Michael Wächter *Was bedeutet "Auslieferung" von Software?JurPC Web-Dok. 129/2001, Abs. 1 - 38 |
I.Relevanz der Fragestellung |
Die Softwareüberlassung behandelt das Thema der Berechtigung, eine erworbene Lizenz an der Software im vertraglich festgelegten Umfang zu nutzen. Ein solcher Vertrag der Einräumung nicht ausschließlicher Nutzungsrechte für Zwecke der Abwicklung von unternehmenseigenen Geschäftsvorfällen des Kunden wird von Softwarehäusern abhängig gemacht von der Bezahlung einer Überlassungsvergütung(1). | JurPC Web-Dok. 129/2001, Abs. 1 |
Vertraglicher Anknüpfungspunkt für einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Kunden ist der ihm eingeräumte Nutzungsumfang, der sich auf der einen Seite an Partizipationsinteressen des Softwarehauses bemißt, auf der anderen Seite aber für den Kunden seine "implied use rights"(2) in der Weise sicherstellen muß, dass diese nicht mehr als zulässig beeinträchtigt werden(3). Diese klassische rechtliche Betrachtung ist allerdings durch Mechanismen der praktischen Vertragsdurchführung zu ergänzen, an welche die zwischen den Vertragspartnern vereinbarten Rechtsfolgen zu knüpfen sind. | Abs. 2 |
Tatsächlicher Anknüpfungspunkt für viele kaufmännische und auch technisch-organisatorische Fragestellungen der Vertragsdurchführung ist die Auslieferung von Software. Für das Verständnis der Softwareüberlassung ist die Kenntnis dieser organisatorischen Fragestellung der Softwareauslieferung und ihrer Funktion aus Sicht der Softwarehäuser deshalb von erheblicher Bedeutung. Damit hat die Einräumung von Nutzungsrechten an den Kunden die Etablierung von betrieblichen Abläufen zur Softwareauslieferung zur Voraussetzung. Dieses komplexe Zusammenspiel wird in diesem Beitrag behandelt. | Abs. 3 |
II.Der Lizenzvertrag als vertragliche Basis |
Ist beim Abschluß eines Lizenzvertrags Zielsetzung der Vertragspartner die Einführung und das Customizing verschiedener Module eines Softwareprodukts, so werden typischerweise verschiedene Verträge mit unterschiedlichen Regelungsinhalten geschlossen: | Abs. 4 |
- Ein Vertrag über die Überlassung von
Softwaresystemen (der Lizenzvertrag), ggf. gekoppelt mit einem Vertrag über
die Pflege und Weiterentwicklung der Software-Systeme und ergänzt durch
Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. Lizenzbedingungen des Softwarehauses(4),
- Eine Zusatzvereinbarung zum Vertrag über die Überlassung, Pflege und Weiterentwicklung von Software-Systemen, in welcher kundenspezifische Regelungen, wie z.B. Zahlungsmodalitäten, die Nutzung der Software im Konzern, geregelt sind(5), - Ein Beratungsvertrag, der die vom Softwarehaus zu leistende Beratung im Zusammenhang mit der Anpassung der Programme an die kundenspezifischen Bedürfnisse regelt. | Abs. 5 |
Im Rahmen dieser Vertragsmodule werden im Programmüberlassungsschein des Lizenzvertrags die Funktionsblöcke beschrieben. Auf diese Anwendungsbeschreibung beziehen sich die Regelungen zur Nutzungsberechtigung, die erforderlichen Einführungsprojekte sowie der Umfang der Pflege. Damit regelt der Programmüberlassungsschein insgesamt den vertraglichen Umfang der dem Kunden überlassenen Software. | Abs. 6 |
Die Vergütung wird hierfür - und das ist wesentlich - häufig mit Auslieferung der Software in Rechnung gestellt und wird ggf. mit erfolgreicher Installation fällig. Damit ist die Auslieferung Schlüsselbegriff für die betriebswirtschaftliche Abwicklung der Softwareüberlassung. | Abs. 7 |
Installiert das Softwarehaus die Software, ist die Installation regelmäßig dann erfolgreich durchgeführt, sobald es die Betriebsbereitschaft der Programme an Hand seiner Testdaten vorgeführt hat. Installiert der Kunde, wird vertraglich vereinbart, dass dieser den erfolgreichen Abschluß der Installation schriftlich - z. B. innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt der Software-Systeme - dem Softwarehaus mitzuteilen hat. | Abs. 8 |
Falls der Auftraggeber innerhalb einer bestimmten Frist (z. B. 4 Wochen) keine Erklärung abgibt, gilt die Installation mit Ablauf dieser Frist als erfolgreich durchgeführt (Installationsfiktion), sofern die Software nicht erhebliche Mängel (Severity-Klasse 1: Betriebsstillstand beim Kunden bzw. Severity-Klasse 2: starke Behinderung des Betriebs des Kunden) aufweist. Denn dann sind die Programme betriebsbereit. | Abs. 9 |
