JurPC Web-Dok. 100/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/2000159166

LG Köln
Urteil vom 25.11.1999

31 O 990/99

Powershopping

JurPC Web-Dok. 100/2000, Abs. 1 - 22


UWG § 1

Leitsatz (der Redaktion)

Das sog. Powershopping im Internet, bei dem die Höhe des Kaufpreises von der Zahl der abgegebenen Kaufangebote abhängt, verstößt gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens, da damit primär intendiert ist, die Spiellust und das Streben des Verbrauchers nach Gewinn auszunutzen.

Tatbestand

Die Antragstellerin vertreibt unter der Marke ... Geräte der Unterhaltungsindustrie.JurPC Web-Dok.
100/2000, Abs. 1
Die Antragsgegnerin bietet unter der Bezeichnung "Powershopping" im Internet die nachstehend beschriebene, nach ihrer Aussage "Neue Art des Einkaufens" an. Das Angebot der Antragsgegnerin basiert dabei auf der Grundlage, dass ein Artikel in verschiedenen Preisstufen angeboten wird und der Preis um so geringer wird, je mehr Interessenten ein verbindliches Kaufangebot abgeben. Die weiteren Preise sind dabei grundsätzlich als feste Größe angegeben; das Angebot der Antragsgegnerin ist auf den Zeitraum von 8 Tagen befristet. Am Beispiel eines Fahrradkaufes beschreibt die Antragsgegnerin das von ihr angebotene Einkaufssystem wie folgt: Bestellen 1 - 5 Personen das Fahrrad, beträgt der Preis 500,00 DM. Dieser Preis reduziert sich auf 450,00 DM, wenn mindestens 6 Käufer gefunden werden, auf 400,00 DM bei 11 Käufern, auf 320,00 DM bei 16 Käufern und auf bis zu 250,00 DM, wenn mindestens 21 verbindliche Kaufangebote abgegeben werden. Dabei ist jeweils abrufbar, wie viele Käufer in welcher Preiskategorie noch fehlen. Finden sich also z.B. 21 Käufer nicht, so erhält die geringere Anzahl von Käufern das Fahrrad zu dem Preis, der für die Preisstufen 1 - 4, je nach Zahl der Käufer, maßgeblich ist. Es verbleibt im Beispielsfalle der Fahrräder bei dem Preis von 500, 00 DM in der Preisstufe 1, dem Ausgangspreis, wenn sich nicht mehr als 5 Käufer finden. Diese erhalten dann das Fahrrad auch nur zum Preis von 500,00 DM. Gibt man also ein Kaufangebot für die Preisstufe 3 (400,00 DM) ab, bekommt man den Artikel zu diesem Preis, wenn mindestens 11 Käufer für dieses Produkt in dieser oder einer teureren Preisstufe ein Kaufangebot abgegeben haben. Ist die erforderliche Käuferzahl für eine Preisstufe erreicht, im Beispielsfall also z. B. 11 Käufer auf der Preisstufe 3 für 400,00 DM, kann sich ein weiterer Bewerber in diese Preisstufe nicht mehr eintragen, den Artikel also zu diesem Preis nicht mehr bekommen. Er hat allerdings die Möglichkeit, sich in die nächsthöhere Preisstufe, hier also z.B. die Preisstufe 4 für 320,00 DM einzutragen. Findet sich dann die notwendige Einkaufsgruppengröße dieser Preisstufe, im Beispielsfall 16, bekommt der Besteller das Fahrrad zu einem Preis von 320,00 DM, ansonsten ist ein Erwerb zu diesem oder auch zu einem höheren Preis nicht möglich.Abs. 2
In dieser Form werden auch Produkte der Antragstellerin, so ein CD-Portable, angeboten und veräußert, wobei in der höchsten Preisstufe ein Betrag von 300,00 DM genannt ist, der, je nach Zahl der Anbieter, auf 169,00 DM reduziert werden kann.Abs. 3
Die Antragstellerin hält diese Art der Preisgestaltung für wettbewerbswidrig. Sie ist der Auffassung, es liege ein Verstoß gegen das RabattG vor, da der ausgelobte Normalpreis um mehr als 3% unterschritten werde. Die Verbraucher sähen den ursprünglichen (hohen) Preis als Normalpreis an, die reduzierten Preise als Nachlässe auf eben diesen Normalpreis. Auch die Antragsgegnerin selbst spreche in der Beschreibung ihres Angebotes von "fehlenden Käufern" zur Erreichung "weiterer Preisrabatte". Es handele sich überdies um sogenannte "Sonderpreise" im Sinne des § 1 Abs. 2 RabattG, da sie nur demjenigen Kreis von Personen gewährt würden, der der Antragsgegnerin ein Angebot unterbreite. Darüber hinaus verstoße das Angebot der Antragsgegnerin auch gegen die Regelungen der Preisangabenverordnung. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der Preisangabenverordnung seien nämlich als bestimmte Preise sogenannte Endpreise anzugeben. Bei dem Vorgehen und Angebot der Antragsgegnerin bleibe jedoch für den Verbraucher letztlich unklar, welcher Preis am Ende berechnet werde. Unter diesem Aspekt verstoße das Angebot der Antragsgegnerin auch gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 ZugabeVO, wonach es verboten sei, die Zugabe von dem Ergebnis einer Verlosung oder einem anderen Zufall abhängig zu machen, worunter auch die von der Antragsgegnerin gewährten Rabatte zu verstehen seien. Schließlich stelle das Vorgehen der Antragsgegnerin einen Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Aspekt des übertriebenen Anlocken und der Ausnutzung des Spieltriebes dar. Abs. 4
Unter dem 13.10.1999 hat die Antragstellerin die nachstehend wiedergegebene einstweilige Verfügung der Kammer erwirkt:Abs. 5
Auf Antrag der Antragstellerin wird gemäß §§ 1, 3, 24, 25 UWG, 91, 890, 936 ff. ZPO im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung folgendes angeordnet:Abs. 6
1. Die Antragsgegnerin hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, CD-Portables im Rahmen einer auf acht Tage zeitlich begrenzten Präsentation nach prinzipieller Maßgabe von fünf Powershopping-Status-Preisstufen, wie nachstehend wiedergegeben, zu einem " jetzigen Preis" in Höhe von 280,00 DM anzubieten, den Endpreis dann aber von Preisstufe zu Preisstufe zu reduzieren und schließlich auf 169,00 DM festzusetzen, wie nachstehend wiedergegeben, wenn sich nach Maßgabe der Powershopping-Status-Preisstufen mindestens 2l Käufer für ein solches Gerät zu diesem Preis eingefunden haben:Abs. 7
(Es folgt die Abbildung eines Ausdrucks der Internetseiten.)Abs. 8
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.Abs. 9
Streitwert: 250.000,00 DMAbs. 10
Gegen diese einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 22.10.1999 Widerspruch eingelegt.Abs. 11
Die Antragstellerin beantragt,

