Tenor: | |
Die Beklagte wird verurteilt, | JurPC Web-Dok. 94/2008, Abs. 1 |
I. | |
Es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € (in Worten:
zweihundertfünfzigtausend Euro), ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
oder Ordnungshaft bis zu 6 Monten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu
unterlassen, nachfolgende oder diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in
Vereinbarungen über die Teilnahme an einem Service-System mit der Bezeichnung T
einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger
Vereinbarungen, geschlossen nach dem 01.04.1977 zu berufen: | Abs. 2 |
Internetplattform: | |
1.T ist bevollmächtigt, Daten im Rahmen der
Leistungserbringung an Dritte weiterzugeben. Die Daten dienen als Basis zur
Formulierung von bedarfsgerechten Angeboten und Informationen, welche in
schriftlicher oder elektronischer sowie fernmündlicher Form dem Mitglied
unterbreitet werden können. Im Rahmen dieser Angebotserstellung können die
Daten an beauftragte Dritte weitergegeben werden. (Falls sie damit nicht
einverstanden sind, schicken sie ein-fach eine kurze formlose Mitteilung ....). | Abs. 3 |
2.Im übrigen haftet T . . . auch nur für Schäden, die bei
Auftrags- und Auskunftserteilung für T erkennbar waren. | Abs. 4 |
Textformverarbeitung: | Abs. 5 |
3.Ich bin damit einverstanden, dass meine Daten zur
Erbringung von Dienstleistungen an Dritte weitergegeben werden. | Abs. 6 |
4.Darüber hinaus bin ich damit einverstanden - unabhängig
von meiner T-Mitgliedschaft - schriftlich oder telefonisch an
Haushaltsbefragungen teilzunehmen oder über interessante Produkte und
Dienstleistungen informiert zu werden. Diese Einwilligung kann ich jederzeit
formlos widerrufen. | Abs. 7 |
II. | |
An den Kläger 378,00 € (in Worten: dreihundertachtundsiebzig Euro)
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit dem 29.08.2006 zu zahlen. | Abs. 8 |
Die weitergehende Klage wird abgewiesen. | Abs. 9 |
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. | Abs. 10 |
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 50.000,00 € | Abs. 11 |
Tatbestand | |
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16
Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 22 verbraucher- und
sozialorientierte Organisationen in Deutschland. | Abs. 12 |
Er ist in der Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4
UKlaG eingetragen. | Abs. 13 |
Die Beklagte betreibt unter der Bezeichnung T einen
Dienstleistungsservice in Form eines Teledienstes unter der Adresse www.T.de,
dem Kunden als Mitglieder beitreten können. Der Beitritt kann sowohl über das
Internet als auch über ein schriftlich auszufüllendes Antragsformular erfolgen.
In beiden Fällen gibt der Kunde folgende Daten an: Name, Anschrift,
Geburtsdatum, E-Mail-Adresse, Telefonnummer und Bankverbindung. | Abs. 14 |
In ihren AGB, welche die Beklagte im Internet zugänglich macht,
finden sich unter anderem die im Tenor und I. 1. und 2. aufgeführten Klauseln,
in dem Bedingungswerk des schriftlichen Antragsformulars die unter I. 3. und 4.
ausgeworfenen Klauseln. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die lose
Anlage K10 a, b, Ziffern 3. und 6. (Internet) sowie auf Anlage 7 zur
Klageerwiderung vom 25.10.2006, Blatt 63 der Akten, Ziffer 4.
(Schrifttextformular). | Abs. 15 |
Die Dienste der Beklagten bestehen im wesentlichen darin, ihren
Mitglieder günstige Angebote bzw. Leistungen zu verschaffen, und zwar in vier
Sachbereichen: | Abs. 16 |
* Versorgungskostenanalyse (zum Beispiel Strom- und
Telefonanbieter) | Abs. 17 |
* Rabatte (zum Beispiel Veranstaltungstickets, Abonnements,
Hotelbuchungen) | Abs. 18 |
* Individuelle Recherche (günstigste Preisangebote am Markt) | Abs. 19 |
* Persönliche Vorteilsangebote (probeweise überlassung von
Leistungen mit Widerrufsmöglichkeit) | Abs. 20 |
Die Beklagte lässt die Leistungen, worauf in den AGB hingewiesen
wird, auch durch Dritte erbringen. Wenn der Kunde Aufträge erteilt, überlässt
er der Beklagten zu dem Zweck weitere personenbezogene Daten. Der Kläger hält
die AGB-Klauseln der Beklagten wegen Verstoßes gegen §§ 307 ff. BGB i. V. m.
