VG Karlsruhe
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VwGO §§ 80 Abs. 5, 80 Abs. 2 Nr. 4 |
Leitsatz (der Redaktion) |
Eine Gebäudedatenbank, bei der die Außenansichten der Wohngebäude von Straßenzügen in größeren Städten fotografisch erfasst und auf einer CD-ROM zusammengestellt werden, verletzt weder das Eigentumsrecht des Anliegers, noch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Recht am eigenen Bild und auf informationelle Selbstbestimmung; auch datenschutzrechtliche Vorschriften werden nicht verletzt. |
Gründe |
I. |
Die Antragstellerin, ein in Niedersachsen ansässiges Verlagsunternehmen, das unter anderem digitale Verzeichnisse der Telefonanschlüsse in der Bundesrepublik Deutschland auf CD-ROM vertreibt, befasst sich seit einiger Zeit mit dem Aufbau einer elektronischen Häuser- und Gebäudekarte. Zu diesem Zweck lässt sie bundesweit durch mehrere mit sechs bzw. acht automatischen Präzisionskameras ausgerüstete Kleintransporter vom öffentlichen Straßenraum aus digitale Abbildungen des Straßenverlaufs sowie der angrenzenden Gebäudeansichten aufnehmen, wobei diesen Abbildungen jeweils die geographische Position (geographische Länge, Breite und Höhe) zugeordnet wird, von der aus das Bild aufgenommen wurde. Die Aufnahmefahrzeuge sind mit Satelliten-Receivern ausgestattet, die insbesondere die von den amerikanischen GPS-Satelliten ausgestrahlten Signale aufzeichnen und - nach einer aufwendigen Nachbearbeitung - auf diese Weise eine möglichst punktgenaue Bestimmung des jeweiligen Kamerastandortes ermöglichen. Die elektronisch festgehaltenen Bilder (30-50 pro Sekunde) werden auf der Festplatte eines in dem Pkw installierten Servers gespeichert. In einem weiteren Verarbeitungsschritt werden die auf diese Weise den dazugehörigen geoterrestrischen Daten verbundenen Bildsequenzen - soweit möglich - einem bestimmten Straßennamen der jeweiligen Gemeinde zugeordnet. Der Betrachter der elektronischen Häuser- und Gebäudekarte sieht fortlaufende bewegte Bilder, die von der Fahrbahn die Häuserfronten rechts und links der Straße zeigen, und den Stadtplan, auf dem durch ein Symbol markiert wird, in welchem Teil der Straße sich der Betrachter befindet. An einigen Häusern ist die Hausnummer zu erkennen. Es besteht die Möglichkeit, die fortlaufenden Bilder anzuhalten und ein bestimmtes Haus zu vergrößern, so dass die Häuserfront und die Hausnummer, soweit sie aufgenommen wurde, erkennbar sind. Eine gezielte Verknüpfung einzelner Gebäudeansichten mit den dazugehörigen Hausnummern erfolgt hingegen nicht. So ist es insbesondere nicht möglich, Straße und Hausnummer einzugeben und auf diese Weise automatisiert das Bild eines einzelnen Hauses auszuwerten. | JurPC Web-Dok. 80/2001, Abs. 1 |
Bislang hat die Antragstellerin auf diese Weise die Straßenzüge in insgesamt 17 der größten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, Leipzig, Hannover, Magdeburg und Nürnberg) bzw. touristisch besonders interessanten (Weimar, Heidelberg, Würzburg, Potsdam, Regensburg und Schwerin) deutschen Städte erfasst. Nach ihren Planungen sollen bis in das Jahr 2001 sämtliche deutschen Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern in die unter der Handelsbezeichnung "CityServer" vertriebene elektronische Häuser- und Gebäudekarte aufgenommen werden. Als Verwendungsmöglichkeiten werden u.a. der Einsatz durch Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, in der Stadt- und Verkehrsplanung, durch Zustelldienste und Speditionen, Pkw-Pilotsysteme, die Scoring-Unterstützung für Banken, das Risk-Assessment bei Versicherungen und die Verwendung durch Versorgungsunternehmen genannt. Die Antragstellerin hat aber auch schon ein 11 CD-ROM umfassendes digitales Telefonverzeichnis herausgebracht, bei dem jedem Anschlussinhaber ein Kartenausschnitt zugeordnet ist, aus dem sich die ungefähre Lage des Anschlusses im jeweiligen Stadtbild ersehen lässt, wobei dieser Kartenausschnitt wiederum bezüglich 10 deutsche Städte mit den vom jeweiligen Standort aus aufgenommenen Straßen- bzw. Gebäudeansichten verbunden ist. | Abs. 2 |
