JurPC Web-Dok. 25/2001 - DOI 10.7328/jurpcb/200116236

LG Köln
Urteil vom 30.11.2000

84 O (Kart) 126/00

Anspruch auf Call-by-Call Gespräche im Ortsnetz

JurPC Web-Dok. 25/2001, Abs. 1 - 19


Leitsatz (der Redaktion)

Ein Anspruch auf das Angebot von Call-by-Call Gesprächen im Ortsnetzbereich besteht nicht, wenn dieser Anspruch nicht Gegenstand einer Zusammenschaltungsvereinbarung zwischen dem Telekommunikationsanbieter und der Deutschen Telekom ist. Ein Anspruch auf der Grundlage der EU-Richtlinie scheidet aus, weil diese lediglich einen staatsgerichteten Anspruch gibt, jedoch keinen gegen einen anderen Marktteilnehmer.

Tatbestand

Bei der Antragstellerin handelt es sich um Unternehmen, das als sogenannter Verbindungsnetzbetreiber Call-by-Call- und Preselection-Gespräche für Kunden anbietet, die über einen Teilnehmernetzanschluß bei der Antragsgegnerin verfügen. Die der Antragstellerin zugewiesene Verbindungsnetzbetreiberkennzahl lautet 01051. Sie bietet ihre Dienstleistung bundesweit an und bewirbt sie auch im Internet.JurPC Web-Dok.
25/2001, Abs. 1
Die Antragsgegnerin ist Teilnehmernetzbetreiber und verfügt als ehemaliger Monopolist über mindestens 98 % aller Teilnehmer im Ortsnetzbereich.Abs. 2
Die Parteien schlossen im September 2000 eine Zusammenschaltungsvereinbarung, die die Weitervermittlung von Telefongesprächen von der Antragsgegnerin zur Antragstellerin betrifft, wenn diese als Verbindungsnetzbetreiber von einem Anschlußkunden der Antragsgegnerin ausgewählt worden ist. Auf den Inhalt der Vereinbarung wird Bezug genommen.Abs. 3
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Verbindungsnetzbetreiberauswahl und damit Call-by-Call im Ortsnetz bislang nicht möglich, weil die Verbindungsnetzbetreiberkennziffer bei Wahl einer Nummer innerhalb des selben Ortsnetzes unterdrückt wird.Abs. 4
Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie 98/61 EG hätte die Bundesrepublik spätestens zum 1.1.22000 Call-by-Call-Gespräche im Ortsnetz ermöglichen müssen. Da eine entsprechende Umsetzung bislang nicht erfolgt ist, hat die EU-Kommission im Juli 2000 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Die Bundesregierung hat hierzu mit Schreiben vom 4.10.2000 Stellung genommen. Sie beruft sich darauf, daß bislang die betreffenden Passagen der Richtlinie anders verstanden worden wären und die EG-Kommission offenbar erst seit kurzem darunter auch die Verpflichtung zur Betreiberauswahl auf lokaler Ebene verstehe. Im Hinblick auf das abweichende Verständnis sei im Markt ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der nur Schritt für Schritt und nicht kurzfristig geändert werden könne. Gegenwärtig fehle in Deutschland noch ein regulatorisches Modell zur Einführung der Betreibervorauswahl innerhalb eines Teilnehmernetzes auf Ortsebene mit einem entsprechenden Zeitplan. Im Hinblick auf die Komplexität der Problematik erscheine ein Zeitrahmen von mindestens zwei bis drei Jahren zur Entwicklung eines Konzeptes zur partiellen oder umfassenden Einführung der Betreibervorauswahl im Ortsnetz realistisch.Abs. 5
Seit Oktober 2000 bietet die Antragstellerin unter der Bezeichnung "Teledump" über die Einwahlnummer 01051031 "Call-by-Call"-Gespräche im Ortsnetz an. Durch Wahl der zusätzlichen Rufnummer 031 wird eine Vermittlung in das Verbindungsnetz von 01051 auch dann bewirkt, wenn vom Teilnehmer eine Zielrufnummer im selben Ortsnetz gewählt wird. Die Zuteilungsregeln für die Nutzung von 031-Rufnummern waren im Rahmen der Strukturierung und Ausgestaltung des Nummernraums aufgrund des § 43 TKG vom Bundesministerium für Post und Telekommunikation durch Verfügung aus dem Jahre 1997 festgelegt worden, wonach die Nutzung "für das Testen von Netzübergängen" zulässig war. Ein solcher Test ist etwa beim Wechsel des Preselection-Vertragspartners möglich.Abs. 6
Nach dem Vortrag der Antragstellerin soll es sich um einen Test- und Startversuch handeln, der die eigene Leistungsfähigkeit des Netzes einschließlich des Inkassos prüfen soll. Abs. 7
Die Antragstellerin behauptet, daß die Antragsgegnerin als Reaktion auf diesen Test mit der Sperre der Rufnummern bzw. Dienste in einzelnen Ortsnetzen begonnen habe. Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, daß ein vertraglicher Erfüllungsanspruch bestehe. Ein Unterlassungsanspruch sei zudem aufgrund der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin aus § 19 GWB in Verbindung mit dem Zusammenschaltungsvertrag und der Richtlinie 98/61/EG begründet. Abs. 8
Die Antragstellerin beantragt im Wege der einstweiligen Verfügung,

