Hanseatisches Oberlandesgericht
|
UrhG §§ 49 Abs. 1, 31 Abs. 1, 15 Abs. 1 |
Leitsätze (der Redaktion) |
Durch die Verwendung von elektronischen Pressespiegeln auf der Grundlage der mit einer Verwertungsgesellschaft geschlossenen Verträge verletzt der Nutzer der Pressespiegel Urheberrechte; die Ausnahmevorschrift des § 49 Abs. 1 UrhG, die die Verbreitung von Presseartikeln unabhängig von der Erlaubnis des Urhebers gestattet, umfasst elektronische Pressespiegel nicht. Dies folgt aus dem Ausnahmecharakter der Vorschrift, die als Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums eng auszulegen und einer analogen Anwendung nicht zugänglich ist, da das Verständnis der Norm sich an den technischen Gegebenheiten der Information und Zielsetzungen des Gesetzgebers im Zeitpunkt der Einführung des Privilegierungstatbestandes zu orientieren hat. |
Tatbestand |
Die Antragstellerin verlegt die "... Zeitung" (Anlage ASt1). Die Antragsgegnerin ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen Aufgaben es u.a. gehört, "optimale Erträge für Autoren und Verlage von den Vergütungspflichtigen einzuziehen und diese Erträge unter möglichst geringem Verwaltungsaufwand an die Wahrnehmungsberechtigten weiterzuleiten" (Satzung und Merkblatt in Anlagen ASt3 und ASt4). In dieser Funktion hat die Antragsgegnerin in der Vergangenheit auf der Grundlage von § 49 Abs. 1 Satz 2 UrhG die Einziehung von Vergütungen für herkömmliche Pressespiegel wahrgenommen (Abschnitt II, Ziff. 6 des Merkblatts in Anlage ASt4 sowie "Tarif für Pressespiegel" in Anlage ASt5). | JurPC Web-Dok. 182/2000, Abs. 1 |
Im Anschluss an streitige Diskussionen und Veröffentlichungen zu diesem Thema in Fachkreisen im Jahr 1998 (Anlage AG2 und Anlage ASt6) schloss die Antragsgegnerin am 24. März 1999 mit der G... S... & Co. oHG einen Vertrag, der die "Einscannung und Speicherung urheberrechtlich geschützter Sprachwerke in einen zentralen Speicher und deren Wiedergabe [...] innerhalb des G... Kommunikationssystems per E-Mail zum internen Gebrauch durch Personen, die für G... tätig sind", zum Inhalt hat (§ 1 Abs. 1). In dem Vertrag ist unter Bezugnahme auf § 49 Abs. 1 Satz 3 UrhG die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung durch ... an die Antragsgegnerin geregelt, wobei die vertragsschließenden Parteien in der Präambel ihrer Überzeugung Ausdruck verleihen, dass auch sog. elektronische Pressespiegel der Regelung des § 49 UrhG unterliegen. Von diesem (ersten) Vertragsschluss über die Wahrnehmung von Rechten an elektronischen Pressespiegeln setzte die Antragsgegnerin den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. in Kenntnis, dem auch die Antragstellerin angehört (Anlage ASt7). | Abs. 2 |
Die Antragstellerin beanstandet die Wahrnehmung von Vergütungsansprüchen an sog. elektronischen Pressespiegeln durch die Antragsgegnerin als rechtswidrig und nimmt diese auf Unterlassung in Anspruch. | Abs. 3 |
Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Regelung aus § 49 Abs. 1 UrhG sei schon auf den herkömmlichen Pressespiegel nicht anwendbar gewesen. Sie gelte als eng auszulegende Schrankenbestimmung aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums wegen des grundlegend anderen Umfangs der Nutzung und der hiermit verbundenen Beeinträchtigung des Urhebers in keinem Fall für das neue Medium eines sog. elektronischen Pressespiegels in digitalisierter Form. Deshalb sei die Antragsgegnerin zur Unterlassung der Wahrnehmung von Vergütungsansprüchen auf der Grundlage von § 49 Abs. 1 UrhG verpflichtet. Aufgrund einer umfassenden Übertragung der Nutzungsrechte aller Redakteure und festen freien Mitarbeiter an den für ihre Zeitung erstellten Textbeiträgen (§ 4 des "Vertrag für freie Mitarbeiter" in Anlage ASt11; § 16 des "Redakteurvertrag" in Anlage ASt12; § 18 des "Manteltarifvertrages Redakteure" in der Fassung der Vereinbarung Anlage ASt2; Einzelverträge in Anlagenkonvolut ASt14) sei zur urheberrechtlichen Rechtsverfolgung gegenüber der Antragsgegnerin befugt. | Abs. 4 |
Die Antragstellerin hat beantragt,
| Abs. 5 |
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
| Abs. 6 |
Sie bestreitet, dass die Antragsgegnerin von allen für sie
tätigen Redakteuren und freien Mitarbeitern die urheberrechtlichen
Nutzungsrechte übertragen erhalten habe und rügt auf dieser Grundlage
ihre Aktivlegitimation. Die Antragsgegnerin beanstandet die fehlende Eilbedürftigkeit
des Verfahrens, da die Antragstellerin trotz Kenntnis der Kontroverse über
die Zulässigkeit sog. elektronischer Pressespiegel längere Zeit untätig
geblieben sei und ihre Rechtsposition allein durch die Einziehung von Vergütungen
ohnehin nicht geschmälert werde. Auch sachlich sei das Anliegen der Antragstellerin unbegründet, denn der sog. elektronische Pressespiegel sei in Einklang mit der herrschenden Meinung von § 49 Abs. 1 UrhG erfasst, so dass die Einziehung von Vergütungen ihrer aus § 49 Abs. 1 Satz 3 UrhG folgenden Befugnis unterfalle. | Abs. 7 |
Das Landgericht Hamburg hat die beantragte einstweilige Verfügung
auf die mündliche Verhandlung am 01. September 1999 mit Urteil vom
07.09.1999 antragsgemäß erlassen und zusätzlich im Tenor auf den
als Anlage dem Urteil beigefügten Vergütungsvertrag Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Antragsgegnerin
mit dem Antrag,
| Abs. 8 |
Die Antragstellerin beantragt,
| Abs. 9 |
