Georg Meyer-Spasche *Regulierungsbehörde entscheidet über OrtstarifJurPC Web-Dok. 57/1999, Abs. 1 4 |
Am 16. März 1999 hat die Regulierungsbehörde
für Post und Telekommunikation (RegTP) die von der
Deutschen Telekom AG (DTAG) beantragte Tarifänderung
für Ortsverbindungen im sogenannten Mondschein-Tarif zwischen 21 Uhr und 6
Uhr wegen mangelnder Kostendeckung abgelehnt. Im Mondschein-Tarif werden derzeit 12 Pfennig (brutto) pro Einheit berechnet, wobei eine Einheit vier Minuten dauert. Der nunmehr wegen Dumpingverdachts abgelehnte Antrag sah eine Tarifsenkung auf 3 Pfennig (brutto) pro Minute vor. | JurPC Web-Dok. 57/1999, Abs.1 |
Die geplante Tarifsenkung |
Der beantragte Tarif beinhaltete in erster Linie eine Verkürzung
des Zeittakts von vier auf eine Minute. Die damit verbundene Tarifsenkung ist
nicht unbedingt offenkundig, denn der rechnerische Minutenpreis beträgt
sowohl bei dem gültigen als auch dem beantragten Tarif 3 Pfennig. Dieser rechnerische Minutenpreis allein ist jedoch nur maßgeblich, soweit Abrechnungseinheiten voll ausgeschöpft werden, was selten gelingt. An der nicht genutzten Kapazität langer Zeittakte, dem Overhead, läßt sich überdurchschnittlich gut verdienen, weil die Verbindungsleistung für den Rest der angebrochenen Einheit zwar abgerechnet wird, aber nicht mehr erbracht werden muß. Durch diesen Overhead übertrifft der effektive Verbindungspreis den nominalen Minutenpreis. Der Effekt verstärkt sich mit zunehmender Taktlänge. Veranschaulichen läßt sich das am Beispiel nächtlicher Faxsendungen. Nimmt man pro Fax eine einminütige Übertragungszeit an, so werden pro Faxübertragung nach bisherigem Tarif 12 Pfennig berechnet, drei der damit bezahlten vier Minuten Kapazität bleiben jedoch ungenutzt und können anderweitig vermarktet werden. Damit liegt der effektive Verbindungspreis bei 12 Pfennig pro Minute und übertrifft den rechnerischen Minutenpreis von 3 Pfennig um den Faktor vier. Der auf eine Minute verkürzte Zeittakt des beantragten Tarifs hätte den entstehenden Overhead verringert, im obigen Beispiel sogar ausgeschlossen. Die einminütige Übertragung hätte tatsächlich 3 Pfennig gekostet. Die Tarifsenkung lag also in dem beantragten verkürzten Zeittakt und dem damit verbundenen kleineren Overhead durch unvollständig genutzte Einheiten. | Abs. 2 |
Das Kostenmodell |
Nun ist es keineswegs so, daß die
DTAG ihren Mondscheintarif prinzipiell nicht
senken dürfte. §
24 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sieht
jedoch vor, daß Telekommunikationsleistungen grundsätzlich
kostendeckend anzubieten sind. Die Regelung schützt den Wettbewerb und soll
insbesondere verhindern, daß einzelne Anbieter in bestimmten
Telekommunikationsmärkten einen ruinöses Preisdumping beginnen und
ihre dort entstehenden Verluste durch Quersubventionierung ausgleichen, um
Wettbewerber mit geringerer Kapitaldecke aus dem Markt zu drängen. Diese Kostendeckung hatte die RegTP im Falle der beantragten Änderung des Mondschein-Tarifs nach §§ 25Abs. 1, 27 TKG vorab zu prüfen, da Entgelte für die Sprachtelefoniedienste der DTAG als marktbeherrschendem Unternehmen genehmigungspflichtig sind. Die RegTPlehnte den Antrag ihrer Presseerklärungzufolge ab, weil sie davon ausging, daß die Verbindungsleistung für 3 Pfennig (brutto) pro Minute Endkunden gegenüber nicht kostendeckend anzubieten sei, was einen zwingenden Versagungsgrund nach § 27 Abs. 3 TKG darstellt. Daraus folgt, daß die tatsächlich entstehenden Kosten von entscheidender Bedeutung für eine zuverlässige Entgeltregulierung sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es besonders interessant, daß die Entscheidung getroffen wurde, obwohl die DTAG ihre tatsächlichen Kosten nicht offengelegt hat. Als Beurteilungsmaßstab wählte die RegTP mithin nicht die tatsächlichen Kosten der DTAG, sondern die sogenannten Zusammenschaltungs- oder Interconnection-Gebühren, die Wettbewerber der DTAG für die Durchleitung ihrer Verbindungen durch das von der DTAG betriebene Ortsnetz zu zahlen haben. Diese Interconnection-Gebühren wurden im Oktober 1997 noch von dem damaligen Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT) verbindlich für zwei Jahre festgesetzt und sollten die tatsächlichen Verbindungskosten kompensieren, die der DTAG im Zusammenhang mit der Durchleitung der Gespräche entstehen. Insofern erscheinen die Interconnection-Tarife dem ersten Anschein nach durchaus als