AG Kehl |
FernAbsG §§ 3 Abs. 1, Abs. 2; BGB §§ 361a, 156 |
Leitsätze (der Redaktion) |
1. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 5 FernAbsG bei Fernabsatzverträgen, die in der Form von Versteigerungen (§ 156 BGB) geschlossen werden, erfasst nur Versteigerungen im Rechtssinne, d.h. Verträge, die entsprechend § 156 BGB durch das Gebot eines Teilnehmers und den Zuschlag des Versteigerers zustande kommen. Legen die AGB der Versteigerungsplattform jedoch fest, dass die Verträge durch Angebot und Annahme zwischen Anbieter und Bietendem zustandekommen, ist für einen Vertragsschluss nach § 156 BGB kein Raum. 2. Eine analoge Anwendung des § 156 BGB und damit des § 3 Abs. 2 Nr. 5 FernAbsG auf Fälle der vorliegenden Art kommt nicht in Betracht, da zum einen eine Regelungslücke nicht vorliegt und zum anderen die Gründe des Verbraucherschutzes, die zum Erlass des Fernabsatzgesetzes geführt haben, dagegen sprechen. |
Tatbestand |
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Bezahlung von vier bei einer Online-Auktion erworbenen Ringen in Anspruch. Der Kläger bietet auf der Website der Firma ... gewerblich Schmuck zur Ersteigerung an. | JurPC Web-Dok. 243/2003, Abs. 1 |
Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma ..., denen sich beide Parteien unterworfen haben, lauten auszugsweise wie folgt (vgl. AS 79 ff): | Abs. 2 |
| Abs. 3 |
Der Beklagte ersteigerte im November 2000 vier Ringe zu DM 545, DM 1.010, DM 715 und DM 355 (vgl. AS 23). Der Kläger hatte in seiner Annonce den Ringen sogenannte "V.-Preise" von DM 8.700, DM 19.900, DM 18.900 und DM 4.900 zugeordnet (AS 23). Wegen der weiteren vom Kläger zu den Ringen gemachten Angaben wird auf AS 23 verwiesen. | Abs. 4 |
Nachdem der Kläger für die Ringe keine Zertifikate beibringen konnte, teilte ihm der Beklagte mit email vom 29.11.2000 mit, dass er die Ringe weder bezahle noch abnehme. Mit Schreiben vom 27.12.2000 verweigerte der Beklagte Bezahlung der Ringe (AS 11), da die angegebenen "V-Preise" unrichtig seien. | Abs. 5 |
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet sei, da zwischen den Parteien wirksame Verträge zustande gekommen seien. Anfechtungs- oder Widerrufsrechte stünden dem Beklagten nicht zu, da er keine unrichtigen Angaben zum Wert oder der Beschaffenheit der Ware gemacht habe. Mit "V.-Preis" habe er seinen "erwünschten Verkaufspreis" angegeben. Das Fernabsatzgesetz sei gemäß § 3 Abs. 2 Ziffer 5 FernAbsG auf die streitigen Verträge, die in Form einer Versteigerung geschlossen worden seien, nicht anwendbar, da der Kläger nach den AGB der Firma ... - unstreitig - verpflichtet ist, die Ware an den Höchstbietenden abzugeben. Solche Versteigerungen stellten für beide Seiten ein Risiko dar. Es liege ein typischer Fall von Kaufreue vor. | Abs. 6 |
Der Kläger beantragt,
| Abs. 7 |
Der Beklagte beantragt,
| Abs. 8 |
Er ist der Auffassung, vom Kläger arglistig getäuscht worden zu sein. Aufgrund der angegebenen "V.-Preise" sei er davon ausgegangen, dass dieser Preis im Handel üblich sei und die Ringe einen entsprechenden Wert hätten und der Kläger Zertifikate der Ringe liefere. Tatsächlich seien die Ringe allenfalls DM 500, DM 1.000, DM 700 und DM 300 wert. Er sei berechtigt, die Verträge gemäß dem Fernabsatzgesetz zu widerrufen. | Abs. 9 |
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile Bezug genommen. | Abs. 10 |
Entscheidungsgründe |
Die Klage ist zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg. | Abs. 11 |
I. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Bezahlung der streitgegenständlichen Ringe, da der Beklagte den zustande gekommenen Kaufvertrag durch seine email vom 29.11.2000 wirksam gemäß §§ 3 Abs. 1 FernAbsG, 361a BGB widerrufen hat. | Abs. 12 |