Für den Anspruch auf Überlassungsvergütung und deren Fakturierung ist aus Sicht von Softwarehäusern also der Geschäftsprozess der Auslieferung die Basis. Dessen Prozedere für Eigen- und Fremdsoftware von Softwarehäusern wird vorliegend erläutert. Ebenso werden die daran geknüpften - zumeist vertraglich vereinbarten - Rechtsfolgen angesprochen. | Abs. 10 |
Bis zur vollständigen Bezahlung der Software durch den Kunden vereinbaren Softwarehäuser auch vertraglich, die Nutzbarkeit der Programme über eine Zeitsperre von der vertragsgemäßen Zahlung der Überlassungsvergütung abhängig zu machen. Dieser Themenbereich hängt sehr eng mit dem Thema der Auslieferung zusammen. | Abs. 11 |
III.Aspekte der Softwareauslieferung |
1.Lieferung der Software |
Softwarehäuser vereinbaren typischerweise, sofern dies nicht mit dem Kunden im Rahmen eines Zahlungsplans anders vereinbart werden muß, die gesamte einmalige Überlassungsvergütung mit Lieferung der Software in Rechnung zu stellen. Die Software wird mit Benutzerdokumentation auf Datenträgern gespeichert und wird auf diese Weise geliefert. | Abs. 12 |
Das Softwarehaus wird den Kunden nach Anforderung bei der Inbetriebnahme der Software unterstützen. Alle Unterstützungsleistungen (Einsatzvorbereitung, Installation, Einweisung, Schulung oder Beratung) werden, sofern nicht anders vereinbart, nach Aufwand vergütet. Ggf. wird auch vertraglich vereinbart, dass diese Leistung als Nebenpflicht der Überlassung vom Lizenzgeber zu erbringen ist(6). | Abs. 13 |
2. Code-Freischaltung der Software |
Bei der Auslieferung ist von Bedeutung, ob ein dauerhafter, d.h. permanenter Code oder ein befristeter Code vergeben wird. Die Codevergabe an den Kunden ist damit ein wichtiges Thema der Nutzungseinräumung an der Software. | Abs. 14 |
So trifft das Softwarehaus die erforderlichen Maßnahmen zum Programmschutz und ist berechtigt, den Einsatz der Software von der Eingabe eines Programmschlüssels, z.B. der Nummer der benutzten Zentraleinheiten, abhängig zu machen. | Abs. 15 |
Das Prozedere der Codevergabe erfolgt z.B. in folgender Weise: | Abs. 16 |
-Eine Vergabe des Installationscodes für die Software, z. B. für eine AS/400, Modell 170 Serien Nr. XYZ: | Abs. 17 |
zx5dOQz7DR3Q | Abs. 18 |
ist gültig bis: 31.12.2001 | Abs. 19 |
-Die Mitteilung einer Anweisung zur Eingabe/Änderung des
Installationscodes für die Software erfolgt z.B. mit folgender Anleitung an
den Kunden:
Den neuen Code können Sie entweder auf der Betriebssystemebene oder in der Anwendung installieren. Auf Betriebssystemebene erzeugen Sie eine Bibliotheksliste mit dem Befehl: CHGLIBL (QTEMP CASDEFINE) oder fügen hinzu: ADDLIBLE CASDEFINE CHGCASCDE F4 In die im nächsten Bild erscheinenden Hochkommas '... ' wird der Installationscode eingetragen und mit <Datenfreigabe> quittiert. Der Code wird in alle Datenbibliotheken (Produktiv- und Test-Modus) eingetragen. In der Anwendung schreiben Sie den folgenden Befehl auf die Befehlszeile: CHGCASCDE und drücken anschließend die F4-Taste. Im folgenden Bild wird der neue Code in die auf dem Bildschirm erscheinenden Hochkommas eingegeben '... '. Nach der Betätigung der <Datenfreigabe> ist der Code installiert und wird in alle Datenbibliotheken (Produktiv- und Test-Modus) eingetragen. | Abs. 20 |
Ist die Software vom Kunden vollständig bezahlt worden, erfolgt die Vergabe eines permanenten Codes. Damit wird das zeitlich unbefristete Nutzungsrecht des Kunden realisiert. | Abs. 21 |
IV.Durchführung der Softwareauslieferung |
1. Darstellung am Beispiel eines Konzernunternehmens |
In einem konzernverbundenen arbeitsteiligen Softwarehaus werden die vertraglich vereinbarten Leistungen von unterschiedlichen Gesellschaften erbracht. Konzernverbindung bedeutet hierbei, dass rechtlich selbständige Unternehmen wirtschaftlich vereinheitlicht sind(7). | Abs. 22 |
Bei einer Konzernverbindung durch Holdinggesellschaft wird diese Inhaber der Rechte an der Software sein. Das bedeutet, dass der Holding regelmäßig sämtliche Rechte an den Anwenderprogrammen (den lauffähigen Programmen, den Sources und den Dokumentationen) zustehen. | Abs. 23 |
