Wilfried Bernhardt *E-Justice überwindet die Grenzen innerhalb EuropasJurPC Web-Dok. 75/2007, Abs. 1 - 43 |
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1. Zum Begriff |
Während "E- Government" bereits seit vielen Jahren als Anforderung an eine
moderne Kommunikation zwischen Bürgern, Wirtschaft und staatlichen
Dienststellen in Deutschland wie auch auf europäischer Ebene diskutiert wird,
erscheint der Begriff "E- Justice" noch längst nicht so vertraut.
| JurPC Web-Dok. 75/2007, Abs. 1 |
Jedoch stellte der EDV-Gerichtstag bereits im Jahre 2000 seine Beratungen unter
das Motto "E- Justice"(1).
Auch gibt es seit 2004 ein europäisches Projekt namens E-Justice, das von der
EU-Kommission initiiert und finanziell gefördert wurde(2).
Schließlich hat auch der Bundesgesetzgeber — an versteckter Stelle — 2005 den
Begriff "E-Justice" verwandt(3).
In der Literatur sind in der jüngeren Zeit Begriffsbestimmungen vorgenommen
worden(4).
| Abs. 2 |
In Deutschland galt der Einsatz der Elektronik in der Justiz und für die
Kommunikation mit der Justiz zunächst als Anwendungsfall von E-Government . So
qualifizierte der Umsetzungsplan der im Jahre 2000 gestarteten
E-Government-Initiative "BundOnline 2005" etliche Dienstleistungen aus dem
Justizsektor als online bereitzustellende eGovernment-Dienstleistungen(5).
Dies bot immerhin den Vorteil, zentrale, arbeitsteilige und vernetzte
IT-Infrastrukturen sowie Dienstleistungsangebote auch zum Aufbau einer
IT-unterstützten Kommunikation in der Justiz, zumindest bei den Bundesgerichten
zu nutzen.
| Abs. 3 |
Andererseits sprachen die grundgesetzlichen (Art. 97 GG) und
landesverfassungsrechtlichen Garantien der (persönlichen und sachlichen)
Unabhängigkeit der Richter wie auch die Ausgestaltung der Rechtspflege im
Gerichtsverfassungsgesetz und in den Verfahrensgesetzen stets auch dafür, die
Besonderheit der Justiz beim Einsatz der Informationstechnologie intensiv zu
berücksichtigen(6). Dies kommt auch in dem von E-Government abgesetzten Begriff E-Justice zum
Ausdruck.
| Abs. 4 |
2. Regelungen in Deutschland |
Die Gesetzgebung hat folgerichtig in Deutschland durch das
Formvorschriftenanpassungsgesetz vom 13.7.2001 und durch das
Zustellungsreformgesetz vom 25.06.2001 spezifische Regelungen für die
formgebundene elektronische Kommunikation und die elektronische Zustellung in
und mit der Justiz getroffen. Schließlich hat das am 1.4. 2005 in Kraft
getretene Justizkommunikationsgesetz die Weichen für eine vollelektronische
Kommunikation und Aktenbearbeitung in verschiedenen gerichtlichen Verfahren
gestellt. Die Bundesländer haben durch Verordnungen den bundesgesetzlichen
Spielraum für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs inzwischen in
größerem Ausmaß genutzt(7).
| Abs. 5 |
3. Situation von E-Justice in Deutschland |
In Deutschland gewinnt E-Justice nach den gesetzgeberischen Aktivitäten zu
Beginn des Jahrzehnts nun auch in der Praxis an Fahrt. Die externe
Kommunikation mit den Gerichten ist aufgrund von Pilotprojekten heute in fast
allen Bundesländern und mit verschiedenen Gerichten möglich, ausgehend vom BGH,
bei dem Ende 2001 erstmals auf der Basis des Formvorschriftenanpassungsgesetzes
und einer entsprechenden Rechtsverordnung eine Revision elektronisch
eingereicht wurde(8).
| Abs. 6 |
Mit dem kürzlich verabschiedeten Zehn-Punkte-Plan der Justizverwaltungen des
Bundes und der Länder und der Berufskammern und -verbände der Rechtsanwälte und
Notare zur "Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs" haben sich die
erwähnten Beteiligten darauf verständigt, bis 2010 die Gerichte,
Staatsanwaltschaften und Justizbehörden möglichst flächendeckend in die Lage zu
versetzen, die gesamte Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten
rechtswirksam elektronisch abzuwickeln.
| Abs. 7 |
4. E-Justice in Europa |
Auch die anderen EU- Mitgliedstaaten nutzen die Informationstechnologie in zunehmendem Maße auch für die Kommunikation zwischen Justizorganen untereinander und der Justiz mit den Rechtssuchenden(9). Zuletzt bot der vom österreichischen Bundesministerium für Justiz in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt, dem Europarat, der Europäischen Union und der Bundesrechenzentrum GmbH vom 31.5.-2.6.2006 organisierte IT-Kongress (10) einen guten Überblick über die bemerkenswerten Best-practise-Beispiele für eine intensive Justizarbeit mit den Mitteln der Elektronik in den europäischen Nachbarländern. | Abs. 8 |
So ist davon auszugehen, dass in praktisch allen Mitgliedsstaaten der EU die
Gerichte über elektronische Unterstützung verfügen, Justizregister teilweise
elektronisch geführt und wichtige Rechts- und Justizinformationen über das
Internet bereit gestellt werden(11).
