LG Berlin |
BGB §§ 823, 1004 |
Leitsätze (der Redaktion) |
1. Der Empfänger eines E-Mail-Newsletters mit Werbeinhalt für ein Internet-Gewinnspiel hat einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB, da durch die unverlangte Übersendung der Werbe-Mail das über § 823 Abs. 1 geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers verletzt wird. 2. Die Beweislast dafür, dass der E-Mail-Empfänger sich in die Newsletter-Liste eingetragen hat, trägt der Veranstalter des Newsletters; eine Umkehr der Beweislast unter dem Gesichtspunkt des beherrschten Gefahrenkreises kommt nicht in Betracht, da der E-Mail-Empfänger den komplexen Weg des E-Mailing nicht besser beherrscht als der Veranstalter. |
Tatbestand |
Der Antragsteller ist Webdesigner. Er hat einen privaten Internetanschluss bei dem Provider ... mit der Adresse ... und einen geschäftlich genutzten Internetanschluss bei dem Provider ... unter ... . | JurPC Web-Dok. 16/2002, Abs. 1 |
Die Antragsgegner veranstalten unter der Geschäftsbezeichnung "Gewinnidee" kostenlos Gewinnspiele im Internet. "Gewinnidee" hat derzeit etwa 102.000 Mitspieler. | Abs. 2 |
Die Benutzerdatenbank von "Gewinnidee" ist in zwei Teile untergliedert: Zum einen existiert eine Datenbank, auf der die Benutzer der regelmäßig angebotenen Spiele registriert werden. Zum anderen werden Sonder-Gewinnspiele wie beispielsweise eine "CoBingo-Aktion" durchgeführt, für die jeweils eine eigene Datenbank eingerichtet ist. Zwischen diesen Datenbanken gibt es keine Querverbindung. | Abs. 3 |
Vor der Teilnahme an einem Spiel wird die E-Mail-Adresse des Benutzers abgefragt und gespeichert, damit eventuelle Gewinner benachrichtigt sowie die Mitspieler in unregelmäßigen Abständen per E-Mail über neue Gewinnspiele informiert werden können. Mit der Eingabe der E-Mail-Adresse kann außerdem ein unregelmäßiger, ebenfalls per E-Mail zugesandter Newsletter abonniert werden. | Abs. 4 |
Dabei ist es möglich, dadurch ungewollt in den Verteiler von "Gewinnidee" zu geraten, dass Dritte die entsprechende E-Mail-Adresse eingeben. Die von den Beklagten unter "Gewinnidee" versandten E-Mails sind daher regelmäßig mit dem Hinweis versehen: | Abs. 5 |
"Als öffentliche Gewinnspielplattform können wir leider nicht ausschließen, daß unberechtigte Dritte unaufgefordert eMail-Adressen in unseren Newsletter-Verteiler eingeben bzw. an unseren Gewinnspielen unter anderen Namen (eMail-Adressen) teilnehmen. Um Ihre Adresse zu löschen, klicken Sie bitte auf den untenstehenden Link: (...)" | Abs. 6 |
Am 26. März 2000 erhielt der Antragsteller unter seiner Adresse bei "online.de" von den Antragsgegnern eine E-Mail, in der für ein Gewinnspiel geworben wurde. Nachdem der Antragsteller die Antragsgegner daraufhin abgemahnt hatte, verpflichteten sich die Antragsgegner am 30. März 2000 in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, " ... ohne Präjudiz der Rechtslage, künftig nicht mehr im Wege der eMailwerbung an Herrn ... unter seiner eMail-Adresse ... .de" heranzutreten." | Abs. 7 |
Am 26. Mai erhielt der Antragsteller unter seiner ... Adresse eine weitere E-Mail-Werbung der Antragsgegner. Daraufhin forderte der Antragsteller die Antragsgegner mit Schreiben vom 29. Mai 2000 erneut zur Abgabe einer Unterlassungserklärung ab, diesmal ohne Beschränkung auf eine bestimmte E-Mail-Adresse. | Abs. 8 |
Am 22. Juni 2000 erhielt der Antragsteller unter seiner ... -Adresse eine weitere E-Mail der Antragsgegner, in der über ein "CoBingo"-Spiel informiert wurde. Mit Schreiben vom 23. Juni 2000 forderte der Antragsteller daher von den Antragsgegnern die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe von DM 5.000,00. | Abs. 9 |