Mit Schreiben vom 04.08.1999 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die von ihr beabsichtigte Nutzung des öffentlichen Straßenraumes im Stadtgebiet Karlsruhes zum Zwecke des Fotografierens von Gebäuden eine genehmigungspflichtige Sondernutzung darstelle, eine Sondernutzungserlaubnis jedoch nicht erteilt werden könne. Hierauf ließ die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11.08.1999 entgegnen, die Nutzung des öffentlichen Straßenraums sei als Gemeingebrauch zu qualifizieren, so dass eine Sondernutzungserlaubnis nicht beantragt werde. | Abs. 3 |
Mit Verfügung vom 22.09.1999 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin vorbeugend, die Straßen, Wege und Plätze der Gemeinde der Stadt Karlsruhe mit Fahrzeugen zu nutzen, welche mit Digitalkameras ausgerüstet sind, um Aufnahmen der Häuserfassaden der an die Straßen angrenzenden Gebäude zu machen. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an, da es sich bei dem Vorhaben der Antragstellerin um einen besonders publikumsintensiven Vorgang handele, der sich direkt im Straßenverkehr abspiele. Außerdem würden die Belange anderer Straßenverkehrsteilnehmer sowie die Interessen der Anlieger tangiert werden, die kein Interesse daran haben könnten, dass ihre Grundstücke gegen ihren Willen fotografiert werden. | Abs. 4 |
Über den hiergegen am 08.10.1999 von der Antragstellerin erhobenen Widerspruch ist bislang noch nicht entschieden. | Abs. 5 |
Mit Schriftsatz vom 08.10.1999, bei Gericht eingegangen am 11.10.1999, hat die Antragstellerin um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: | Abs. 6 |
Die von der Antragsgegnerin angenommene Sondernutzung liege nicht vor und schützenswerte straßenrechtliche Belange von Bürgern würden durch das Vorhaben weder betroffen noch beschränkt. Die zum Einsatz kommenden Fahrzeuge bewegten sich im öffentlichen Verkehrsraum mit normaler, den örtlichen Verkehrsverhältnissen angepasster Geschwindigkeit unter Beachtung sämtlicher Vorschriften der Straßenverkehrsordnung. Aufgrund der Verwendung moderner automatischer Kameratechnik sei dabei während des Erfassungsvorganges weder ein Fahren mit einer im Vergleich zum übrigen Verkehr reduzierten Geschwindigkeit, geschweige denn ein Anhalten zum Zwecke des Fotografierens, oder eine sonstwie geartete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer erforderlich. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsteilnahme bestehe danach kein Unterschied zwischen der von ihr geplanten Nutzung des öffentlichen Straßenraumes gegenüber der Nutzung durch die übrigen Verkehrsteilnehmer. Auch von der inneren Willensrichtung her stelle diese Form der Verkehrsteilnahme keine abweichende Straßennutzung gegenüber dem übrigen gewerblichen Verkehr dar. Nach Verhalten, Ausstattung und Art der Einsatzfahrzeuge würden andere Verkehrsteilnehmer auf diese überhaupt nicht aufmerksam werden. Im Übrigen nähmen in allen deutschen Städten und Gemeinden täglich Fahrzeuge mit gewerblichem Interesse am Straßenverkehr teil, um Bildmaterial unterschiedlichster Art von Örtlichkeiten zu erfassen. Das gelte nicht nur für Fahrzeuge, sondern auch für Fotografen und Kameramänner, und sei im Rahmen einer fortgeschrittenen Mediengesellschaft und damit verbundener Bildberichterstattungen ein täglicher, verkehrsüblicher Vorgang. Die hier geplante Maßnahme, einen Straßenverlauf und seine gesamte Infrastruktur visuell für Leitsysteme aller Art sowie Planungssysteme visuell zu erschließen, stehe dem Gemeingebrauch daher nicht entgegen und behindere denselben auch nicht. Darüber hinaus werde auch kein Bürger in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht und in seinem Persönlichkeitsrecht durch das Bildmaterial verletzt, weil dieses keinerlei Rückschlüsse auf persönliche oder gar intime Verhältnisse zulasse. | Abs. 7 |
Ebenso wenig führten die Aufnahmen zur Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, was die zuständige Landesdatenschutzbehörde bereits festgestellt habe. Schließlich sei zu erwähnen, dass man - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - jedem Hauseigentümer einen Löschungsanspruch eingeräumt habe, individuelle Belange in Bezug auf einzelne Objekte daher durchaus berücksichtigt würden. | Abs. 8 |