| Abs. 9 |
Die Bürger erhalten mit E-Justice schnellere, effektivere und transparentere Verfahren, die in einem immer enger zusammenwachsenden Europa gerade auch für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zu wünschen wären, bei dem herkömmliche (Papier-) Kommunikationsmittel besonders nachteilig sind. | Abs. 10 |
Strukturen für einen grenzüberschreitenden E-Justice-Verkehr sind
überraschenderweise aber kaum vorhanden. Sowohl die zivilrechtliche Rechtshilfe
als auch die Zusammenarbeit der Strafjustiz in Europa verzichten derzeit noch
weitgehend auf den Einsatz von IT(12).
| Abs. 11 |
Dennoch stellen sich bereits jetzt ganz konkrete Herausforderungen für den
Einsatz der IT in der Justiz:
| Abs. 12 |
a. Registervernetzungen |
An einem ursprünglich deutsch-französischen Projekt zum gegenseitigen
Informationsaustausch aus den Registern, in denen strafrechtliche
Verurteilungen eingetragen sind, arbeiten mittlerweile auch Spanien, Belgien,
die Tschechische Republik und Luxemburg mit. Etliche weitere
EU-Mitgliedsstaaten haben ihr Interesse an einem Beitritt zur
Strafregistervernetzung geäußert. Es hat sich gezeigt, wie wichtig aktuelle
Erkenntnisse über Vorstrafen von "reisenden" Beschuldigten bei der
Strafverfolgung sind. Kriminelle haben schon seit langem das Europa ohne
Grenzen für sich entdeckt. Nun gilt es, auch die Instrumentarien der Justiz
grenzüberschreitend auszubauen. Dabei sind die neu entwickelten elektronischen
Verständnishilfen hervorzuheben, die dafür sorgen, dass bestimmte Informationen
über strafrechtliche Verurteilungen durch Kategorisierungen von
Straftatbeständen und Sanktionsarten in die juristische Systematik des
Informations-Empfängerlandes automatisch "übersetzt" werden. Derzeit wird in
Brüssel unter der deutschen Ratspräsidentschaft ein Rahmenbeschluss erarbeitet,
der einen schnellen, intensiveren und kontinuierlichen Informationsaustausch
über strafrechtliche Verurteilungen im elektronischen Weg in der Europäischen
Union rechtlich absichern soll.
| Abs. 13 |
Registervernetzung ist nicht auf die Strafregister begrenzt. Für das weitere
europäische Projekt EULIS (European Union Land Information Service) haben
Grundbuchbehörden aus sieben europäischen Ländern ein Konsortium mit dem Ziel
gebildet, ein europaweites Informationssystem einzurichten, das sowohl
professionellen Nutzern wie auch den Bürgern webbasiert Zugang zu Grundbuch-
und Katasterdaten verschaffen soll. Damit werden grenzüberschreitende
Transaktionen und immobilienbezogene grenzüberschreitende Darlehensverträge
wesentlich erleichtert. Es zeigt sich bei diesem Projekt unter deutschem
Blickwinkel, dass die unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen in Europa (in
Deutschland ist der elektronische Abruf von Daten auf bestimmte Berechtigte
beschränkt) auch eine Herausforderung für die IT darstellt.
| Abs. 14 |
Auch weitere Justizregister (z.B. Handels- und Unternehmensregister,
Sachverständigenregister, Vereinsregister, Schuldnerregister) sollten für eine
grenzüberschreitende elektronische Nutzung im europäischen Binnenmarkt unter
Berücksichtigung der im Rahmen der bestehenden Vernetzungsprojekte gewonnenen
Erfahrungen geöffnet werden.
| Abs. 15 |
b. Europäisches Mahnverfahren |
Die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens(13)hat die europäische Rechtsgrundlage für ein grenzüberschreitendes
Mahnverfahren, d.h. für den Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls
geschaffen. Nun sind die erforderlichen IT-Lösungen zu erarbeiten. Deutschland
verfügt über ein sehr erfolgreiches nationales elektronisches Mahnverfahren(14),
so dass auch für die europäische Entwicklung Know-how zur Verfügung gestellt
werden kann. Allerdings sind einige IT-Probleme noch nicht geklärt: Wie kann
die vorgesehene Schlüssigkeitsprüfung automatisiert erfolgen? Wie kann bei der
im Vergleich zu den für das nationale deutsche Verfahren herabgesetzten
Anforderungen an die Authentifizierung/ Autorisierung (es wird nur eine
fortgeschrittene anstelle der qualifizierten Signatur gefordert) eine
angemessene Sicherheit gewährleistet werden? Wie kann das europäische Verfahren
in die vorhandene IT-Infrastruktur für das fortbestehende deutsche Verfahren
integriert werden?
