OVG Mecklenburg-Vorpommern
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LBG M-V §§ 57, 60, 63 Abs. 1; PersVG M-V § 70 Abs. 1 Nr. 2; DSG M-V § 8 Abs. 1 |
Leitsatz |
Zum Beweisverwertungsverbot im Verfahren wegen des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte (§ 63 Abs. 1 LBG M-V) wegen privater Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses bei unterlassener Beteiligung des Personalrats bei der Einführung von Internetanschlüssen mit systemimmanenter Verlaufsprotokollierung. |
Gründe |
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 63 Abs. 1 LBG M-V. Dem Antragsteller wird vorgeworfen, seinen dienstlichen PC zu privaten Zwecken genutzt zu haben, um während eines überwiegenden Teils seiner Dienstzeit den dienstlichen Internetzugang zu privaten Zwecken abgerufen zu haben. Er bestreitet diese Vorwürfe und behauptet, Opfer einer Intrige geworden zu sein. Das Verwaltungsgericht hat den begehrten vorläufigen Rechtsschutz versagt, weil die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, daß der Antragsteller und kein Dritter die fraglichen Internetseiten auf die Festplatte seines Rechners und den persönlichen Teil der Festplatte des Zentralrechners kopiert habe. | JurPC Web-Dok. 209/2001, Abs. 1 |
Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg. | Abs. 2 |
1.Die Beschwerde ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses zuzulassen. | Abs. 3 |
Für den Zulassungsgrund nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt es nicht, wenn allein der Betroffene an der Richtigkeit zweifelt, seine Auffassung muß unter objektiver Betrachtung nachvollziehbar sein. Die Zweifel müssen für die Entscheidung erheblich sein, also eine Rechts- oder Tatsachenfrage betreffen, deren abweichende Beurteilung zu einem für den Zulassungsantragsteller günstigeren Ergebnis führen würde (vgl. Beschlüsse des Senats vom 14.08.1997 und 27.01.1998 - 2 L 58/97 bzw. 2 M 160/97 -). Im Zulassungsverfahren ist nicht von Amts wegen umfassend darüber zu befinden, ob gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung Zweifel bestehen; der Prüfungsumfang des Oberverwaltungsgerichts ist auf das Vorbringen des Zulassungsantragstellers beschränkt (vgl. Beschluß des Senats vom 18.09.1998 -2 M 104/98-). | Abs. 4 |
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 63 Abs. 1 LBG M-V vorliegen, weil die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der Antragsteller selbst und kein Dritter die privaten Internetabrufe getätigt hat. Die weitere Aufklärung des Sachverhalts muß dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. | Abs. 5 |
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß ein Abgleich der Zugriffszeiten mit dem von der Sekretärin des Antragstellers geführten Terminkalender dafür spricht, daß die fraglichen Abfragen von ihm selbst getätigt wurden, auch wenn nicht in jedem Fall eine vollständige Übereinstimmung mit den Zeiträumen der Internetnutzung und den Zeiten, nach denen der Antragsteller keine Termine hatte, festzustellen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen. | Abs. 6 |
Gegen die vom Antragsteller behauptete Intrige gegen seine Person spricht, daß zwar vom Antragsgegner auch in diese Richtung ermittelt wurde, jedoch nach dem bisherigen Ermittlungsstand keinerlei Hinweise auf einen Zugriff durch Dritte, insbesondere nicht durch den Sachgebietsleiter EDV, festgestellt werden konnten. Der Antragsgegner hatte bereits zu Beginn der Sachaufklärung die Mitarbeiter des Landeskriminalamts, die die Untersuchung durchführten, gebeten, auch den Aspekt einer Intrige bei den Ermittlungen zu berücksichtigen. So wurde die Anwesenheit aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der EDV-Abteilung abgeglichen, um zu prüfen, ob von diesen ein Zugriff auf den PC des Antragstellers vorgenommen worden sein könnte. Zusätzlich wurde der Terminkalender des Sachgebietsleiters EDV auf Korrespondenzen zu den Zugriffszeiten auf den PC des Antragstellers hin überprüft. Darüber hinaus wurde bei einer Grobsichtung der sichergestellten alten Festplatte des PC's des Antragstellers vor der Umstellung auf das später von ihm genutzte Notebook festgestellt, daß umfangreiches Datenmaterial nicht dienstlichen Charakters gespeichert worden war. Außerdem war dem Antragsgegner bekannt geworden, daß der Antragsteller seinen Computer regelmäßig in Betrieb hatte und an ihm zu arbeiten schien, jedoch stets den Bildschirmschoner aufzog, sobald sich Jemand seinem Schreibtisch näherte. Auch hatte der Antragsteller den Monitor so aufgestellt, daß ein ungehinderter Zublick beim Betreten seines Dienstzimmers nicht möglich war. Ein unberechtigter Zugriff durch Dritte von außen konnte bei den Ermittlungen ebenfalls nicht festgestellt werden. | Abs. 7 |
