Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
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§§ 1, 3 UWG a.F., 823 BGB |
Leitsätze |
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Gründe |
Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung sowie die Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss vom 30.04.2004 Bezug. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen: | JurPC Web-Dok. 5/2005, Abs. 1 |
1. Die mit dem Verfügungsantrag zu 1. angegriffenen Meldungen der Software "Antivir" stellen sich im Verhältnis zu den Antragstellerinnen weder in zivilrechtlicher noch in wettbewerbsrechtlicher Weise als unzulässig dar. | Abs. 2 |
a. Zumindest haben die Antragstellerinnen einen solchen rechtswidrigen Eingriff durch ihren bisherigen Sachvortrag und die vorgelegten Anlagen nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 UWG fehlt es bereits an einem betriebsbezogenen Eingriff. Gleiches gilt zu § 14 UWG, denn es werden keine - schon gar nicht wettbewerbswidrig kreditschädigende - Aussagen über einen anderen konkreten Geschäftsbetrieb gemacht. Im Rahmen von § 1 UWG stellt sich das Verhalten aus den nachfolgenden Gründen jedenfalls nicht als sittenwidrige Behinderung dar. Ein etwaiger Anspruch aus § 3 UWG - der ebenfalls nicht besteht - wäre schon von den gestellten Verfügungsanträgen nicht erfasst. | Abs. 3 |
b. Die Antragstellerinnen weisen zu Recht mit Nachdruck darauf hin, "Verbraucher sind mündige Bürger, die sich ihre Programme gezielt selber aussuchen und auf ihrem heimischen Computer installieren". Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht nur zu ihren Gunsten, sondern gleichermaßen für die Nutzer der Software "Antivir" der Antragsgegnerin. Die Antragstellerinnen haben es auch nach Auffassung des Senats hinzunehmen, dass die Antragsgegnerin mit ihrem Programm - trotz der Bezeichnung "Antivir" - Schutzmechanismen zur Abwehr von Anwählprogrammen anbietet. So lange diese Funktionalitäten von dem Programmnutzer nach eigenem Ermessen deaktiviert werden können, stellt sich eine derartige Programmgestaltung selbst dann nicht als unzulässig dar, wenn eine Aktivierung standardmäßig vorgegeben ist und in der Programmwerbung auf diese Funktionalität nicht gesondert hingewiesen wird. Denn der Nutzer eines Antiviren-Programms ist aus der Natur der Sache gehalten, sich - insbesondere, aber nicht nur bei der Installation - näher damit zu beschäftigen, welchen konkreten Schutzumfang er wünscht. Die Antragstellerinnen haben in Anlage 37 selbst dargelegt, dass dem Nutzer die ein-/abschaltbare Option "Kostenverursachendes Einwahlprogramm" in dem Unterordner "Unerwünschte Programme" bei der im eigenen Interesse gebotenen Beschäftigung mit der Funktionalität des Programms nicht verborgen bleiben kann. Nimmt er diese Einstellung vor - bzw. belässt er sie in der Standardvorgabe -, so trifft er eine Entscheidung, die die Antragstellerinnen als hiervon Betroffene zu respektieren haben. Sofern dem Nutzer diese Gestaltungsmöglichkeiten der Software "Antivir" als ungenügend erscheinen und er eine weiter ausdifferenzierte Funktionalität wünscht, wird er insoweit auf den Einsatz von "Antivir" zu verzichten haben und sich der von den Antragstellern in der Anlage 36a aufgeführten Spezialsoftware bedienen müssen. Wünscht er hingegen ein eher "grobes Raster", mag "Antivir" gerade seinen Bedürfnissen entsprechen. Der Senat hat - anders als die Antragstellerinnen - keinen Zweifel daran, dass der durchschnittliche Nutzer eines Viren- und/oder Dialer-Schutzprogramms ohne weiteres selbst in der Lage ist zu entscheiden, welche Schutzmechanismen ihm angemessen erscheinen und welche Konsequenzen er zu ziehen hat, wenn das Programm seinen Ansprüchen nicht genügt. | Abs. 4 |
c. Vor diesem Hintergrund sind auch die von dem Programm "Antivir" generierten Fehlermeldungen bzw. Auswahloptionen nicht zu beanstanden. Auch insoweit tritt der Senat der Entscheidung des Landgerichts bei. | Abs. 5 |