| Abs. 16 |
c. Europäisches Justizportal |
Bürger, Rechtsanwälte, Richter, Justizangestellte und andere Beteiligte sollen bei grenzüberschreitenden Fallgestaltungen über ein umfassendes europäisches Justizportal einen leichten Zugang zu Informationen über das in den (anderen) Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geltende Recht erhalten. Neben dem schnellen Zugriff soll das Portal die Chance bieten, durch ein mehrsprachiges semantisches Netz juristischer Begriffe zu navigieren und unter Verwendung einer ähnlichen Datenstruktur und Terminologie, wie sie im eigenen Staat üblich ist, konkrete Verfahren grenzüberschreitend elektronisch einzuleiten und mit Gerichten | Abs. 17 |
Erfahrungen aus den EUR-Lex(15)(Online-Dienst zum Recht der Europäischen Union) und N-Lex-Portalen(16)(Online-Dienst zum Recht der Mitgliedsstaaten), dem Europäischen Justitiellen
Netz für Zivil- und Handelssachen(17),
dem Europäischen Justitiellen Netz für Strafsachen(18)und dem Europäischen Justizatlas(19)sollten für den Aufbau dieses Justizportals genutzt werden. Es wird darauf
ankommen, durch einheitliche Schnittstellen zu den nationalen Portalen und
durch Einigung auf Kommunikationsprotokolle und Formate für den Datenaustausch
die Implementierung und Administration des europäischen Portals zu erleichtern.
In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, wie sich die europäischen
Bürger beim Zugang zu einem umfassenden europäischen Portal authentifizieren
und autorisieren werden: Durch eine Anmeldung zum nationalen Portal aufgrund
nationaler Authentifizierung und Autorisierung sowie Weiterleitung zum
europäischen Portal (was nicht zwangsläufig eine Harmonisierung der nationalen
Authentifizierungs- bzw. Autorisierungsvorschriften voraussetzen würde) oder
eine Authentifizierung/Autorisierung direkt für den Zugang zum europäischen
Portal aufgrund einer standardisierten Regel. Hierbei stellt sich eine ganze
Fülle an weiteren Fragen: Inwieweit könnte eine dezentrale
Authentifizierung/Autorisierung auf ein vergleichbares Sicherheitsniveau in den
anderen Mitgliedsstaaten "vertrauen"? Wie geht man mit unterschiedlichen
Zugangsrechten zu Portalsangeboten in den verschiedenen Mitgliedsstaaten um?
Wie ist ein eventuelles Entgelt für einen elektronischen grenzüberschreitenden
Informationszugang zu entrichten?
| Abs. 18 |
5. Programm der (deutschen) Ratspräsidentschaft zu E-Justice |
Im Programm des Bundesministeriums der Justiz für die Deutsche
Ratspräsidentschaft 2007 /I finden sich unter der Rubrik "Stärkung der Justiz
und der praktischen Zusammenarbeit" der Ausbau der Vernetzung der Strafregister
wie auch "Work on E-Justice" mit den konkreten Aufgabenfeldern einer möglichst
direkten Kommunikation der Justizbehörden verschiedener Mitgliedsstaaten, der
Festlegung gemeinsamer EDV-Standards für die Erleichterung und Strukturierung
der Übermittlung von Informationen und der Umstellung justizinterner Abläufe
auf ein modernes EDV-System in Europa.
| Abs. 19 |
Die Justizministerinnen und Justizminister der Europäischen Union kamen auf ihrem informellen Treffen in Dresden(20)überein, die Chancen der grenzüberschreitenden Unterstützung der Justiz durch Informations- und Kommunikationstechnologien (E-Justice) zu nutzen und die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu intensivieren. | Abs. 20 |
In einem europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mit
durchlässigen Grenzen dürfe - so die Minister - auch informationstechnologische
Unterstützung der Justiz nicht an den Binnengrenzen enden. Deshalb sei "es
jetzt an der Zeit, die Voraussetzungen eines europäischen E-Justice-Verkehrs zu
schaffen - zum Vorteil der rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger, der
Unternehmen, aber auch für eine bessere Zusammenarbeit der Justizorgane in
Europa".
| Abs. 21 |
Der Weg zu einem flächendeckenden elektronischen Zugang zur Justiz in Europa
stellt ein sehr ambitioniertes Vorhaben dar: Aufgrund der unterschiedlichen
Rechtssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten sind Richter und Rechtsanwälte
mit grenzüberschreitenden Themen selten vertraut. Die zunehmende Europäisierung
und Internationalisierung der Rechtsbeziehungen zwingt aber dazu, die
grenzüberschreitenden Aspekte nicht zu vernachlässigen. Hinzu kommt die
Sprachenvielfalt innerhalb Europas. Ferner stellen sich Fragen zu
Sicherheitsaspekten, Datenschutz und zur Problematik technischer
Inkompatibilitäten.
| Abs. 22 |
6. Europäische Zuständigkeiten und Handlungsoptionen |
Der Handlungsrahmen ist dabei auf europäischer Ebene durch das Europarecht
nicht eindeutig abgesteckt.