Am 28. Juni 2000 wurde dem Antragsteller unter seiner ...-Adresse die Anmeldung. Des "CoBingo"-Spiels bestätigt. | Abs. 10 |
Der Antragsteller hat am 30. Juni 2000 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der den Antragsgegnern bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, "... im Wege der eMailwerbung an den Antragsteller unter der Anschrift heranzutreten, es sei denn, der Antragsteller hat der jeweiligen Sendung zuvor zugestimmt oder das Einverständnis kann vermutet werden." | Abs. 11 |
Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegner, denen die einstweilige Verfügung am 6. Juli 2000 im Parteibetrieb zugestellt worden ist. | Abs. 12 |
Der Antragsteller behauptet, nicht mit "Gewinnidee" in Geschäftsverbindung gestanden zu haben oder zu stehen und insbesondere auch nicht seine E-Mail-Adresse bei einem der Gewinnspiele oder dem Newsletter eingetragen zu haben. Die genannten E-Mails seien ihm sämtlich ohne sein Einverständnis zugesandt worden. | Abs. 13 |
Der Antragsteller beantragt,
| Abs. 14 |
Die Antragsgegner beantragen,
| Abs. 15 |
Die Antragsgegner behaupten, der Antragsteller habe unter seiner ...-Adresse an mindestens einem ihrer Gewinnspiele teilgenommen sowie unter derselben Adresse ihren Newsletter bestellt. Dies ergebe sich daraus, dass der Antragsteller in der allgemeinen Datenbank von "Gewinnidee" unter einem 16stelligen Code gespeichert sei. Weiter ergebe der entsprechende Datenbank-Auszug, dass die zunächst erfolgte Newsletter-Bestellung wieder gelöscht worden sei. | Abs. 16 |
Der Antragsteller habe sich außerdem am 17. Mai 2000 unter seiner ...-Adresse für die Sonderaktion "CoBingo" angemeldet. Deshalb stelle die E-Mail vom 26. Mai 2000 auch keine Werbung, sondern lediglich einen Hinweis auf die Spielregeln des "CoBingo"-Spiels dar. Die Registrierung des Antragstellers für die "CoBingo"-Datenbank könne aufgrund der Registrierungsnummer ... auf den Zeitraum zwischen dem 16. und dem 20. Juni 2000 festgelegt werden. Sie hätten angesichts der diversen Anmeldungen des Antragstellers davon ausgehen dürfen, dass der Antragsteller die Zusendung der entsprechenden E-Mails wünsche. Insgesamt verwende der Antragsteller seine unterschiedlichen Internet-Adressen in missbräuchlicher Weise dazu, um den Empfang der E-Mails und damit jeweils den vertragsstrafeauslösenden Tatbestand zu provozieren. | Abs. 17 |
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihren Verfahrensbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. | Abs. 18 |
Entscheidungsgründe |
Die einstweilige Verfügung war gemäß den §§ 936, 925 ZPO zu bestätigen, da sie zu Recht ergangen ist. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegner einen dringenden, sowohl vertraglichen als auch gesetzlichen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB. Denn der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, wiederholt - so zuletzt am 26. Mai 2000 sowie am 22. und am 28. Juni 2000 - E-Mail-Werbung von den Antragsgegner erhalten zu haben, obwohl er diese nicht erbeten hat und die Antragsgegner sogar die Unterlassung der E-Mail-Werbung an ... vertragsstrafenbewehrt versprochen haben. | Abs. 19 |
Mit der Zusendung der E-Mail-Werbung verletzen die Antragsgegner das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers. Insoweit kann die Kammer auf die Begründung ihres Beschlusses vom 30. Juni 2000 verweisen. | Abs. 20 |
Diese Verletzungshandlung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Antragsgegner die Einwilligung des Antragstellers glaubhaft gemacht hätten. Daran fehlt es jedoch hier: | Abs. 21 |
