JurPC Web-Dok. 65/2005 - DOI 10.7328/jurpcb/200520561

Jochen Notholt *

Die Standards des Semantic Web (Teil 2)

JurPC Web-Dok. 65/2005, Abs. 1 - 72


Tim Berners-Lee definiert das Semantic Web als eine Erweiterung des bestehenden World Wide Web (WWW), in dem Daten eine wohldefinierte Bedeutung gegeben wird, um Maschinen und Menschen eine bessere Zusammenarbeit zu ermöglichen.(1) Nachdem im vorigen Teil der Bearbeitung die Vorzüge und Nachteile von XML als grundlegender Online-Dokumentstandard vorgestellt wurden, muss in diesem Teil zunächst geklärt werden, wie Berners-Lee zu seiner Idee gekommen ist und welche Probleme des bestehenden Web er mit ihr lösen will. Die Entwicklung des Semantic Web basiert auf einem abstrakten Modell, Daten zu strukturieren und zu modellieren (Datenmodell). Das abstrakte Modell ist mittlerweile in Form verschiedener Sprachstandards konkret umgesetzt und bereits einigermaßen etabliert. Diese Standards gilt es - jeweils aus der Perspektive des juristischen Einsatzes - in den Grundlagen zu erläutern. JurPC Web-Dok.
65/2005, Abs. 1
I n h a l t s ü b e r s i c h t                   Zum  TEIL 1
I. Die Idee des Semantic Web
II. Umsetzung und Datenmodell
III. Resource Description Framework (RDF)
1.     RDF als Datenmodell
2.     RDF-Notationen: RDF/XML und N3
3.     Einige spezielle RDF-Techniken
IV. RDF Schema
V. OWL als Ontologiesprache
1.     Ontologien und Taxonomien
2.     Über DAML+OIL zu OWL
3.     Einzelne OWL-Beispiele
VI. Zusammenfassung

I. Die Idee des Semantic Web

Nach Berners-Lees ursprünglicher Idee vom Semantic Web sollen, wie schon im ersten Teil erläutert, Computerprogramme (die sog. Maschinen) eine wichtigere Rolle im bestehenden Web übernehmen als bisher. Sie sollen nicht mehr nur eine passive Infrastruktur für die Dokumentenverarbeitung des Menschen bieten, wie derzeit im WWW, sondern stärker ins Geschehen einbezogen, ihre analytischen Fähigkeiten besser genutzt werden, um in der alltäglichen Informationsverarbeitung möglichst viele Aufgaben aktiv übernehmen zu können.(2) Abs. 2
Da das Semantic Web auf dem WWW aufsetzt, sollen die dort bereits veröffentlichten Informationen die Grundlage dieser Informationsverarbeitung sein. Bereits im vorigen Teil des Aufsatzes wurde beschrieben, wo die wesentlichen Unterschiede zwischen menschlicher und maschineller Informationsverarbeitung liegen: Während Menschen Informationen (z.B. einem Textdokument) ihren Bedeutungsgehalt (die Semantik) selbstständig entnehmen können, können Maschinen das nicht, jedenfalls nicht "von sich aus". Um ihnen diese Fähigkeit zu geben, gibt es prinzipiell zwei Ansätze: Entweder man stattet die Maschinen mit Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz aus, die sie in die Lage versetzen, den Bedeutungsgehalt von Informationen zu erkennen.(3) Oder man beschreibt die Informationen mit Hilfe sog. Metainformationen (im maschinellen Kontext als Metadaten bezeichnet) so, dass sie den Maschinen diese Interpretation erleichtern bzw. abnehmen. Abs. 3
Das Ziel des Semantic Web soll vor allem auf dem letzteren, dem "Metadaten-Weg" erreicht werden: Die im Web vorhandenen Informationen werden möglichst umfassend durch Metadaten beschrieben. Diese Metadaten sind so definiert, formuliert und strukturiert, dass sie von Maschinen nicht nur korrekt interpretiert, sondern auch tatsächlich "verstanden" werden können. "Verständnis" heißt hier, dass Maschinen nicht nur in die Lage versetzt werden, die Bedeutung von (Meta-)Daten zu erfassen, sondern auch, aus vorhandenen Daten Schlüsse zu ziehen und auf diese Weise neue Informationen zu erzeugen. Abs. 4
Dieser theoretische Hintergrund des Semantic Web, der sich im Detail u.a. an Modellen aus der Semiotik, der Wissensrepräsentation, der Graphentheorie der Informatik sowie der Logik orientiert,(4) mag zunächst etwas schwer nachvollziehbar sein, er ist jedoch kein Selbstzweck. Er dient dazu, ein solides theoretisches Fundament bereitzustellen, auf dem das Semantic Web praktisch umgesetzt werden kann. Abs. 5