tauglicher Indikator für einen wesentlichen Teil der nach § 24 TKG maßgeblichen tatsächlichen Kosten. Bei genauerer Betrachtung verflüchtigt sich dieser Eindruck jedoch recht schnell, denn auch im damaligen Verfahren zur Festsetzung der Interconnection-Tarife vermochte die DTAG ihre Forderungen nicht durch prüfungsfähige Unterlagen über die tatsächlichen Verbindungskosten zu substantiieren. Wie der einschlägigen Presseerklärungzu entnehmen ist, bestand das BMPT nicht etwa auf der Vorlage dieser Unterlagen, sondern schätzte die Kosten im Wege eines internationalen Tarifvergleichs. Dabei wurden auch Länder mit nicht liberalisierten Telekommunikationsmärkten einbezogen, wodurch sich der Tarifdurchschnitt erhöhte. Demnach beruhen die Interconnection-Tarife lediglich auf geschätzten, nicht aber auf tatsächlich nachgewiesenen Verbindungskosten. Es erscheint daher zweifelhaft, inwieweit sie den tatsächlichen Verbindungskosten der DTAG entsprechen. Mangels anderer Anhaltspunkte hat die RegTP dennoch die Interconnection-Tarife als Vergleichsmaßstab herangezogen. Diese betragen innerorts (City-Zone) in der Zeit zwischen 21 Uhr und 9 Uhr (Offpeak-Tarif) pro Minute 1,24 Pfennig (netto) je Verbindungszweig und fallen damit regelmäßig doppelt an. Für eine Verbindung durch das Ortsnetz der DTAG haben Wettbewerber folglich pro Minute 2,48 Pfennig (netto) zu zahlen. Wenn aber der Interconnection-Tarif mit den reinen Verbindungskosten der DTAGgleichzusetzen ist, so ist anzunehmen, daß sie ebenfalls 2,48 Pfennig (netto) pro Minute für die Vermittlung abendlicher Ortsgespräche aufzuwenden hat. Weitere Kosten für Marketing, Abrechnung oder Support sind in diesen reinen Verbindungskosten noch nicht enthalten, nach § 24 TKG jedoch ebenfalls zu berücksichtigen. Der beantragte Tarif von 3 Pfennig (brutto) pro Minute entsprach einem Nettopreis von rund 2,59 Pfennig; durch den geringeren Overhead des verkürzten Zeittakts näherte sich der tatsächliche Gesprächspreis diesem Minutenpreis an. Folglich hätte die DTAG aus der Preisdifferenz von 0,11 Pfennig anteilig sämtliche weiteren Kosten für Marketing, Support und insbesondere für die Abrechnung der bei Endverbrauchern üblichen, kleineren Abnahmemengen bestreiten müssen. Dies hielt die RegTP nicht für möglich und lehnte den Antrag daher wegen insgesamt mangelhafter Kostendeckung ab. | Abs. 3 |
Fazit |
Zieht man mit der RegTP den
derzeit gültigen Interconnection-Tarif als Beurteilungsmaßstab heran,
so ist die Entscheidung gut begründbar. Eine Genehmigung des von der DTAG beantragten Tarifs hätte dazu geführt, daß die DTAG Ortsverbindungen Endverbrauchern annähernd zum gleichen Preis hätte anbieten können wie ihren Wettbewerbern als Großabnehmern. Diese hätten die Leistung nicht mehr kostendeckend an ihre Endkunden weitervermarkten, geschweige denn die Endkundenpreise der DTAG unterbieten können. Die Marktvorherrschaft der DTAG im Ortsnetz wäre zementiert worden. Für die Anwendung des Interconnection-Tarifs spricht somit, daß er zumindest einen verläßlichen Indikator für die Fixkosten der Wettbewerber im Ortsnetz bietet. Die Höhe des Interconnection-Tarifs ist jedoch, vor allem auch angesichts seiner Entstehungsgeschichte, zu überdenken. Unverständlich bleibt, weshalb die RegTP bis heute nicht auf der Vorlage eines substantiierten Kostenmodells durch die DTAG bestanden hat. Im nunmehr fünften Jahr ihres Bestehens als Aktiengesellschaft sollte die DTAG über ein nachvollziehbares Bilanzierungssystem verfügen, aus dem sich u.a. die tatsächlichen Verbindungskosten ableiten lassen. Daß die DTAGan deren Offenlegung kein Interesse hat, ist offensichtlich - hätte dies doch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Senkung der Interconnection-Tarife zur Folge. Eine zu starke Orientierung an den Interessen des marktbeherrschenden Anbieters schadet jedoch der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte. Man darf daher auf die Neufestsetzung der Ende 1999 auslaufenden Interconnection-Tarife gespannt sein. | JurPC Web-Dok. 57/1999, Abs. 4 |
* Georg Meyer-Spasche ist Assessor jur. und z.Zt. wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand bei Prof. Dr. Maximilian Herberger am Institut für Rechtsinformatik in Saarbrücken. |
[online seit: 01.04.99] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Meyer-Spasche, Georg, Regulierungsbehörde entscheidet über Ortstarif - JurPC-Web-Dok. 0057/1999 |