Matthias Pierson / Jonas Bretall *Das neue "neue UWG": |
Prof. Dr. Matthias Pierson hatte bereits anlässlich der UWG-Reform des Jahres 2004 eine kommentierte Synopse in JurPC veröffentlicht (JurPC Web-Dok. 250/2004). Die Redaktion JurPC hat sich daher sehr gefreut, dass Prof. Dr. Pierson zusammen mit einem Mitarbeiter auch die Änderungen Ende 2008 in umfangreichen Tabellen kommentierend begleitet hat. Diese Arbeiten werden nun in JurPC vorgestellt. Es handelt sich insgesamt um vier Dateien, die untereinander verlinkt sind. Im Einzelnen handelt es sich um einen Einführungstext (JurPC Web-Dok. 203/2009 = dieses Dokument), eine kommentierte Synopse des UWG (JurPC Web-Dok. 204/2009), eine Rechtsprechungsübersicht, gegliedert nach den Paragrafen des UWG (JurPC Web-Dok. 205/2009) und ein Aufbau- und Prüfschema für UWG-Fälle (JurPC Web-Dok. 206/2009). |
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I. Einleitung |
Am
30.12.2008 ist das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen
den unlauteren Wettbewerb in Kraft getreten. | JurPC Web-Dok. 203/2009, Abs. 1 |
II. Die Richtlinie über unlautere Geschäftpraktiken |
Hervorzuheben
ist, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie auf unlautere
Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C)
beschränkt ist, wobei Handlungen während und nach Abschluss
eines Vertrages ausdrücklich einbezogen werden (Art. 3 Abs. 1). | Abs. 2 |
III. Richtlinienkonforme Auslegung und Stellenwert der bisherigen Rechtsprechung |
Zu
beachten ist, dass das Lauterkeitsrecht infolge der Richtlinie, d.h.
soweit es den Verbraucherschutz bezweckt, gemeinschaftsrechtlicher
Natur ist, hinter der nationale wettbewerbsrechtliche Traditionen im
Interesse der angestrebten, gemeinschaftsweiten Rechtsangleichung
zurückzutreten haben. Das heißt, soweit das reformierte
UWG auf der Richtlinie beruht, gilt das Gebot der
richtlinienkonformen Auslegung. | Abs. 3 |
IV. Überblick über die wesentlichen Neuerungen |
Obgleich
das bisherige UWG in seiner Grundkonzeption - dem
gleichrangigen Schutz von Mitbewerbern, Verbrauchern und sonstigen
Marktteilnehmern - erhalten geblieben ist, hat es durch die Reform
2008 wesentliche und tiefgreifende Änderungen erfahren, | Abs. 4 |
Einzelnen sind die folgenden Änderungen hervorzuheben: | Abs. 5 |
♦ | Die
Ersetzung des zentralen Begriffs der "Wettbewerbshandlung"
durch den neuen Begriff der "geschäftlichen Handlung",
durch den (u.a.) - im Sinne einer bedeutsamen zeitlichen
Funktionserweiterung des UWG - nunmehr auch das
unternehmerische Verhalten bei und nach Vertragsschlusserfasst wird | Abs. 6 |
♦ | die Ausweitung des bisherigen Definitionenkatalogs (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 7), insbesondere unter Einbeziehung einer neuen, selbständigen und erweiterten Definition des "Unternehmers" (vgl. Kommentierung zu § 2 Abs. 1 Nr. 6); | Abs. 7 |
♦ | die umfassende inhaltliche und systematische Neuregelung der Generalklausel (§ 3), die jetzt statt einem einheitlichen allgemeinen Verbotstatbestand drei Verbotstatbeständeumfasst (vgl. Kommentierung zu § 3); | Abs. 8 |
♦ | im Zusammenhang mit der Neuregelung der Generalklausel die Ergänzung des UWG um einen Anhang (zu § 3 Abs. 3), der einen separaten Verbotskatalog (sog. schwarze Liste) mit 30 Einzeltatbeständen enthält, die bei Vornahme gegenüber einem Verbraucher stets, d.h. ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls unzulässig sind (Verbote ohne Wertungsvorbehalt - vgl. Kommentierung zu § 3 Abs. 3 und zum Anhang); | Abs. 9 |
♦ | die Aufteilung der bisherigen Regelung der "Irreführenden Werbung" (§ 5 a.F.) in zwei separate Regelungen über "Irreführende geschäftliche Handlungen" (§ 5 n.F.) und "Irreführung durch Unterlassen" (§ 5a n.F.), wobei die Komplexität dieser Irreführungs-Regelungen nicht nur durch eine - umsetzungsbedingt - erhebliche Ausweitung der Bezugspunkte irreführender geschäftlicher Handlungen (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 bis 7), sondern insbesondere auch durch die sehr umfassende und detaillierte Regelung der - vormals eher beiläufig geregelten (§ 5 Abs. 2 S. 2 a.F.) - "Irreführung durch Unterlassen" erheblichzugenommen hat (vgl. Kommentierung zu §§ 5, 5a); | Abs. 10 |