Die Antragstellerin beantragt,
| Abs. 9 |
Die Antragsgegnerin beantragt,
| Abs. 10 |
Zur Begründung macht sie im Wesentlichen Folgendes geltend: | Abs. 11 |
Bei dem Vorhaben der Antragstellerin handele es sich um eine Sondernutzung, da die Straßen des Stadtgebietes ausschließlich zu dem Zweck genutzt werden sollen, Aufnahmen der Häuserfassaden der an die Straßen angrenzenden Gebäude zu machen. Ein Interesse, die Straße im Rahmen ihres Widmungszweckes, nämlich nur zum Befahren, zu benutzen, sei nicht vorhanden. Das Befahren sei insofern allenfalls ein Nebenzweck. Darüber hinaus müsse davon ausgegangen werden, dass die Aufnahmevorgänge mit einem ständigen Halten und Wiederanfahren der Fahrzeuge einhergehen. Der Ablenkungseffekt für andere Verkehrsteilnehmer sei insofern ebenfalls als nicht gering zu veranschlagen. Entscheidend für die Qualifizierung als Sondernutzung sei jedoch die Nutzung der Fahrzeuge als "fahrbares Stativ", woraus sich ergebe, dass die wirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund der Straßennutzung stehe. Wirtschaftliche und gewerbliche Tätigkeiten, bei denen ein Verkehrsinteresse nicht vorhanden oder allenfalls nebensächlich ist, fielen jedoch nicht mehr unter den Gemeingebrauch. Dabei komme es nicht darauf an, dass sich die Einsatzfahrzeuge der Antragstellerin bei Benutzung der Straßen verkehrsgerecht verhalten; entscheidend sei vielmehr die Motivation des Verkehrsteilnehmers, die vorliegend überwiegend wirtschaftlich geprägt sei. Damit sei die Antragstellerin verpflichtet vor der beabsichtigten Nutzung eine Sondererlaubnis einzuholen. Die vorläufige Nutzungsuntersagung sei die einzige geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, die verhindere, dass die Antragstellerin ihr bereits angekündigtes Vorhaben ohne Erlaubnis durchführe. Dabei werde nicht verkannt, dass hierdurch das Recht der Antragstellerin aus Art.12 GG eingeschränkt werde. Im Hinblick darauf, dass bei Nichteinschreiten die vielfache Verletzung des ebenfalls grundrechtlich geschützten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Einwohner der Stadt Karlsruhe erfolgte, sei die Untersagungsverfügung jedoch die richtige Ermessensentscheidung gewesen. | Abs. 12 |
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten verwiesen, die zum Gegenstand der Kammerberatung gemacht worden sind. | Abs. 13 |
II. |
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22.09.1999, gegen die sich der - rechtzeitig erhobene - Widerspruch der Antragstellerin vom 08.10.1999 richtet, ist sofort vollziehbar, da die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Verfügung gemäß § 80 Abs.2 Nr.4 VwGO angeordnet hat. | Abs. 14 |
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. | Abs. 15 |
Die in einem Verfahren nach § 80 Abs.5 VwGO zu treffende gerichtliche Entscheidung ergeht im Wege einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs (Suspensivinteresse) und das besondere Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse). Das Suspensivinteresse findet seine Grundlage in § 80 Abs. 1 VwGO, das Vollziehungsinteresse ist im Falle der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr.4 VwGO im Einzelfall konkret festzustellen. Das Gewicht dieser gegenläufigen Interessen wird entweder durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (Abwägung aufgrund summarischer Erfolgsprüfung) oder durch die voraussichtlichen Folgen des Suspensiveffekts einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits (Folgenabwägung) bestimmt. Bei der Abwägung aufgrund summarischer Erfolgsprüfung gilt nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, dass das Suspensivinteresse umso größeres Gewicht hat, je mehr der Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hat, und dass umgekehrt das Vollziehungsinteresse umso mehr Gewicht hat, je weniger Aussicht auf Erfolg des Rechtsbehelfs besteht. Ist der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig oder bestehen ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit, ist dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig stattzugeben. Erweist sich der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung hingegen als offensichtlich rechtmäßig, ist der Antrag nach § 80 Abs.5 VwGO regelmäßig abzulehnen. Diese nur die gerichtliche Abwägung der gegenläufigen Interessen betreffenden Grundsätze sind jedoch von der auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen - vorrangigen - Prüfung zu unterscheiden, ob überhaupt ein in die Abwägung einstellbares Vollziehungsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 VwGO besteht, das eine Ausnahme von dem Grundsatz der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigt. Ist das nicht schon kraft Gesetzes der Fall (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 3 und S. 2 VwGO) muss das Vollziehungsinteresse im Einzelfall entsprechend den Anforderungen nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO konkret festgestellt werden, wobei die aufgrund summarischer Erfolgsprüfung gewonnene gerichtliche Erkenntnis, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist, als solche kein Vollziehungsinteresse in diesem Sinne begründet (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.03.1997 - 13 S 1132/96 - m.w.Nachw.). | Abs. 16 |
Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO ist ein Wesensmerkmal des in der Verwaltungsgerichtsordnung geregelten Rechtsschutzes. Sie tritt regelmäßig allein aufgrund der Einlegung des Rechtsbehelfs ein, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Insbesondere ist es für den Eintritt des Suspensiveffekts unerheblich, ob der Rechtsbehelf in der Sache begründet ist. Folglich ist insoweit auch unerheblich, ob die Unbegründetheit des Rechtsbehelfs oder die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bei summarischer Prüfung offensichtlich ist. Auch der voraussichtlich unbegründete Widerspruch gegen einen als offensichtlich rechtmäßig erkannten Verwaltungsakt hat nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt auch dann "nur" unter den in § 80 Abs. 2 VwGO geregelten Voraussetzungen. Dementsprechend erfordert die Anordnung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes Interesse gerade an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes, das über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände, wie es jedem Verwaltungsakt innewohnt, hinausgeht und die Vollziehung des Verwaltungsaktes schon vor dem gesetzlichen Ende der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80b VwGO) erfordert. Das schließt allerdings nicht aus, dass sich dieses Vollziehungsinteresse im Einzelfall - auch - aus dem allgemeinen Erlassinteresse ergibt bzw. mit diesem identisch ist, etwa wenn bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr die begründete Besorgnis besteht, die mit dem Verwaltungsakt bekämpfte Gefahr werde sich bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren, oder wenn ein Verwaltungsakt ohne sofortige Vollziehung seinen Zweck verfehlt. Diese Maßstäbe gelten auch für die gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs.5 VwGO, denn dieses Verfahren ist in das gesetzliche Regel-Ausnahme-System nach § 80 Abs. 1 und 2 VwGO eingebunden und ergänzt es. Das Gericht überprüft, ob ein Vollziehungsinteresse besteht und ob dieses oder das Suspensivinteresse des Antragstellers größeres Gewicht hat. Die gerichtliche Kontrolle schließt im Falle des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung infolge einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO mithin die Prüfung der materiellen Voraussetzungen nach dieser Vorschrift ein. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist der Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nicht gerechtfertigt und ist deshalb die aufschiebende Wirkung entsprechend dem Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO wiederherzustellen (vgl. VGH Bad.-Württ., a.a.O.). | Abs. 17 |
Im vorliegenden Fall ist ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO für die Kammer nicht erkennbar. | Abs. 18 |
