OLG Koblenz |
BGB § 307 Abs. 1 S. 1 |
Leitsatz (der Redaktion) |
Eine Vertragsklausel, nach der der Internet-Provider einen Vertrag über die Zurverfügungstellung eines Internet-Zugangs mit Mindestlaufzeit jederzeit mit einer Frist von 4 Wochen kündigen kann, der Kunde aber nur mit einer Frist von 4 Wochen zum Ende der Mindestlaufzeit, verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, da die in der unterschiedlichen Dauer der Vertragsbindung zum Ausdruck kommende Ungleichbehandlung der Vertragspartner gegen Treu und Glauben verstößt. |
Gründe |
I. Der klagende Verein, der nach seiner Satzung Verbraucherinteressen wahrnimmt, wendet sich im Wege der Unterlassungsklage nach § 1 Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) gegen die Verwendung einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. | JurPC Web-Dok. 53/2004, Abs. 1 |
Die Beklagte ist ein Provider, die dem Kunden entgeltlich Internet-Zugänge zur Verfügung stellt. In ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie den Verträgen zugrunde legt, heißt es unter Ziffer 6.4: | Abs. 2 |
| Abs. 3 |
Für den Kunden gilt dies nicht. Er kann nach dieser Klausel mit einer Frist von vier Wochen zum Ende der Mindestlaufzeit kündigen. | Abs. 4 |
Die Klägerin meint, die Klausel mit der asymmetrischen Kündigungsfrist benachteilige den Kunden unangemessen. Demgegenüber weist die Beklagte darauf hin, dass es sich nicht um unterschiedliche Kündigungs- sondern um unterschiedliche Bindungsfristen handele. Ein gesetzliches Leitbild, wonach ein Vertrag beide Parteien stets gleichlang binden müsse, existiere nicht. | Abs. 5 |
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die beanstandete Klausel verstoße nicht gegen § 307 BGB. Es liege weder ein Fall der gesetzlichen Regelbeispiele einer unangemessenen Benachteiligung noch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Die Klausel verstoße auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 93/13/EWG nicht gegen die Generalklausel des § 307 Abs.1 S.1 BGB. Der Vertragspartner der Beklagten werde durch die Klausel zwar eindeutig benachteiligt; dem stehe jedoch das schützenswerte Interesse der Beklagten gegenüber, ihr Unternehmen wirtschaftlich zu betreiben. Da sie Leitungen anmieten müsse, um ihren Kunden die Möglichkeit des Zugangs zum Internet gewähren zu können, müsse sie die Zahl ihrer Kunden kontrollieren können. Die Ungleichbehandlung verstoße noch nicht gegen Treu und Glauben. | Abs. 6 |
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. | Abs. 7 |
Sie betont, dass die Klausel, durch die der wirtschaftlich wesentlich Stärkere eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit habe, während der Verbraucher an einer einjährigen Vertragslaufzeit festhalten müsse, gegen Treu und Glauben verstoße. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte sich konsequenz-los aus dem Vertrag lösen könne, auch wenn sie vor Vertragsabschluss nicht geprüft habe, ob sie den Vertrag erfüllen könne. Das Landgericht hätte auch berücksichtigen müssen, dass den Verbrauchern durch den vorzeitigen Wechsel Kosten entstünden. | Abs. 8 |
Die Beklagte tritt dem entgegen. | Abs. 9 |
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die dabei überreichten Unterlagen Bezug genommen. | Abs. 10 |
II. Die Berufung ist begründet. | Abs. 11 |
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klausel infolge Verstoßes gegen § 307 Abs.1 S.1 BGB unwirksam. | Abs. 12 |
Nach § 307 Abs.1 S.1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine AGB- oder Formularklausel unangemessen, in der der die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nehmende Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGHZ 89, 206, 210 f.). | Abs. 13 |
Ein wesentliches Indiz dafür ist die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen, soweit diese nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, sondern dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleihen (BGH a.a.O.). | Abs. 14 |
Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die beanstandete Klausel nicht gegen ein solches gesetzliches Leitbild verstößt. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob es sich bei dem Internet-Provider-Vertrag um einen Mietvertrag oder um einen Dienstvertrag handelt, denn die Vereinbarung asymmetrischer Kündigungsfristen ist in beiden Fällen grundsätzlich zulässig. | Abs. 15 |
Das Landgericht weist auf die Rechtsprechung zu asymmetrischen Kündigungsfristen im Mietrecht hin. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten wesentlichen Grundsätze des gesetzlichen Mietrechts keine unterschiedslos gleichlange Bindung beider Vertragsparteien an das Mietverhältnis fordern (vgl. BGH NJW 2001, 3480, 3482). | Abs. 16 |
Auch die Vereinbarung ungleicher Kündigungsfristen im Dienstvertragsrecht ist grundsätzlich möglich. Zur näheren Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil, denen er sich anschließt. | Abs. 17 |
In vorliegendem Fall handelt es sich zwar nicht um asymmetrische Kündigungsfristen, denn beide Vertragsparteien können mit einer Frist von vier Wochen kündigen. Wenn ein Vertrag auf bestimmte Zeit geschlossen wurde oder eine Mindestlaufzeit vereinbart wurde, kann der Vertrag seitens des Kunden jedoch -unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist- nur zum jeweiligen Ablauf gekündigt werden. Die Beklagte ist hingegen berechtigt, unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist jederzeit zu kündigen. | Abs. 18 |
Es handelt sich somit um unterschiedliche Bindungsfristen, die faktisch aber zu dem gleichen Ergebnis führen. Der Senat hat daher keine Bedenken, die oben genannte Rechtsprechung auch auf die hier vorliegende Fallvariante anzuwenden. | Abs. 19 |
Die grundsätzliche Möglichkeit der Vereinbarung unterschiedlich langer Kündigungs- bzw. Bindungsfristen in allgemeinen Geschäftsbedingungen kann aber im Einzelfall wegen Einseitigkeit, Störung des Äquivalenzverhältnisses oder bei krassen Abweichungen wegen allgemeiner gegen Treu und Glauben verstoßender unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam sein (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). | Abs. 20 |
Eine solche einseitige unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers ist in der hier zu beurteilenden Klausel entgegen der Auffassung des Landgerichts enthalten. | Abs. 21 |
Die Klausel bedeutet für den Kunden, dass er bei einer vereinbarten Mindestlaufzeit nicht vor Ende der Laufzeit kündigen kann, während der Beklagte an diese Mindestlaufzeit nicht gebunden ist. Er kann mit einer Frist von vier Wochen jederzeit das Vertragsverhältnis beenden, also sogar unmittelbar nach Vertragsabschluss. | Abs. 22 |
Dass die Vertragspartner der Beklagten durch diese vor dem Ablauf der Mindestlaufzeit gegebene Kündigungsmöglichkeit eindeutig benachteiligt werden, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. | Abs. 23 |
In dieser Regelung ist ein Ungleichgewicht zu Lasten des Kunden zu erkennen, denn die Dauer des Vertragsverhältnisses steht für diesen völlig unabsehbar im Belieben der Beklagten, die sich aber ihrerseits auf die vereinbarte Mindestlaufzeit berufen kann. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verstößt diese Ungleichbehandlung gegen Treu und Glauben. | Abs. 24 |
Auch wenn zwar grundsätzlich unterschiedliche Regelungen über die zeitliche Bindung und unterschiedliche Kündigungsregelungen unter dem Gesichtspunkt des § 9 AGBG a.F. bzw. § 307 BGB n.F. nicht zu beanstanden sind, liegt hier eine einseitige Kündigungsmöglichkeit der Beklagten vor, für die kein berechtigter Grund vorliegt. | Abs. 25 |
Das Landgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte ein schützenswertes Interesse daran habe, ihr Unternehmen wirtschaftlich zu betreiben und dass dies voraussetze, dass sie die Zahl ihrer Kunden kontrollieren könne, da sie ihrerseits Leitungen anmieten müsse, um ihren Kunden die Möglichkeit des Zugangs zum Internet gewähren zu können. | Abs. 26 |