Die Einwilligung des Verletzten ist ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund, für den die Antragsgegner die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast tragen. Da die Anmeldung zu einem Internet-Gewinnspiel jedoch alleine durch die Eingabe der E-Mail-Adresse erfolgt und diese Adresse - wie die Antragsgegner selbst einräumen - auch von jedem beliebigen Dritten eingegeben werden kann, ist der erforderliche Nachweis, dass die Gewinnspiel-Anmeldung gerade von dem Inhaber der entsprechenden E-Mail-Adresse stammt, gar nicht möglich. Diese technische Unmöglichkeit ist der Gewinnspielveranstaltung via E-Mail und Internet immanent. Die von den Antragsgegnern vorgelegten Auszüge aus der "Gewinnidee"-Datenbank können daher allenfalls belegen, dass die E-Mail-Adresse "... .de" registriert wurde, nicht jedoch, dass es auch der Antragsteller war, der diese Registrierung veranlasst hat. | Abs. 22 |
Die Kammer verkennt nicht, dass es neben der unbefugten Anmeldung durch außenstehende Dritte auch den Missbrauch durch Personen gibt, die zunächst eine ihrer diversen E-Mail-Adressen angeben, die empfangene E-Mail dann aber auf eine weitere, und zwar vertragsstrafenbelegte Adresse umlenken. Diese Möglichkeiten begründen aber keine unzumutbare Beweisnot der Antragsgegner in dem Sinne, dass hier die Beweislast umzukehren und von dem Antragsteller sein fehlendes Einverständnis nachzuweisen ist. | Abs. 23 |
Eine Umkehr der Beweislast kommt allgemein dann in Betracht, wenn der zu beweisend Umstand normalerweise in einem Bereich angesiedelt ist, den die an sich nicht beweisbelastete Partei beherrscht (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 58. Aufl., § 282 BGB, Rn 2). So liegt es hier jedoch nicht: Eröffnet werden die Möglichkeiten des Missbrauchs stets durch die Betreiber des Internet-Gewinnspiels - hier die Antragsgegner - und nicht durch die Teilnehmer, die allein das Angebot der Veranstalter annehmen. Weiter beherrscht der jeweilige Inhaber einer E-Mail-Adresse - hier der Antragsteller - den im Einzelnen komplexen und technisch schwer nachvollziehbaren Weg des E-Mailing auch nicht besser als der Gewinnspiel-Veranstalter auf der anderen Seite des E-Mail-Postweges. Unter dem Gesichtspunkt des beherrschten Gefahrenkreises darf ihm daher auch nicht die Beweis- bzw. Glaubhaftmachungslast aufgebürdet werden. | Abs. 24 |
Ist nach allem auf Grund der Zusendung der E-Mails am 26. Mai 2000 sowie am 22. und 28. Juni 2000 eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers festzustellen, so besteht wegen insoweit zu vermutender Wiederholungsgefahr ein diesbezüglicher Unterlassungsanspruch. | Abs. 25 |
Die in den §§ 935, 940 ZPO vorausgesetzte Dringlichkeit dieses Unterlassungsanspruchs folgt aus der Erwägung, dass es dem Inhaber einer absolut geschützten Rechtsposition möglich sein muss, fortlaufend drohende Beeinträchtigungen dieser Position mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. | Abs. 26 |
Der weitergehende Antrag des Antragstellers, den Untersagungstenor der einstweiligen Verfügung nicht auf eine bestimmte E-Mail-Adresse zu beschränken, war zurückzuweisen, da es einem derartigen Tenor an der erforderlichen Bestimmtheit und Vollstreckbarkeit gefehlt hätte. Die Einhaltung eines unbeschränkten Verbotes wäre den Antragsgegnern nämlich deshalb nicht möglich, weil sich der Inhaber einer E-Mail-Adresse nicht stets eindeutig aus dieser ergibt. Ob der Antragsteller möglicherweise weitere E-Mail-Adressen unter Fantasiebezeichnungen anmeldet, wäre für die Antragsgegner also nicht erkenn- und der Verbotstenor daher nicht befolgbar. | Abs. 27 |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
| JurPC Web-Dok. 16/2002, Abs. 28 |
[online seit: 21.01.2002] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Berlin, LG, E-Mail-Werbung - JurPC-Web-Dok. 0016/2002 |