LG München I
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AGBG § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; BDSG §§ 4, 28; UWG § 1 |
Leitsätze (der Redaktion) |
1.Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
beim sog. Pay-Back-System (Rabattierungssystem bei Einkäufen), wonach der
Kunde sich damit einverstanden erklärt, zusätzliche Informationen und
Angebote von den dem System angeschlossenen Unternehmen zu erhalten, ist -
ungeachtet einer bestehenden Möglichkeit des Ausschlusses oder Widerrufs
des Einverständnisses - wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden (§
9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG) unwirksam, da durch die Klausel auch die Möglichkeit
zu Telefonwerbung eröffnet wird, die nach der Rechtsprechung des BGH nur
bei Vorliegen eines ausdrücklichen oder konkludenten Einverständnisses
zulässig ist, das in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aber nicht
rechtswirksam erklärt werden kann.
2.Eine Datenschutzklausel, durch die der Kunde sein Einverständnis mit der Verarbeitung und Nutzung seiner erhobenen Daten "im Rahmen der jeweils geltenden Datenschutzgesetze" zu Zwecken der Abwicklung des Programms sowie zu Werbe- und Marktforschungszwecken erteilt, ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG i.V.m. §§ 4, 28 BDSG unwirksam, da Umfang und Zweck der Verarbeitung und Nutzung der Daten sowie der nutzungsberechtigte Personenkreis nicht hinreichend bestimmt sind. |
Tatbestand |
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Unterlassung der Verwendung zweier AGB-Klauseln. | JurPC Web-Dok. 117/2001, Abs. 1 |
Der Kläger nimmt Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahr. Der Beklagte ist ein sog. Rabattverein. Er erfaßt und verwaltet Rabatte, die dem Kunden (Teilnehmer) von seinen Mitgliedern (den Partnerunternehmen) gutgeschrieben werden. | Abs. 2 |
Um an diesem Rabattverfahren teilnehmen zu können, muß der jeweilige Kunde ein Anmeldeformular ausfüllen, in dem es u.a. heißt (vgl. Anlage K 1, auf die im einzelnen Bezug genommen wird): | Abs. 3 |
"Meine Zustimmung | Abs. 4 |
Ich bin damit einverstanden zusätzliche Informationen und Angebote von ... und den Partnerunternehmen zu erhalten. ... Hier ankreuzen, falls nicht | Abs. 5 |
(diese Zeile ist im Originalformular umrandet). | Abs. 6 |
Ich bestätige durch meine Unterschrift die Richtigkeit der obigen Angaben und erkenne die beiliegenden Allgemeinen Teilnahmebedingungen an. | Abs. 7 |
(ab hier im Original in Fettdruck:) | Abs. 8 |
Ich bin damit einverstanden, daß meine oben stehenden Angaben, sowie meine im Rahmen des ... Programms erhobenen personenbezogenen Umsatz-, Einlöse- und Teilnahmedaten durch ..., die jeweiligen Partnerunternehmen und die in diesem Zusammenhang beauftragten Dienstleistungsunternehmen im Rahmen der jeweils geltenden Datenschutzgesetze zur Abwicklung des ...-Programms sowie zu Werbe- und Marktforschungszwecken verarbeitet und genutzt werden." | Abs. 9 |
Es folgt die Datums- und Unterschriftszeile. | Abs. 10 |
Über die Partnerunternehmen der Beklagten nehmen derzeit ca. 6 Mio. Kunden an den vom Beklagten durchgeführten Rabattverfahren teil. | Abs. 11 |
Der Kläger trägt vor:
Die Klausel betreffend die Einverständniserklärung mit dem Erhalt von zusätzlichen Informationen und Angeboten benachteilige den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil das formularmäßig erklärte Einverständnis mit dem Erhalt zusätzlicher Informationen und Angeboten von ... und den Partnerunternehmen im Wortlaut zweifelsfrei auch telefonische Informationen und Angebote erfasse. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Beklagte die Absicht gehabt habe oder habe, die Teilnehmer mit unerbetener telefonischer Werbung anzusprechen, so lange der Wortlaut der Klausel derartige Kontakte ermögliche. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei ein Eindringen in den verfassungsrechtlich geschützten privaten Bereich durch einen Telefonanruf zu Werbezwecken nur zulässig, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis hiermit erklärt habe, eine Einverständniserklärung in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen genüge nach der Rechtsprechung des BGH hierfür nicht. | Abs. 12 |