| Abs. 23 |
So können E-Justice-Aspekte in den Bereich der 1. Säule fallen, z.B. im Zusammenhang mit der Regelung der Justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach AR. 65 EGV: Insoweit kann die Europäische Gemeinschaft Maßnahmen ergreifen, um das System für die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, die Zusammenarbeit bei der Erhebung von Beweismittel und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu verbessern und zu vereinfachen. Gegebenenfalls kann sie auch Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren beseitigen, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften. Hierzu dürften auch Regelungen gehören, soweit sie gezielt den Einsatz der Elektronik als Mittel zum Abbau so genannter Hindernisse und für die genannten Erleichterungen vorsehen. | Abs. 24 |
Im Bereich der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit (Art. 29 ff EUV)
ist ausdrücklich eine Zusammenarbeit im Bereich des Informationsaustausches
vorgesehen: das Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und Austauschen
sachdienlicher Informationen der Strafverfolgungsbehörden (Art. 30 EUV) sowie
ein gemeinsames Vorgehen zur Erleichterung und Beschleunigung der
Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Ministerien und den Justizbehörden oder
entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten, Art. 31 EUV.
| Abs. 25 |
Die europäischen Justizministerinnen und Justizminister waren sich einig,
E-Justice-Fragen nicht in erster Linie durch die Schaffung einer neuen
zentralen Infrastruktur auf europäischer Ebene lösen zu wollen. In den
Mitgliedsstaaten haben sich bereits funktionierende Systeme der
Informationstechnik zur Unterstützung der Justiz etabliert, die den speziellen
Anforderungen der nationalen Rechtsordnungen gerecht werden. Diese nationalen
Lösungen beruhen in aller Regel auf erheblichen finanziellen und personellen
Investitionen, die es für die Zukunft zu nutzbar zu machen gilt. Es wäre
unrealistisch, eine Ablösung aller Altsysteme gewissermaßen mithilfe einer
"Big-Bang-Strategie" ablösen zu wollen. Vorzuziehen ist eine Vernetzung durch
Schnittstellen, die gewissermaßen als Übersetzer zwischen inkompatiblen
Systemen dienen. Anzustreben ist daher eine Koordinierung und Vernetzung der in
den einzelnen Mitgliedstaaten der EU weiterhin dezentral geführten Systeme.
Gerade bei E-Justice bietet sich die Chance, aber auch die Notwendigkeit, das
Ziel eines (europäische Binnengrenzen überschreitenden) Schutzes durch die
Justiz über eine dezentrale Aufgabenerfüllung zu erreichen(21).
| Abs. 26 |
Erfolgreiches Beispiel für diesen Ansatz ist das bereits erwähnte
Mehrländerprojekt zur Vernetzung der nationalen Strafregister, das 2006 den
Echtbetrieb des elektronischen Datenaustausches aufgenommen hat. Der bisherige
Erfolg dieses Projekts beweist, dass es möglich ist, einen schnellen und
effizienten grenzüberschreitenden Informationsaustausch zu gewährleisten, ohne
die nationalen IT-Systeme wesentlich ändern zu müssen.
| Abs. 27 |
Auf der Basis dieser Herangehensweise vereinbarten die Justizministerinnen und
Justizminister, die bisherigen Ansätze für eine Vernetzung der Justiz in Europa
auf europäischer Ebene zu koordinieren und mit der Erarbeitung von Standards zu
beginnen.
| Abs. 28 |
7. Arbeitsauftrag an eine Ratsarbeitsgruppe |
Die schon seit langem bestehende Ratsarbeitsgruppe "Rechtsinformatik" erhielt
durch einen Beschluss des Ausschusses der Ständigen Vertreter am 20. Dezember
ein vorläufiges Mandat zur Entwicklung einer E-Justice-Strategie. Am 20.Februar
trat diese Ratsarbeitsgruppe unter diesem neuen Auftrag zusammen und wird bis
Juni die derzeitige E-Justice-Situation in Europa analysieren und Folgerungen
für konkrete Handlungsfelder des grenzüberschreitenden E-Justice-Verkehrs
vorschlagen. Dabei ist eine Strategie des stufenweisen Vorgehens gewählt
worden. Zunächst sollen Lösungen in einfachen und machbaren Bereichen gewählt
werden, insbesondere in Bereichen, in denen bereits transnationale Erfahrungen
gemacht worden sind.
| Abs. 29 |
8. Konferenz Work on E-Justice in Bremen |
Einem vertieften Erfahrungsaustausch dient die Konferenz "Work on E-Justice" vom 29. bis zum 31. Mai in Bremen(22). | Abs. 30 |
Das Konferenzprogramm sieht zunächst einen von der Europäischen EDV-Akademie
des Rechts (European Academy of eJustice) in Merzig erarbeiteten Bericht über
den aktuellen Stand des Einsatzes der IT in der Justiz in Europa vor. Hierzu
hat die Ratsarbeitsgruppe E-Justice auf der Grundlage eines von der Akademie
entworfenen Fragebogens alle Mitgliedsstaaten um Darstellung des nationalen
IT-Einsatzes ersucht. Sodann sind für die Konferenz angesichts der genannten
Herausforderungen Expertenvorträge und Podiumsdiskussionen zu vier
übergreifenden Themenkomplexen vorgesehen:
| Abs. 31 |
Die deutsche IT-Wirtschaft ist eingebunden. Dies kommt nicht nur in einem regen
Zuspruch für die geplante Begleitausstellung zum Ausdruck. Mehrere
IT-Unternehmen haben sich darauf verständigt, parallel zu den
Konferenzthemenblöcken eigene Arbeitsgruppen zu bilden, um Positionen zu
finden, die auf der Konferenz vorgetragen werden sollen.