Das gilt zunächst für die Erwägungen in der - den formellen Anforderungen nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO noch genügenden - behördlichen Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Verfügung vom 22.09.1999. | Abs. 19 |
Die Dringlichkeit einer sofortigen Vollziehung ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zunächst nicht daraus, dass das Befahren der öffentlichen Straßen und Plätze auf dem Gebiet der Stadt Karlsruhe mit Fahrzeugen die mit Spezialkameras ausgerüstet sind, um Fotoaufnahmen der angrenzenden Grundstücke zu machen, einen besonders publikumsintensiven Vorgang darstellt, der sich direkt im Straßenverkehr abspielt. Der Prokurist der Antragstellerin hat eidesstattlich gegenüber dem Gericht versichert, dass sich die Aufnahmefahrzeuge mit normaler Geschwindigkeit im Verkehrsfluss bewegten und durch die Bildaufnahmen in keiner Form der Verkehr beeinträchtigt werde. Es würden auch keine besonderen Fahrmanöver oder Haltepositionen durchgeführt bzw. angefahren. Darüber hinaus handele es sich bei den Aufnahmefahrzeugen um handelsübliche Mercedes-Kleintransporter, in deren Dächern die Aufnahmekameras integriert seien. Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Da sich die Aufnahmefahrzeuge danach aber im Straßenraum verkehrsgerecht verhalten, entgegen der Befürchtung der Antragsgegnerin insbesondere kein ständiges Anhalten und Wiederanfahren zu erwarten ist, und sie sich auch nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht wesentlich von den übrigen am Verkehr teilnehmenden Fahrzeugen unterscheiden, kann von einem "publikumsintensiven Vorgang" keine Rede sein. Eine Beeinträchtigung der Belange der anderen Straßenverkehrsteilnehmer ist daher nicht zu erwarten, so dass in diesem Zusammenhang auch ein Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht gegeben sein kann. | Abs. 20 |
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegt ein Vollziehungsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO auch insofern nicht vor, als durch das Vorhaben der Antragstellerin die Interessen der Anlieger tangiert würden, die kein Interesse daran haben könnten, dass ihre Grundstücke gegen ihren Willen fotografiert werden. Nach Auffassung der Kammer werden durch das Vorhaben der Antragstellerin keinerlei Rechte der Anlieger verletzt. | Abs. 21 |
In Einklang mit den Feststellungen des Landgerichts Waldshut-Tiengen im Urteil vom 28.10.1999 (1 O 200/99 [= JurPC Web-Dok. 5/2000, Anm. der Red.]) geht das Gericht zunächst davon aus, dass innerhalb der Datenbank der Antragstellerin eine Verknüpfung einzelner Gebäudeansichten mit konkreten Einzelanschriften - einschließlich der jeweiligen Hausnummer - oder gar mit den Einzeladressen der Eigentümer oder Bewohner dieses Hauses nicht erfolgt. Nach den unwiderlegt gebliebenen Angaben der Antragstellerin ist vielmehr davon auszugehen, dass der jeweilige Standort des Aufnahmefahrzeugs zunächst lediglich mit dessen - durch Satellitennavigation ermittelten - geoterrestrischen Position verknüpft ist und erst in einem weiteren Arbeitsschritt diese geographischen Daten einem bestimmten Straßennamen innerhalb der jeweiligen Gemeinde zugeordnet werden. Ein direkter Zugriff auf die Abbildung eines konkreten Einzelgebäudes durch die Eingabe konkreter Adressdaten einer bestimmten Person ist somit ebenso wenig beabsichtigt wie umgekehrt der Abruf bestimmter personenbezogener Daten nach Eingabe der Abbildung eines bestimmten Einzelgebäudes. Nach den glaubhaften Angaben der Antragstellerin kann man durch Eingabe eines - im Rahmen einer Adress- oder Telefondatenbank möglicherweise auch mit bestimmten Einzelnamen verknüpften - Straßennamens zwar am Bildschirm des Computers einen Eindruck vom Verlauf dieser Straße aus der Sicht der eingesetzten Kamerafahrzeuge erlangen, an ein konkretes Einzelgebäude kann man sich aber lediglich durch manuell gesteuertes "Abfahren" dieses Straßenverlaufs herantasten, so dass man zu einer konkreten Zuordnung der Abbildung eines bestimmten Gebäudes zu bestimmten Adressdaten einzelner Personen nur dann gelangen kann, wenn man das Gebäudeäußere bereits aus anderen Quellen kennt oder ausnahmsweise die am Gebäude angebrachte Hausnummer auf der Abbildung hinreichend deutlich erkennbar ist. Eine automatisierte Verknüpfung einer einzelnen Gebäudeabbildung mit konkreten Adressdaten der Bewohner ist zumindest derzeit technisch nicht möglich. | Abs. 22 |