Die Parteien vertiefen in zweiter Instanz ihre gegensätzlichen Rechtsstandpunkte. | Abs. 10 |
In einem Parallelverfahren hatte das OLG Köln auf einen gleichgerichteten Verfügungsantrag der ... AG, der Süddeutschen Zeitung GmbH sowie der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH der Antragsgegnerin mit Urteil vom 30.12.1999 (6 U 151/99) [= JurPC Web-Dok. 136/2000, Anm. der Red.] den Abschluss der streitigen Vergütungsverträge bezogen auf die im dortigen Verfahren streitgegenständlichen Presseorgane untersagt. | Abs. 11 |
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. | Abs. 12 |
Entscheidungsgründe |
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Antragsgegnerin ist in dem bereits in erster Instanz ausgesprochenen Umfang verpflichtet, es zu unterlassen, mit Dritten Vergütungsverträge über die Nutzung sog. elektronischer Pressespiegel in der Weise zu schließen, wie dies beispielhaft aus der Anlage zu dem Urteil ersichtlich ist. Die tragenden Erwägungen für das Verbot hat das Landgericht in seinem Urteil vom 07.09.1999 (LG Hamburg AfP 1999, 389) umfassend und überzeugend dargelegt. Der landgerichtliche Rechtsstandpunkt wird unterstützt durch die ebenfalls ausführlich und zur Überzeugung des Senats zutreffend begründete Entscheidung des OLG Köln in einem Parallelverfahren (AfP 2000, 94), in dem drei andere Verlage mit einem entsprechenden Verbotsantrag gegen die Antragsgegnerin vorgegangen waren. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hamburg sowie auf die von der Antragstellerin als Anlage ASt13 eingereichte, beiden Parteien bekannten Entscheidung des OLG Köln vom 30.12.1999 in dem Rechtsstreit 6 U 151/99 [= JurPC Web-Dok. 136/2000, Anm. der Red.] Bezug. | Abs. 13 |
I.
1. Die für eine Rechtsverfolgung im Verfügungsverfahren gem. § 935 ZPO vorausgesetzte Dringlichkeit - die bei Urheberrechtsstreitigkeiten nicht entsprechend § 25 UWG vermutet wird (vgl. Senat GRUR 99, 717) - liegt vor. | Abs. 14 |
a. Es mag sein, dass die abstrakte Rechtsfrage der Zulässigkeit sog. elektronischer Pressespiegel im Rahmen von § 49 UrhG bereits seit längerer Zeit in der Diskussion war und die Antragstellerin auch wusste oder erkennen konnte, dass die Antragsgegnerin das Recht für sich in Anspruch nahm, die sich daraus ergebenden Vergütungsansprüche geltend zu machen. Diese allgemeine Kenntnis lässt aber die Frage der Eilbedürftigkeit im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens unberührt. Denn Gegenstand eines zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens ist nicht die Klärung einer allgemeinen Rechtsfrage, sondern die Entscheidung eines konkreten Rechtsstreits. Die für das Bestehen eines streitigen Rechtsverhältnisses erforderliche Kenntnis hat die Antragstellerin - unbestritten - erst durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 18.06.1999 (Anlage ASt7) erhalten, mit dem diese über den Vertragsschluss mit der Fa. ..., S... & Co informiert hat. Der sich daran anschließende Zeitraum von 2 Monaten bis zur Einreichung des Verfügungsantrags bei dem Landgericht Hamburg am 18.08.1999 überschreitet nach Auffassung des Senats noch nicht das angemessene Maß einer auch im Rahmen dringlicher Verfügungsverfahren zuzubilligenden Überlegungsfrist, zumal es naheliegt, dass die Antragstellerin ihrerseits erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung von diesem Schreiben der Antragsgegnerin erfahren hat, dass diese an den Bundesverband der Zeitungsverleger e.V. gerichtet hatte. Selbst wenn die Auffassung der Antragsgegnerin zutreffen sollte, dass die Antragstellerin mit dem hiesigen Verfügungsantrag den erstinstanzlichen Ausgang des von den Verlagen A... S..., Süddeutsche Zeitung und Verlagsgruppe Handelsblatt vor dem Landgericht Köln (28 O 277/99) anhängig gemachten parallelen Verfügungsverfahrens abgewartet hat, lässt dies nicht die von der Antragsgegnerin behaupteten Rückschlüsse zu, dass der Antragstellerin selbst ihre Rechtsverfolgung nicht eilig gewesen sei. Vielmehr konnte der Antragstellerin aus Gründen der Ressourcenschonung durchaus daran gelegen sein, zunächst abzuwarten, ob die grundlegende Rechtsfrage in einem Parallelverfahren kurzfristig in ihrem Sinne geklärt werden würde, um die Entscheidung einer eigenen Rechtsverfolgung von dem Ausgang dieses Rechtsstreits - in dem am 04.08.1999 eine abweisende Entscheidung ergangen ist - abhängig zu machen. Solange dies - wie hier - in einem so engen Zeitraum bleibt, ist dies aus Gründen der Dringlichkeit der Rechtsverfolgung nicht zu beanstanden. | Abs. 15 |
Auch der Umstand, dass es der Antragstellerin - nach Auffassung der Antragsgegnerin - mit dem vorliegenden Verfügungsverfahren ausschließlich um "finanzielle Ansprüche" geht (dies ist bei Auseinandersetzungen über den Umfang der Sozialbindung von Eigentum häufig der Fall), steht der Eilbedürftigkeit weder grundsätzlich noch im konkreten Fall entgegen. Eine entsprechende Einschränkung sieht die Rechtslage nicht vor. Zudem ist nicht zu verkennen, dass der von der Antragsgegnerin vorgenommene Vertragsschluss mit der G..., S... & Co. oHG auch über finanzielle Fragen hinaus schon deshalb erhebliche präjudizielle Wirkung entfaltet, weil die Antragsgegnerin in der Präambel des Vertrages ihrer grundsätzlichen Rechtsauffassung dazu Ausdruck verleiht, dass sog. elektronische Pressespiegel von § 49 UrhG erfasst sind. | Abs. 16 |