1. Zwischen den Parteien sind nach Ablauf der Online-Auktion (§ 7 Abs. 3 AGB der Firma ...) durch die jeweiligen Angebote des Klägers und die Annahme durch den Beklagten gemäß §§ 145, 147 BGB, 7 Abs. 1 und 2 der AGB der Firma ... vier Kaufverträge im Sinne von § 433 BGB zustande gekommen (so im Ergebnis auch BGH NJW 2002, 363, 364). | Abs. 13 |
Es liegt dagegen kein Vertragsschluss im Sinne von § 156 BGB vor, weil der Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 AGB der Firma ... Angebote des Klägers angenommen hat. Bei Versteigerungen im Sinne von § 156 BGB nimmt jedoch der Versteigerer ein Angebot des Bietenden an (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., § 156, RN 1). Diese Fallgestaltung besteht ersichtlich nicht. | Abs. 14 |
2. Der Beklagte hat jedoch seine auf die vier Vertragsschlüsse gerichteten Willenserklärungen durch seine email vom 29.11.2000 wirksam widerrufen. | Abs. 15 |
a) Das Fernabsatzgesetz ist auf die im November 2000 geschlossenen Verträge gemäß § 6 FernAbsG zeitlich anwendbar. | Abs. 16 |
b) Der Kläger ist unstreitig gewerblich tätig und damit Unternehmer im Sinne von §§ 1 FernAbsG, 14 Abs. 1 BGB; der Beklagte ist unstreitig Verbraucher (§§ 1 Abs. 1 FernAbsG, 13 BGB). Die Verträge wurden online, und damit unter ausschliesslicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 FernAbsG). | Abs. 17 |
c) Das Widerrufsrecht ist nicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 5 FernAbsG ausgeschlossen. Gemäß dieser Vorschrift besteht ein Widerrufsrecht nicht bei Fernabsatzverträgen, die in der Form von Versteigerungen (§ 156 BGB) geschlossen werden. Dieser Ausschlusstatbestand erfasst nur Versteigerungen im Rechtssinne, d.h. Verträge, die entsprechend § 156 BGB durch das Gebot eines Teilnehmers und den Zuschlag des Versteigerers zustande kommen (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., § 3 FernAbsG, RN 12). Eine solche Vertragsgestaltung bestand zwischen den Parteien - wie ausgeführt - aufgrund der vereinbarten AGB der Firma ... gerade nicht (offen gelassen auch vom BGH a.a.O.; vgl. zu den Unterschieden auch KG, NJW 2001, 3272). Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall kommt nicht in Betracht, da zum einen eine Regelungslücke nicht vorliegt und zum anderen die Gründe des Verbraucherschutzes, die zum Erlass des Fernabsatzgesetzes geführt haben (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., FernAbsG, Einführung), dagegen sprechen. | Abs. 18 |
d) Der Widerruf erfolgte durch email vom 29.11.2000 form- (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., § 361a, RN 18) und fristgerecht, weil der Kläger den Beklagten bisher auf sein Widerrufsrecht nicht hingewiesen hat (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FernAbsG). | Abs. 19 |
3. Die Klage war bereits aus diesen Gründen im Ergebnis abzuweisen. Auf die Frage, ob Anfechtungsgründe vorliegen, kommt es nicht an. Es kann auch offenbleiben, ob dem Zahlungsanspruch des Klägers ein aufrechenbarer Anspruch des Beklagten auf Schadensersatz (Befreiung von der Verbindlichkeit im Wege der Naturalrestitution) gemäß §§ 3, 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 UWG entgegensteht. Irreführend im Sinne von § 3 UWG ist die Angabe des Klägers "V.-Preis" in jedem Fall, weil ihre Bedeutung unklar und mehrdeutig ist (vgl. zu einem ähnlichen Fall: OLG Stuttgart, WRP 1997, 873, 877). | Abs. 20 |
II. Die Entscheidungen hinsichtlich der Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 91 Abs. 1 ZPO und § 708 Nr. 11, 711 ZPO. | JurPC Web-Dok. 243/2003, Abs. 21 |
[online seit: 06.10.2003] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Kehl, AG, Widerruf von Fernabsatzgeschäften - JurPC-Web-Dok. 0243/2003 |