Unter diesen technischen Voraussetzungen ist eine Verletzung des Eigentumsrechts der Anlieger durch die fotografische Erfassung der Außenansicht der Gebäude nicht zu befürchten. Denn das Fotografieren eines Hauses von einer öffentlichen Straße aus verletzt weder die Sachsubstanz des Eigentums in irgendeiner Weise noch wird der Eigentümer hierdurch in der Nutzung der Sache und seinem Recht, mit dieser nach seinem Belieben zu verfahren, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht irgendwie beeinträchtigt (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.1989, NJW 1989, 2251f.; OLG Brandenburg, Urt. v. 02.09.1998, NJW 1999, 3339f.; Landgericht Waldshut-Tiengen, Urt. v. 28.10.1999 -1 O 200/99 -). Da nach § 59 Abs.1 Urhebergesetz auch die fotografische Verbreitung der äußeren Ansicht eines Gebäudes dem Urheberrechtsschutz entzogen ist, sind die Anlieger bzw. die jeweiligen Architekten nicht einmal als geistige Schöpfer der Bauwerke berechtigt, der Antragstellerin deren fotografische Vervielfältigung zu untersagen. | Abs. 23 |
Ein Abwehranspruch der Anlieger lässt sich auch nicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dessen Ausgestaltungen im Recht auf angemessenen Schutz der Privatsphäre, dem Recht am eigenen Bild und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung herleiten. | Abs. 24 |
Durch die Aufnahme und gewerbliche Weiterverbreitung von Abbildungen der Außenansicht der Wohngebäude der Anlieger wird nur der Teilbereich des Persönlichkeitsrechtes berührt, der ohnehin der Öffentlichkeit zugewandt ist und deshalb von vornherein allenfalls einen sehr begrenzten Schutz genießen kann. Denn dass aus den sich im normalen Verkehrsfluss bewegenden Aufnahmefahrzeugen der Antragstellerin Abbildungen aufgenommen werden können, die über die äußere Gebäudefassade hinaus tiefergehende Einblicke in die Privat- oder Intimsphäre der Anlieger erlaubten, wird von der Antragsgegnerin nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Öffentlichkeitssphäre als der Bereich des menschlichen Lebens, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann, genießt aber von vornherein keinen Schutz gegen Indiskretionen. Allenfalls gegen unrichtige oder ehrverletzende Darstellungen kann sich der Betroffene auch in diesem Teilbereich seiner Persönlichkeit mit Erfolg zur Wehr setzen. Solche Eingriffe drohen den Anliegern von dem völlig objektiven und wertneutralen Aufnahmeverfahren der Antragstellerin aber offensichtlich nicht. Auch die mit den technischen Möglichkeiten einer digitalen Bilderfassung und weitgehend automatischen Abrufbarkeit und Reproduzierbarkeit der Gebäudeabbildungen in der Bilddatenbank der Antragstellerin verbundenen erweiterten Verwertungschancen begründen insoweit keinen erweiterten Persönlichkeitsschutz. Zwar stehen die Abbildungen der Gebäude der Anlieger auf diese Weise dem Zugriff eines nicht mehr überschaubaren Personenkreises offen; dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei den veröffentlichten Gebäudeansichten nur um einen sehr marginalen Ausschnitt aus dem Persönlichkeitsbild der Anlieger handelt, dessen Aussagekraft andere öffentlich zugängliche personenbezogene Daten nicht übersteigt (vgl. Landgericht Waldshut-Tiengen, a.a.O.). Nach Auffassung der Kammer dürfte auch die Befürchtung der Anlieger unbegründet sein, Diebesbanden könnten die Häuser- und Gebäudekarte nutzen, um Einbrüche zu planen. Professionelle Einbrecher, und nur solche würden das System im Hinblick auf die hohen Kosten (für eine mittlere Großstadt mehrere 100.000,00 DM) kaufen, werden das Objekt stets in Augenschein nehmen und sich nicht mit Aufnahmen begnügen, die nicht die für Einbrüche besonders interessante Rückseite des Gebäudes erkennen lassen. Weiterhin kann nur durch Prüfung vor Ort z.B. sicher erkannt werden ob das Haus von einem Hund bewacht wird oder ob eine Alarmanlage installiert ist und wie sie beschaffen ist (vgl. auch Nedden, DuD 1999, 533 [534]). Abwehrfähige Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Anlieger sind nach alledem nicht zu erwarten. | Abs. 25 |