2. Die Antragstellerin ist aktivlegitimiert.
Sie hat durch Vorlage ihrer Vereinbarung mit der IG Medien und dem Journalistenverband (Anlage ASt2, § 18) sowie ihrer Firmenverträge für freie Mitarbeiter (Anlage ASt11, § 4) bzw. Redakteure (Anlage ASt12, § 16) und einer Reihe von Einzelverträgen (Anlage ASt14) dargelegt, dass sie sich von ihren Mitarbeitern vertraglich die für den hier zu entscheidenden Sachverhalt relevanten urheberrechtlichen Nutzungsrechte übertragen lässt. Soweit die Antragsgegnerin die Darstellung der Antragstellerin angreift, sie habe mit allen Redakteuren und festen freien Mitarbeitern entsprechende Verträge geschlossen, verhilft ihr dies selbst dann nicht zum Erfolg, wenn etwa die im Schriftsatz vom 03.03.2000 als Zeugen genannten 5 freien Mitarbeiter - und möglicherweise sogar weitere - tatsächlich einer solchen Vertragsbindung nicht unterliegen. Denn für die Aktivlegitimation ist im vorliegenden Fall eine Rechtsinhaberschaft an allen Artikeln keine Voraussetzung. Das ausgesprochene Verbot richtet sich vielmehr gegen das "Gesamtsystem" elektronischer Pressespiegel, und damit gegen das darin zum Ausdruck kommende Strukturprinzip, nicht jedoch gegen die jeweilige Ausgestaltung des einzelnen elektronischen Pressespiegels und die darin enthaltenen konkreten Artikel. Deshalb kann Voraussetzung für die Aktivlegitimation der Antragstellerin auch nur sein, dass aufgrund der Konzeption solcher elektronischer Pressespiegel eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass auch die Rechte der Antragstellerin hierdurch verletzt werden. Diese Bedingung liegt vor. Da der angegriffene Vertragswortlaut pauschal die uneingeschränkte Übernahme von Sprachwerken auch aus den Presseerzeugnissen der Antragstellerin zum Gegenstand einer Vergütungspflicht gegenüber der Antragsgegnerin macht, ist ihr Rechtskreis bereits dann nachhaltig tangiert, wenn sie von einer nicht unerheblichen Anzahl der für sie tätigen Redakteure und freien Mitarbeiter die urheberrechtlichen Nutzungsrechte übertragen erhalten hat. Dass dies so ist, stellt selbst die Antragsgegnerin nicht in Frage. Deshalb kann die Antragstellerin selbst dann umfassende Verbietungsrechte gegen die Antragsgegnerin verfolgen, wenn sie nicht Inhaberin von Nutzungsrechten an allen in ihren Produkten veröffentlichten Sprachwerken ist. Der inhaltlich weit gefasste Anwendungsbereich der getroffenen Vereinbarung und der Geschäftsbereich des Vertragspartners lassen es zudem erwarten, dass in dem für das Unternehmen erstellten elektronischen Pressespiegel in nicht unerheblichem Umfang auch Artikel der "... Zeitung" Eingang finden, an denen die Antragstellerin die Verwertungsrechte hält. Da die zwischen der Antragsgegnerin und der G... S... & Co. oHG getroffene Vereinbarung für zunächst 2 Jahre abgeschlossen ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch noch gar nicht vorhergesehen werden, wessen konkrete Urheberrechte die Antragstellerin an welchem übernommenen Artikel zu welchem Zeitpunkt geltend machen kann. Deshalb ist es im Rahmen der Rechtsverfolgung im vorliegenden Fall ausreichend, dass die Nutzungsrechte - wie hier -, wenn nicht vollständig, so doch in der überwiegenden Zahl der Fälle bei der Antragstellerin liegen. | Abs. 17 |
II.