Auch der Umstand, daß eine Ablehnung der Einverständniserklärung durch Ankreuzen des hierfür vorgesehenen Kästchens vorgenommen werden könne, ändere hieran nichts. | Abs. 13 |
Der vorstehenden Beurteilung der Telefonwerbung stehe auch die Richtlinie 97/7/IG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie) nicht entgegen, da diese nur eine Mindestregelung enthalte. | Abs. 14 |
Die Klausel betreffend die Verarbeitung und Benutzung der personenbezogenen Daten des Kunden verstoße gegen § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG i.V.m. §§ 4, 28 Bundesdatenschutzgesetz. Gemäß § 4 Abs. 1 BDSG sei die Verarbeitung personenbezogener Daten und deren Nutzung nur zulässig, wenn das Bundesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaube oder anordne oder soweit der Betroffene eingewilligt habe. Bei der Erholung der Einwilligung des Betroffenen sei dieser gemäß § 4 Abs. 2 BDSG auf den Zweck der Speicherung und einer vorgesehenen Übermittlung hinzuweisen. | Abs. 15 |
Die vorliegende Formulierung enthalte demgegenüber ein generelles Einverständnis des Vertragspartners zur Speicherung und Übermittlung seiner sämtlichen personenbezogenen Umsatz-, Einlöse- und Teilnahmedaten. Dabei erführe er nicht, in welchen Fällen und ggf. an welche Adressaten seine Daten weitergegeben werden könnten. Die "jeweiligen Partnerunternehmer" und die "in diesem Zusammenhang beauftragten Dienstleistungsunternehmen" seien dem Kunden im Zweifel nicht sämtlich bekannt. Auch der Zweck der Datenübermittlung sei nicht hinreichend abgegrenzt. | Abs. 16 |
Zweifelhaft sei auch, ob angesichts der grafischen Gestaltung des Formulars die Einwilligungserklärung im äußeren Erscheinungsbild der Erklärung als hervorgehoben angesehen werden könne. | Abs. 17 |
Schließlich sei die Klausel auch mit § 28 BDSG nicht zu vereinbaren, da nach dieser Vorschrift im Rahmen der Prüfung der Übermittlung zumindest eine Interessenabwägung vorzunehmen sei, die aufgrund der formularmäßig erklärten Einwilligung aber nicht mehr vorzunehmen sei. | Abs. 18 |
Bezüglich der Verwendung der beanstandeten Klauseln durch den Beklagten bestehe Wiederholungsgefahr, weil dieser auf eine entsprechende Abmahnung des Klägers vom 26.05.2000 hin sich geweigert habe, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. | Abs. 19 |
Der Kläger beantragt:
| Abs. 20 |
Der Beklagte beantragt
| Abs. 21 |
Er führt im wesentlichen aus: | Abs. 22 |
Die Auslegung der Klausel betreffend die Einverständniserklärung mit dem Erhalt zusätzlicher Informationen und Angebote ergebe, daß diese telefonische Informationen und Angebote nicht umfasse. Bereits die Tatsache, daß es sich nur um zusätzliche, also die dem Teilnehmer bereits schriftlich vorliegenden Anmeldeunterlagen ergänzende Informationen handele, mache deutlich, daß es ausschließlich um schriftliche Informationen gehe, die der Teilnehmer erhalten solle. Weiterhin sei zu berücksichtigen, daß in dem vorangehenden Feld die Angabe der Telefonnummer als freiwillige Angabe gekennzeichnet sei; hätte man auch telefonische Angebote und Informationen beabsichtigt, so hätte man selbstverständlich die obligatorische Angabe der Telefonnummer vorgesehen. | Abs. 23 |
Im übrigen werde im Geschäftsleben, wenn Telefonwerbung Gegenstand einer Einwilligungserklärung sei, dies auch tatsächlich immer so genannt. | Abs. 24 |
Die vorliegende Klausel werde von den beteiligten Verkehrskreisen nicht auf Telefonwerbung, sondern ausschließlich auf schriftliche Informationen und Angebotsunterbreitung bezogen. | Abs. 25 |