II. Umsetzung und Datenmodell

Um seine Idee vom Semantic Web in die Tat umsetzen zu können, musste sich Berners-Lee zunächst die Frage nach dem zu Grunde liegenden Datenmodell stellen. Er musste also ein Prinzip entwickeln, nach dem die zu beschreibenden (Online-)Informationen und ihre Beschreibungen (Metadaten) zu formulieren und zu strukturieren sind. Man könnte nun - gerade, nachdem man den ersten Teil dieser Arbeit gelesen hat - daran denken, von vornherein das Strukturmodell von XML als Ausgangspunkt für ein solches Datenmodell zu verwenden. Wegen seiner vorgegebenen strikten Baumstrukturen eignet sich XML zwar sehr gut zur Repräsentation von Dokumentinhalten, weniger jedoch zur Repräsentation allgemeinen Wissens bzw. allgemeiner Daten. Deshalb entfernte sich Berners-Lee zunächst von XML und ging statt dessen vom Grundsatz aus, dass ein möglichst universell einsetzbares Datenmodell selbst so allgemein wie möglich gehalten sein muss.(5) Als grundlegendes Datenmodell des Semantic Web entwarf er das Resource Description Framework (RDF). Abs. 6
Wie der Name schon sagt, kann man mit RDF nichts anderes tun, als Gegenstände, sog. Ressourcen zu beschreiben. Dies geschieht, indem man Aussagen über sie aufstellt. Diese Aussagen bestehen jeweils aus drei Elementen (ein sog. triple), die man als Subjekt, Prädikat und Objekt bezeichnen kann. Das Subjekt ist jeweils die zu beschreibende Ressource (resource, oder auch: Gegenstand). Das Prädikat bezeichnet eine Eigenschaft dieser Ressource (property), und das Objekt den Wert dieser Eigenschaft (property value). Da Objekte wiederum Ressourcen sein können, die einer näheren Beschreibung bedürfen, und eine Ressourcen natürlich verschiedene Eigenschaften (Prädikate) haben kann, lassen sich die Aussagen miteinander verknüpfen und in einem Graphenmodell zusammenfassen. Abs. 7
Dass sich mit RDF Ressourcen, also Informationen beschreiben und verknüpfen lassen, reicht für ein tatsächlich semantisches Web alleine jedoch nicht aus. Einer Ressource kann alleine durch die Beschreibung ihrer Eigenschaften nur ein relativ geringer Bedeutungsgehalt verliehen werden; dies gelingt eher durch die Beschreibung ihres Verhältnis zu anderen Ressourcen. Es muss also möglich sein, Ressourcen und ihre Eigenschaften zu klassifizieren, sie also nicht nur mit anderen Ressourcen zu verknüpfen, sondern diese sinngemäß zueinander in Beziehung zu setzen und diese Beziehungen auch möglichst genau zu beschreiben. Hierfür reicht RDF alleine nicht aus. In die Bresche springt zunächst RDF Schema (RDFS(6)), ein Standard, durch den Ressourcenklassen und ihre typischen Eigenschaften definiert und somit Ressourcen hierarchisch zu sog. Taxonomien gegliedert werden können. Abs. 8
Diese Taxonomien sind eine Art "kleiner Bruder" der Ontologien. Ontologien ermöglichen noch genauere Beschreibungen der Beziehungen von Ressourcen und ihren Eigenschaften zueinander. Im Semantic Web lassen sie sich mit Hilfe der sog. Ontologiesprachen definieren, unter denen sich zuletzt die vom W3C unterstützte Web Ontology Language (OWL(7)) als Standard durchgesetzt hat. RDF, RDFS und OWL werden in den folgenden Absätzen (in ihren Grundlagen) näher beschrieben, jeweils mit Beispielen aus der Perspektive des juristischen Einsatzes. Abs. 9
Diese Datenstandards versehen das Web mit Daten, die nach Berners-Lee eine wohldefinierte Bedeutung ("well-defined meaning") besitzen. Um mit Hilfe dieser Daten Maschinen in die Lage zu versetzen, besser untereinander und mit Menschen im Web zu kooperieren, sind zusätzliche Daten- und Programmmodelle erforderlich, die leider noch nicht zur Gänze entwickelt, geschweige denn etabliert sind. Hierzu gehört z.B. die Möglichkeit, aus bestehenden RDF-Daten bzw. -Aussagen durch logische Regeln und Schlüsse neue Aussagen herzuleiten. Neben Datenstandards zur Beschreibung dieser Regeln sind zusätzlich sog. Folgerungs- oder Inferenzmaschinen (inference engines) notwendig, deren Aufgabe es ist, diese Schlüsse zu ziehen und daraus die "neuen" Daten zu ermitteln. Das Gegenstück zu dieser Logikebene (logic layer) des Semantic Web ist die Beweisebene (proof layer). Sie soll dazu dienen, nach den gleichen logischen Regeln die Wahrheit bestimmter RDF-Aussagen prüfen zu können. Auf der Vertrauensebene (trust layer) soll schließlich sicher gestellt werden, dass bei der Bearbeitung nur Aussagen aus vertrauenswürdigen Quellen berücksichtigt werden. Dies ist nötig, da das RDF-Datenmodell von sich aus offen und dezentral ist, d.h. jedermann kann grundsätzlich beliebige Aussagen über beliebige Ressourcen treffen, unabhängig davon, ob sie wahr oder frei von Widersprüchen zu anderen Aussagen sind. Die Logik-, Vertrauens- und Beweisebene des Semantic Web werden im nächsten Teil des Aufsatzes ausführlicher vorgestellt. Abs. 10
Die einzelnen Ebenen des Semantic Web lassen sich übersichtlich in einem graphischen Modell darstellen, das "Semantic Web Tower" oder auch "Semantic Web Layer Cake" genannt wird: Abs. 11
Abbildung 1: Das Layer-Modell des Semantic Web(8) Abs. 12
Diese Grafik wirft die Frage auf, weshalb gerade die Standards Unicode, URI und XML das eigentliche Fundament des "layer cake" bilden. Abs. 13
Unicode(9) ist die Sprache, die im Semantic Web grundsätzlich "gesprochen" werden soll. Es ist ein internationaler Zeichensatz für den Einsatz im WWW, der andere Zeichensätze wie z.B. den lateinischen, arabischen, kyrillischen oder japanischen, in sich vereint. Die Verwendung von Unicode ermöglicht daher eine effektive internationale Online-Kommunikation als Grundvoraussetzung eines funktionsfähigen Semantic Web. Abs. 14
Schon an der Verwendung von Unicode zeigt sich, dass sich das Semantic Web an den bereits geltenden Web-Standards orientiert, um das Web nicht komplett neu erfinden zu müssen. URI (Uniform Ressource Identifier)(10) ist bereits jetzt der geltende Standard, um Online-Ressourcen zu adressieren. Es handelt sich um eine allgemeinere Form des URL (Uniform Ressource Locator)(11), des Standards für die Bezeichnung von Web-Adressen (z.B. http://www.jurpc.de). Ein maßgebliches Prinzip des Semantic Web ist, dass alles, was im Web über eine URI adressierbar ist, sich auch im Semantic Web beschreiben oder zur Beschreibung heranziehen lässt. Abs. 15
Bereits im vorigen Teil dieser Arbeit wurde gezeigt, weshalb XML derzeit der bevorzugte Standard zur maschinellen Verarbeitung und zur Speicherung von Online-Dokumenten ist. Wenngleich das RDF-Datenmodell an sich nichts mit XML zu tun hat, spielt XML eine entscheidende Rolle bei der maschinellen Verarbeitung und Speicherung von RDF- und Ontologiedaten. Abs. 16