Darüber hinaus liegt weder ein Verstoß gegen das Landesdatenschutzgesetz M-V - DSG M-V - vom 24.07.1992 (GVOBl. Seite 497), zuletzt geändert am 07.07.1995 (GVOBl. Seite 282) noch gegen das Personalvertretungsgesetz M-V - PersVG M-V - vom 24.02.1993 (GVOBl. Seite 125) vor. | Abs. 8 |
Nach § 8 Abs. 1 DSG M-V ist die Erhebung personenbezogener Daten zulässig, wenn deren Kenntnis zur rechtmäßigen Erfüllung einer in der Zuständigkeit der erhebenden Stelle liegenden Aufgabe erforderlich ist, der Zweck der Erhebung hinreichend bestimmt ist und die Daten ohne Verstoß gegen Rechtsvorschriften offenbart werden können. Bei der Auswertung und dem Ausdruck der Internetverlaufsprotokolle handelt es sich um die Erhebung personenbezogener Daten, die für den Antragsgegner zur rechtmäßigen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich war. Es handelte sich vorliegend um eine Einzelmaßnahme der Dienstaufsicht zur Kontrolle des innerdienstlichen Verhaltens des Antragstellers. Nachdem der Verdacht entstanden war, daß der Antragsteller seinen dienstlichen Internetanschluß während der Dienstzeit in erheblichem Umfang zu privaten Zwecken nutzte, war der Antragsgegner zur Verfolgung eines etwaigen Dienstvergehens nach § 85 Abs. 1 Satz 1 LBG M-V, § 28 LDO M-V verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären, um gegebenenfalls die erforderlichen disziplinarrechtlichen Vorermittlungen veranlassen zu können. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß der Antragsteller die Pflicht zur vollen Hingabe an seinen Beruf gemäß § 58 Satz 1 LBG M-V durch die privaten Internetabfragen während seiner Dienstzeit verletzt haben könnte. Die verwerteten Internetverlaufsprotokolle wurden systemimmanent erstellt. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats vor der Auswertung dieser bereits vorliegenden Internetverlaufsprotokolle nach § 70 Abs.1 Nr. 2 PersVG M-V wurde vom Antragsgegner nicht verletzt. Danach besteht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Einführung, Anwendung, wesentlichen Änderungen oder wesentlichen Erweiterungen von technischen Einrichtungen, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung greift jedoch dann nicht, wenn der Dienststellenleiter zur Erfassung von Daten gesetzlich verpflichtet ist (Grabendorff/Ilbertz/Weitmaier, Bundespersonalvertretungsrecht, 8. Auflage, § 75 Rdn. 207 mwN.). Wie bereits oben ausgeführt, war der Antragsgegner zur Aufklärung des Sachverhalts gesetzlich verpflichtet. | Abs. 9 |
Ein Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats bei der Einrichtung der Internetanschlüsse nach § 70 Abs. 1 Nr. 2 PersVG M-V liegt nicht vor. Da die Internetverlaufsprotokolle systemimmanent erstellt werden, war der Personalrat des Antragsgegners bereits bei der Einrichtung der Internetanschlüsse zu beteiligen. Es handelt sich dabei um eine technische Einrichtung, die geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Dabei ist es unerheblich, daß nur einige wenige Arbeitsplätze mit Internetzugang ausgestattet wurden (Grabendorff/Ilbertz/Weitmaier aaO. Rdn. 221). | Abs. 10 |
Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes ist es, den Persönlichkeitsbereich der Beschäftigten vor einer technisierten anonymen Überwachung zu schützen. In der Regel kann sich der einzelne Beschäftigte einer nicht einmal wahrnehmbaren für ihn im Einzelfall nicht durchschaubaren Überwachung nicht entziehen. Dies kann zu erhöhter Abhängigkeit und zur Behinderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit der Beschäftigten führen (Grabendorff/Ilbertz/Weitmaier aaO. Rdn. 96 a). Demgegenüber hat jedoch auch jeder Dienststellenleiter das Recht, durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung der arbeits- und beamtenrechtlichen Pflichten zu überwachen und zu sichern. Durch den Eintritt in das Beamtenverhältnis hat sich der Betroffene dem grundsätzlich unterworfen. | Abs. 11 |