Die Antragstellerin kann gem. § 97 Abs. 1 UrhG von der Antragsgegnerin verlangen, dass sie es unterlässt, Vergütungsverträge über sog. elektronische Pressespiegel in der dem Urteil als Anlage beigefügten Art abzuschließen. | Abs. 18 |
Durch die Verwendung von elektronischen Pressespiegeln auf der Grundlage der mit der Antragsgegnerin geschlossenen Verträge verletzt der Nutzer des Pressespiegels Urheberrechte. Er ist deshalb dem Berechtigten gegenüber zur Unterlassung verpflichtet. Denn die Nutzung urheberrechtlich geschützter Sprachwerke aus Zeitungen und anderen Informationsblättern bedarf grundsätzlich nach §§ 31 Abs. 1, 15 Abs. 1 UrhG der Einwilligung des jeweils urheberrechtlich Nutzungsberechtigten. Die Ausnahmevorschrift des § 49 Abs. 1 UrhG, die unter bestimmten Voraussetzungen die Vervielfältigung und Verbreitung von Presseartikeln unabhängig von der Erlaubnis des Urhebers gestattet, rechtfertigt eine zustimmungsfreie Nutzung nicht, denn der Regelungsgehalt dieser Norm umfasst elektronische Pressespiegel nicht. | Abs. 19 |
Indem die Antragsgegnerin unter Berufung auf § 49 Abs. 1 Satz 2 und 3 UrhG trotz der fehlenden Privilegierung von elektronischen Pressespiegeln aus dieser Vorschrift für deren Nutzungen Vergütungen einzieht, wirkt sie als Teilnehmerin mit einem wesentlichen Tatbeitrag an der Urheberrechtsverletzung des Nutzers mit und ist der Antragstellerin damit gleichermaßen aus § 97 Abs. 1 UrhG zur Unterlassung verpflichtet. | Abs. 20 |
1. Als urheberrechtliche Schrankenregelung ist § 49 Abs. 1 UrhG grundsätzlich eng auszulegen. Deshalb ist die Norm - trotz der sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Entwicklung einer auf elektronischen Datenaustausch ausgerichteten Informationsgesellschaft - einer "zeitgemäß" erweiterten Auslegung nicht zugänglich, wenn diese nicht bereits in der gesetzgeberischen Absicht angelegt ist. Das ist hier nicht der Fall. Die auf sog. elektronischen Pressespiegel zur Anwendung gebrachten Vorschrift des § 49 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist aufgrund ihrer Stellung in Sechsten Abschnitt des Ersten Teils des Urheberrechtsgesetzes Ausdruck der sich aus der Sozialbindung des Eigentums ergebenden "Schranken des Urheberrechts" im Interesse der Allgemeinheit (Schricker-Melichar, UrhG, 2. Aufl. Vor §§ 45 ff, Rdn.1). | Abs. 21 |
aa. Diese gesetzlichen Schrankenregelungen sind die Ausprägung einer wertenden Entscheidung des historischen Gesetzgebers und können - hierauf weist die Antragsgegnerin zutreffend hin - etwa aufgrund technischer Weiterentwicklungen mit der Folge "veralten", dass sie die gegenwärtige gesellschaftliche Realität nicht mehr angemessen abbilden. Dies mag auch in Bezug auf die in § 49 Abs. 1 Satz 1 UrhG ausdrücklich genannten "Zeitungen" und "Informationsblätter" zutreffen, wie die Antragsgegnerin geltend macht. Es kann deshalb durchaus so sein, dass heutzutage faktisch eine Gleichsetzung der Informationsträger in Papierform und in digitaler Form stattfindet, so dass die "Zeitung" von gestern dem "elektronischen Datenträger" von heute und morgen entspricht. | Abs. 22 |
bb. Mit dieser Erkenntnis ist hingegen im Rahmen der Schrankenbestimmungen der §§ 45 ff UrhG nichts gewonnen. | Abs. 23 |
aaa. Denn schon aus verfassungsrechtlichen Gründen des
Eigentumsschutzes aus Art. 14 GG sind die im Interesse des Allgemeinwohls dem
Urheber in §§ 45 ff UrhG mit seinem immateriellen geistigen Eigentum
im Sinne einer Sozialpflichtigkeit auferlegten Schranken grundsätzlich eng
auszulegen (BGH GRUR 1997,459,463 - CB-Infobank I; BGH CR 1999,213,215 -
Elektronische Pressearchive). Da es sich hierbei bereits um Ausnahmevorschriften
handelt, ist für eine analoge Anwendung grundsätzlich kein Raum
(Schricker-Melichar, UrhG, 2. Aufl. 1999, Vor §§ 45 ff, Rdn. 15;
Fromm-Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., Vor §§ 45 ff, Rdn. 3;
differenzierend BGH NJW 1999,1953,1957,1958 - Kopienversanddienst -, der im
Rahmen von § 53 UrhG eine Lückenschließung durch rechtsanaloge
Anwendung vornimmt, um den Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung
zu gewährleisten). Der mit einer Ausnahmebestimmung verfolgte Zweck kann
daher "nur aus der tatsächlichen und rechtlichen Lage, die der
Gesetzgeber bei Erlass dieser Bestimmung vorfand" entnommen werden (BGHZ
17,266 - Grundig-Reporter). Dies bedeutet, dass auch neue technische Möglichkeiten
und Entwicklungen nicht zu einer Ausweitung der Ausnahmebestimmungen führen
können (Schricker-Melichar, a.a.O. unter Hinweis auf RGZ 153,1; Loewenheim
GRUR 1996,636,641). Denn das Verständnis der privilegierenden Norm -
hierauf hat der Bundesgerichtshof erst kürzlich wieder ausdrücklich
hingewiesen - hat sich vor allem an den technischen Gegebenheiten der
Information und Zielsetzungen des Gesetzgebers im Zeitpunkt der Einführung
des Privilegierungstatbestands zu orientieren (BGH GRUR 1997,459,463 -
CB-Infobank I [= JurPC Web-Dok. 6/1997, Anm. der
Red.]; BGH CR 1999, 213, 215 - Elektronische Pressearchive [=
JurPC Web-Dok. 26/1999, Anm. der Red.];
differenzierend im Sinne einer "konventionsfreundlichen Auslegung" des
Urheberrechts: BGH NJW 1999, 1953, 1957, 1958 - Kopienversanddienst [=
JurPC Web-Dok. 113/1999, Anm. der Red.]).