aa. Ist die Warnfunktion zu unerwünschten Dialer-Programmen aktiviert, dann handelt es sich hierbei aus Sicht des Nutzers ohne weiteres um eine "verdächtige Datei", die als "gefährlich" einzustufen ist. Denn damit erfüllt sich die erwünschte Warnfunktion. | Abs. 6 |
bb. Nicht zu beanstanden ist, dass das Programm der Antragsgegnerin nicht zwischen illegaler und ordnungsgemäß gem. § 43b Abs. 5 TKG registrierter Einwahlsoftware unterscheidet. Eine solche Differenzierung mag sinnvoll sein. Hingegen ist es nicht Sache der Antragstellerinnen, der Antragsgegnerin Hinweise für die zweckgemäße Gestaltung ihres Programms zu erteilen. Der Nutzer kann erkennen, dass er bei der Verwendung von "Antivir" alle Einwahlprogramme einer Zugangskontrolle mit den programmüblichen Routinen und den damit verbundenen Erschwernissen - z.B. bei der Kontrolle jeder von u.U. zahlreichen, für die Einwahlprozedur erforderlichen Einzeldateien - unterwirft. Entscheidet er sich gleichwohl für die (weitere) Nutzung des Programms der Antragsgegnerin, so haben dies zumindest die Antragstellerinnen hinzunehmen. Auch der Umstand, dass einzelne Dateien entgegen der Ankündigung möglicherweise nicht wirksam frei geschaltet werden können (Anlagen 39 und 40), betrifft nicht den Rechtskreis der Antragstellerinnen, zumal diese noch nicht einmal dargetan haben, dass eine etwaige Fehlfunktion insbesondere bzw. ausschließlich ihre Einwahlprogramme betrifft. Er ist im übrigen von den gestellten Verfügungsanträgen - die zum Teil auch nicht hinreichend bestimmt gefasst sind - nicht umfasst. Die Tatsache, dass ein wichtiger Konkurrent der Antragstellerinnen durch das Programm der Antragsgegnerin nicht blockiert wird, kann unterschiedliche Ursachen (z.B. in der Gestaltung des Programmcodes) haben, rechtfertigt aber unter keinem Gesichtspunkt die Annahme eines gegen die Antragstellerinnen gerichteten betriebsbezogenen Eingriffs. | Abs. 7 |
cc. Im Ergebnis ebenfalls beanstandungsfrei ist der Umstand, dass die bei dem in den Verfügungsantrag zu 1.c. eingeblendeten Auswahlfenster angebotenen Handlungsoptionen zum Teil nur bedingt sinnvoll sind und die Wortwahl "infizierte Datei" in anderem Zusammenhang missverstanden werden könnte. Aufgrund der Ausführungen in dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30.03.04 hat der Senat davon auszugehen, dass bei dem Installationsversuch eines - illegalen - Einwahlprogramms ohne weiteres (bereits) Dateien auf den PC des Anwenders gelangt sein können, die er - z.B. zu Beweiszwecken - absondern oder löschen will. Gegenteiliges haben auch die Antragstellerinnen nicht glaubhaft gemacht. Deshalb erscheinen dem Senat die Handlungsalternativen nicht grundsätzlich beanstandungswürdig zu sein. Zwar mag der Begriff "infizierte Datei" verfehlt sein, da er von dem Verkehr in erster Linie auf Virenbefall bezogen wird. Hier wird die Antragsgegnerin im eigenen wohlverstandenen Interesse Veranlassung haben, für eine Veränderung zu sorgen. Wettbewerbs- bzw. sittenwidrig oder irreführend ist diese Angabe jedenfalls in der konkreten Beanstandungsform gleichwohl nicht. Denn der Nutzer erfährt in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang in dem Fenster oberhalb der Auswahlliste das Ergebnis der Suche, auf welches sich der wertende Warnhinweis "infizierte Datei" bezieht. Der Nutzer, der bei einer solchen Warnung alle Veranlassung hat, sich eingehend mit den Programmmitteilungen zu beschäftigen, erfährt in dem konkret von den Antragstellerinnen geschilderten Fall die Programmmeldung, ein Kosten verursachendes Einwahlprogramm gefunden zu haben. Da solche Programme unerwünscht sein können - aber nicht müssen -, ist die allgemeine Wendung "infizierte Datei" im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Nutzer muss in jedem Fall - in Kenntnis der eingeschalteten Dialer-Warnfunktion - in eigener Verantwortung entscheiden, wie er sich mit dem gemeldeten Programm zu verhalten zu gedenkt. Eine weitere Ausdifferenzierung nach Art und Rechtmäßigkeit des gefundenen Dialers mag programmseitig möglich sein. Rechtlich erforderlich ist sie vor dem in diesem Rechtsstreit glaubhaft gemachten Tatsachenhintergrund nach Auffassung des Senats nicht. | Abs. 8 |
