren. Auf dem 11. EDV-Gerichtstag wurde das JuraWiki(7) der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Das JuraWiki ist ein WikiWikiWeb für Juristen und steht jedermann offen. Verschiedene Initiativen nutzen das JuraWiki bereits für Ihre Zwecke: So hat die Jurafachschaft in Saarbrücken ihren Internet-Auftritt ins JuraWiki verlegt(8), das Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) nutzt für sein Diskussionsforum das JuraWiki(9) und Saarbrücker Jurastudenten haben zahlreiche Seiten zu ihren Vorlesungen angelegt, über die sie miteinander und mit den Dozenten kommunizieren(10). Selbst private Homepages sind im JuraWiki möglich(11). | Abs. 12 |
Zusammenfassung |
WikiWikiWeb bietet Juristen neue Möglichkeiten, das Internet zur Publikation und Kommunikation zu nutzen, und das auf ganz einfache Art. Für die interne Kommunikation in allen Bereichen juristischer Tätigkeit (Gericht, Behörde, Kanzlei, Unternehmen, Universität usw.) stellt die WikiWikiWeb-Technologie eine einfache und kostengünstige Alternative zu mächtigen Content-Management-Systemen dar.
| JurPC Web-Dok. 193/2003, Abs. 13 |
Fußnoten:(1) Cunningham/Leuf The WikiWay Quick Collaboration on the Web, 2001.(2) Ein Hyperlink sieht in HTML beispielsweise so aus: <a href="http://www.irgendwas.de">Linktext</a>. (3) Uniform Resource Locator, also eine Internetadresse wie gewohnt, z.B. http://www.irgendwas.de/unterseite.htm. (4) Huhmann, Jochem; Schnell, schnell, iX 10/2002 S. 84, http://www.heise.de/ix/artikel/2002/10/084/. (5) TWiki Success Stories, http://twiki.org/cgi-bin/view/Main/TWikiSuccessStories. (6) WikiFarms, http://c2.com/cgi/wiki?WikiFarms. (7) http://www.jurawiki.de. (8) http://www.jurawiki.de/FsJuraSb. (9) http://www.jurawiki.de/ifrOSS_2fDiskussionsForum. (10) http://www.jurawiki.de/ErstSemesterSb. (11) http://www.jurawiki.de/WikiHomepage. |
* Ass. iur. Ralf Zosel ist bei der juris GmbH angestellt und dort u.a. zuständig für den Internet-Auftritt des Unternehmens. Daneben ist er wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Rechtsinformatik und Doktorand bei Prof. Dr. Maximilian Herberger. Mit dem JuraWiki (http://www.jurawiki.de) betreibt er das deutschsprachige WikiWikiWeb zu juristischen Themen als Zero-Budget und No-Profit-Projekt. |
[online seit: 21.07.2003] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Zosel, Ralf, Publizieren und Kooperieren mit WikiWikiWeb - JurPC-Web-Dok. 0193/2003 |