Selbst wenn sie auch eine telefonische Werbung ermögliche, wäre sie zulässig. Dies ergebe sich aus der vom BGH innerhalb seiner Rechtsprechung zu den Telefonwerbefällen vorgenommenen Interessenabwägung. Dabei falle ins Gewicht, daß jeder Teilnehmer durch einfaches Ankreuzen die Möglichkeit besitze, jedwede Informations- und Angebotsunterbreitung gegenüber seiner Person zu verhindern. | Abs. 26 |
Schließlich sei zu berücksichtigen bei der Interessenabwägung, daß die Einverständniserklärung vorliegend nicht beim Abschluß irgendeines Absatzgeschäftes erteilt werde, sondern im Rahmen der Teilnahme an einem Rabattsparprogramm. Der Kunde müsse hier damit rechnen, daß seine Angaben zu Wettbewerbszwecken genutzt würden. Schließlich könne er jederzeit sein Einverständnis widerrufen. | Abs. 27 |
Gemäß Artikel 10 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.1997 zu dem Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz sei telefonische Werbung zulässig, solange der Verbraucher ihr nicht widersprochen habe. Schließlich liefe ein Verbot der Klausel auch höherrangigem EG-Recht zuwider. Zwar könnten gemäß Artikel 14 der genannten Richtlinie die Mitgliedsstaaten strengere Bestimmungen erlassen, diese Bestimmung müßte jedoch mit dem EG-Vertrag in Einklang stehen. Ein Verbot der hier in Rede stehenden Klausel verstieße aber gegen die Bestimmung der Artikel 28 (freier Warenverkehr) und 49 (freier Dienstleistungsverkehr). Diese Vorschriften fänden hier Anwendung, da ein Mitglied des Beklagten u.a. die Firma ..., ... also ein in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässiges Unternehmen sei. Wenn dem hiesigen Beklagten die Verwendung der in Rede stehenden Klausel untersagt würde, könnte sich die Firma P... nicht mehr auf das Einverständnis im Anmeldeformular berufen, sie habe auch keine Möglichkeit, dieses Einverständnis unmittelbar selbst einzuholen, denn die Rabattvergabe durch die Ausgabe von Gutscheinen sei gemäß dem Rabattgesetz Rabattvereinen und Genossenschaften vorbehalten. Durch ein Verbot der Klausel werde mithin die Freiheit der ... beschränkt, anläßlich der Rabattierung ihrer Waren das Einverständnis deutscher Käufer mit dem Erhalt von Information und Werbung einzuholen und den Kunden unter Berufung auf das Anmeldeformular der Beklagten zusätzliche Informationen zu übermitteln. Auch der Beklagte selbst würde durch ein Verbot beschränkt werden, da er für seine Mitglieder Angebote übermittle. Ein Verbot des ... bei grenzüberschreitendem Bezug stelle eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Artikel 49 EG-Vertrag dar. Der Beklagte bezieht sich hierzu auf die Entscheidung des EuGH "Alpine Investments" vom 10.05.1995 WRP 1995, 801 f.. | Abs. 28 |
Der Beklagte ist der Auffassung, daß für den Fall, daß das Gericht ein Verbot der Klausel in Erwägung ziehe, eine Vorabentscheidung des EuGH zu erholen ist (vgl. im einzelnen hierzu Bl. 22 d.A.). | Abs. 29 |
Wirksam sei auch die das Einverständnis der Kunden mit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten betreffende Klausel. Die Klausel lege deutlich fest, durch wen die Daten verarbeitet und benutzt werden könnten und zu welchem Zweck. Den Teilnehmern sei bewußt, daß es weitere Partnerunternehmen gebe, ebenso sei bekannt, daß Unternehmen dieser Größe die Datenverarbeitung auf externe rechtlich selbständige Dienstleistungsunternehmen auslagerten. Die Zwecksetzung im Rahmen des Rabattverfahrens sei ausreichend angegeben, ebenso sei die weitere Zweckangabe zu Werbe- und Marktforschungszwecken hinreichend bestimmt. Schließlich sei die Erklärung im Fettdruck gehalten unmittelbar vor der Stelle, die für die Unterschriftsleistung vorgesehen sei. | Abs. 30 |
Gemäß § 28 Abs. 3 BDSG sei eine Verarbeitung und Nutzung zu Werbe- und Marktforschungszwecken zulässig, solange kein Widerspruch des Betroffenen vorliege. | Abs. 31 |
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | Abs. 32 |
Entscheidungsgründe |
Die zulässige Klage ist im vollen Umfang begründet. Die vom Kläger inkriminierten beiden Klauseln in dem von den Beklagten verwendeten AGBs sind unwirksam. | Abs. 33 |