Abgesehen davon, dass sich die Frage stellt, ob die Beklagte nicht vor Vertragsabschluss mit ihren Kunden prüfen muss, ob sie über entsprechende Kapazitäten verfügt, ergibt die kundenfeindlichste Auslegung, dass die Beklagte nicht nur aus dem von ihr genannten Grund der mangelnden Kapazität kündigen kann, sondern aus beliebigen Gründen. Die Beklagte muss gar keine Gründe angeben. Die Klausel ermöglicht der Beklagten vielmehr, beliebig viele Verträge jederzeit zu kündigen. Diese Möglichkeit hat der Kunde nicht, ohne dass für diese Ungleichbehandlung ein berechtigter Grund besteht. Die Klausel ist daher unwirksam. | Abs. 27 |
Der Einwand der Beklagten, die Klausel werde nicht nur bei Verträgen mit einer Mindestlaufzeit von 12 Monaten verwendet, sondern könne auch bei Verträgen mit kürzeren Mindestlaufzeiten (z.B. 6 Monaten) verwendet werden und sei dann wirksam, führt zu keiner anderen Beurteilung. | Abs. 28 |
Bei der abstrakten Inhaltskontrolle der Klausel ist von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen. Die Klausel kann bei Mindestlaufzeiten aller Art verwendet werden. Die kundenfeindlichste Auslegung ergibt, dass der Verbraucher deutlich länger an den Vertrag gebunden sein kann, als der Verwender. Darin liegt aber - wie oben bereits ausgeführt - eine unangemessene und nicht hinnehmbare Benachteiligung, weshalb die Klausel unwirksam ist. Die Klausel in ihrer uneingeschränkten Fassung ist daher generell zu untersagen. | Abs. 29 |
Entgegen der Auffassung der Beklagten obliegt es nicht dem Senat, eine Einschränkung der Klausel vorzunehmen. Die Beklagte selbst ist jedoch nicht gehindert, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel mit kürzeren Bindungsfristen, bei denen noch keine unangemessene Benachteiligung des Kunden vorliegt, aufzunehmen. | Abs. 30 |
Im Tenor war das Verwendungsverbot auf die nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes am 1.4.1977 geschlossenen Verträge auszudehnen. | Abs. 31 |
Die Klägerin nennt in ihrem Antrag zwar nur Verträge, die nach dem 1.4.1997 geschlossen wurden. Hierbei handelt es sich aber um eine offensichtlichen Schreibfehler. Das AGB-Gesetz ist am 1.4.1977 in Kraft getreten und ist - wie das nachfolgende UKlaG - nur auf die danach geschlossenen Verträge anwendbar. Diesen Bezug wollte die Klägerin mit ihrem Antrag herstellen. Für eine Beschränkung auf nach dem 1.4.1997 geschlossene Verträge findet sich in der Klageschrift und auch den weiteren Schriftsätzen kein Anhaltspunkt. Der Antrag war dementsprechend auszulegen. | Abs. 32 |
Deshalb gibt der Schriftsatz der Beklagten vom 9.10.2003, der die Einschränkung des Antrags erwähnt, dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. | Abs. 33 |
III. Der Kostenausspruch folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. | Abs. 34 |
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO. | Abs. 35 |
Der Senat lässt die Revision gegen diese Entscheidung nicht zu, da keiner der in § 543 Abs.2 ZPO genannten Gründe vorliegt. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine grundsätzliche Bedeutung hat. Im Übrigen sind die Voraussetzungen zur Beurteilung der Frage der unangemessenen Benachteiligung gemäß § 9 Abs.1, Abs.2 Nr.1 AGBG, der im Kern unverändert als § 307 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wurde, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich geklärt. Die danach vorzunehmende Abwägung der Interessen im konkreten Fall ist wiederum eine Frage des Einzelfalls und rechtfertigt deshalb die Zulassung der Revision nicht. | Abs. 36 |
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000
EUR festgesetzt. In dieser Höhe ist die Beklagte durch die Entscheidung
beschwert.
| JurPC Web-Dok. 53/2004, Abs. 37 |
[online seit: 12.01.2004] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Koblenz, OLG, Kündigungsrecht für Online-Provider - JurPC-Web-Dok. 0053/2004 |