Die einzelnen Unternehmen: Vertriebsgesellschaften und Kernbereiche des Unternehmens wie Beratung, Support, Softwareentwicklung, technische Services übernehmen im Unternehmensverbund spezifische Funktionen. So kann auch die Auslieferung der Software über eine eigenständige Gesellschaft, z.B. eine "Services GmbH", erfolgen. | Abs. 24 |
Anbieter von Anwendungssoftware können sich also - ebenso wie viele Kunden - in eine Unternehmensgruppe gliedern, welche z. B. aus einer Holding und einzelnen eigenständigen Gesellschaften unter dem Dach der Holding besteht. Die Holding wird in einem solchen Fall verantwortlich sein für die Rahmenbedingungen der Unternehmenspolitik. Das operative Geschäft im Hinblick auf nachstehende vertragliche Vereinbarungen erfolgt über sog. "business units". | Abs. 25 |
Während die einzelnen Gesellschaften die Software vertreiben, kann ein zentraler Bereich der Unternehmensgruppe die Software ausliefern und Codes dafür vergeben. Zu den Vertragsschlüssen und der Softwareauslieferung erfolgt ein regelmäßiges Reporting an die Holding, die als Lizenzgeber einen bestimmten Prozentsatz, z.B. 50 %, an den Lizenzgebühren beansprucht. | Abs. 26 |
2. Eigensoftware des Softwarehauses |
Der Geschäftsprozeß der Auslieferung erfolgt auf unterschiedliche Weise, je nachdem, ob es sich um Eigensoftware oder Fremdsoftware des Softwarehauses, d.h. um eigenentwickelte Softwareprogramme oder um solche von Vorlieferanten/Drittanbietern (Sublieferanten) handelt. Dies bedingt auch betrieblich-organisatorisch eine unterschiedliche Ablauforganisation. | Abs. 27 |
Abbildung 1: Geschäftsprozess der Auslieferung von Software | Abs. 28 |
3. Fremdsoftware des Softwarehauses |
Im Rahmen einer "make or buy"-Strategie spielt die Überlassung von Software von Drittanbietern bei einer wirtschaftlich vorgegebenen Beschränkung der Softwarehäuser auf ihre Kernkompetenzen - aufgrund der hohen Kosten für Softwareentwicklung - eine immer bedeutendere Rolle(8). | Abs. 29 |
Für Fremdsoftware werden regelmäßig ergänzende Bedingungen für "Nicht-Softwarehaus-Lizenzprogramme"(Fremdsoftware) vereinbart(9). Danach ist der Kunde berechtigt, die im Programmüberlassungsschein genannte Fremdsoftware im Wege der Unterlizenz als nicht ausschließliches und nicht übertragbares Einfachnutzungsrecht im vertraglich vereinbarten Nutzungsumfang, dessen Lizenzierungsmodell ggf. auch vom Fremdlizenzgeber vorgegeben wird, zu nutzen. | Abs. 30 |
Diese Nutzungsüberlassung gilt unabhängig davon, ob die Fremdsoftware als separates Programm überlassen wird, oder ob die Fremdsoftware ein Modul/Bestandteil/Tool im Rahmen der Eigensoftware des Softwarehauses ist. | Abs. 31 |
Abbildung 2: Geschäftsprozess der Auslieferung von Fremdsoftware | Abs. 32 |
Diese Abwicklung wird häufig begleitet durch ein Vertragscontrolling der Holding. Denn dieser müssen die Vertragsabschlüsse von den einzelnen "business units", insbesondere den Geschäftsstellen gemeldet werden. | Abs. 33 |
V.Folgerungen aus dem Dargestellten |
Betrachtet man die dargestellten organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Abläufe der Softwareüberlassung ergibt sich für die Softwareauslieferung von den Softwareunternehmen folgende gewollte Steuerungsfunktion: | Abs. 34 |
| Abs. 35 |
Das bedeutet, dass bei rechtlichen Bewertungen EDV-rechtlicher Sachverhalte das komplexe Umfeld gesellschaftsrechtlicher, betriebswirtschaftlicher und technischer Fragestellungen zu berücksichtigen ist. Erst dann kann deren Rechtmäßigkeit auch anhand gesetzlicher Regelungsvorgaben und vorhandener Rechtsprechung zutreffend beurteilt werden. | Abs. 36 |
Organisatorische Sachverhalte - wie die Softwareauslieferung - sind darüber hinaus auch deshalb so relevant, weil Verträge und Allgemeine Geschäfts- bzw. Lizenzbedingungen der Lizenzgeber die vertragliche Durchführung - gewissermaßen als technische "guideline" - regeln, um den "business case" der Softwareüberlassung überhaupt erst realisieren zu können. | Abs. 37 |
Das bedeutet für die richtige rechtliche Bearbeitung
solcher Sachverhalte, dass die komplexen Fragestellungen in jedem Einzelfall
auch richtig erfasst werden müssen. Oder anders gewendet: Der kluge Umgang
mit der EDV - und mit EDV-Recht! - impliziert für den mit Rechtsfragen befaßten
Juristen den klugen Umgang mit komplexen Sachverhalten. Nur dann "bleibt
man auch Herr der Dinge"(10).