| Abs. 32 |
9. Deutsche Erfahrungen für europäische Wege nutzen |
Die Idee der geplanten Konferenz ist es, spezielle Erfahrungen in Deutschland
aus seiner föderalen Struktur bei Standardisierungsfragen, bei der
Koordinierung und bei der Kooperation von Bundesländern und dem
Bundesministerium der Justiz im Rahmen der Bund-Länder-Kommission
Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz (BLK) in die europäische
Diskussion einzubringen:
| Abs. 33 |
a. gemeinsames Gerichtspostfach - EGVP |
Die Überwindung teilweise sehr unterschiedlicher IT-Systeme durch Einigung auf
Standards und Schnittstellen ist in Deutschland eine Herausforderung: So setzen
die Pilotprojekte des Elektronischen Rechtsverkehrs in Deutschland auf sehr
unterschiedliche Übertragungsverfahren — von der schlichten E-Mail über das
Upload auf einer speziellen Webseite bis zu besonderen Übertragungsverfahren
über Intermediäre nach dem OSCI-Protokoll. Auch die sonstigen technischen
Vorgaben sind sehr unterschiedlich. Dennoch ist es in Deutschland gelungen, im
Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Elektronischen Handels- und
Unternehmensregistergesetzes (EHUG) zum 1. 1. 2007 die Übertragungswege auf ein
Elektronisches Gerichts- und Verwaltungsgerichtsfach (EGVP)(23)zu fokussieren, in dem bereits über 10 000 Nutzer registriert sind (in erster
Linie Rechtsanwälte und Notare). Es ist geplant, das EGVP zu einem zentralen
elektronischen Gerichtsbriefkasten der deutschen Justiz auszubauen. So soll im
gemeinsamen Justizportal des Bundes und der Länder(24)eine Postkomponente integriert werden, die im Endausbau alle Anträge zu den
Justizfachverfahren im Geschäftsbereich des Bundes und der Länder
rechtsverbindlich entgegennehmen kann (25). Der besondere Vorteil des EGVP für einen
grenzüberschreitenden Einsatz liegt darin, dass die notwendige Software
lizenzkostenfrei über die Homepage der Gerichte oder die direkte Anwahl von www.egvp.de heruntergeladen und genutzt werden kann.
| Abs. 34 |
b. XJustiz |
Auch die Einigung auf gemeinsame XML-Datensätze - speziell für die Justiz
"XJustiz"-Datensätze(26)- kann beispielhaft für die europäische Ebene sein: Bestimmte Daten wie Name
und Anschrift des Klägers und des Beklagten, der Prozessbevollmächtigten und
weitere verfahrensrelevante Informationen könnten automatisch von dem System
des Klägers (des Rechtsanwalts) an das System des Gerichts des anderen
Mitgliedsstaates übergeben werden. Das spart nicht nur Zeit durch den Wegfall
der händischen Eingabe, vermeidet Fehler bei der Datenerfassung, sondern bietet
grenzüberschreitend auch noch den Vorteil, dass solche strukturierten Daten von
einer Sprache in die Sprache eines anderen Mitgliedsstaates übersetzt werden
können. Für den Rückweg vom Gericht zum Anwalt gilt Entsprechendes(27).
| Abs. 35 |
c. Registerportal |
Der Weg in Deutschland zu einem gemeinsamen Registerportal(28)könnte auch die Möglichkeiten für die Europäische Union aufzeigen. In
Deutschland liegt die Zuständigkeit für die Führung der Handelsregister bei den
Bundesländern, oft führen einzelne Amtsgerichte die Handelsregister, so dass
der Auskunftssuchende wie auch derjenige, der Anträge einzureichen hatte, oft
vor einer unübersichtlichen Lage stand. Die Bundesländer haben seit 2003 hier
ein Länderportal aufgebaut, das mittlerweile die Suche über den gesamten
Registerbestand ermöglicht(29).
So kann schon jetzt ein Anwalt eines anderen EU-Mitgliedsstaates, der
Handelsregisterdaten eines deutschen Unternehmens benötigt, über das
Registerportal auf die offiziellen Daten zugreifen, ohne sich vorher darauf
festlegen zu müssten, ob er das bayrische, schleswig-holsteinische oder
nordrhein-westfälische Registerportal aufsuchen will. Für eine wirklich
europäische Lösung müsste allerdings noch das Sprachenproblem gelöst werden:
Der Rechtsanwalt aus dem Ausland sollte die Informationen aus dem deutschen
Handelsregister soweit wie möglich auch in seiner Heimatsprache abrufen können.
