LG Wiesbaden
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BGB §§ 823, 1004 |
Leitsatz (der Redaktion) |
Die DENIC eG ist weder als unmittelbare noch als mittelbare Störerin hinsichtlich von Rechtsgutverletzungen anzusehen, die von einer bei ihr registrierten Homepage ausgehen. |
Tatbestand |
Die Verfügungsbeklagte registriert und verwaltet
hinsichtlich des Internets Domain-Namen unterhalb der länderbezogenen
Top-Level-Domain ".de". Allen unmittelbar an das Internet
angeschlossenen Rechnern sind sogenannte Internet-Protocol (IP)-Nummern
zugewiesen, die aus vier durch Punkte getrennten Zahlenreihen von jeweils 0 -
255 (ein Byte) bestehen, z.B. 194.246.96.76. Diese Zahlenfolgen stellen die
Rufnummern der Rechner dar, anhand deren Informationen im Internet zu dem "richtigen"
Rechner transportiert werden. Die Verwendung von Domain-Namen dient insofern der
Benutzerfreundlichkeit des Internets, als einem registrierten Domain-Namen eine
IP-Nummer so zugeordnet wird, dass zur Anwahl des dahinterstehenden Rechners die
Eingabe der Domain ausreicht. Es "übersetzt" dann ein sogenannter
Nameserver diese Domain in die zugehörige IP-Nummer, anhand derer die Übermittlung
an den richtigen Adressat erfolgt. Das Namensregister und der Namenserver für
die Domains mit der Endung ".de" wird von der Verfügungsbeklagten
geführt. Die eigentliche Domain-Registrierung erfolgt in technischer
Hinsicht in etwa 99,7 % der Fälle über die Internet-Service-Provider,
welche der genossenschaftlich verfassten Verfügungsbeklagten als Genossen
angehören. Die Provider übermitteln die Domain-Meldungen im Auftrag
des Kunden über eine Schnittstelle im Internet direkt an den Rechner der
Verfügungsbeklagten, wo die Registrierung sodann voll automatisch vollzogen
wird. Ist der gewünschte Domain-Name nicht vergeben, wird er von dem
Provider des Anmelders in die Datenbank eingetragen. Mittlerweile befinden sich
ca. 4,5 Mio Domain-Namen im Bestand der Verfügungsbeklagten. Bei der Verfügungsbeklagten
gehen derzeit monatlich knapp 180.000 Registrierungsanträge ein. Die Verfügungsbeklagte
erhält Registrierungsentgelte, deren Höhe davon abhängt, ob die
Registrierungsanträge über einen Provider oder von dem Antragsteller
direkt bei der Verfügungsbeklagten eingereicht werden. Domains werden nach
dem Grundsatz "first come first served" registriert, ohne dass die
Verfügungsbeklagte prüft, ob die jeweils in Auftrag gegebene Domain
mit Namens-, Marken- oder sonstigen Rechten Dritter kollidiert, geschweige denn,
ob die ggfs. unter den Domain-Namen später abrufbaren Webseiten
rechtswidrig sind. Die Registrierungsbedingungen der Verfügungsbeklagten
enthalten folgende Bestimmung:
"Der Kunde versichert, dass seine Angaben richtig sind und er zur Nutzung der Domain berechtigt ist, insbesondere, dass die Domain keine Rechte Dritter verletzt und nicht gegen allgemeine Gesetze verstößt." |
JurPC Web-Dok. 184/2001, Abs. 1 |
Ein ordentliches Kündigungsrecht der Verfügungsbeklagten besteht nach ihren Registrierungsbedingungen nicht. Lediglich in bestimmten Ausnahmefällen kann die Verfügungsbeklagte den Registrierungsvertrag fristlos kündigen. Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen der Verfügungsbeklagten und dem Domain-Inhaber ist nur die Domain selbst und nicht auch die Erbringung anderer Dienstleistungen, die, wie z.B. die Vermittlung des Netzzuganges, von Providern erbracht werden. | Abs. 2 |
Die Kläger haben gegen einen ... beim Landgericht Wiesbaden eine hiermit in Bezug genommene einstweilige Verfügung vom 10.5.2001 erwirkt, mit der diesem unter Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft untersagt wird, auf einer Homepage im Internet bestimmte Äußerungen/Darstellungen zu verbreiten. Die einstweilige Verfügung ist dem ... bislang noch nicht zugestellt worden. Seit dem 15.5.2001 betreibt ... unter der ... eine hiermit in Bezug genommene Homepage, mit der er gegen die gegen ihn ergangene einstweilige Verfügung verstößt. | Abs. 3 |
Die Verfügungsklägerin macht geltend, die Verfügungsbeklagte treffe hinsichtlich der Homepage des ... eine Mitstörerhaftung. Wenn ein Rechtsverstoß offenkundig und für die Verfügungsbeklagte ohne weiteres feststellbar sei, sei sie verpflichtet, die beanstandete Registrierung ohne weiteres im Rahmen ihres Zugriffsbereiches aufzuheben. Die Verfügungsbeklagte sei als Einzige dazu in der Lage, den Zugriff auf die Homepage von ... unter ... zu sperren. ... habe seine Homepage auf Computern eines Providers in den USA hinterlegt. Auch wenn diese Homepage dort ohne einen Domain-Namen unter Eingabe einer zehnstelligen Zahlenkombination jederzeit erreichbar sei, würden die bereits in die Tausende gehenden Zugriffszahlen auf die Homepage sicher deutlich abnehmen, da die Zahlenkombination niemandem bekannt sei und sich nur für Insider herausfinden lasse. Im Internet dürfe kein rechtsfreier Raum bestehen. | Abs. 4 |