dd. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend auch für alle anderen, zum Gegenstand des Verfügungsantrags zu 1.a. bis 1.d. gemachten Handlungsalternativen. So lange keine gezielte Behinderung gerade des Geschäftsbetriebs der Antragstellerinnen erfolgt und der Nutzer die Dialer-Warnung insgesamt als Option deaktivieren kann, haben es die Antragstellerinnen im Wesentlichen der Entscheidung der Antragsgegnerin und deren Nutzer zu überlassen, in welcher Weise sie diskriminierungsfrei mit entsprechenden Warnhinweisen umgehen. So lange sich der Kunde der Antragsgegnerin entschließt, das Programm "Antivir" weiter zu nutzen, haben es jedenfalls die Antragstellerinnen bei der hier gegebenen Sachlage nicht zu entscheiden, ob 5 Warnmeldungen oder 10 Mausklicks noch angemessen bzw. erforderlich sind. | Abs. 9 |
2. Auch eine Irreführung unter dem Gesichtspunkt des § 3 UWG kommt nicht in Betracht. Schon die gestellten Verfügungsanträge sind nicht auf die Beseitigung täuschenden Verhaltens in Bezug auf den Programmnamen "Antivir" gerichtet und deshalb ungeeignet, das Begehren der Antragstellerinnen zu stützen. Im übrigen ist gerade derjenige "mündige" selbstverantwortlich entscheidende Bürger, den die Antragstellerinnen als Nutzer ihrer Dialer-Programme ansehen, in den zum Gegenstand des Verfügungsantrags gemachten Fällen personengleich mit dem Nutzer von "Antivir", dem hier dann vielfältige Gefahren drohen sollen, vor denen er zu schützen ist. Demgemäß können die Ausführungen der Antragstellerinnen, dass dieser Nutzer bei der Verwendung von "Antivir" letztlich unbeholfen, ahnungslos und überfordert sei, nicht überzeugen. | Abs. 10 |
3. Letztlich belegt die eigene, in Anlagen 1 bis 5 dargelegte Handhabung des Einwahlprogramms der Antragstellerinnen nicht nur die Berechtigung der von ihr angegriffenen Warnhinweise, sondern auch deren Umfang und Deutlichkeit. Der durchschnittliche Internetnutzer kann der Meldung des in Abbildung 2 eingeblendeten "Logo Assistenten" gerade nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, dass die bevorstehende "Einrichtung des Anwählprogramms" irgendetwas mit der Vorbereitung einer Kosten verursachenden Maßnahme zu tun hat. Nach der Gestaltung dieses Fensters - weitere Einzelheiten zum konkreten Umfeld und weiteren deutlichen Hinweisen zur Kostenpflichtigkeit sind nicht vorgetragen - wird eine erhebliche Zahl von Nutzern zu Unrecht annehmen, die Installation des Anwählprogramms sei lediglich eine programmtechnische Notwendigkeit z.B. eines ordnungsgemäßen downloads "damit Sie den Inhalt der Website uneingeschränkt nutzen können", wie weiter oben in dem Fenster zu lesen ist. Erst nach weiteren - mit OK zu bestätigenden Schritten - beim Erscheinen des Fensters in Anlage 5 kann der Nutzer dann bei ordnungsgemäßer Aufmerksamkeit des gesamten Bildschirminhalts erkennen, dass die Maßnahme der Vorbereitung eines gebührenpflichtigen Abrufs zum Preis von EUR 1,99/min. diente. Zu diesem Zeitpunkt ist das Dialer-Programm aber bereits ohne seinen insoweit erklärten Willen auf seinem PC installiert worden und die Gefährdung hat sich konkretisiert, vor der auch das Programm "Antivir" schützen soll. Deshalb zeigt das von den Antragstellerinnen selbst gewählte Beispiel, dass der Internet-Nutzer auch bei ordnungsgemäß registrierten Dialern jeden Anlass haben kann, bei ihrer Installation eine deutliche und drastisch formulierte Warnung zu wünschen, um sich der Tatsache bewusst zu werden, dass hiermit der Abruf kostenpflichtiger Dienste z.B. über eine 0011-Nummer vorbereitet wird | Abs. 12 |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
| JurPC Web-Dok. 5/2005, Abs. 13 |
[online seit: 07.01.2005] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen,
JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Hamburg, Hanseatisches Oberlandesgericht, Verdächtige Datei - JurPC-Web-Dok. 0005/2005 |