III. Resource Description Framework (RDF)

1. RDF als Datenmodell

Im dargestellten Layer-Modell ist RDF nach Unicode, URI und XML, die schon vorher eingesetzt wurden, der erste "neue" Standard und damit wohl die eigentliche Grundlage des Semantic Web. Wie bereits angedeutet, ist RDF ein sehr offenes Datenmodell, das zunächst nichts anderes erlaubt, als so genannte Ressourcen zu beschreiben. Diese Beschreibung erfolgt in Form von Aussagen, die als sog. triples formuliert sein und demnach aus drei Elementen bestehen müssen, nämlich aus Abs. 17
  1. einer Ressource, die zu beschreiben ist (Subjekt oder eben auch resource).
  2. einer Eigenschaft der Ressource (Prädikat oder auch property).
  3. dem Wert dieser Eigenschaft (Objekt oder auch property value).
Abs. 18
RDF-Aussagen sind also eng an Aussagesätze des natürlichen Sprachgebrauchs angelehnt. Mit dem Satz "Ich heiße Jochen Notholt." wird die Ressource "Ich" beschrieben (das Subjekt). Diese Ressource hat einen Namen ("heiße", das Prädikat), das ist also eine ihrer Eigenschaften. Der Name lautet "Jochen Notholt", das ist also der Wert des Namens als Eigenschaft, oder auch: das Objekt. Abs. 19
RDF-Aussagen lassen sich zunächst graphisch repräsentieren, indem man Subjekt und Objekt als sog. Knoten durch das Prädikat als Pfeil (sog. Kante) verbindet. Für die obige Aussage sieht das so aus: Abs. 20
Abbildung 2: Ein einfacher RDF-Graph.(12) Abs. 21
Hieran fällt zunächst auf, dass das Subjekt und Prädikat der obigen Aussage als URIs notiert sind. Grundsätzlich werden in RDF alle Elemente von Aussagen durch URIs repräsentiert - nur Objekte können auch als sog. Literale notiert sein (wie hier "Jochen Notholt" als Zeichenkette). Die Notation als URI unterscheidet RDF-Aussagen von Aussagen unseres Sprachgebrauchs. Für Maschinen, und für die ist das Semantic Web schließlich konzipiert, sind URIs leichter zu verarbeiten als unsere natürliche Sprache, da sich Gegenstände damit eindeutig identifizieren lassen. Abs. 22
So dient hier eine persönliche Homepage des Autors (http://jurawiki.de/JochenNotholt) dazu, diesen als URI zu repräsentieren. Sie können auch anders formuliert sein, z.B. als Adresse einer Mailbox (mailto:beispiel@mailbox.de). Es muss sich auch nicht um den Inhalt einer Webseite handeln, es geht nur um die Eindeutigkeit der Bezeichnung. So hat sich in Semantic-Web-Kreisen mittlerweile herumgesprochen, dass das FOAF-RDF-Vokabular ("Vokabular" ist hier eine Sammlung vor allem von RDF-Prädikaten) gebräuchlich ist, um in RDF Personen zu beschreiben.(13) Also wird auch hier der name-Bezeichner aus dem FOAF-Vokabular als Prädikat benutzt, um zu beschreiben, in welcher Beziehung Subjekt und Objekt zueinander stehen. Abs. 23
Wenn Objekte ebenfalls als URIs dargestellt werden können (und nur dann), können Sie ihrerseits auch Subjekt sein. In diesem Fall lassen sich identische Elemente (also solche mit gleicher URI) im Graphenmodell miteinander verknüpfen. Abs. 24
Das Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem ersten Teil dieser Arbeit ließe sich in RDF auf diese Weise zum Beispiel folgendermaßen darstellen: Abs. 25
Abbildung 3: Der Beispiels-Graph in RDF(14) Abs. 26
An diesem Beispiel fällt zunächst auf, dass im Gegensatz zum obigen Graphen die Prädikatsbezeichnungen durch die vorangestellten Zusätze ro: und foaf: abgekürzt wurden. Diese Zusätze sind sog. Namespaces (Namensräume). Namespaces werden vor allem in XML benutzt; im Prinzip handelt es sich um Teile von URIs, mit deren Hilfe man gesamte URIs abgekürzt wiedergeben kann. Wenn man z.B. den Namensraum ro: mit der URI http://www.rechtsontologie.de/elemente# bezeichnet (warum hier von einer "Rechtsontologie" die Rede ist, wird im Abschnitt zur sog. Ontologiesprache OWL deutlicher werden), kann statt dieser Teil-URI die Abkürzung ro: vorangestellt werden. Abs. 27
Im Zentrum des RDF-Modells steht das von RA Meier veröffentlichte (XML-)Dokument, das den Text der vorher beschriebenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Geldwäsche bei Strafverteidigern enthält. Zum einen wird in RDF ausgedrückt, dass RA Meier das Dokument veröffentlicht hat (ro:veroeffentlicht_von). Wie der Autor dieses Beitrags nach Abbildung 2 hat auch RA Meier eine Seite im Web veröffentlicht, die ein kurzes Portrait seiner Person enthält und die ihm daher eindeutig zugeordnet ist. Diese Web-Adresse als URI ist daher besser geeignet, ihn im Web eindeutig zu identifizieren als die bloße Angabe seines Namens als Zeichenkette (Herr Meier dürfte in Deutschland einige Namensvettern haben). Diesen kann man, wie im obigen Beispiel, benutzen, um die durch die genannte URI repräsentierte Person näher zu beschreiben. In RDF ist es also ein großer Unterschied, ob man nur den Namen einer Person mit einer Zeichenkette belegt oder versucht, die ganze Person (als Ressource) auf diese Weise zu beschreiben. Abs. 28
Außerdem werden im Beispiels-Graph weitere Aussagen über die veröffentlichte Gerichtsentscheidung getroffen. So wird das Bundesverfassungsgericht als entscheidendes Gericht gekennzeichnet (ro:entschieden_von) und durch Angabe der URI http://www.bundesverfassungsgericht.de eindeutig identifiziert. Der Beschwerdegegenstand der Verfassungsbeschwerde, nämlich die genannten drei Gerichtsentscheidungen, werden in gleicher Art und Weise nicht bloß als Dokument verlinkt, sondern sie werden durch Angabe des Prädikats ro:ist_Beschwerdegegenstand_von zur genannten Entscheidung in eine semantische Beziehung gesetzt. Abs. 29

2. RDF-Notationen: RDF/XML und N3

RDF wird vielfach als "auf XML aufbauendes" Datenmodell bezeichnet.(15) Darüber kann man zumindest diskutieren, denn das RDF-Datenmodell an sich, also die Art und Weise, Ressourcen anhand von triples zu beschreiben und in einem Graph zu modellieren, hat mit XML nichts zu tun. Erst, wenn es darum geht, RDF-Daten (z.B. auf einem Web-Server) zu speichern und maschinell zu verarbeiten, kommt XML ins Spiel. Denn wenn man mit der Metasprache XML beliebige Markup-Sprachen definieren kann, dann eben auch eine zur Repräsentation des RDF-Datenmodells. So ist die wohl am weitesten verbreitete Form, RDF schriftlich festzuhalten, die so genannte RDF/XML-Syntax. Das obige Beispiel sieht in RDF/XML wie folgt aus: Abs. 30
<?xml version="1.0"?>
<rdf:RDF
    xmlns:ro="http://www.rechtsontologie.de/elemente#"
    xmlns:foaf="http://xmlns.com/foaf/0.1/"
    xmlns:rdf="http://www.w3.org/1999/02/22-rdf-syntax-ns#">
    <rdf:Description rdf:about="http://www.ra-
meier.de/person/meier.xml">
    <foaf:name>Michael Meier</foaf:name>
    </rdf:Description>
    <rdf:Description rdf:about="http://www.ra-
meier.de/entscheidungen/bverfg_2004-03-30_2-B vR-1520-01.xml">
    <ro:hat_als_Beschwerdegegenstand 
rdf:resource="http://www.lg-frankfurt-
main.de/entscheidungen/2003_01_1 5_5-4_KLs_74-92.html"/>
    <ro:hat_als_Beschwerdegegenstand
rdf:resource="http://www.bgh.de/entscheidungen/2001_07_04_2_St
R_513-00 .html"/>
    <ro:hat_als_Beschwerdegegenstand 
rdf:resource="http://www.lg-frankfurt-
main.de/entscheidungen/2000_05_0 4_5-17_KLs_92.html"/>
    <ro:veroeffentlicht_von rdf:resource="http://www.ra-
meier.de/person/meier.xml"/>>
    <ro:entschieden_von 
rdf:resource="http://www.bundesverfassungsgericht.de"/>
    </rdf:Description>