Die Verfügungsklägerin beantragt,
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Abs. 5 |
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
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Abs. 6 |
Sie macht geltend, sie sei nicht Mitstörerin zu der angeblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung des ... . Die Haftung nur ganz entfernt Beteiligter, die lediglich technisch oder gewerblich notwendige Infrastrukturdienstleistungen erbringen, für unerlaubte Handlungen oder andere Rechtsverstöße, die unter Ausnutzung der an sich wertfreien und nicht rechtsverletzenden Dienstleistung erbracht werden, sei abwegig. Sie, die Verfügungsbeklagte, leiste keinen Verursachungsbeitrag im Sinne der Äquivalenzformel für die behaupteten Rechtsverletzungen des Unterlassungsschuldners. Sie habe nicht die tatsächlichen Möglichkeiten, die behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf den Webseiten des ... zu verhindern. Ihr, der Verfügungsbeklagten, obliege keine inhaltliche Überprüfung von Webseiten, zu der sie angesichts ihres Aufgabenbereichs und der besonderen Internetstruktur auch nicht in der Lage sei. | Abs. 7 |
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre zu den Gerichtsakten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | Abs. 8 |
Entscheidungsgründe |
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen. Ein Verfügungsanspruch der Verfügungskläger, der allein aus den §§ 823, 1004 BGB hergeleitet werden könnte, besteht nicht. | Abs. 9 |
Die Verfügungsbeklagte ist weder als unmittelbare noch als mittelbare Störerin hinsichtlich der Rechtsgutverletzung anzusehen, die von ... und seiner Homepage ausgeht. Die Rechtsgutverletzung (Beeinträchtigung), der die Verfügungskläger mit ihrem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung begegnen wollen, wird durch die Verfügungsbeklagte nicht adäquat kausal veranlaßt. Die Verfügungsbeklagte leistet keinen entscheidenden Tatbeitrag zur Verbreitung der auf der Homepage des ... enthaltenen Inhalte. Die maßgebliche Rechtsgutverletzung besteht vorliegend darin, dass auf einem Computer irgendwo eine Homepage hinterlegt ist, auf die im Rahmen des Internets weltweit zurückgegriffen werden kann. Selbst wenn es zur Löschung des Domain-Namens des ... bei der Verfügungsbeklagten käme, bliebe die maßgebliche Rechtsgutverletzung als solche jedenfalls insofern bestehen, als die Homepage weiterhin im Internet ohne weiteres zugänglich wäre, nämlich entweder über die IP-Nummer oder eine andere, weltweit mit gleicher Zugänglichkeitswirkung zu erlangende Domain oder durch Verlinkung über eine andere Homepage. | Abs. 10 |
Darüberhinaus wird mit der Vergabe der Domainbezeichnung ".de" der von der Homepage des ... ausgehenden Rechtsgutverletzung jedenfalls auch kein glaubhaft gemachtes feststellbares größeres Gewicht verliehen, welches dazu führen könnte, der streitgegenständlichen Domain-Verwendung die Qualität eines entscheidenden Tatbeitrages beizumessen. | Abs. 11 |
Bei verständiger Würdigung sämtlicher Umstände bleibt für die Annahme eines entscheidenden Tatbeitrages der Verfügungsbeklagten und damit eines Kausalzusammenhanges zwischen der Domain-Registrierung und der fortbestehenden Rechtsgutverletzung als solcher kein Raum. | Abs. 12 |
Eine Rechtsschutzmöglichkeit ist der Verfügungsklägerin jedenfalls hinsichtlich des ... hinreichend eröffnet, auch wenn diese nur schwer umsetzbar sein sollte. Ob sich die Rechtsschutzverwirklichung gegenüber Verantwortlichen praktisch als leicht oder schwer erweist, stellt kein rechtliches Kriterium dafür dar, einer anderen Person die zur Inanspruchnahme notwendige Störereigenschaft beizumessen. | Abs. 13 |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. | Abs. 14 |
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711,
108 ZPO.
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JurPC Web-Dok. 184/2001, Abs. 15 |
[online seit: 15.10.2001] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Wiesbaden, LG, Verantwortlichkeit der DENIC - JurPC-Web-Dok. 0184/2001 |