wie erkannt.

Abs. 12
Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 13.10.1999 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Abs. 13
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, bei dem von ihr angebotenen "Powershopping" handele es sich um ein einheitliches Angebot, bei dem von vornherein verschiedene Preisstufen feststünden, die für einen bestimmten Zeitraum gültig seien. Es handele sich daher der Sache nach um ein Angebot, bei dem mehrere Normalpreise in Form verschiedener Preisstufen bestünden. Die Käufer könnten sich von vornherein für unterschiedliche Preisstufen entscheiden und insoweit ein Angebot abgeben; nach Ablauf des genannten Zeitraumes, für den das jeweilige Powershopping-Angebot gültig sei, werde dann lediglich festgelegt, auf welcher Preisstufe der Kaufvertrag zustande komme. Insoweit handele es sich auch nicht um Rabatte, sondern um Normalpreise, die von vornherein feststünden, so dass ein Verstoß gegen das RabattG nicht in Betracht komme. Irrelevant sei insoweit auch, dass die unterschiedlichen Preisstufen von der Antragsgegnerin selbst teilweise als "Preisrabatte" bezeichnet würden. Ferner bildeten diejenigen, die ein Angebot abgeben würden, keine Verbrauchergruppe im Sinne des § 1 Abs. 2 RabattG, da alle Verbraucher an dem Angebot der Antragsgegnerin teilnehmen könnten. Das Angebot der Antragsgegnerin verstoße auch nicht gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 der Preisangabenverordnung, da für jeden klar erkennbar sei, unter welchen Voraussetzungen die angegebenen Preise gelten würden. Schließlich fehle es auch an einem Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens. Die Verbraucher könnten sich nämlich von Beginn des Angebotes an für eine bestimmte Preisstufe, und hier auch für die unterste Preisstufe, entscheiden. Der Letztverbraucher könne daher von Anfang an abwägen und entscheiden, auf welcher Stufe er ein Angebot abgeben wolle und brauche nicht etwa abzuwarten, ob das Angebot zu einem späteren Zeitpunkt niedriger werde, wenn er sich für das angebotene Erzeugnis interessiere und das Angebot der Antragsgegnerin auf einer bestimmten Preisstufe für günstig erachte.Abs. 14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.Abs. 15