</rdf:RDF>
Abs. 31
Im Gegensatz zur obigen graphischen Beschreibung des Beispiels wird hier zunächst die Funktionsweise der (XML-)Namespaces besser deutlich. Sie werden hier zu Beginn des Dokuments definiert (xmlns:...).(16) Abs. 32
In Form der RDF/XML-Notation lassen sich RDF-Daten neben der Speicherung in gesonderten Dateien auch in HTML-Dateien einfügen und auf diese Weise im Web verfügbar machen.(17) Ein großer Vorteil der XML-basierten Syntax liegt natürlich in der im vorigen Teil des Aufsatzes betonten Eignung zur maschinellen Verarbeitung. Für den menschlichen Bearbeiter und Betrachter dagegen ist die RDF/XML-Notation bisweilen schwer lesbar. Eine gerade für Menschen besser lesbare Alternative der RDF-Notation ist Notation 3 (N3). N3 verzichtet auf die XML-typischen Element- und Attributbezeichnungen und beschränkt sich auf die sukzessive Notation der triple-Elemente in Tag-Klammern. Das obige Kurzbeispiel wird in N3 wie folgt notiert(18): Abs. 33
@prefix foaf: .
  "Jochen Notholt".
Abs. 34

3. Einige spezielle RDF-Techniken

a) Unbekannte Ressourcen (blank nodes)

Am Beispiel der von RA Meier veröffentlichten Gerichtsentscheidung lassen sich noch einige kleinere Besonderheiten von RDF verdeutlichen. Eine davon sind die so genannten unbenannten (oder auch einfach: leeren) Ressourcen (blank nodes). In unserem Beispiel könnte man Herrn Meier auch beschreiben, ohne seine private Homepage als Referenz-URI zu nennen. Als Graph sähe das dann so aus: Abs. 35
Abbildung 4: Ein Ausschnitt des obigen Beispiels-Graphen mit erweiterter Beschreibung des RA Meier als Ressource unter Verwendung eines "blank node" Abs. 36
Wir können also in RDF Aussagen über Ressourcen treffen, die wir nicht bzw. nur über weitere strukturierte Ressourcen benennen können oder wollen. Das klingt seltsam, entspricht aber unserem natürlichen Sprachgebrauch. Hier würden wir sagen: "Das hier beschriebene Urteil hat jemand veröffentlicht, der Michael Meier heißt und Rechtsanwalt ist."(19) Abs. 37

b) Zitierung von Aussagen (reification)

Als Tim Berners-Lee das Grundmodell des Semantic Web beschrieb, nannte er neben der Möglichkeit, Aussagen zu treffen, als weiteres grundlegendes Prinzip die Möglichkeit, diese Aussagen auch zu zitieren. Zitieren heißt hier, Aussagen über andere Aussagen zu treffen.(20) Das geht auch in RDF und wird reification (deutsch: Vergegenständlichung) genannt. Das Prinzip müsste sich für Juristen besonders gut verdeutlichen lassen, schließlich spielen Zitierungen in der juristischen Wissenschaft und Praxis eine besonders große Rolle. Abs. 38
Nehmen wir also an, RA Meier hat das genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht nur veröffentlicht, sondern - in einem gesonderten Dokument - auch zu dieser Entscheidung Stellung genommen. In diesem Dokument äußert er seine Zustimmung zur Entscheidung des Gerichts. In RDF könnte man diese Zustimmung als Aussage beschreiben: RA Meier (Subjekt) äußert sich zustimmend (Prädikat) zur Entscheidung des BVerfG (Objekt). Diese Aussage von RA Meier kann nun seinerseits Gegenstand einer juristischen Diskussion sein, z.B. dann, wenn RA Müller nicht nur der Entscheidung des BVerfG zustimmt, sondern auch seinerseits der Anmerkung von RA Meier. Möchte man in RDF ausdrücken, dass RA Müller der Aussage von RA Meier über die Entscheidung des BVerfG zustimmt, könnte man dies in Form der reification formulieren. Als Graph könnte das so aussehen: Abs. 39
Abbildung 5: Der farbig unterlegte Teil des Graphen enthält die Elemente derjenigen Aussage, auf die im Wege der reification Bezug genommen wird. Abs. 40
Dieser Graph ist auf Anhieb nicht ganz einfach zu verstehen, weil er zwei Besonderheiten enthält. Die erste ist, dass der Graph einen blank node (s.o.) enthält. Dieser repräsentiert die gesamte Aussage des RA Meier. Er könnte auch über eine (eigens zu vergebene) URI repräsentiert werden, darauf wurde hier aber der Einfachheit halber verzichtet. Die weitere Besonderheit liegt in den Objekten des blank node: Er enthält zunächst einen Hinweis darauf, dass er keine gewöhnliche Ressource ist, sondern der Klasse (rdf:type) rdf:Statement angehört, also seinerseits eine RDF-Aussage "bündelt". Elemente dieses "Bündels" sind dementsprechend das Subjekt (rdf:subject), das Prädikat (rdf:predicate) und das Objekt (rdf:object) der Aussage. Abs. 41
Durch seine Offenheit und Abstraktheit ist das RDF-Datenmodell zwar auf Anhieb vielleicht nicht ganz leicht verständlich. Dafür bietet es eine extreme Flexibilität im Datenentwurf, die man mit eigenen XML-Dokumententwürfen so kaum erreichen kann. Über die reine Dokumentbeschreibung hinaus lassen sich Gegenstände und ganze Sachverhalte in ähnlicher Art und Weise formulieren, wie wir dies auch im zwischenmenschlichen Umgang täten. So ist RDF ein wegweisender Schritt, Metadaten die Bedeutung zu verleihen, die sie im "Web der Zukunft" verdienen. Dass RDF selbst in der N3-Notation für Menschen nicht leicht zu lesen ist, ist im Ergebnis verzeihlich, da, anders als in XML, nicht primär wir Menschen sie verstehen müssen, sondern vor allem die sie verarbeitenden Maschinen. Abs. 42