Und schließlich sind die über innerdeutsche Standardisierungsfragen
hinausreichenden Interoperabilitätsaspekte zu lösen. Auch hierzu gibt es auf
europäischer Ebene bereits Bemühungen(30).
| Abs. 36 |
d. Justizportal des Bundes und der Länder als Beispiel und als nationaler Einstieg für die Errichtung eines europäischen Portals |
Im Auftrag der Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und
Rationalisierung in der Justiz wurde ein Portal geschaffen, das einen
webbasierten einheitlichen Zugang zu allen justizbezogenen Informationen im
Internet sicherstellt. Es bildet die Organisationsstrukturen in Deutschland
durch Verweise auf das Bundesjustizministerium und die Justizministerien der
Länder ab und beinhaltet ein elektronisches Verzeichnis aller Gerichte in
Deutschland. Durch Einbindung des erwähnten EGVP bietet es die Möglichkeit,
sogleich eine gesicherte Kommunikation zu einzelnen Gerichte aufzunehmen. Als
nationaler Einstiegspunkt könnte es eine Komponente eines europäischen
Justizportals werden.
| Abs. 37 |
e. Organisatorisch-technische Leitlinien |
Schließlich könnten auch die Organisatorisch-technischen Leitlinien für den
elektronischen Rechtsverkehr" (OT-Leit ERV)(31)richtungweisend für ähnliche Wege auf der europäischen Ebene sein. In
Deutschland wurden mit den "OT-Leit", die durch einen Beschluss der Konferenz
der Justizministerinnen und Justizminister des Bundes und der Länder in Kraft
gesetzt wurden, Maßgaben z.B. für die elektronische Aktenführung, elektronische
Vorgangsbearbeitung, die Klassifikation von Daten, die Einrichtung von
Postfächern, die Elektronische Übermittlung von Daten, die
Signaturanforderungen und die Archivierung erarbeitet. In Deutschland hat die
Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz
(BLK) die OT-Leit entwickelt. Auf europäischer Ebene ist es ebenfalls
wünschenswert, sich über ein zuständiges Gremium für E-Justice-
Standardisierung zu einigen. Hier könnte sich die erwähnte Ratsarbeitsgruppe
E-Justice anbieten.
| Abs. 38 |
f. Muster-Rechtsverordnung |
Das Problem dezentraler Regelungskompetenzen zu den technischen und
organisatorischen Anforderungen an den elektronischen Rechtsverkehr in
Deutschland (hierfür sind die Bundesländer zuständig) mit der potentiellen
Folge ganz unterschiedlicher Vorschriften von Bundesland zu Bundesland wurde
durch die Entwicklung einer so genannten Muster-Rechtsverordnung von Bund und
Ländern zum Elektronischen Rechtsverkehr angegangen, die nun in den neueren
Landesverordnungen abgebildet wird. Deshalb stellt sich die Frage, ob auf
ähnliche Weise nationale Regelungen zur Justizkommunikation unter Verzicht auf
eine europäische Gesetzgebung so aufeinander abgestimmt werden können, dass ein
hinreichendes Maß an Verlässlichkeit und Transparenz für E-Justice in Europa
erreicht werden kann.
| Abs. 39 |
g. Besondere europäische Anforderungen |
Die in der Europäischen Union bereits erwähnten unterschiedlichen
elektronischen Standards z.B. bei der Justizkommunikation und bei den dabei
verwandten Datenformaten stellen aufgrund der verschiedenen Rechtskulturen und
Rechtssysteme in Europa, der Sprachenvielfalt, der technischen
Inkompatibilitäten und der unterschiedlichen Autorisierungs-,
Authentifizierungs-, Sicherheits- und Datenschutzanforderungen über die
innerdeutsche Problematik zusätzliche Herausforderungen dar(32).
Die europäische i2010-Initiative "Eine Europäische Informationsgesellschaft für
Wachstum und Beschäftigung" macht deutlich, dass die Herausforderungen sich
nicht auf die Justiz begrenzen. Soweit im Rahmen dieser Initiative unter dem
Programm IDABC(33)in Einzelprojekten paneuropäische Dienste entwickelt werden, sind sie natürlich
auch für E-Justice zu nutzen. Insoweit ist es nicht angezeigt, für den
Justizbereich "das Rad neu zu erfinden". Vielmehr sind diese paneuropäischen
Entwicklungen darauf zu prüfen, ob justizspezifische Aspekte eine
Konkretisierung oder Anpassung gefundener Standards erfordern.
| Abs. 40 |
h. Veränderungsmangement in den Arbeitsabläufen |
Wichtig ist aber auch für die europäische Ebene, dass für grenzüberschreitendes
E-Justice nicht lediglich die existierenden Abläufe elektronisch abgebildet
werden. Die Bundesländer haben sich z.B. darauf geeinigt, zur Effizienz des
elektronischen Rechtsverkehrs gemeinschaftlich die Prozessabläufe auf
Optimierungsmöglichkeiten zu prüfen. Dies fußt auf der Erkenntnis, dass neben
der technischen Realisierung mit mindestens gleichem Gewicht auch ein
Veränderungsmanagement in den Arbeitsabläufen bei der Justiz einhergehen muss(34).