♦ | die Ausgestaltung der Regelung zu den "Unzumutbaren Belästigungen" (§ 7) als eigenständiger, d.h. von § 3 abgekoppelter Verbotstatbestand (vgl. Kommentierung zu § 7). | Abs. 11 |
V. Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung |
Eine
weitere Änderung hat das UWG durch das am 04.08.2009 in Kraft
getretene Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und
zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen
Vertriebsformen erfahren. | Abs. 12 |
VI. Fazit |
Erst vor
vier Jahren wurde das UWG 1909 im Rahmen einer "Jahrhundertreform"
durch das UWG 2004 ersetzt. Im Rahmen der UWG-Reform 2004, deren
Ziele durch die Stichworte Europäisierung, Liberalisierung und
Transparenz gekennzeichnet waren, | JurPC Web-Dok. 203/2009, Abs. 13 |
Fußnoten: |
1BGBl. I Nr. 64 v. 29.12.2008 S. 2949 - abrufbar unter: http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2949.pdf; eine sehr nützliche Dokumentation der aktuellen Materialien zum Lauterkeitsrecht nebst Möglichkeiten zum Download bietet die Website des Lehrstuhls von Prof. Dr. Helmut Köhler, LMU München, vgl.: http://www.jura.uni-muenchen.de/fakultaet/lehrstuehle/koehler/uwg/index.html. 2ABl. der EU L 149/22 - 39 v. 11.06.2005 - abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:149:0022:0039:DE:PDF 3Vgl. Art. 19 der Richtlinie. 4Zur UWG-Reform 2004 vgl. u.a. Pierson, Kommentierte Synopse zum UWG-Reformgesetz v. 3. Juli 2004, JurPC Web-Dok. 249/2004, Abs. 1 - 2, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/aufsatz/20040249.htm; ferner Pierson in Pierson / Ahrens / Fischer, Recht des geistigen Eigentums, § 83, S. 356 ff. 5Außer der sich abzeichnenden Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken lag der - später nicht weiter verfolgte - Vorschlag für eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt vor. 6Vgl. Amtl. Begründung des UWG-Reformgesetzes 2004, BT-Drucks. 15/1487, S. 12. 7Vgl. so zur Gesetzesfolgenabschätzung die Amtl. Begründung des UWG-Reformgesetzes 2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 1 f., 20. 8Köhler, NJW 2008, 3032. 9Amtl. Begr. BT-Drucks. 16/10145, S. 10; Sosnitza, WRP 2008, 2008, 1014. 10Kulka, Der Betrieb 2008, 1548, 1549. 11Köhler, NJW 2008, 3032. 12Köhler, GRUR 2008, 841 f.; ders, WRP 2009, 109. 13Köhler, GRUR 2008, 841; ders., NJW 2008, 3032, 3033. 14Köhler, WRP 2009, 109. 15Kulka, Der Betrieb 2008, 1548, 1556. 16Köhler, WRP 2009, 109 f. 17Gesetz v. 29.07.2009, BGBl. Teil I v. 03.08.2009, S. 2413. 18Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, Quelle: FAS v. 09.08.2009, S. 27. 19Richtlinie 2002/58/EG vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), Abl. d. EG v. 31.07.2002 L 201/37. 20Vgl. hierzu Pierson, Kommentierte Synopse zum UWG-Reformgesetz v. 3. Juli 2004, Kommentierung zu § 7 Abs. 2 Nr. 2, JurPC Web-Dok. 249/2004, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/aufsatz/20040250.htm. 21Amtl. Begr., BT-Drucks. 16/10734, S. 7. 22Näheres hierzu vgl. Amtl. Begr., BT-Drucks. 16/10734, S. 14 ff. 23Näheres hierzu vgl. Steinbeck, GRUR 2008, 848. 24Köhler, GRUR 2008, 841. 25Steinbeck, GRUR 2008, 848, 854. 26Vgl. Kulka, Der Betrieb 2008, 1548, 1556 f.; Sosnitza, WRP 2008, 1014 ff. (Bewertung der Generalklausel). |
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Dr. Matthias Piersonist Professor für Wirtschaftsprivatrecht mit den Vertiefungsgebieten
Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht am
Institut für Geistiges Eigentum, Recht und Wirtschaft in der
Informationstechnologie der Brunswick European Law School / Fakultät
Recht an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel. Jonas Bretallist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geistiges Eigentum, Recht und Wirtschaft in der Informationstechnologie der Brunswick European Law School / Fakultät Recht an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel. |
[ online seit: 13.10.2009 ] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
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Zitiervorschlag: Pierson, Matthias, Das neue "neue UWG": Von der Reform 2004 zur Reform 2008 - JurPC-Web-Dok. 0203/2009 |