I. Die Klausel betreffend Einverständniserklärung mit dem Erhalt zusätzlicher Informationen und Angebote ist gemäß § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG i.V.m. § 1 UWG unwirksam. | Abs. 34 |
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt die Auslegung gemäß § 133, 157 BGB, daß die Einverständniserklärung des Kunden sich auch auf telefonische Informationen und Angebote erstreckt. Dies ergibt sich unmittelbar vom Wortlaut ausgehend schon daraus, daß ein besonderes Medium zur Übermittlung der Informationen und Angebote nicht aufgeführt ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aus dem Begriff "zusätzliche" Informationen und Angebote nicht zu folgern, daß diese zusätzlichen Informationen und Angebote ebenso in Schriftform wie das Anmeldeformular und die diesen beigefügten Unterlagen erfolgen müssen. Auch der Umstand, daß die Angabe der Telefonnummer nicht obligatorisch ist, ändert an dieser Auslegung nichts, da zum einen diejenigen, die die Telefonnummer angegeben haben, gerade davon ausgehen mußten, daß sie auch telefonisch erreicht werden könnten und zum anderen aufgrund der persönlichen Angaben die Telefonnummer aus allgemeinen Quellen wie dem Telefonbuch allgemein verfügbar ist. | Abs. 35 |
Bei dieser Sachlage ergibt sich aus der Sicht des Kunden, der Empfänger der Erklärung ist, daß er sein Einverständnis auch mit einer telefonischen Information und mit telefonischen Angeboten erklärt. Im Begriff Angebot ist weiterhin enthalten, daß auch eine Einverständniserklärung bezüglich telefonischer Werbung erklärt wird. | Abs. 36 |
Da sich diese Auslegung bereits unmittelbar aus dem Wortlaut unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes ergibt, bedarf es im vorliegenden Fall nicht einmal der Anwendung des Grundsatzes der "kundenfeindlichen Auslegung". | Abs. 37 |
2. Die streitgegenständliche Klausel stellt eine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar. | Abs. 38 |
a)Nach der Rechtsprechung des BGH verstößt ein Telefonanruf im Privatbereich zu Werbezwecken grundsätzlich gegen die guten Sitten des Wettbewerbs und ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hat. | Abs. 39 |
Eine Klausel in AGBs, in der das Einverständnis zu einem solchen Telefonanruf erklärt wird, ist am Maßstab des § 9 AGBG zu messen, da sie von der gesetzlichen Regelung des § 1 UWG in ihrer Ausprägung durch die Rechtsprechung abweicht, nach der Telefonwerbung gegenüber Privaten grundsätzlich unzulässig ist (vgl. hierzu und zum folgenden: BGH in NJW 2000, 2677 und BGH in NJW 1999, 1864 sowie die dort zitierte Rechtsprechung des BGH). Im Rahmen der Verbandsklage gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG ist eine generalisierende und die beiderseitigen Interessen abwägende Betrachtung geboten. | Abs. 40 |
Der wettbewerbsrechtlichen Mißbilligung unerbetener Telefonwerbung im privaten Bereich liegt dabei der Gedanke zugrunde, daß der Schutz der Individualsphäre vorrangig gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben von Wettbewerbern ist und daß die berechtigten Interessen der gewerblichen Wirtschaft, ihre Produkte werbemäßig anzupreisen, es angesichts der Vielfalt der Werbemethoden nicht erfordern, mit der Werbung auch in den privaten Bereich des umworbenen Verbrauchers einzudringen. | Abs. 41 |
Telefonwerbung stellt insoweit eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre des Angerufenen dar; sie ist ein grober Mißbrauch des vom Inhaber im eigenen Interesse und auf eigene Kosten unterhaltenen Telefonanschlusses zu Werbezwecken, erlaubt ein praktisch unkontrollierbares Eindringen in die Lebensgewohnheiten des Angerufenen und zwingt ihm zu einem ausschließlich durch den Werbenden bestimmten Zeitpunkt in seiner häuslichen Sphäre Anpreisungen von Waren und Dienstleistungen auf. Die Anrufe werden im allgemeinen von in dieser Art der Werbung besonders geschulten Personen vorgenommen, deren Redegewandtheit sich der Angerufene meist nur durch Verletzung der Regeln der Höflichkeit entziehen kann. Wäre eine solche Form der Werbung ohne Einschränkungen zulässig, so wäre ihr Umgreifen innerhalb kurzer Zeit schon aus Wettbewerbsgründen unvermeidlich und damit der Inhaber eines Telefonanschlusses nicht nur vielfältigen Belästigungen ausgesetzt, sondern sein Anschluß für ins Gewicht fallende Zeiträume für erwünschte Anrufe blockiert und damit in unzumutbarer Weise seinem bestimmungsgemäßen Zweck entfremdet. | Abs. 42 |