Bei der Konzeption des § 49 Abs. 1 UrhG ist der Gesetzgeber ebenso wie bei der letzten Novellierung der Vorschrift im Juni 1985 allenfalls von einer Situation ausgegangen, bei der Pressespiegel nur in Papierform bekannt waren, sofern man diese in jeder Form überhaupt von der Vorschrift erfasst ansieht, was in der Vergangenheit im Schrifttum mit gewichtigen Argumenten bezweifelt worden ist (Wild AfP 1989,701,705; Soehring, Presserecht, 2. Aufl., Rdn. 3.22; siehe auch die Darstellung bei Zahrt, Der urheberrechtliche Schutz elektronischer Printmedien, S. 116). | Abs. 24 |
bbb. Im vorliegenden Fall scheitert die Anwendung der Privilegierungsvorschrift bereits daran, dass es sich bei elektronischen Pressespiegeln nicht um "Zeitungen" oder "Informationsblätter" handelt. Mit diesen Begriffen ist durch den Gesetzgeber schon sprachlich eine eindeutige Festlegung auf Pressemedien in Papierform erfolgt, die einer erweiternden Auslegung auf allgemeine "Informationsmedien" (gleich welcher körperlichen Gestalt) entgegensteht. Denn der entgegenstehende eindeutige Wortlaut einer Schrankenbestimmung lässt sich nicht mit reinen Zweckmäßigkeitsregelungen überwinden. Soweit etwa Fischer (ZUM 1995,117,121) die Auffassung vertritt, dem Gesetz könne nicht entnommen werden, dass ein Informationsblatt auf Papier manifestiert sein müsse, überspannt dieses Verständnis nach Auffassung des Senats die Grenzen der möglichen Wortbedeutung, denn eine "Datei" ist mit Sicherheit kein "Blatt" im Sinne dieser Vorschrift (so zutreffend auch: Loewenheim a.a.O., S. 640, Fromm-Nordemann, Urheberrecht, § 49 Rdn. 3; a.A. und insoweit widersprüchlich Schricker-Melichar, Urheberrecht, der (§ 49 Rdn. 33) einräumt, dass bei "enger Auslegung" elektronische Pressespiegel nicht mehr hierunter fallen können, und (Vor §§ 45 ff Rdn. 15) im Rahmen der §§ 45 ff insgesamt eine enge Auslegung gerade ausdrücklich für geboten hält), unbeschadet der Frage, aus welchem anderen Material als Papier "Blätter" vorstellbar sind. Schon im Rahmen der wörtlichen Auslegung (zur teleologischen Auslegung siehe weiter unten) vermag der Senat auch der Auffassung nicht zuzustimmen, die es für die Anwendbarkeit des § 49 Abs. 1 UrhG ausreichen lässt, dass der elektronische Pressespiegel von dem Nutzer jederzeit auf Papier ausgedruckt und damit ein "Informationsblatt" hergestellt werden kann (Raue/Hegemann in Hoeren-Sieber, Handbuch MultimediaRecht, Kap. 7.5, Rdn. 71). Ein derartiges Verständnis stellt unzutreffend auf rein formale Kriterien ab und wird der inhaltlichen Bedeutung der Digitalisierung nicht gerecht. | Abs. 25 |
ccc. Auch der Hinweis darauf, dass das Urheberrechtsgesetz grundsätzlich einem technischen Wandel offensteht (Fischer ZUM 1995,117,121), führt - seine Richtigkeit unterstellt - zu keinem anderen Ergebnis. Denn an dieser Offenheit können verfassungsrechtlich veranlasste Schrankenbestimmungen aus den oben genannten Gründen gerade nicht teilhaben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es für die rechtliche Abbildung der veränderten gesellschaftlichen Wirklichkeit ebenso wie für eine angemessen Fortentwicklung der Nutzung neuer Informationstechnologien unverzichtbar ist, dass die rechtlichen Regelungstatbestände mit den tatsächlichen Gegebenheiten Schritt halten. Der Bundesgerichtshof hat allerdings jüngst zum Verständnis der Schrankenbestimmungen des Urheberrechts im Zusammenhang mit einer für § 53 Abs. 2 Nr. 4a UrhG geforderten erweiterten Auslegung ausgeführt, dass einer ergebnisorientiert in die Zukunft gerichteten Sichtweise der Art, "zur Lösung der Probleme der Informationsgesellschaft müsse schon jetzt sichergestellt werden, dass - auch elektronisch gespeicherte - Informationen den interessierten Benutzern zugänglich gemacht werden können, ohne auf die Zustimmung des Urhebers zurückgreifen zu müssen", aus Sicht des an Gesetz und Recht gebundenen Richters nicht beigetreten werden könne (BGH GRUR 1997,464,466 - CB-Infobank II [= JurPC Web-Dok. 7/1997, Anm. der Red.]). Dieser zutreffenden Auffassung schließt sich der Senat an. | Abs. 26 |