Das Motto soll lauten: Erst optimieren, dann programmieren.
| Abs. 41 |
Auch diese Idee könnte auf europäischer Ebene Anwendung finden: Die bisherigen
Wege der Rechtshilfe sowohl im zivilrechtlichen wie im strafrechtlichen Bereich
sollten nicht nur in ihrer derzeitigen Ausprägung elektronisch abgebildet
werden. Vielmehr sind die neuen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten
darauf zu prüfen, ob hier Chancen auf Veränderungen und Anpassungen bestehen.
| Abs. 42 |
10. Ausblick |
E-Justice in Europa, das ist die richtige Antwort auf den europäischen
Binnenmarkt, in dem die Unionsbürger immer weniger Grenzen in ihrem täglichen
Leben wahrnehmen, die eigentlichen Schwierigkeiten aber dann entstehen können,
wenn etwa Ansprüche auf dem Rechtswege grenzüberschreitend durchgesetzt werden
sollen oder Kriminalität grenzüberschreitend zu bekämpfen ist. Die ersten
Schritte hin zu einer paneuropäischen E-Justice-Strategie sind getan. Nun gilt
es, die konkreten Herausforderungen anzunehmen und Schritt für Schritt
E-Justice-Lösungen umzusetzen. Hier hat die Justiz in Europa die Chance, sich
als moderner Dienstleister zu präsentieren, der die neuen Techniken nutzt und
damit zur Gerechtigkeit in Europa beiträgt(35).
Aber auch national erwachsen aus der Europäisierung der E-Justice-Diskussion
neue Chancen: Der verstärkte Blick auf die Lösungen der europäischen
Nachbarländer lässt zuweilen eine eigene kostenaufwändige nationale
Neuentwicklung überflüssig erscheinen. Aber auch die "Europafähigkeit" neuer
nationaler IT-Projekte könnte die Wirtschaftlichkeit von nationalen
Entwicklungen erhöhen und mit einer preisgünstigen IT-Lösung die Verbreitung
von E-Justice fördern.
| JurPC Web-Dok. 75/2007, Abs. 43 |
Fußnoten:1 Der
9. EDV-Gerichtstag stand unter dem Motto " E-Justice, Elektronischer
Rechtsverkehr und E-Commerce"
2 Forschungsprojekt
aus dem 6. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union, siehe www.ejustice.eu.com.
3 Bundeshaushaltsplan
2005, Einzelplan 07 (Bundesministerium der Justiz), S. 13: Haushaltsvermerk zur
Durchführung von E-Justice-Maßnahmen im Bundesministerium der Justiz und seinem
Geschäftsbereich.
4 So
H. Radke, eJustice - Aufbruch in die digitale Epoche, JurPC Web-Dok 46/2006, Abs. 1: "Electronic justice" umfasse nicht nur die
"Kommunikation und Transaktion zwischen Justiz und Außenwelt", sondern
weitergehend auch die "Vereinfachung und Durchführung von Prozessen durch
moderne Informationstechnologie". R.Köbler, NJW 2006, S. 2089 betont die
Eigenständigkeit von eJustice gegenüber eGovernment.:
5 Siehe
Abschlussbericht abrufbar unter www.kbst.bund.de 6 Köbler,
NJW 2006, 2089 f.
7 Siehe
die Übersicht von W. Kuntz über die Projekte von Bund und Ländern zum
Elektronischen Rechtsverkehr bei Scherf/Schmieszek /Viefhues (Hrsg.)
"Elektronischer Rechtsverkehr" — Kommentar und Handbuch, 2006, S. 9 ff.
8 Zuvor
hatte bereits das Finanzgericht Hamburg (noch vor Änderung der FGO!)
elektronische Klagen entgegengenommen
9 So
wurde in die österreichische Gesetzessprache der Begriff des elektronischen
Rechtsverkehrs bereits 1989 und zwar in das altehrwürdige, noch aus dem Jahre
1896 stammende Gerichtsorganisationsgesetz - eingeführt. Der Ausdruck
bezeichnete in Österreich die Möglichkeit, Eingaben an Gerichte oder
Verwaltungsbehörden (darunter vor allem die Finanzämter) auch auf dem Wege
elektronischer Datenübermittlung anzubringen und in derselben Weise
Erledigungen zu empfangen
10"e-Justice & e-Law - New IT-Solutions for Courts,
Administration of Justice and Legal InformationSystems"
11 Um
einen detaillierten Überblick über den Entwicklungsstand von Informations- und
Kommunikationstechnologien in der Justiz in Europa zu erhalten, hat die
Bund-Länder-Kommission Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz
eine Studie bei der Europäischen EDV-Akademie des Rechts GmbH in Auftrag
gegeben. Die Studie soll bei der Konferenz "Work-on-E-Justice" vom
29.-31.5.2006 in Bremen vorgestellt werden.
12 So
wird z.B. in der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rats vom 29. Mai 2000 über
die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil-
oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten eine elektronische
Zustellungsmöglichkeit nicht erwähnt.
13 ABl.
399 vom 30.12. 2006
14 §§
688 ff ZPO: Das Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Geldzahlungen
wurde zunächst in Papierform durch Formulare standardisiert, ermöglicht so eine
maschinelle Bearbeitung bei den Gerichten und schuf damit die Grundlage für
eine elektronische Abbildung
20 Konferenz
am 16. Januar 2007; http://www.eu2007.de/de/News/Press_Releases/
January/0116BMJejustice.html 21 Siehe
dazu bereits W. Bernhardt, Verfassungsprinzipien,
Verfassungsgerichtsfunktionen, Verfassungsprozessrecht im EWG-Vertrag, 1987, S.
183 ff.
23Siehe
www.egvp.de.
Zum EGVP U. Berlit, Das Elektronische Gerichts- und
Verwaltungspostfach bei Bundesfinanzhof und
Bundesverwaltungsgericht, JurPC Web-Dok. 13/2006, Abs.