Wegen der massiven Nachahmungsgefahr hat der BGH in ständiger Rechtsprechung die Telefonwerbung im privaten Bereich sogar grundsätzlich als mit den guten Sitten des Wettbewerbs unvereinbar angesehen und einen Verstoß gegen § 1 UWG bejaht. Diese Grundsätze gelten - nach der Rechtsprechung des BGH - nicht nur im Verhältnis von Wettbewerbern untereinander, sondern erst recht für die Zulässigkeit der Telefonwerbung gegenüber dem in seiner Privatsphäre zu schützenden Werbeadressaten selbst. | Abs. 43 |
Nach der Rechtsprechung des BGH schließt weiterhin das Erfordernis einer ausdrücklichen oder konkludenten Einverständniserklärung eine Herbeiführung dieser Einverständniserklärung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen aus, da jede andere Sicht der Dinge die Wettbewerber zu einer entsprechenden Angleichung ihrer Geschäftsbedingungen ermuntern und zu eben der massiven Belästigung führen würde, der das Erfordernis des ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Einverständnisses entgegenwirken soll. Zudem würde dies dem Schutzgedanken des § 1 UWG widersprechen (vgl. BGH NJW 1999, 1864 f.). | Abs. 44 |
b) Unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich, daß die inkriminierte streitgegenständliche Klausel unwirksam ist, da sie eine vorformulierte Einverständniserklärung auch zu telefonischen Werbekontakten enthält. | Abs. 45 |
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dieser Würdigung auch nicht entgegen, daß die Kunden durch Ankreuzen eines Kästchens ein Einverständnis ausschließen können. | Abs. 46 |
Es spielt nämlich keine Rolle, ob der Kunde die Wahl zwischen bestimmten, vom Verwender vorgegebenen Alternativen hat. Entscheidend ist vielmehr, daß der Verwender bei der von den Kunden abzugebenden Erklärung die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich ebenso in Anspruch nimmt wie bei der Vorformulierung eines Vertragstextes und daß der Kunde nur darauf, ob er die Erklärung abgeben will, nicht aber auf ihren Inhalt Einfluß hat (vgl. hierzu die Rechtsprechung des BGH a.a.O.). | Abs. 47 |
Ebenso wird die Unangemessenheit der Klausel nicht dadurch ausgeräumt, daß der Kunde seine vorformulierte Einverständniserklärung jederzeit widerrufen kann, da damit die Initiative zur Wiederherstellung der ungestörten Privatsphäre in unzulässiger Weise auf den Betroffenen verlagert wird. | Abs. 48 |
Entgegen der Auffassung des Beklagten führt auch der Umstand, daß es im vorliegenden Fall um eine Beteiligung des Kunden an einem Rabattverfahren geht, nicht zu einer Abweichung von der Interessenabwägung, wie sie sich aus der Rechtsprechung des BGH für vergleichbare Fälle ergibt. Nicht gefolgt werden kann schon dem Ausgangspunkt des Beklagten. Der sich am Rabattverfahren beteiligende Kunde muß keinesfalls davon ausgehen, daß er durch die Teilnahme auch als potentieller Werbeadressat von den Partnerunternehmen des Beklagten gewonnen werden soll. Er muß nicht damit rechnen, daß er von einem anderen Partnerunternehmen als von demjenigen, dem er den Antrag ausgehändigt hat, kontaktiert werden soll. Unstreitig geben die Partnerunternehmen Kundenkarten aus, auf denen der Name des jeweiligen einzelnen Unternehmens im Vordergrund steht (vgl. auch die in der mündlichen Verhandlung übergebene Kundenkarte). Zwar ist richtig, daß dem Kunden der Vorteil zugute kommen kann, Punkte bei verschiedenen Partnerunternehmen zu sammeln und zu bündeln. Gleichwohl wird es auch eine Vielzahl von Kunden geben, die ihre Punkte gerade nur bei einem oder einigen Partnerunternehmen sammeln, so daß für den Kunden diese(s) allein im Vordergrund steht/stehen. | Abs. 49 |