die Antragsgegnerin durch ein Zwangsgeld in Höhe von DM 50.000,00 oder Zwangshaft anzuhalten, der Antragstellerin nach Maßgabe des zwischen den Parteien geschlossenen Zusammenschaltungsvertrags, Stand 15.09.2000, über die vereinbarten ICAs (Interconnectionanschlüsse) an den Orten der Zusammenschaltung vollautomatisch aufgebaute Verbindungen mit Ursprung im Telefonnetz der Antragsgegnerin auch dann zuzuführen, wenn die Zielrufnummer neben der Verbindungsnetzbetreiberkennziffer 01051 die weitere Ziffernfolge 031 mit weiterer nachfolgender Rufnummer (also z. B. 0105103102116878880) enthält.

Abs. 9
Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Abs. 10
Die Antragsgegnerin bestreitet die Vornahme von Sperren. Im übrigen verweist sie darauf, daß Telefonate innerhalb eines Ortsnetzbereichs gerade nicht Gegenstand der Zusammenschaltungsvereinbarung seien. Die Antragstellerin verwende die unstreitig nur zu Testzwecken nutzbare Gasse 031 für die Vermittlung von Telefongesprächen im Festnetz im Dauerbetrieb, wobei sie es versäumt habe, den gesetzlich vorgegebenen Rahmen des Abschlusses einer Zusammenschaltungsvereinbarung zu wählen. Abs. 11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen. Abs. 12

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist nicht begründet.Abs. 13
Ein Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin auf Zuführung von Verbindungen, deren Zielrufnummer neben der Verbindungsnetzbetreiberkennziffer der Antragstellerin die weitere Ziffernfolge 031 enthält, besteht gemäß dem zwischen den Parteien geschlossenen Zusammenschaltungsvertrag nicht. Denn Telefongespräche innerhalb eines Ortsnetzbereiches sind nicht Gegenstand der Zusammenschaltungsvereinbarung der Parteien. Ziffer 5 dieser zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung verweist auf die jeweils aktuelle Version der Spezifikation "Verbindungsnetzbetreiberauswahl (Carrier Selection)" des Arbeitskreises für technische und betriebliche Fragen der Nummerierung und Netzzusammenschaltung (AKNN), an dem im übrigen die Antragstellerin beteiligt ist. In Ziffer 6.1 dieser Spezifikation heißt es ausdrücklich als "Regel": "Bei der Wahl eines Zieles innerhalb des Ortsnetzes wird beim Verbindungsaufbau der voreingestellte Verbindungsnetzbetreiber und ein gewählter Verbindungsnetzbetreiber nicht berücksichtigt."Abs. 14
Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, daß sie die Vorwahl 031 nur zu dem festgelegten Zweck, nämlich zum Testen von Netzübergängen, benutzen würde. Abgesehen davon, daß nicht ersichtlich ist, weshalb die Verwendung dieser Vorwahl zur Überprüfung der eigenen Leistungsfähigkeit des eigenen Netzes zur Vermittlung des Verkehrs und zur Abrechnung erforderlich sein soll, handelt es sich angesichts der Werbung der Antragstellerin für "Call-by-Call für Ortsgespräche" ganz eindeutig nicht um einen Test; die Antragstellerin bewirbt die Möglichkeit nämlich als dauerndes Angebot und nicht nur für einen begrenzten Zeitraum, wie dies für einen Test ausreichen würde.Abs. 15
Mit dem Mißbrauch dieser Vorwahl für Zwecke, für die sie nicht zur Verfügung gestellt worden ist, schafft sich die Antragstellerin vor ihren Mitbewerbern, die sich an die vorhandenen Regelungen und Vorschriften halten, einen Vorsprung durch Rechtsbruch, auf den sie keinen Anspruch hat. Denn aus der EU-Richtlinie kann die Antragstellerin allenfalls einen Anspruch gegenüber dem Staat oder einer staatlichen Stelle herleiten, nicht aber einen Anspruch gegen einen anderen Marktteilnehmer, weil eine nicht umgesetzte Richtlinie keine Anspruchsgrundlage auf horizontaler Ebene schafft (vgl. die Marshall-Entscheidung des EuGH, Slg. 1986, 723).Abs. 16
Auch ein Anspruch der Antragstellerin nach dem GWB besteht unter keinem Gesichtspunkt. Denn die Leistungen, die die Antragstellerin für sich in Anspruch nehmen will, sind gleichartigen Unternehmen eben nicht zugänglich, wenn diese sich an die Regelungen des Gesetzgebers halten.Abs. 17
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 4 ZPO.Abs. 18
Streitwert: DM 200.000,00
JurPC Web-Dok.
25/2001, Abs. 19
[online seit: 12.02.2001]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Köln, LG, Anspruch auf Call-by-Call Gespräche im Ortsnetz - JurPC-Web-Dok. 0025/2001