IV. RDF Schema

Neben der beschriebenen Offenheit des RDF-Datenmodells soll eine weitere Stärke des Semantic Web darin liegen, dass zu den beschreibbaren (und damit auch maschinell auswertbaren) Eigenschaften von Ressourcen auch die Beziehungen zu anderen Ressourcen gehören sollen. Um diese Beziehungen im Semantic Web auszudrücken, könnte man daran denken, jeder einzelnen Ressource für sich ihre Beziehungen zu anderen Ressourcen als RDF-Triple zuzuweisen. Das ist jedoch gerade dann gleichermaßen unnötig wie ineffizient, wenn wir es mit vielen gleichartigen Ressourcen zu tun haben. In diesem Fall pflegen wir den Umgang mit Gegenständen zu erleichtern, indem wir sie "in Schubladen stecken" und nur diese Schubladen miteinander vergleichen. Was man braucht, sind also diese "Schubladen" (bzw. der Schrank, in dem sie stecken), also eine Klassifizierung gleichartiger Ressourcen. Auf diesem Prinzip beruht als Erweiterung von RDF der Standard RDF Schema (RDFS). Abs. 43
Der Ansatz von RDFS besteht darin, einzelne RDF-Ressourcen zu Klassen zusammenzufassen, diese mit anderen Klassen in Beziehung zu setzen und schließlich einzelne Ressourcen als Erscheinungsformen (sog. Instanzen) ihrer Ausgangsklassen zu beschreiben. Dies erinnert im Ansatz an das Prinzip der XML-Schematisierung. Auch hier werden Strukturen ("Schubladen") definiert, um Einzeldokumente gleicher Art zu vereinheitlichen. Der grundlegende Unterschied liegt jedoch darin, dass DTDs und XML-Schemata bloß die Einhaltung eines Nachrichten- bzw. Dateiformats auf der syntaktischen Zeichenebene bewirken soll, während RDFS das Ziel hat, Web-Ressourcen tatsächlich inhaltlich zueinander in Beziehung zu setzen und damit auf semantischer Ebene einzuordnen. Die Schematisierung geht hier also erheblich weiter als in "nicht-semantischen" XML-Sprachen.(21) Abs. 44
In RDFS angelegte Klassen lassen sich zunächst hierarchisch gliedern. Hierzu werden die Beziehungen der Ressorucen zueinander wie im RDF-Datenmodell als triples beschrieben. Um die Entscheidung des BVerfG aus dem obigen Beispiel in eine solche Klassenhierarchie einzubetten, könnte man sie als einer Klasse "Gerichtsentscheidung" zugehörig ansehen. Diese Klasse könnte man ihrerseits als eine Unterklasse einer allgemeineren Klasse juristischer Dokumente namens "Rechtsquelle" ansehen. In der N3-Notation ließe sich das wie hier beschreiben: Abs. 45
@prefix ro: <http://www.rechtsontologie.de/elemente#>;
rdfs: <http://www.w3.org/2000/01/rdf-schema#>.
   
<ro:Rechtsquelle> <rdfs:subClassOf> <rdfs:Resource>.
<ro:Gerichtsentscheidung> <rdfs:subClassOf> <ro:Rechtsquelle>.
Abs. 46
Das Prädikat rdfs:subClassOf aus dem RDFS-Vokabular drückt also aus, dass das Subjekt des triples eine Unterklasse des Objekts ist (dabei ist rdfs:Resource eine allgemeine "Superklasse" ohne besondere Eigenschaften). Andere Unterklassen von ro:Rechtsquelle könnten z.B. ro:Gesetz oder ro:Literatur sein. Existiert nun eine Ressource, die eine Gerichtsentscheidung repräsentiert, wie in unserem Beispiel, lässt sich dies durch eine einfache RDF-Aussage zum Ausdruck bringen (wiederum in N3): . Abs. 47
Die Eigenschaft rdf:type heißt also frei übersetzt "gehört zur Klasse ...", oder auch, technischer formuliert (s.o.): "ist eine Instanz der Klasse ...". Abs. 48
Wie Ressourcenklassen lassen sich auch Eigenschaften (properties) definieren und klassifizieren. Im Zusammenhang mit der Klasse ro:Gerichtsentscheidung bietet es sich z.B. an, eine Eigenschaft zu definieren, die beschreibt, welches Gericht die Entscheidung erlassen hat: Abs. 49
<ro:entschieden_von> <rdf:type> <rdf:Property>. Abs. 50
Diese Definition ist zunächst nicht speziell der Klasse ro:Gerichtsentscheidung zugeordnet. In RDFS kann diese Eigenschaft nun mit Grenzwerten (constraints) versehen werden. Schließlich möchten wir, dass nur Klassen vom Typ ro:Gerichtsentscheidung die Eigenschaft ro:entschieden_von haben sollen. Wert der Eigenschaft soll nur eine Klasse des Typs ro:Gericht sein. Die Definition hierzu muss demnach so aussehen: Abs. 51
<ro:entschieden_von> <rdfs:domain> <ro:Gerichtsentscheidung>. <ro:entschieden_von> <rdfs:range> <ro:Gericht>. Abs. 52
Nicht nur hinsichtlich der Klassen sieht RDFS hierarchische Ordnungen vor, sondern auch bezüglich ihrer Eigenschaften. Nehmen wir z.B. an, RA Meier ist Instanz einer Klasse ro:Rechtsanwalt, welche eine Unterklasse von ro:Volljurist und diese wiederum eine Unterklasse von ro:Jurist ist. Nehmen wir außerdem an, RA Meier hat einen Sozius in seiner Kanzlei, Herrn Rechtsanwalt Müller. Möchte man in RDF zum Ausdruck bringen, dass ein Jurist mit einem anderen Juristen zusammenarbeitet, könnte man zunächst zur Klase ro:Jurist eine Eigenschaft ro:arbeitet_zusammen_mit definieren. Nun arbeitet RA Müller aber nicht bloß mit RA Meier zusammen, er ist etwas spezielleres, nämlich sein Sozius. Daher bietet es sich an, die Eigenschaft ro:ist_Sozius_von als Untereigenschaft (sub-property) von ro:arbeitet_zusammen_mit zu definieren. Das könnte so aussehen: Abs. 53
<ro:Jurist> <rdfs:subClassOf> <foaf:Person>
<ro:Volljurist> <rdfs:subClassOf> <ro:Jurist>
<ro:Rechtsanwalt> <rdfs:subClassOf> <ro:Volljurist>
   
<ro:arbeitet_zusammen_mit> <rdf:type> <rdf:Property>
<rdfs:domain> <ro:Jurist>.
   