| JurPC Web-Dok. 129/2001, Abs. 38 |
Fußnoten:(1) Instruktiv zum Synallagma "Benutzungsanspruch und Überlassungsvergütung" Christoph Zahrnt, Vertragsrecht für Datenverarbeiter, 3. A. (1996), 1. Teil, Kapitel 8.2.1, 8.2.2 und 8.2.3.(2)Jochen Marly, Softwareüberlassungsverträge, 3. A. (2000), Rdnr. 831. (3) Vgl. Jochen Schneider, Handbuch des EDV-Rechts, 2. A. (1997), Teil C, Rdnrn. 50 ff. (4)S. zu Fragestellungen der vertraglichen Gestaltung Christoph Zahrnt, Vertragsgestaltung für DV-Anwender, 3. A. (1997): zur Überlassung von Standardsoftware Kapitel 8 und zur Pflege und Weiterentwicklung von Standardsoftware Kapitel 14. (5) Diese vom Vertragsstandard abweichenden mit dem Kunden vereinbarten Regelungen differieren von Kunde zu Kunde, da dieser je nach eigener Erfahrung, Interessenlage und auch nach den Schwerpunkte der rechtlichen Beratung, die der Kunde erhält, andersgelagerte Regelungserfordernisse sieht. Vertragsinhalte sind also topisch-rhetorisch zu erschließen. Instruktiv dazu Gerrit Langenfeld,Vertragsgestaltung: Methode - Verfahren - Vertragstypen, 2. A. (1997), Rdnrn. 20 ff., 28 ff. S. ferner zur rechtstheoretischen Fundierung der topischen Vorgehensweise und ihrer Kritik - insbesondere im Hinblick auf die Rolle der Topik im Bemühen um eine gerechte Fallentscheidung innerhalb des Rahmens der Gesetzesbindung - Franz Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. A. (1991), S.141 ff. und Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 175 f.; vgl. ferner zu den unterschiedlichen Ansätzen Ulfrid Neumann, Juristische Argumentationslehre, 1986, S. 54 ff. (6) S. dazu z. B. Jochen Marly, Softwareüberlassungsverträge, 3. A. (2000), Rdnr. 890. (7) Bernhard Nagel, Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht, 2000, S. 213. (8) Deshalb setzen Softwarehäuser entweder "auf unnatürliches Wachstum durch Fusionen", um mehr Mittel für Softwareentwicklung zu generieren oder es findet - wie erwähnt - ein Rückzug auf die Kernkompetenzen eines Softwarehauses statt; s. zu diesem Befund John Naisbitt, Global Paradox, 1994, insbesondere S. 69 ff., 365 ff. (9) S. dazu Michael Wächter, http://www.jurpc.de/aufsatz/20000242.htm, Abs. 66 bis 68. (10) S. zu diesbezüglichen Klugheitsregeln Maximilian Herberger, http://www.jurpc.de/aufsatz/19980075.htm, Abs. 4 ff. (24). |
* Dr. Michael Wächter ist Leiter Vertragswesen und -durchführung und Justitiar der BRAIN International AG Software & Consulting. Seit 1988 befaßt sich der Autor im Schwerpunkt mit Fragen des EDV-Rechts, insbesondere des Datenschutzrechts und des Arbeitsrechts. Der Autor hat im Jahr 1998 an der Universität Tübingen bei Prof. Dr. Fritjof Haft mit "summa cum laude" zum Datenschutzrecht promoviert. |
[online seit: 16.07.2001] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Wächter, Michael, Was bedeutet "Auslieferung" von Software? - JurPC-Web-Dok. 0129/2001 |