cc. Deshalb stellt sich die Erweiterung (oder Einschränkung) gesetzlicher Schrankenbestimmungen aufgrund der damit u.U. verbundenen einschneidenden Auswirkungen auf grundrechtlich geschützte (Eigentums-)Positionen als gesetzgeberische Prärogative dar und ist der richterlichen Rechtsfortbildung in der Regel entzogen. Vollkommen zu Recht führt Melichar (in Schricker, Vor §§ 45 ff Rdn. 5a) hierzu aus: "Die durch die digitale Technik ermöglichte völlig neue Qualität und Quantität der Nutzungsmöglichkeiten erfordert de lege ferenda(Unterstreichung nicht im Original) eine gründliche Anpassung der Schrankenregelungen, wobei es vor allem um eine Reduzierung der bisher vorgesehenen allzu freizügigen Nutzungsmöglichkeiten geht, aber auch um maß- und sinnvolle Erweiterungen". Dieser gesetzgeberischen Aufgabe hat die Rechtsprechung nicht vorzugreifen. Dies umso weniger, als der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren in Kenntnis von Existenz und Umfang der sich fortentwickelnden elektronischen Informationsmedien mehrfach Anpassungen der Schrankenregelungen vorgenommen hat, ohne § 49 UrhG in diese Veränderungen mit einzubeziehen. So sind etwa mit dem Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste" vom 22.07.1997 u.a. Änderungen an den Schrankenvorschriften aus §§ 53 und 55a UrhG vorgenommen und mit § 87 c UrhG auf Datenbankhersteller bezogene neue Schrankenregelung eingefügt worden. § 49 UrhG ist demgegenüber unverändert geblieben. Vielmehr hat das Bundesjustizministerium erst mit dem von der Antragstellerin als Anlage ASt10 vorgelegten "Diskussionsentwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes" im Juli 1998 die Initiative ergriffen, die die von der Antragsgegnerin für erforderlich gehaltene Erstreckung des § 49 UrhG einer gesetzlichen Regelung zuführen soll. Auch aufgrund des laufenden Abstimmungsprozesses um diese gesetzliche Neuregelung verbietet es sich aus Sicht des Senats, dem beabsichtigten gesetzgeberischen Akt durch richterliche Rechtsfortbildung vorzugreifen bzw. den Gesetzgeber zu präjudizieren, zumal davon, dass das Gesetzgebungsvorhaben nur die gegenwärtig ohnehin bestehende Rechtslage verankern wolle, angesichts der vorstehenden Ausführungen keine Rede sein kann. | Abs. 27 |
a. Aber auch inhaltlich wäre die von der Antragsgegnerin angestrebte ausdehnende Auslegung der Norm nicht gerechtfertigt. Denn der Gesetzeszweck u.a. von § 49 UrhG liegt gerade nicht in der kommerziellen (Folge-)Verwertung von Presseerzeugnissen in Wirtschaftsunternehmen, wie dies Gegenstand des streitgegenständlichen Vertrages ist, sondern in der "Erleichterung der Berichterstattung" (siehe hierzu: Loewenheim GRUR 1996,636,639; Schricker-Melichar, a.a.O. Rdn. 4 unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung). Bezweckt war es, durch diese Vorschrift einen Freiraum für die geistige Auseinandersetzung mit anderen Medien zu schaffen und so die verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Presse zu unterstützen, an der öffentlichen Meinungsbildung teilzunehmen (Soehring, a.a.O., Zahrt, Der urheberrechtliche Schutz elektronischer Printmedien, § 7 Ziff. 1 - Seite 106 -). Schon dieser Gesetzeszweck belegt, dass mit der Ausnahmevorschrift aus § 49 UrhG in erster Linie die wechselseitige Zitierung bzw. Kommentierung von Artikeln durch Presseorgane untereinander zur Förderung der Pressefreiheit sichergestellt werden sollte. Das Erstellen und Vertreiben herkömmlicher Pressespiegel für den internen Gebrauch von Unternehmen, die nicht als Presseunternehmen unmittelbar selbst an der in § 49 UrhG vorausgesetzten Berichterstattung teilnehmen, liegt schon deutlich in einem Randbereich des Normzwecks. Aufgrund dieser Situation scheidet ein weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs ebenfalls aus. | Abs. 28 |
2. Soweit in der Literatur demgegenüber gleichwohl die Auffassung vertreten wird, die Erstellung elektronischer Pressespiegel sei durch § 49 Abs. 1 UrhG gedeckt (Raue/Hegemann in Hoeren-Sieber, Handbuch MultimediaRecht, Kap. 7.5, Rdn. 73; Eidenmüller CR 1992,321,323; Fischer ZUM 1995,117,121; Hillig in Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Das Recht der neuen Medien, S. 428; Zahrt, a.a.O. S. 110; offen: Flechsig ZUM 1996,833,846; ablehnend: Loewenheim a.a.O.; Zahrt a.a.O. S. 116; Fromm-Nordemann, Urheberrecht, § 49 Rdn. 3), liegen dem nach Auffassung des Senats in erster Linie Zweckmäßigkeitserwägungen zugrunde, deren Verwirklichung - aus den soeben genannten Gründen - ausschließlich Aufgabe des Gesetzgebers ist. | Abs. 29 |