Darüber hinaus ist zwar für jeden Kunden, der am Rabattverfahren teilnehmen will, offensichtlich, daß er durch die Rabatte an ein bestimmtes Unternehmen gebunden werden soll, dies umschließt jedoch nicht die Kenntnis von einem etwaigen Zweck dahingehend, daß er auch als Werbeadressat für das Partnerunternehmen und insbesondere für die weiteren Partnerunternehmen durch seine Anmeldung gewonnen werden soll. | Abs. 50 |
Bei dieser Sachlage ist die Schutzwürdigkeit des Kunden nicht anders zu beurteilen, als in den Fällen, die der BGH entschieden hat. | Abs. 51 |
3. Der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung steht EG-Recht nicht entgegen, vielmehr wird es durch die Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel nicht einmal berührt. Insoweit besteht auch keine Veranlassung zur Vorlage an den EuGH. | Abs. 52 |
a) Der Beurteilung der beanstandeten Telefonwerbung als wettbewerbswidrig steht die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, nicht entgegen, da diese Richtlinie nur eine Mindestregelung enthält, die den Mitgliedsstaaten grundsätzlich einen weitergehenden Schutz der Verbraucher freistellt (vgl. Artikel 14 der genannten Richtlinie, so auch BGH NJW 2000, 2677 f.). | Abs. 53 |
b)Soweit sich der Beklagte auf eine geplante Änderung der Richtlinie 97/7/EG bezieht, ist diese bisher jedenfalls nicht in Kraft und kann schon deshalb derzeit nicht herangezogen werden. | Abs. 54 |
c)Offen kann bleiben, ob ein Verbot einer Telefonwerbung gegen Artikel 28 und 49 des EG-Vertrages verstoßen würde. | Abs. 55 |
Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist allein, ob die vom Beklagten in seinen AGBG verwendete Klausel bezüglich des Einverständnisses zur Telefonwerbung wirksam oder unwirksam ist. Die Unwirksamkeitserklärung der Klausel hat mithin nur zur Folge, daß ein wirksames Einverständnis seitens des jeweiligen Kunden nicht vorliegt. | Abs. 56 |
Wie dargelegt, ist nach deutschem Recht die Telefonwerbung ohne ausdrückliches Einverständnis unzulässig. Ob und in welchem Umfang dies auch für grenzüberschreitende Beziehungen gilt, wenn nämlich ein in einem anderen EG-Staat ansässiges Unternehmen auf Kunden des deutschen Marktes im Wege der Telefonwerbung zugreift, kann hier offenbleiben. Für den Fall, daß dies zulässig ist, wird dies dadurch, daß eine Einverständniserklärung durch AGB für unwirksam erklärt wird, nicht beeinflußt, da - wie der Beklagte selbst vorträgt - eine Telefonwerbung dann bereits ohne Einverständniserklärung zulässig wäre. | Abs. 57 |
Umgekehrt stellt die streitgegenständliche Klausel bereits deshalb eine unangemessene Benachteiligung dar, weil sie nach deutschem Recht für die deutschen Kunden im Verhältnis zu den in Deutschland ansässigen Unternehmen eine unangemessene Benachteiligung darstellt. | Abs. 58 |
II. Die Klausel betreffend Einverständniserklärung der Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Angaben ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AGBG i.V.m. §§ 4 und 28 BDSG unwirksam. | Abs. 59 |
1. Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich bereits aus der mangelnden Klarheit dieser streitgegenständlichen Klausel. Sie enthält zum einen nämlich eine ausdrückliche Einverständniserklärung zur Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten des Kunden, die, soweit sie wirksam wäre, gemäß § 4 Abs. 1 BDSG die Verarbeitung und Nutzung zulässig machen würde, andererseits nimmt die Klausel ausdrücklich darauf Bezug, daß die Verarbeitung und Nutzung im Rahmen der "jeweils geltenden Datenschutzgesetze" erfolgt. Damit wird dem Kunden suggeriert, die Verarbeitung und Nutzung würde nach Maßgabe der geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen erfolgen und damit im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. | Abs. 60 |