Das Recht am eigenen Bild kann dem betroffenen Anlieger ebenfalls keinen Abwehranspruch vermitteln, da die Regelungen der §§ 22 ff. Kunsturhebergesetz auf Abbildungen von Sachen nicht anwendbar sind (vgl. auch OLG Brandenburg, a.a.O.). | Abs. 26 |
Schließlich wird durch das Vorhaben der Antragstellerin auch nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Dieses ist zunächst nicht schrankenlos gewährleistet, der Einzelne hat also nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über "seine" Daten, er ist vielmehr als eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit verpflichtet, eine ihn nicht unangemessen stark belastende Preisgabe und Verwertung personenbezogener Daten im überwiegenden Allgemeininteresse oder auch im gleichrangigen Interesse Dritter hinzunehmen (vgl. Landgericht Waldshut-Tiengen, a.a.O.). | Abs. 27 |
Auch nach diesen Grundsätzen stellt die digitale Erfassung einer Abbildung der Gebäudeaußenseite des Wohnhauses eines Anliegers aber keinen unzulässigen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht dar. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass die zuständige Aufsichtsbehörde nach dem Bundesdatenschutzgesetz bei der datenschutzrechtlichen Prüfung und Bewertung der elektronischen Häuser- und Gebäudekarte der Antragstellerin unter dem 23.06.1999 zu dem Ergebnis kam, dass diese derzeit nicht gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoße. Das Bundesdatenschutzgesetz sei schon deshalb nicht anzuwenden, weil es sich nicht um eine Datei im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BDSG handele, was Voraussetzung einer Anwendbarkeit der für die Datenverarbeitung durch nichtöffentliche Stellen geltenden Vorschriften der §§ 27 ff. BDSG wäre. Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Feststellung der zuständigen Aufsichtsbehörde nach dem Bundesdatenschutzgesetz zu zweifeln. | Abs. 28 |
Selbst im Falle der Anwendbarkeit der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes wäre die geschäftsmäßige Speicherung der öffentlich ohne Weiteres zugänglichen Gebäudeabbildungen nach § 29 Abs.1 S.1 Nr.2 BDSG auch nur dann unzulässig, wenn dem offensichtlich überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen entgegenstünden. Auch hiervon kann angesichts des eher begrenzten Aussagegehalts der Abbildung einer Gebäudefassade nicht ausgegangen werden. Dass die für eine Verwertung dieser Daten sprechenden Interessen der Antragstellerin rein kommerzieller Natur sind, ändert hieran nichts, da auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit grundgesetzlichen Schutz (Art. 14 Abs. 1) genießt und bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen der Daten speichernden Stelle und der Betroffenen somit durchaus zu berücksichtigen ist (vgl. Landgericht Waldshut-Tiengen, a.a.O.; Nedden, DuD, 533 [534 f.]). | Abs. 29 |
Festzuhalten bleibt daher, dass durch das Vorhaben der Antragstellerin weder Belange der übrigen Straßenverkehrsteilnehmer noch der Eigentümer der erfassten Gebäude beeinträchtigt werden, so dass ein Vollziehungsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO nicht festzustellen ist. Dementsprechend ist der Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs der Antragstellerin nicht gerechtfertigt und deshalb die aufschiebende Wirkung entsprechend dem Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO wiederherzustellen. | Abs. 30 |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 2 GKG. | Abs. 31 |
Rechtsmittelbelehrung
| JurPC Web-Dok.
80/2001, Abs. 32 |
Anm. der Redaktion: Vgl. zu diesem Thema das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 28.10.1999 - 1 O 200/99 = JurPC Web-Dok. 5/2000 und die Entscheidung der Berufungsinstanz OLG Karlsruhe vom 16.03.2000 - 4 U 145/99 = JurPC Web-Dok. 114/2000. |
[online seit: 28.05.2001] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Karlsruhe, VG, Gebäudedatenbank - JurPC-Web-Dok. 0080/2001 |