AG Bonn |
BGB §§ 823, 1004 |
Leitsätze (der Redaktion) |
1. Unaufgeforderte E-Mail-Werbung gegenüber einer Rechtsanwaltskanzlei stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. 2. Die unaufgeforderte E-Mail-Werbung gegenüber einer Rechtsanwaltskanzlei führt in der Kanzlei zu einem inhaltlichen Prüfungsaufwand, da Sorge getragen werden muss, dass nicht etwa für die Kanzlei wichtige Daten versehentlich gelöscht werden. 3. Eine Wiederholungsgefahr wird bereits nach einem erfolgten einmaligen Versand von Werbe-Mails vermutet und kann nur ausgeschlossen werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Versendung durch eine einmalige Sondersituation veranlasst war. |
Tatbestand |
Die Beklagte übersandte der Klägerin am 22.11.2002 unverlangte Werbe-E-Mails. In diesen warb die Beklagte um Zeichnung von Fondsbeteiligungen an der mit ihr verbundenen "...". | JurPC Web-Dok. 183/2003, Abs. 1 |
Unter dem 25.11.2002 mahnte die Klägerin die Beklagte aufgrund des vorgeschilderten Verhaltens ab. Die Beklagte wurde in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass die Übersendung unverlangter Werbe-E-Mails einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Auffassung der Klägerin darstelle, der den Betriebsablauf nachhaltig störe. Die Klägerin wies dabei darauf hin, dass sie ihr Einverständnis zur Übersendung von Werbe-E-Mails niemals erteilt habe und auch niemals erteilen werde. Sie wies ferner darauf hin, dass keine laufende Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien bestanden habe. | Abs. 2 |
Im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Unterlassung weiterer E-Mail-Werbung wurde die Beklagte aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung rechtsverbindlich zu unterzeichnen und an die Klägerin zurückzusenden. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung war ein Betrag von 5.500,00 Euro vorgesehen. Gleichzeitig fügte die Klägerin diesem Schreiben eine Kostennote in Höhe von 114,71 Euro bei. Die Kostennote wurde von der Beklagten ausgeglichen. Sie gab allerdings die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab. | Abs. 3 |
Die Klägerin ist der Auffassung, dass durch die unverlangte Werbung, zu der auch kein vermutetes Einverständnis bestanden habe, ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gegeben sei. Ihr Betriebsablauf werde nachhaltig gestört, indem täglich Unmengen unverlagerter Werbe-E-Mails geprüft werden müssten, um die tatsächlich bedeutsamen E-Mails herauszufiltern. Gerade für Rechtsanwälte sei es nicht ohne weiteres möglich, E-Mails ohne sorgfältige Prüfung anhand des Absenders und des Betreffs zu löschen, um ein versehentliches Löschen von E-Mails, die keine Werbung darstellen, zu vermeiden. | Abs. 4 |
Zudem verursache das Herausfiltern der für die Klägerin wichtigen E-Mails durch die zusätzliche Nutzung des Internet Mehrkosten. Auch führe die verschwendete Arbeitszeit zu einer nicht unbeträchtlichen Kostenlast. Schließlich könne eine große Zahl von Werbe-E-Mails zu einer Überschreitung der Speicherkapazität der Mail-Box der Klägerin und einen hierdurch verursachten Datenverlust bzw. Fehlermeldungen führen. | Abs. 5 |
Die Klägerin beantragt,
| Abs. 6 |
Die Beklagte beantragt,
| Abs. 7 |
Sie ist der Ansicht, dass kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliege. Die zur Telefaxwerbung ergangene Rechtssprechung sei auf die E-Mail Werbung nicht ohne weiteres übertragbar, zudem sei es bei der streitgegenständlichen Werbung um einen bestimmten Fond gegangen, der gerade für Anwälte von Interesse sein müsse. Schon deshalb sei von einem vermuteten Einverständnis zur Übersendung der Werbung auszugehen. Auch bestehe keine Wiederholungsgefahr. Sie, die Beklagte, habe ohne wenn und aber anerkannt, der Klägerin keine unbestellte E-Mail-Werbung mehr zuzusenden. Auch wenn sie keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben habe, sei damit die Vermutung einer Wiederholungsgefahr ausgeräumt. | Abs. 8 |
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf den Inhalt der Schriftsätze und auf die sonstigen zu den Akten gerichteten Unterlagen Bezug genommen. | Abs. 9 |
Entscheidungsgründe |
Die Klage ist begründet. | Abs. 10 |
Der Klägerin steht aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB analog zu. | Abs. 11 |