Vorschriften des Teledienstedatenschutzgesetzes (TDDSG) und des
Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) für unwirksam. Er hat die Beklagte zweimal
vergeblich abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
aufgefordert, und zwar unter dem 13.02.2006 wegen der Internetklauseln und
unter dem 23.02.2006 wegen der Textformklauseln. | Abs. 21 |
Der Kläger behauptete darüber hinaus, ihm seien für jede der
Abmahnungen 200 € an Kosten entstanden. Dieser Betrag beruhe auf einer
durchschnittlichen Kalkulation von Personal- und Sachkosten beim Kläger. | Abs. 22 |
Er beantragt, 1. 1. bis 4.: wie erkannt, 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400 € zuzüglich Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. | Abs. 23 |
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. | Abs. 24 |
Sie bestreitet die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen. | Abs. 25 |
Im übrigen hält sie die beanstandeten Klauseln für wirksam. | Abs. 26 |
Sie behauptet, der Kunde übermittle ihr seine Daten schriftlich in
Form von auszufüllenden Fragebögen. Diese leite die Beklagte, soweit sie nicht
selbst tätig werde, an die zu beauftragenden Dritten weiter. Teilweise leite
der Kunde seine Daten auch direkt an Dritte weiter. Insoweit würden die Daten
der Kunden nicht im Wege von Telediensten erhoben, verarbeitet oder benutzt, so
dass die Klauseln 1. und 2. nicht den Regelungen des TDDSV unterfielen. | Abs. 27 |
Unabhängig davon handle es sich bei sämtlichen personenbezogenen
Daten um Nutzungsdaten im Sinne § 6 TDDSG, weil auch die Bestandsdaten (§ 5)
für die Erbringung der beauftragten Leistungen erforderlich seien. Der Kunde
definiere den Zweck der Datenverwendung sowie den Empfänger der Daten im
übrigen erst durch seinen konkreten Auftrag, so dass er im Vornhinein auch
nicht eingehender, als es in der Klausel 1. geschehe, belehrt werden könne. Aus
den selben Gründen liege auch kein Verstoß gegen § 4 BDSG vor, zumal der Kunde
mit der Verarbeitung bzw. Weitergabe seiner Daten rechne und auch rechnen
müsse. | Abs. 28 |
Die Klausel 2. enthalte weder eine unzulässige
Haftungsbeschränkung im Sinne des § 309 Nr. 7 BGB noch verstoße sie gegen § 307
Abs. 1, Abs. 2 BGB. Sie entspreche nämlich der Rechtslage, indem sie lediglich
ausdrücke, dass die Beklagte für adäquat kausal verursachte Schäden hafte, die
objektiv vorhersehbar gewesen seien. Eine auf T versubjektivierte
Vorhersehbarkeit ergebe sich aus der Klausel nicht. | Abs. 29 |
Die Klausel 3. entspreche den Voraussetzungen für eine
Einwilligung nach § 4 a BDSG. Sie sei insbesondere drucktechnisch besonders
hervorgehoben. Im übrigen definiere der Kunde den Zweck der Datenübermittlung
sowie den Empfänger erst im Nachhinein durch die beauftragte Dienstleistung. Er
rechne deshalb auch mit der Weitergabe seiner personenbezogenen Daten. | Abs. 30 |
Das Selbe gelte grundsätzlich auch für die Klausel 4. Insbesondere
sei der Zweck der Weitergabe der Daten eindeutig beschrieben. | Abs. 31 |
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den
vorgetragenen Inhalt der wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen. | Abs. 32 |
Die Klageschrift ist der Beklagten am 28.08.2006 zugestellt
worden. | Abs. 33 |
Entscheidungsgründe | |
Die Klage ist, abgesehen von einem geringfügigen Teilbetrag des
Zahlungsantrages, begründet. | Abs. 34 |
Das Vorgehen des Klägers ist entgegen der Ansicht der Beklagten
nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne der §§ 8 Abs. 4 UWG, 2 Abs. 3 UKlaG. | Abs. 35 |
Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der
Kläger ganz überwiegend gegen die Beklagte vorgegangen ist, um diese zu
schädigen oder Abmahnkosten zu produzieren. Dies gilt im vorliegenden Fall
schon deshalb, weil der Kläger gegen zwei unterschiedliche
Verletzungshandlungen, nämlich zwei Bedingungswerke, vorgeht, wobei nicht
bekannt ist, wann er von den jeweiligen Verstößen erfahren hat. | Abs. 36 |
Die Klausel 1. verstößt gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V.