<ro:ist_Sozius_von>
<rdfs:subPropertyOf> <ro:arbeitet_zusammen_mit>
Abs. 54

V. OWL als Ontologiesprache

1. Ontologien und Taxonomien

Wenn man RDF-Aussagen in Klassen mit festgelegten Eigenschaften zusammenfasst, wie hier mit den Klassen ro:Gerichtsentscheidung, ro:Rechtsanwalt oder ro:Jurist angedeutet, ergibt sich nach und nach ein systematisches Modell (oder auch: ein gewisses Bild) eines bestimmter Fach- oder Wissensgebiete. Diese Modelle nennt man Ontologien. Der Begriff der Ontologie entstammt eigentlich der Philosophie und bezeichnet dort eine "Seinslehre".(22) Das Fachgebiet der Wissensrepräsentation hat den Begriff übernommen und definiert ihn als Modellierung von Domänen der realen Welt mit dem Ziel eines strukturierten und fundierten Aufbaus von Wissensbasen.(23) Abs. 55
In vergleichbarer Form wird der Begriff auch im Semantic Web benutzt. Ontologien sind hier im Grunde alle Modelle, die Klassen von RDF-Ressourcen, ihre Eigenschaften und deren Beziehungen zueinander definieren. Schon die einfachen Klassenhierarchien, die sich mit RDFS formulieren lassen, sind begrifflich bereits Ontologien, wenn hier auch häufig eher von einer Taxonomie als abgeschwächter Form der Ontologie gesprochen wird. Um eine "echte" Ontologie im Semantic Web zu entwickeln, muss es Möglichkeiten geben, die Verhältnisse zwischen Klassen und Klasseneigenschaften noch detaillierter zu beschreiben als es mit RDFS möglich ist. Diese Aufgaben übernehmen die sog. Ontologiesprachen des Semantic Web. Abs. 56

2. Über DAML+OIL zu OWL

Ein bislang bereits weit verbreiteter Standard für Ontologiesprachen war DAML+OIL(24), eine Fusion zweier von den Organisationen DARPA(25) und On-To-Knowledge(26) entwickelter Standards. Seit einiger Zeit jedoch entwickelt auch das W3 Consortium einen eigenen Ontologiestandard namens OWL, der stark an DAML+OIL angelehnt ist. DAML+OIL wird mittlerweile nicht mehr weiter entwickelt, die Entwicklergemeinde konzentriert sich auf OWL als Ontologie-Standard. Abs. 57
OWL liegt derzeit in drei Abstufungen vor: OWL Lite, OWL DL (DL: Description Logic) und OWL Full.(27) Während OWL Lite bei der Beschreibung von Ressourcenklassen kaum mehr Möglichkeiten bietet als RDFS, liefert OWL Full als stärkste "Ausbaustufe" zahlreiche Sprachelemente, um Verhältnisse zwischen Klassen und ihren Eigenschaften sehr differenziert beschreiben zu können. Aus Platzgründen können hier im Folgenden nur einige Beispiele spezieller OWL-Ausdrücke genannt werden.(28) Abs. 58

3. Einzelne OWL-Beispiele

Als relativ leicht verständliches Beispiel erlaubt es OWL, Eigenschaften (properties) mit sog. Kardinalitäten (cardinalities) zu versehen. Kardinalitäten drücken aus, wie häufig die Instanz einer Ressourcenklasse eine bestimmte Eigenschaft definieren darf. Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel der Eigenschaft ro:entschieden_von , welche der Klasse ro:Gerichtsentscheidung zugeordnet ist. Jede einzelne Gerichtsentscheidung wird von nur einem Gericht entschieden. Daher ist es sinnvoll, die Eigenschaft ro:entschieden_von mit der (exakten) Kardinalität 1 zu versehen: Abs. 59
@prefix owl: <http://www.w3.org/2002/07/owl#>.
   
<ro:entschieden_von> <rdfs:domain> <ro:Gerichtsentscheidung>.
<ro:entschieden_von> <rdfs:range> <ro:Gericht>.
<ro:entschieden_von> <owl:cardinality> 1.
Abs. 60
Am Beispiel sieht man, dass OWL ebenso wie RDF Schema nach dem triple-Prinzip formuliert wird. Neben der hier beschriebenen exakten Kardinalität lassen sich auch minimale (owl:minCardinality) und maximale (owl:maxCardinality) Kardinalitäten formulieren. Eine einzelne Gerichtsentscheidung hat z.B. mindestens ein Aktenzeichen, gerade solche des BVerfG (wie auch in unserem Beispiel) haben aber manchmal auch mehrere. Würde man also für die Klasse ro:Gerichtsentscheidung eine Eigenschaft ro:hat_Aktenzeichen definieren, wäre es wenig sinnvoll, sie neben der minimalen Kardinalität von 1 auch mit einem entsprechenden Höchstwert zu versehen. Abs. 61
Zudem lassen sich mit OWL Aussagen darüber treffen, wie die durch Prädikate verbundenen Subjekte und Objekte in logischer Hinsicht zueinander stehen. So lässt sich beispielsweise eine Eigenschaft als owl:SymmetricProperty, also als symmetrische Eigenschaft definieren. Eine solche symmetrische Eigenschaft ist das oben beschriebene ro:ist_Sozius_von; auf das Verhältnis zwischen RA Meier und RA Müller träfe eine solche Beschreibung zu. Schließlich ist nicht nur RA Meier der Sozius von RA Müller, sondern auch umgekehrt. Abs. 62
Wenn dagegen der junge Rechtsanwalt Schulze nur bei RA Meier angestellt, also abhängig beschäftigt ist, und diese Abhängigkeit durch die Eigenschaft ro:ist_angestellt_bei ausgedrückt würde, wäre diese Eigenschaft nicht symmetrisch. In diesem Fall kann RA Meier nicht umgekehrt auch bei RA Schulze angestellt sein, für ihn trifft gegenüber RA Schulze eine Definition wie ro:beschäftigt_als_Angestellten zu. Diese beiden Eigenschaften lassen sich in OWL als owl:inverseOf kennzeichnen. Abs. 63
Nicht nur Eigenschaften lassen sich in OWL detaillierter beschreiben als in RDFS, sondern auch Klassen. So lässt sich z.B. eine Klasse durch die Bezeichnung owl:intersectionOf als Schnittmenge anderer Klassen definieren. Die Schnittmenge kann entweder aus verschiedenen anderen Klassen bestehen, oder sie wird aus Klassen gebildet, deren Eigenschaften bestimmte Werte zugeordnet sind, wie im folgenden Beispiel (in RDF/XML): Abs. 64
<owl:Class rdf:ID="BVerfGEntscheidung">
<owl:intersectionOf rdf:parseType="Collection">
<owl:Class rdf:about="#Resource" />
<owl:Restriction>
<owl:onProperty 
rdf:resource="http://www.rechtsontologie.de/elemente#entschieden_von" />
<owl:hasValue rdf:resource="http://www.bundesverfassungsgericht.de" />
<owl:Restriction>
<owl:intersectionOf>
<owl:Class>
Abs. 65
Die wohl wichtigste OWL-Beschreibung ist gleichzeitig die wohl am nächsten liegende. In RDF(S) und OWL lassen sich Ressourcen, ihre Klassen und Eigenschaften bekanntlich per URI frei adressieren. Daher lässt es sich in der Praxis nicht vermeiden, dass Ressourcen, Klassen oder Eigenschaften mit gleicher Bedeutung unterschiedlich benannt werden. Was in unseren Beispielen ro:Gerichtsentscheidung oder ro:entschieden_von heißt, kann woanders auch jo:Entscheidungen oder jo:wurde_entschieden_durch (jo: könnte der Namespace für http://juristische-ontologien.org/ sein) heißen. Unabhängig davon, ob die jeweiligen Entwickler der RDF-Daten, die auf diesen Beschreibungen aufbauen, die jeweils anderen Bezeichnungen kennen, können Maschinen, die mit den RDF-Daten arbeiten, sie nicht von sich aus erkennen. Es sei denn, sie "verstehen" OWL und können aus den Aussagen ... Abs. 66
@prefix ro: <http://www.rechtsontologie.de/elemente#>;
jo: <http://juristische-ontologien.org/>.