Das Gericht ist mit der Klägerin der Auffassung, dass es sich bei unaufgeforderter E-Mail-Werbung im Ergebnis um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelt. Es ist der Klägerin zuzugestehen, ein Eigeninteresse daran zu haben, nicht mit unbestellten E-Mails behelligt zu werden. Der Vortrag der Klägerin, zu einer inhaltlichen Kontrolle gezwungen zu werden, um nicht Daten, die für die Kanzlei wichtig sind, zu löschen, ist stichhaltig. Diese Sichtung ist mit einem Zeitaufwand, mit Materialkosten und mit Personalaufwand verbunden und ist, auch wenn die Klägerin das Medium E-Mail nutzt, nicht hinnehmbar. Etwas anderes kann nur gelten, wenn sie klar erklärt hat oder wenn aus den Umständen angenommen werden kann, dass die Klägerin mit der Zusendung unbestellter E-Mails einverstanden ist. Hiervon kann jedoch vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Argumentation der Beklagten, es handele sich nicht um irgend eine Werbung, sondern um die Vorstellung eines bestimmten Fonds, der gerade für Anwälte von besonderem Interesse sei, ist nicht stichhaltig. Jeder Werbende, der gerade spezifische Berufsschichten durch E-Mail-Werbung anspricht, kann dieses Argument anführen. Es dient letztlich nur dazu, den Eindruck zu erwecken, dass gerade die Werbung der Beklagten von besonderem Gewicht sei und deshalb ein Einverständnis der Zusendung zu vermuten sei. Derartige Kriterien sind jedoch für die Frage, ob ein vermutetes Einverständnis zur Übersendung gerade dieser Werbung vorliegt, irrelevant. | Abs. 12 |
Die Übersendung der E-Mail-Werbung war auch rechtswidrig. Das Interesse der Klägerin an einem ungestörten Geschäftsbetrieb ist höher zu bewerten als das Interesse der Beklagten an dieser, für sie bequemen und kostengünstigen Werbemethode. | Abs. 13 |
Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Sie ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte der Klägerin gegenüber erklärt hatte, "ohne wenn und aber" auf eine unbestellte Zusendung von E-Mail-Werbung zu verzichten. Dies beseitigt nicht die Wiederholungsgefahr. Hat, wie vorliegend, ein rechtswidriger Eingriff bereits stattgefunden, so wird die Wiederholungsgefahr vermutet. Zwar kann diese Vermutung auch wiederlegt werden, was wiederum dann angenommen werden kann, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst gewesen ist. Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass die von ihr vorgenommene Werbung zeitlich begrenzt war und ein Zuschicken derartiger E-Mails an die Klägerin schon aus objektiven Gründen nicht mehr durchgeführt werde. | Abs. 14 |
Fehlt es manchmal an einer einmaligen Sondersituation, so müssen an die Widerlegung der Vermutung der Wiederholungsgefahr hohe Anforderungen gestellt werden. Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Die Beklagte hat sich während der gesamten Zeit und auch noch während des vorliegenden Rechtsstreits geweigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Für den Bereich des Wettbewerbsrecht hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass die Wiederholungsgefahr nur dann entfällt, wenn der Verletzer dem Verletzen gegenüber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Ohne eine solche Erklärung ist die Verneinung der Wiederholungsgefahr allenfalls in ganz ungewöhnlichen Ausnahmefällen denkbar. Dieser Grundsatz gilt auch für den deliktischen Unterlassungsanspruch, jedoch nicht mit gleicher Strenge. Während im Bereich des Wettbewerbsrechts die Verletzungshandlungen in der Regel dadurch geprägt sind, dass der Verletzer starke wirtschaftliche Interessen verfolgt, kann die Motivation des Verletzters im deliktischen Bereich vielfältiger Art sein. Dem ist bei der Bemessung der Anforderungen an die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr Rechnung zu tragen. Im Deliktsrecht kann deshalb der Schwere des Eingriffs, den Umständen der Verletzungshandlungen, dem Fall bezogenen Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und vor allem der Motivation des Verletzers für die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr durchaus ein erhebliches Gewicht zukommen. Dies ändert indes im vorliegenden Fall nichts daran, dass die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht als widerlegt zu erachten ist. Dies folgt insbesondere daraus, dass sich die Beklagte bei ihrem Vorgehen auch von eigenwirtschaftlichen Interessen hat leiten lassen und das diese wiederum Antrieb für ein nochmaliges deliktisches Handeln sein können. In jedem Fall ist die abgegebene Unterlassungserklärung, die keine wirtschaftlichen Folgen im Falle des Bruchs nach sich zieht, nicht als ausreichendes Kriterium zur Verneinung einer Wiederholungsgefahr anzuerkennen. Hätte die Beklagte berechtigte Ängste der Klägerin wirksam ausräumen wollen, wäre es ihr unbenommen gewesen, die von der Klägerin geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die hierin vorgesehenen 5.500,00 Euro als Strafe für den Fall der Zuwiderhandlung sind nicht als überhöht anzusehen. | Abs. 15 |
Nach allem war der Klage deshalb statt zu geben. | Abs. 16 |
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. | Abs. 17 |
Streitwert: 2.000,00 Euro
| JurPC Web-Dok. 183/2003, Abs. 18 |
Anmerkung der Redaktion: Auf die Entscheidung hat uns freundlicherweise die Kanzlei Meyer-Köring, v. Danwitz, Privat, Bonn, aufmerksam gemacht. |
[online seit: 04.08.2003] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Bonn, AG, E-Mail-Werbung - JurPC-Web-Dok. 0183/2003 |