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da ihr Erlass auch nach dem weiteren Vorbringen der Parteien gerechtfertigt ist, §§ 936, 925 Abs. 2 ZPO.Abs. 16
Das Vorgehen der Antragsgegnerin stellt nämlich einen Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Aspekt des sogenannten übertriebenen Anlockens dar. Die Antragsgegnerin nutzt die Spiellust des angesprochenen Verbrauchers aus und verkoppelt sie derart mit der Art und Weise ihres Angebotes bzw. ihrer Preisgestaltung, dass der Kaufentschluss der Verbraucher unsachlich beeinflusst wird.Abs. 17
Zwar ist es nicht grundsätzlich unzulässig, auch bestimmte Momente der Spiellust, d. h. den Wunsch, ohne Mühe einen Gewinn zu erzielen oder - wie hier - eine Preisreduzierung zu erreichen, im Rahmen eines bestimmten Warenangebotes aufzugreifen und sie auch in die Art und Weise des Angebotes einzubeziehen (vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 1 UWG RdNr. 142). Unzulässig ist eine Maßnahme jedoch dann, wenn sie nicht in erster Linie darauf abzielt, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf das Warenangebot hinzulenken, sondern primär intendiert ist, die Spiellust und das Streben des Verbrauchers nach Gewinn auszunutzen (vgl . Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 RdNr. 147). Es besteht dann nämlich die Gefahr, dass das Urteil des Verbrauchers getrübt wird und die Ware in erster Linie aufgrund des unsachgemäßen Anreizes gekauft wird (vgl. Baumbach/Hefermehl, ebenda). So liegt es hier. Das System der Antragsgegnerin ist - in dem Medium Internet und gekoppelt an die von der Antragsgegnerin vorgegebene zeitliche Befristung - darauf ausgerichtet, ihren Warenabsatz mit einer im Sinne von § 1 UWG sittenwidrigen Ausnutzung der Spiellust zu koppeln. Gerade im Medium Internet ist es möglich, laufend und sofort die aktuellen Zahlen der Käufer, wie "Spielstände" bei Spielen, einzublenden. Durch die laufende Einblendung der aktuell fehlenden Käufer für eine bestimmte Preisstufe und die von der Antragsgegnerin vorgegebene zeitliche Befristung ihrer Maßnahme erhält das System der Antragsgegnerin einen gewissen Wettkampf- oder Wettlaufcharakter dergestalt, dass das gesamte "Powershopping" der Antragsgegnerin in erster Linie vom Verbraucher als Spiel unter der ständigen Fragestellung, welche Preiskategorie erreicht werden kann, gesehen wird. Dieser Anreiz wird verstärkt durch ausgesprochen hohe, erzielbare Preisreduzierungen. So beträgt im Fall des von der Antragstellerin vertriebenen CD-Players die höchstmögliche Preisersparnis fast 50% des in der Preisstufe 1 angegebenen sogenannten Mindestpreises. Um diese enormen Sparmöglichkeiten zu erzielen, erscheint es für den Verbraucher auch durchaus naheliegend, in seinem Bekanntenkreis weitere Käufer für die Abgabe eines Kaufangebotes zu werben, was von der Antragsgegnerin auch durchaus gewünscht ist. Diese animiert nämlich durch ihre Angaben "Weiterempfehlen und damit den Preis senken" ausdrücklich zur Laienwerbung. Besonders betont wird der Spielcharakter des Systems der Antragsgegnerin daneben dadurch, dass es gerade nicht möglich ist, sich auf einer Preisstufe, auf der sich bereits nach den Vorgaben der Antragsgegnerin ausreichend Käufer gefunden haben, um diese Preisstufe quasi zu schließen, noch zu beteiligen. Ein potentieller Käufer wird daher, wenn nur noch eine oder zwei Personen auf einer Preisstufe fehlen, eventuell geneigt sein, sich übereilt noch auf dieser Preisstufe zu beteiligen bzw. in dieser Preisstufe zu bieten und sein Angebot abzugeben, bevor die Preisstufe eventuell geschlossen ist und er das Risiko läuft, dass sich in der nächsthöheren Preisstufe nicht ausreichend Käufer finden. Gerade dieses "Taktieren" und "Spekulieren" wird von der Antragsgegnerin in der Beschreibung ihres Shoppingmodells als dem System immanent auch herausgestellt. Letzteres birgt - vor dem Hintergrund der großen Preisnachlässe und der zeitlichen Befristung - die Gefahr in sich, dass zum unnötigen Bestellen mehrerer Artikel verleitet wird; wohingegen die Antragsgegnerin nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen sich jedem Risiko dadurch entziehen kann, dass sie sich vorbehalten hat, Powershoppingaktionen "ohne Vorankündigung jederzeit beenden zu können".Abs. 18
Insgesamt verbindet daher die Antragstellerin diverse aleatorische Elemente und Anreize mit dem von ihr angebotenen System des Powershoppings dergestalt, dass die Gefahr der Außerachtlassung von Vergleichsangeboten begründet wird und der Kaufentschluss eines potentiellen Kunden nicht mehr aufgrund sachlicher Erwägung, sondern allein aufgrund der Anreize des dem "Powershopping" immanenten Spielcharakters getroffen wird (vgl. hierzu BGH GRUR 1986, 622 ff., "umgekehrte Versteigerung"; OLG Köln, 188, 326 ff., "umgekehrte Versteigerung").Abs. 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.Abs. 20
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens.Abs. 21
Streitwert: 250.000,00 DM
JurPC Web-Dok.
100/2000, Abs. 22
[online seit: 18.09.2000]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Köln, LG, Powershopping - JurPC-Web-Dok. 0100/2000