a. Die Auffassung, durch die Einführung elektronischer Pressespiegel ändere sich an Art und Umfang der von § 49 Abs. 1 UrhG gestatteten Leistungsübernahme nichts, der Effekt der Elektronisierung liege allein in der Beschleunigung des Informationsflusses und reduziere sich daher auf den Zeitfaktor (Fischer, ZUM 1995, 117,121), greift erkennbar zu kurz (so auch Loewenheim, a.a.O., S. 641). Durch die elektronische Eingabe und Speicherung der Presseartikel ergeben sich für den Nutzer Verwendungsmöglichkeiten in einem grundlegend anderen Ausmaß, denen entsprechende Gefahren der Rechtsbeeinträchtigung auf Seiten des Urhebers gegenüberstehen. Die Digitalisierung ermöglicht einen nahezu unbeschränkten problemlosen Zugriff auf die erfassten Texte, insbesondere deren selektive Übernahme in andere Zusammenhänge und Speicherung für künftige Verwendungen durch eine Vielzahl von Mitarbeitern unmittelbar an ihrem Arbeitsplatz (BGH CR 1999,213,216 - Elektronische Pressearchive [= JurPC Web-Dok. 26/1999, Anm. der Red.]; vgl. hierzu auch BGH NJW 1999,1953,1956 - Kopienversanddienst [= JurPC Web-Dok. 113/1999, Anm. der Red.]). Durch die Möglichkeit der strukturierten Suche nach Begriffen schon in Volltextdatenbeständen - von relationalen Datenbanken ganz abgesehen - erschließt sich der Nutzer hiermit eine neue Qualität des Informationszugriffs, der mit der Lektüre des herkömmlichen, aus einzelnen Artikeln ausgeschnittenen und "zusammengeklebten" Pressespiegels, der nur in der konkreten Form verwendbar war und weitergehende, andersartige Nutzungen praktisch nicht zuließ, nicht vergleichbar ist (siehe zu den mit elektronischen Pressespiegeln eröffneten Nutzungsmöglichkeiten: Loewenheim, GRUR 1996, 636,637; anders: Eidenmüller CR 1992,321,323). Der weiteren Verbreitung eines einmal digitalisierten Textes, sei es unternehmensintern durch Einstellung in eine Unternehmens-Datenbank, sei es zwischen verschiedenen Wirtschaftsunternehmern durch Übermittlung online oder durch Angebot im Internet, sind kaum noch Grenzen gesetzt (Völker K&R 1999,228). Hierdurch wird nachhaltig in die Interessen der urheberrechtlich Nutzungsberechtigten an Beiträgen in Zeitungen und anderen Informationsblättern aus "Papier" eingegriffen, da zumindest auf längere Sicht die Substituierung dieser Produkte droht bzw. im Bereich von größeren Wirtschaftsunternehmen gefördert wird. (Loewenheim, a.a.O., S. 641 unter Hinweis auf Katzenberger, GRUR Int. 1983, 895, 910). Die vertragliche Regelung in § 1 Abs. 3 der Vereinbarung, dass die eingespeicherten Artikel und Kommentare des elektronischen Pressespiegels nach spätestens zwei Wochen gelöscht werden müssen, kann dem nicht entgegenwirken, denn sie verhindert nicht die Übernahme, Weiterbearbeitung und dauerhafte Speicherung z.B. von Teilen eines Artikels in anderen Texten oder Datensammlungen. | Abs. 30 |
b. Auch wenn die Beschleunigung des Informationsflusses (ein) erklärtes Ziel der Schaffung der Ausnahmeregelung in § 49 Abs. 1 UrhG war, rechtfertigt dies nach Auffassung des Senats nicht die von der Antragsgegnerin vertretene Einschränkung des Schutzumfangs im Hinblick auf elektronische Pressespiegel (so aber Fischer ZUM 1995, 117,121). Denn mit dieser Begründung ließe sich auch die Erweiterung einer Reihe anderer, im Urheberrechtsgesetz in den §§ 45 ff verankerter Schrankenbestimmungen über deren Wortlaut hinaus vertreten. Hierdurch würde in unzulässiger Weise in das von dem Gesetzgeber in diesem Abschnitt geschaffene Regel-Ausnahme-Verhältnis und den durch die gesetzliche Regelung vorgenommenen Ausgleich der Interessen des Urhebers und der Allgemeinheit eingegriffen werden. | Abs. 31 |
c. Der vereinzelt anzutreffende Hinweis (Hillig in Fuhr/Rudolf/Wasserburg, Das Recht der neuen Medien, S. 428), die Presse könne die Auswertung ihrer Artikel in elektronischen Pressespiegeln durch den in § 49 Abs. 1 Satz 1 UrhG vorgesehenen "Vorbehalt der Rechte" unterbinden, verkehrt das urheberrechtliche Regel-Ausnahme-Verhältnis unzulässig in sein Gegenteil. Denn der Nutzungsberechtigte kann durchaus ein eigenes Interesse an der vorbehaltlosen Verwertung seiner Erzeugnisse im Rahmen der zulässigen Nutzungsarten des § 49 UrhG haben, die er sich bei einem pauschalen Rechtsvorbehalt verstellen würde. | Abs. 32 |
3. An der von dem Nutzer des elektronischen Pressespiegels
verwirklichten Urheberrechtsverletzung wirkt die Antragsgegnerin als
Teilnehmerin maßgeblich mit, indem sie hierüber auf der Grundlage von
§ 49 Abs. 1 Satz 2 und 3 UrhG unzulässigerweise Nutzungsverträge
abschließt und Vergütungen einzieht. Zur Vermeidung von
Wiederholungen nimmt der Senat insoweit zur Begründung auf die überzeugenden
Ausführungen des OLG Köln unter Abschnitt B Ziff. 2. des beiden
Parteien bekannten Urteils vom 30.12.1999 in dem Rechtsstreit 6 U 151/99 [=
JurPC Web-Dok. 136/2000, Anm. der Red.] Bezug.