m. den §§ 4 Abs. 1, 4 a Abs. 1 BDSG. | Abs. 37 |
Es kann offen bleiben, ob die Beklagte (auch) personenbezogene
Daten im Sinne des § 5 (Bestandsdaten) oder § 6 (Nutzungsdaten) TDDSG erhebt,
verarbeitet und nutzt. Nach ihrem eigenen Vortrag sind praktisch sämtliche
Daten erforderlich, um die beauftragten Dienstleistungen selbst oder durch
Dritte erbringen zu können. Dies erscheint angesichts des Angebotsspektrums der
Beklagten plausibel. Es handelt sich dem zu Folge um sogenannte "Inhaltsdaten",
die auch dann entstehen würden, wenn ein Vertrag auf andere Weise als durch
Nutzung eines Teledienstes zustande käme. Diese Datenbestände unterfallen den
Regelungen des BDSG. | Abs. 38 |
Die Voraussetzungen des hier in Betracht kommenden
Erlaubnistatbestandes § 28 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BDSG liegen nicht vor. | Abs. 39 |
Die beanstandete Klausel ermächtigt bei der gebotenen
kundenfeindlichsten Auslegung die Beklagte, personenbezogene Daten des
Betroffenen praktisch nach Gutdünken an Dritte zu übermitteln. Es trifft zwar
zu, dass zu dem Zeitpunkt, in dem der Kunde als (Probe-) Mitglied T beitritt,
noch nicht absehbar ist, welchem konkrete Zweck die in dem Moment erhobenen
Daten zu dienen bestimmt sind. Dies geschieht erst, wenn der Betroffene später
einen konkreten Auftrag erteilt, wobei er dann weitere zweckspezifische Daten
mitteilt. Es ist weiter richtig, dass der Kunde in dem Zusammenhang, damit
rechnet bzw. damit rechnen muss, dass diejenigen personenbezogenen Daten an
Dritte weitergegeben werden, die dafür erforderlich sind, die angeforderte
Leistung von der Beklagten bzw. von dem angegangenen Dritten zu erbringen. | Abs. 40 |
Die Klausel verpflichtet die Beklagte aber entgegen der
berechtigten Erwartungen des Kunden gerade nicht, ausschließlich die für den
späteren konkreten Zweck erforderlichen Daten, gegebenenfalls in anonymisierter
Form, weiterzuleiten. | Abs. 41 |
Die Verarbeitung und Nutzung der Daten bedarf deshalb Einwilligung
des Betroffenen gemäß § 4a BGSG. Die Klausel 1. erfüllt die Voraussetzungen
dieser Vorschrift jedoch schon deshalb nicht, weil es an der erforderlichen
Schriftform fehlt. Sollte man eine elektronische Einwilligung für ausreichend
und angemessen erachten (§ 4 Abs. 2 TDDSG), so scheitert die Wirksamkeit der
Einwilligung daran, dass sie nicht durch eine eindeutige und bewusste Handlung
des Nutzers erfolgt. | Abs. 42 |
Ob die Klausel 2. gegen § 309 Nr. 2 BGB verstößt, weil sie die
Haftung der Beklagten generell auf erkennbare Schäden begrenzt, und zwar auch
dann, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit in Betracht kommen, mag offen
bleiben. | Abs. 43 |
Unabhängig davon verstößt die Klausel jedenfalls gegen § 307 Abs.
1 BGB. Sie ist geeignet, den durchschnittlich informierten und aufmerksamen
Verbraucher zu benachteiligen, indem er von der Durchsetzung berechtigter
Ansprüche möglicherweise absieht, nämlich dann, wenn sich die Beklagte -
entgegen der Rechtslage - darauf berufen sollte, ein konkreter Schadensverlauf
sei aus ihrer subjektiven Sicht nicht vorhersehbar gewesen. | Abs. 44 |
Hinsichtlich der Klausel 3. gelten die Ausführungen zu Klausel 1.
entsprechend, wobei die Klausel 3. noch weiter und unbestimmter gefasst ist als
die andere. Eine wirksame Einwilligung des Kunden nach § 4 a BDSG liegt schon
deshalb nicht vor, weil die Klausel nicht besonders hervorgehoben ist. Sie
findet sich eher versteckt in dem Bedingungswerk des Textformulars unter Ziffer
4. Sie ist auch schwarz gedruckt wie die Ziffern 1., 2., 5. und 8. Farblich
hervorgehoben sind lediglich Ziffer 3. (rot) und die Ziffern 6. und 7. (blau). | Abs. 45 |
Die Klausel 4. dürfte überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB
sein, so dass sie schon deshalb nicht Vertragsgegenstand geworden wäre. Dies
braucht jedoch nicht vertieft zu werden, denn sie verstößt jedenfalls gegen §
307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 4 a BDSG. Der Kunde gibt mit dieser Erklärung sein
Selbstbestimmungsrecht über die Verwendung seiner personenbezogenen Daten
praktisch auf. Er setzt sich einer unabsehbaren Flut insbesondere von Werbung
sowohl in schriftlicher wie in telefonischer Form aus. Dies wird von keinem
Erlaubnistatbestand des BDSG oder anderer Vorschriften gedeckt. Eine wirksame
Einwilligung des Kunden im Sinne des § 4 a BDSG scheidet aus den selben Gründen
wie zu Klausel 3. ausgeführt aus. | Abs. 46 |
Die erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich bereits daraus,
dass die Beklagte die geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärungen nicht
abgegeben hat und ihre Klauseln verteidigt. | Abs. 47 |
Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers ergibt sich aus § 5
UklaG i. V. m. § 12 Abs. 1 UWG. Die Kammer schätzt die dem Kläger entstandenen
Kosten in Anlehnung an die Rechtsprechung bezüglich der Zentrale zur Bekämpfung
unlauteren Wettbewerbs auf 189 € pro Abmahnung. | Abs. 48 |
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB. | Abs. 49 |
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §709 ZPO. Bei der Höhe
der Sicherheitsleistung hat die Kammer einen der Beklagten möglicherweise durch
die Vollstreckung drohenden geschätzten Schaden in Ansatz gebracht. | JurPC Web-Dok. 94/2008, Abs. 50 |
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