Bei den Kunden entsteht dadurch der Eindruck, daß die Zulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung einzelnen datenschutzrechtlichen Regelungen unterworfen wird, so daß er sich der Reichweite seiner Erklärung nicht bewusst wird, bzw. werden kann. Es wird nicht hinlänglich deutlich gemacht, daß sich durch seine Einverständniserklärung für alle dem Bundesdatenschutzgesetz unterfallenden Tatbestände eine über § 4 BDSG hinausgehende Zulässigkeitsprüfung erledigt hat. Vielmehr wird der Kunde aufgrund der Formulierung davon ausgehen und davon ausgehen dürfen, daß Verarbeitung und Nutzung an weiteren datenschutzrechtlichen Vorschriften geprüft wird bzw. durch diese geregelt ist. | Abs. 61 |
Die Auslegung der Klausel ergibt jedoch, daß Regelungsgehalt der Klausel zugunsten des Beklagten sein soll, daß Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten des Kunden allein aufgrund der Einverständniserklärung zulässig sein soll, da ansonsten die Einverständniserklärung keinen Sinn entfalten würde. | Abs. 62 |
Bei dieser Sachlage stellt die Unklarheit und Intransparenz der Klausel bereits eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gemäß § 9 Abs. 1 AGBG dar. | Abs. 63 |
2. Eine unangemessene Benachteiligung des Kunden besteht weiterhin darin, daß die Klausel entgegen § 4 Abs. 2 BDSD Umfang und Zweck der Verarbeitung und Nutzung, soweit sie nicht allein zur Erreichung des Vertragszweckes dient, nicht hinreichend konkret angibt. Insbesondere ist nicht hinreichend bestimmt, wer die personenbezogenen Daten außer dem Beklagten erhalten soll. Dabei kann offenbleiben, ob der Begriff "die jeweiligen Partnerunternehmen" hinreichend bestimmt ist; denn jedenfalls nicht hinreichend bestimmt sind diejenigen Adressaten, die durch "die in diesem Zusammenhang beauftragten Dienstleistungsunternehmen" umschrieben werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann nicht angenommen werden, daß dies allein diejenigen Datenverarbeitungsunternehmen sind, die von den jeweiligen Partnerunternehmen bzw. vom Beklagten allein zur EDV-Bearbeitung herangezogen werden. Denn der Begriff Dienstleistungsunternehmen umfaßt auch andere Unternehmen, insbesondere solche der Werbebranche und der Marktforschung. | Abs. 64 |
3. Schließlich liegt eine unangemessene Benachteiligung auch im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 28 BDSG vor, da § 28 BDSG für das Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten, soweit es über den Rahmen der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses hinausgeht, eine Interessenabwägung vorsieht (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG) , die durch die generelle Einverständniserklärung seitens des Kunden ausgehebelt wird. | Abs. 65 |
Damit ergibt sich insgesamt, daß diese streitgegenständliche Klausel ebenfalls unwirksam ist. Darauf hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, daß eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten der jeweiligen Kunden, soweit diese zur Durchführung des Rabattverfahrens erforderlich ist, nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG zulässig ist und insoweit eine besondere Einverständniserklärung des jeweiligen Kunden nicht erforderlich ist. | Abs. 66 |
Bei dieser Sachlage war der Klage in vollem Umfang stattzugeben. | Abs. 67 |
Kostenentscheidung: § 91 ZPO. | Abs. 68 |
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO. Bei der
Bemessung der Sicherheitsleistung war auf einen etwaigen Schaden der Beklagten
bei vorläufiger Vollstreckung abzustellen. Die Voraussetzung gemäß
§ 712 ZPO wurde seitens der Beklagten nicht ausreichend dargetan, so daß
dem diesbezüglichen Vollstreckungsschutzantrag nicht stattzugeben war.
| JurPC Web-Dok. 117/2001, Abs. 69 |
[online seit: 09.04.2001] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: München I, LG, Allgemeine Geschäftsbedingungen beim Pay-Back-System - JurPC-Web-Dok. 0117/2001 |