<ro:Gerichtsentscheidung>
<owl:equivalentOf> <jo:Entscheidungen>.

<ro:entschieden_von>
<owl:equivalentOf> <jo:wurde_entschieden_durch>.
Abs. 67
... herleiten, dass die jeweiligen Klassen schlicht und einfach gleichbedeutend sind. Dabei ist es wegen der dezentralen und nicht hierarchischen Struktur des Semantic Web irrelevant, wer diese "Gleichheitsaussage" aufgestellt hat. Während owl:equivalentOf nur für Klassen- und Eigenschaftsdefinitionen gilt, lassen sich diese Gleichheitsbeziehungen über die Bezeichnung owl:sameAs auch für beliebige RDF-Elemente aufstellen, die keiner Klasse zugeordnet sind. Abs. 68

VI. Zusammenfassung

Anwendungen im Semantic Web basieren nicht auf "abgehobener" künstlicher Intelligenz, sondern auf der Einhaltung besonderer Metadaten-Standards wie RDF, RDF Schema und OWL. RDF ist ein abstraktes Modell, das Datenbeschreibungen in Form von Aussagen nach dem triple-Prinzip ermöglicht. Notiert werden diese Aussagen vornehmlich in einer XML-basierten Sprache (RDF/XML), um sie besser maschinell verarbeiten zu können. Mit RDF Schema und OWL lassen sich Ontologien bilden, also Konzepte verschiedener Ressourcentypen und ihrer Beziehungen zueinander. So lassen sich "schlaue" Dokumente veröffentlichen, deren Bedeutungsgehalt von Web-Anwendungen erfasst und umgesetzt werden kann. Abs. 69
Jeder kann seinen Teil zum Erfolg des Semantic Web beitragen, indem er seine Online-Dokumente durch Metadaten ergänzt, die den Standards RDF(S) und OWL entsprechen. Doch welchen Nutzen haben Juristen wie der Rechtsanwalt Meier konkret davon? Was ist der Lohn für ihre Mühe? Abs. 70
Semantic-Web-Daten sind nicht unmittelbar für Menschen gedacht, sondern für Maschinen. Der offensichtlichste Fall einer "Semantic-Web-Maschine" ist eine Suchmaschine, die auf Ontologie- und RDF-Daten basiert. Eines Tages wird es spezielle juristische Suchmaschinen geben, die mit diesen Daten nicht nur umgehen können, sondern sie sogar voraussetzen. Sie werden die von Rechtsanwalt Meier veröffentlichten Urteile erfassen, sinnvoll verarbeiten und präsentieren können. Nutzer dieser Suchmaschine finden im Gegensatz zu vielen aktuellen Suchanfragen genau die Dokumente und Daten, nach denen sie suchen. Das könnten gerade die Urteile von Rechtsanwalt Meier sein, denn dieser ist im Gegensatz zu seinen Kollegen bereits im Semantic Web aktiv. So könnte er mit seiner "semantischen" Anwaltshomepage besser auf sich aufmerksam machen und neue Mandanten gewinnen. Abs. 71
Die genannte Suchmaschine gibt es leider noch nicht. Die Semantic-Web-Entwicklergemeinde war bisher vor allem mit dem Entwurf der oben beschriebenen Datenstandards beschäftigt, die höheren Ebenen des "Semantic Web Tower", die sich mit der Verarbeitung dieser Daten befassen, sind noch nicht vollständig ausgearbeitet. Sie sollen im folgenden Teil dieser Reihe ebenso beschrieben werden wie konkrete Anwendungsideen für den Einsatz der neuen Technologie in der juristischen Praxis.
JurPC Web-Dok.
65/2005, Abs. 72

Fußnoten:

(1)  Im Original: "The Semantic Web is not a separate Web but an extension of the current one, in which information is given well-defined meaning, better enabling computers and people to work in cooperation." - vgl. Berners-Lee/Miller, The Semantic Web Lifts Off (2002), online abrufbar unter: http://www.ercim.org/publication/Ercim_News/enw51/berners-lee.html
(2)  Vgl. Berners-Lee, Der Web-Report (1999), S. 257.
(3)  Zur Abgrenzung zwischen Künstlicher Intelligenz (KI) und dem Semantic-Web-Konzept vgl. Berners-Lee, What A Semantic Web Can Represent (1998), online abrufbar unter: http://www.w3.org/De signIssues/RDFnot.html - "The concept of machine-understandable documents does not imply some magical artificial intelligence which allows machines to comprehend human mumblings. It only indicates a machine's ability to solve a well-defined problem by performing well-defined operations on existing well-defined data. Instead of asking machines to understand people's language, it involves asking people to make the extra effort."
(4)  Zur Definition der benannten vgl. die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia (Stand jeweils: 01.11.2004): Semiotik (http://de.wikipedia.org/w iki/Semiotik), Logik (http://de.wikipedia.org/wiki /Logik bzw. http://de.wikipedi a.org/wiki/Kategorie:Logik), Wissensrepräsentation (http://de.wi kipedia.org/wiki/Wissensrepr%C3%A4sentation), Graphentheorie (http://de.wikipedia .org/wiki/Graphentheorie).
(5)  Vgl. Berners-Lee, Semantic Web Roadmap (1998), online abrufbar unter: http://www.w3.org/ DesignIssues/Semantic.html.
(6)  Auch die Abkürzung RDF/S ist gängig. Wenn von RDF(S) die Rede ist, wird hierunter zumeist die Zusammenfassung von RDF und RDF Schema verstanden.
(7)  Das "verdrehte" Akronym wurde bewusst gewählt; es wird nämlich nicht buchstabenweise ausgesprochen, sondern wie das engl. Wort owl (Eule).
(8)  Aus einem Vortrag von Tim Berners-Lee für das W3 Consortium (2000), online abrufbar unter: http ://www.w3.org/2000/Talks/1206-xml2k-tbl/slide10-0.html.
(9)  Siehe hierzu auch Wikipedia (Stand: 01.11.2004): http://de.wikipedia.org/wi ki/Unicode.
(10)  Die Übersicht des W3 Consortiums zur Online-Adressierung mittels URIs ist online abrufbar unter: http://www.w3.org/Addressing/ . Zu URIs vgl. auch Wikipedia (Stand: 01.11.2004): http:/ /de.wikipedia.org/wiki/Uniform_Resource_Identifier.
(11)  Siehe hierzu auch Wikipedia (Stand: 01.11.2004): http://de .wikipedia.org/wiki/Uniform_Resource_Locator.
(12)  Die Grafik wurde, wie auch die folgenden graphischen RDF-Darstellungen, mit Hilfe des RDF-Autorentools IsaViz (http://www.w3.org/2001/11/Isa Viz/) erzeugt.
(13)  FOAF steht für "Friend Of A Friend". Das FOAF-Projekt: (mit ausführlichen Erläuterungstexten) ist online zu finden unter: http://www.foaf-project.org/.
(14)  Die URIs in diesem Beispiel sind, abgesehen von der URL des Bundesverfassungsgerichts, fiktiv. Sie dienen hier der reinen Veranschaulichung. Grundsätzlich können in RDF jedoch problemlos auch fiktive URIs verwendet werden. Einzige Verwendungsbedingung ist die für URIs gültige Syntax und die Eindeutigkeit für die zu beschreibende(n) Ressource(n).
(15)  Das schreibt z.B. auch Berners-Lee, Der Web-Report (1999), S. 262 f.: "Das Konsortium ist dabei, eine solche Sprache zu entwickeln, das Resource Description Framework (RDF), das selbstverständlich auf XML basiert." Gemeint ist damit freilich nicht das Modell, sondern die Notation. Hier arbeitet Berners-Lee häufig auch zur Veranschaulichung mit Notation 3 (s.u.), wie z.B. in: Berners-Lee, Primer: Getting into RDF & Semantic Web using N3 (2003), online abrufbar unter: http://www.w3.org/20 00/10/swap/Primer.html
(16)  Auch der den RDF-Block einleitende Tag <rdf:RDF ...> darf einen solchen Namespace enthalten, obwohl dieser erst nach der ersten Verwendung (jedoch noch in der gleichen Klammer) definiert wird.
(17)  Zur praktischen Durchführung vgl. Palmer, RDF in HTML: Approaches (2002), online abrufbar unter: http://infomesh.net/2002/rd finhtml/.
(18)  Die @prefix-Deklaration in der ersten Zeile ist gleichbedeutend mit der Namespace-Deklaration in (RDF/)XML - interessanterweise wird selbst hier die triple-Form eingehalten.
(19)  Wobei das Wort "jemand" natürlich impliziert, dass es sich um eine (natürliche) Person handelt, was aus der Beschreibung an sich hier nicht zwingend hervorgeht. Streng genommen müsste es also heißen: "... hat etwas veröffentlicht, das Michael Meier heißt und Rechtsanwalt ist." Um aus der RDF-Aussage schließen zu können, dass es sich bei RA Meier um einen Menschen handelt, wäre die Bindung der Beschreibung des RA Meier an ein RDF Schema erforderlich; diese Möglichkeit wird unten näher beschrieben.
(20)  Berners-Lee, Semantic Web Roadmap (1998), online abrufbar unter: http://www.w3.org/ DesignIssues/Semantic.html.
(21)  Schon eher erinnert RDFS daher an das Verfahren des Programmentwurfs in der Objektorientierten Programmierung (OOP). Der maßgebliche Unterschied zum OOP-Entwurf, wo Objekte ebenfalls zu Klassen mit fest definierten Eigenschaften (Attribute und Methoden) zusammengefasst werden, um aus diesen letztlich Instanzen zu erzeugen, liegt darin, dass es sich im RDF Schema "nur" um Datenklassen handelt, während OOP-Objekte als Methoden auch "aktive" Programme enthalten können. Siehe zur Objektorientierten Programmierung auch Wikipedia (Stand: 01.11.2004): http://de.wikipedia.org/wiki/Oop.
(22)  Siehe zum Begriff auch Wikipedia (Stand: 01.11.2004): http://de.wikipedia.org/ wiki/Ontologie - "Die Ontologie ist eine philosophische Disziplin, die sich (primär) mit dem Sein, dem Seienden als solchem und mit den fundamentalen Typen von Entitäten beschäftigt. Der Ausdruck Ontologie leitet sich dabei von dem griechischen Partizip on (Seiendes) ab."
(23)  Vgl. Wikipedia (Stand: 01.11.2004): http:/ /de.wikipedia.org/wiki/Ontologie_%28Begriffskl%C3%A4rung%29.
(24)  DAML: DARPA Agent Markup Language (http://www.daml.org/); OIL: Ontology Inference Layer (http://www.ontoknowledge.org/ oil/).
(25)  DARPA: Defense Advanced Research Projects Agency (http://www.darpa.mil/). Die DARPA ist damit so etwas wie die Hi-Tech-Abteilung des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums.
(26)  Zum mittlerweile abgeschlossenen Projekt On-To-Knowledge siehe http://www.ontoknowledge.org/ .
(27)  Ebenso wie RDFS basiert auch OWL auf der Aussagen- und Prädikatenlogik (vgl. zur Einführung Herberger/Simon, Wissenschaftstheorie für Juristen (1980), S. 34 ff., 89 ff., online abrufbar unter: http://www.jura.uni-sb.de/wtheorie/). Der Grund für die Abstufung von OWL in die "Ausbaustufen" Lite, DL und Full liegt im logischen Grundproblem der Berechenbarkeit. Je ausdrucksstärker logische Aussagen sind, desto weniger kann man garantieren, dass die logische Richtigkeit dieser Aussagen tatsächlich berechenbar (oder auch: entscheidbar) ist. So ist der Sprachumfang von OWL Lite zwar nicht besonders ausdrucksstark, aber die Berechenbarkeit logischer Schlüsse aus diesen Aussagen kann garantiert werden. Bei Ausdrücken, die zum Vokabular von OWL Full gehören, ist dies dagegen nicht unbedingt der Fall.
(28)  Eine ausführliche Beschreibung aller Ausdrücke findet sich in: Smith/Welty/McGuiness, OWL Web Ontology Language Guide (2004), online abrufbar unter: http://www.w3.org/TR/owl-guide/ .
* Der Autor ist Diplom-Jurist und Doktorand am Institut für Rechtsinformatik der Universität des Saarlandes. Im Rahmen seiner Promotion, betreut von Prof. Dr. Maximilian Herberger, untersucht er die Einsatzmöglichkeiten für aktuelle Online-Technologien in juristischen Lernangeboten. In diesem Rahmen ist das hier vorgestellte "Semantic Web" maßgeblicher Untersuchungsgegenstand.
[online seit: 20.05.2005 ]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Notholt, Jochen, Die Standards des Semantic Web (Teil 2) - JurPC-Web-Dok. 0065/2005