Zwar stellen sich Beweisverbote als Einschränkungen des Untersuchungsgrundsatzes dar, im Disziplinarrecht ist jedoch davon auszugehen, daß ein Verstoß gegen Beweiserhebungsregeln nicht in jedem Fall die Unverwertbarkeit zur Folge hat, vielmehr ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob nach Sachlage und Art der Rechtsverletzung die Beweiserhebung verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist oder nicht (GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder K § 21 Rdn. 113 ff.). Ob der Untersuchungsgrundsatz beweisrechtlichen Einschränkungen im Einzelfall unterliegt, bemißt sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre des Beamten (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) und dem dienstlichen Interesse an der disziplinarischen Verfolgung (Art. 33 Abs. 5 GG), mithin nach dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit (GKÖD aaO. Rdn. 85). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nur dann verletzt, wenn die Abwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis führt, daß ein Eingriff in die Interessen des Betroffenen im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegt, als diejenigen Belange, deren Wahrung die staatliche Maßnahme dienen soll. | Abs. 12 |
Im vorliegenden Fall ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, daß die Beweiserhebung zwar formell unter einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts der Personalvertretung zustande gekommen ist, die Erhebung jedoch materiell zulässig war. Die Probleme, die bei der Internetverlaufsprotokollaufzeichnung auftreten, sind vergleichbar den Problemen bei der automatisierten Telefondatenverarbeitung. Auch hier werden personenbezogene Daten gespeichert, die für die Verhaltenskontrolle der Beschäftigten insoweit verwendet werden können, als sie Auskunft darüber geben, in welchem Ausmaß private und dienstliche Gespräche geführt werden können. Grundsätzlich als zulässig angesehen wurde dabei die Erfassung der Nummer der Nebenstelle, die Nummer des angerufenen Gesprächsteilnehmers, Datum, Uhrzeit und die Zahl der Gebühreneinheiten, jedenfalls dann, wenn es sich um dienstliche Ferngespräche handelte und den Beamten die Registrierungspraxis bekannt war (BVerwG, Urteil vom 28.07.1989, ZPR 1990, 53; Grabendorff/Ilbertz/Weitmaier aaO. Rdn. 218). Eine Regelung über die Zulässigkeit einer privaten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses bestand beim Antragsgegner nicht. Als für den EDV-, Personal- und Organisationsbereich zuständiger Abteilungsleiter war dem Antragsteller bekannt oder hätte bekannt sein müssen, daß eine Überprüfungsmöglichkeit bestand. Er hätte daher die Beteiligung des Personalrats veranlassen müssen. Auf ein etwaiges Verwertungsverbot kann er sich nunmehr nicht berufen, denn es ist treuwidrig im Sinne der §§ 57, 60 LBG M-V, wenn er sich nunmehr selbst darauf beruft, die rechtlich gebotene Beteiligung des Personalrats nicht veranlaßt zu haben. Nach § 60 Abs. 1 LBG M-V trägt der Beamte für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlung die volle persönliche Verantwortung. | Abs. 13 |
2.Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten nach §§ 164 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität der Rechtssache oder bei neuartigen bzw. ausgefallenen Rechtsfragen (vgl. Beschluß des Senats vom 19.06.1998 - 2 L 103/98 - und 28.02.2000 -2 M 112/99-), nicht dagegen, wenn die anstehenden Rechtsfragen in der Rechtsprechung bereits geklärt sind (vgl. Redeker/von Oertzen VwGO 13. Auflage, § 124 Rdn. 18). Besondere tatsächliche Schwierigkeiten sind insbesondere bei komplizierten wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen gegeben, die den der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt unklar machen. Allein der Umstand, daß der Sachverhalt in einem Hauptsacheverfahren noch näher aufzuklären sein wird, belegt noch nicht die besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten. Besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen vor, wenn es sich um bislang noch nicht abschließend geklärte, in der Rechtsprechung und Literatur streitige Problemstellungen handelt. Die vom Antragsteller problematisierten Rechtsfragen können nicht als besonders schwierig bewertet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sowohl zu den Beweisverboten (im Disziplinarrecht) als auch zu Fragen der Mitbestimmung bei der automatischen Telefondatenverarbeitung, bei der erhebliche Parallelen zur Internetverlaufsdokumentation vorliegen, eine höchstrichterliche Judikatur vorliegt. | Abs. 14 |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 20 Abs. 3 GKG. | Abs. 15 |
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1
VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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JurPC Web-Dok. 209/2001, Abs. 16 |
[online seit: 05.11.2001] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Mecklenburg-Vorpommern, OVG, Private Nutzung eines dienstlichen Internetanschlusses - JurPC-Web-Dok. 0209/2001 |