Der Umstand, dass die Antragsgegnerin als Wahrnehmungsgesellschaft gem. § 11 WarnG einem Abschlusszwang unterliegt, entlastet sie nicht. Denn diese Kontrahierungspflicht bezieht sich nur auf rechtmäßiges Verhalten. Das Risiko einer zutreffenden Einschätzung der Rechtslage liegt bei der Antragsgegnerin. Da die Unterlassungsverpflichtung aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG verschuldensunabhängig besteht, stellt sich die Frage nach der Entschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums nicht. | Abs. 33 |
4. Darüber hinaus wäre die konkrete Art der Nutzung eines elektronischen Pressespiegels, die die Antragsgegnerin mit dem in der Anlage zu dem Urteil beigefügten Vertrag zwischen ihr und der G..., S... & Co. oHG konkret unterstützt, aber auch aus einem anderen Grund unzulässig. | Abs. 34 |
Denn in der angegriffenen Vereinbarung bleibt entgegen der aus §
49 Abs. 1 UrhG abzuleitenden Voraussetzungen für eine zustimmungsfreie
Nutzung der Umfang der zulässigen Übernahme von Presseartikeln
ungeregelt. § 1 Abs. 1 definiert als Vertragsgegenstand pauschal die "Einscannung
und Speicherung urheberrechtlich geschützter Sprachwerke [...] sowie deren
Wiedergabe [...]", während die gesetzliche Schrankenbestimmung in §
49 Abs. 1 UrhG ausdrücklich nur die Übernahme einzelnerArtikel aus Zeitungen zulässt. Auch wenn sich möglicherweise nur im
jeweiligen Einzelfall klären lässt, wann der Umfang "einzelner"
Artikel überschritten ist (Schricker-Melichar, § 49 Rdn. 9 entgegen
Eidenmüller CR 1992,321,322, der bei 20 % eine Obergrenze sieht; Flechsig
ZUM 1996, 833,846 ("nur einige wenige")), fehlt der Vereinbarung der
Antragsgegnerin jeglicher Hinweis darauf, dass die Übernahme
urheberrechtlich geschützter Sprachwerke in sog. elektronische
Pressespiegel nach dem Vertrag nicht generell, sondern nur unter den einschränkenden
Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 UrhG zulässig ist. Die
Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 2 (2. Absatz) betrifft nicht den Umfang der Übernahme,
sondern nur das Ausmaß der Vergütungspflicht und kann daher ebenfalls
zur Klarstellung nicht entscheidend beitragen.
Damit trifft die Antragsgegnerin mit ihrem Vertragspartner Vereinbarungen über einen erheblich weiteren Umfang an Rechten, als ihr selbst auf der Grundlage der ihr günstigen Auslegung des § 49 Abs. 1 UrhG zustehen könnten. Denn nach der Vereinbarung ist es dem Vertragspartner nicht untersagt, alle oder eine überwiegende Zahl der Artikel bzw. Kommentare aus einer Zeitung in seinen elektronischen Pressespiegel zu übernehmen, obwohl es sich hierbei nicht um eine von der gesetzlichen Schrankenregelung gedeckte zustimmungsfreie Werknutzung handelt. Die Möglichkeit, dass mehr als nur "einzelne" Artikel in elektronischen Pressespiegeln Verwendung finden, ist auch nicht nur theoretischer Natur. Denn die elektronische Speicherung bietet problemlos die Möglichkeit der Sortierung und Aufbereitung des Nachrichtenmaterials nach unterschiedlichen Fach- und Interessenrichtungen, so dass eine umfassende Auswertung von Pressemedien für unterschiedliche betriebsinterne Abteilungen und Zwecke möglich und in bestimmten Branchen naheliegend ist. Gerade am Beispiel des mit der G..., S... & Co. oHG geschlossenen Vertrages zeigt sich, dass ein derartiges Unternehmen auf dem Gebiet des "i...banking" im Regelfall auch einen erheblichen Informationsbedarf in nahezu allen maßgeblichen Nachrichtenkategorien hat, so dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich der mit dem Vertrag eröffnete Übernahmewunsch nicht nur auf "einzelne" Artikel beschränkt. | Abs. 35 |
Wenngleich die Antragsgegnerin ihren Vertragspartnern in der Vereinbarung keinen bestimmten Nutzungsumfang ausdrücklich "gestattet", sondern nur daraus abgeleitete Vergütungsansprüche geltend macht, entwickelt die einschränkungslose Beschreibung des Vertragsgegenstands erheblichen indiziellen Charakter für den Umfang der Berechtigung des Nutzers, zumal es sich bei der Antragsgegnerin praktisch um das Monopolunternehmen auf dem Gebiet der Verwertung von Ansprüchen der Urheber von Sprachwerken handelt. Auch unter diesem Aspekt wirkt die Antragsgegnerin deshalb bereits mit dem beanstandeten Vertragsschluss an einer durch einen Dritten begangenen Urheberrechtsverletzung als Teilnehmerin mit. | Abs. 36 |
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. | JurPC Web-Dok. 182/2000, Abs. 37 |
[online seit: 25.09.2000] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Hamburg, Hanseatisches Oberlandesgericht, Elektronischer Pressespiegel - JurPC-Web-Dok. 0182/2000 |