1 - 54 25 Die
76. Justizministerkonferenz hat der Bund-Länder-Kommission hierzu einen
entsprechenden Auftrag erteilt und neben dem Ziel, "die Kommunikations- und
Sicherheitsinfrastruktur im elektronischen Rechtsverkehr im Rahmen des
wirtschaftlich Vertretbaren durch die schrittweise Entwicklung eines zentralen
"elektronischen Gerichtsbriefkastens" zu vereinheitlichen", verlangt, die
Standardisierung von Datenaustauschformaten für den elektronischen
Rechtsverkehr mit Nachdruck fortzuführen: Beschluss Nr. I.7. der 76. Konferenz
der Justizministerinnen und -minister am 29./30. Juni 2005 (http://www.justiz.nrw.de/
JM/justizpolitik/jumiko/beschluesse/2005/ fruehjahrskonferenz05/I_7/index.php 27 Siehe
zur nationalen Bedeutung von XML-Datensätzen auch H. Radke, eJustice - Aufbruch
in die digitale Epoche, JurPC Web-Dok. 46/2006, Abs. 13; grundlegend K. Bacher, XJustiz - Elektronischer
Datenaustausch zwischen Gerichten und Verfahrensbeteiligten, JurPC Web-Dok. 160/2003, Abs. 1 - 49 . 28 Siehe
H.Radke, aaO.
29 Über
www.justiz.de 30 Siehe
insbesondere hierzu das BRITE-Projekt: http://www.briteproject.net/.
Ziel dieses am 1.3.06 begonnenen, auf drei Jahre angelegten und von der
Europäischen Kommission finanzierten Projekts (unter Einschluss eines
Konsortiums von 19 Organisationen, darunter auch des European Business
Registers) ist es insbesondere, eine fortgeschrittene, innovative interoperable
IT-Plattform für die Interaktion zwischen den Handelsregistern in der EU zu
entwickeln.
32 In
Deutschland wird z.B. für bestimmende Schriftsätze durch die Prozessordnungen
im Grundsatz die qualifizierte Signatur gefordert (§ 130 a ZPO, § 55a VwGO).
Dass dies schon beim Zusammenwirken mit europäischen Institutionen teilweise
Probleme aufwirft, wird im gewerblichen Rechtsschutz offenkundig: Während das
deutsche Patentgesetz (§ 125a Abs. 2 PatG und die darauf fußende Verordnung für
den elektronischen Rechtsverkehr im gewerblichen Rechtsschutz vom 5.8.2003 für
Patentanmeldungen zum Deutschen Patent- und Markenamt im Grundsatz die
qualifizierte Signatur fordert, genügt für eine Anmeldung zum Europäischen
Patentamt eine fortgeschrittene Signatur. Um die technischen Anmeldewege über
beide Patentämter in gleicher Weise nutzen zu können, wurde für das DPMA auch
der Anmeldeweg über die vom EPA entwickelte Software epoline — unter der
Verwendung einer fortgeschrittenen Signatur zugelassen. Bei der Formulierung
des § 55a Abs. 1 Satz 4 VwGO wurde allerdings für eine gewisse
Zukunftsoffenheit Sorge getragen: In der zu erlassenden Rechtsverordnung kann
neben der qualifizierten elektronischen Signatur auch ein anderes sicheres
Verfahren zugelassen werden, das die Authentizität und die Integrität des
übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt.
33 Zweck
des Programms IDABC (Interoperable Delivery of Pan-European eGovernment
Services to Public Administrations, Business and Citizens) ist es,
Verwaltungen, Unternehmen und Bürgern europaweite elektronische Behördendienste
zur Verfügung zu stellen. Dadurch sollen die Effizienz der Behörden in Europa
und ihre Zusammenarbeit verbessert werden. Nähere Informationen unter http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l24147b.htm 34R. Guise-Rübe, Die Bedeutung
und die Chancen des elektronischen Rechtsverkehrs als Teil der
Justizautomation, JurPC Web-Dok. 103/2005, Abs. 27; zur
Verwaltungsmodernisierung D. Heckmann, Unverzichtbares E-Government,
Bundesverwaltungsamt, Info 1769,
http://www.bund.de/
nn_189138/DE/VuI/WIN/2003/08-August/ INFO-1769-E-Government-sb.html,
S. 10: "Anstatt mit Hilfe der IuK-Technik bloß
kontinuierliche Verbesserungen im Rahmen bestehender
Verwaltungsstrukturen zu versuchen, sollte der Technikeinsatz zum
Anlass genommen werden, sämtliche institutionellen Strukturen
und prozessualen Abläufe einer radikalen Erneuerung zu
unterziehen". 35 Siehe
auch M. Herberger, http://edvgt.jura.uni-sb.de/ervkommission/Justizautomation.html:
"Wenn EDV zur Beschleunigung der Justizgewährung beitragen kann, dient sie der
Gerechtigkeit".
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* Dr. Wilfried Bernhardt ist Ministerialdirigent im Bundesministerium der Justiz, Berlin. |
[ online seit: 08.05.2007 ] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Bernhardt, Wilfried, E-Justice überwindet die Grenzen innerhalb Europas - JurPC-Web-Dok. 0075/2007 |