Otfried Krumpholz *Namensbestreitung durch Domainregistrierung: Was bedeutet das BVerfG-Urteil zu "maxem.de" für die Dogmatik zu § 12 BGB?JurPC Web-Dok. 73/2007, Abs. 1 - 30 |
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1. Einleitung |
Während es seit Langem weitgehend unbestritten ist, dass die Verwendung eines fremden Namens in einer Internet-Domain eine Namensanmaßung nach § 12 BGB sein kann und somit vom Berechtigten verboten werden kann, ist die Beurteilung, ob diese Sachverhalte auch der Tatbestandsalternative der Namensbestreitung unterfallen, nicht so einheitlich. Relevanz könnte die Frage etwa dann entfalten, wenn die Domain vom Nichtberechtigten nur registriert, aber nicht benutzt wird, so dass keinerlei Zuordnungsverwirrung entsteht. | JurPC Web-Dok. 73/2007, Abs. 1 |
Das BVerfG hat nun in einer jüngst ergangenen Entscheidung(1)die Aussage getroffen, dass ein Namensträger durch den Ausschluss von der Nutzung eines bestimmten Domain-Namens nicht in seinem verfassungsrechtlich geschützten Interesse beeinträchtigt werde, am kommunikativen Verkehr unter seinem Namen teilzunehmen, da es sich beim Domain-Namen lediglich um Zeichen zur technischen Adressierung bestimmter Inhalte im Internet handele. Ob diese Beurteilung einen Einfluss auf die Dogmatik zur Namensbestreitung haben kann, soll im Folgenden untersucht werden. | Abs. 2 |
2. Hergebrachte Dogmatik |
Hingewiesen sei zunächst darauf, dass die Frage, ob § 12 BGB in Zusammenhängen überhaupt anwendbar ist, wo es um Geschäftliche Bezeichnungen im Sinne von § 5 MarkenG geht, oder ob dort § 15 MarkenG als Spezialgesetz Vorrang hat, hier nicht erörtert werden soll. Es wird der Tatbestand der Namensbestreitung nur in seiner Anwendung auf den Namen der natürlichen Person untersucht, zumal allein dies mit der historischen Auslegung des Tatbestandes in Einklang zu bringen ist.(2)Aus der Entstehungsgeschichte wird nämlich deutlich, dass es bei der Namensbestreitung im Wesentlichen um den Schutz der Familienzuordnung ging.(3)Außerdem können Fälle, in denen einem Unternehmer das Recht zur Führung einer Firma oder Benutzung einer Marke bestritten wird, durch die Spezialvorschriften der §§ 4 Nr. 10 und 5 UWG (gezielte Behinderung und irreführende Werbung) erfasst werden, die eine Ausdehnung des Bestreitungstatbestandes auf andere Bezeichnungen als den Namen der natürlichen Person überflüssig machen. | Abs. 3 |
Der Gesetzgeber hatte für den Tatbestand der Namensbestreitung das Problem im Sinn, dass eine natürliche Person die Behauptung aufstellt, eine andere führe ihren Namen nicht zu Recht.(4)Die tatsächlich vorkommenden Sachverhalte, die mit dem Bestreitungstatbestand erfasst werden sollten, waren Streitigkeiten um die familiäre Zugehörigkeit, etwa im Falle eines unehelichen Kindes.(5)Der Bestreitende verhinderte also nicht die tatsächliche Verwendung des Namens. | Abs. 4 |
Im Falle der blockierten Domain ist aber die faktische Wirkung dem Berechtigten gegenüber viel stärker: Zwar gibt es keine explizite Aussage des Domain-Inhabers der Art, dass der Berechtigte seinen Namen überhaupt nicht zu Recht führe. Es steht nur die spezielle Gebrauchsweise des Namens als Domain-Name in Frage; diese aber wird nicht nur bestritten, sondern sogar unmöglich gemacht. | Abs. 5 |
Während teilweise in der Literatur vertreten wird, der Bestreitungstatbestand des § 12 BGB finde nur im Falle einer expliziten oder impliziten Behauptung Anwendung, jemandem stehe ein bestimmter Name für die eigene Person nicht zu,(6)wird anderenorts betont, dass ein Bestreiten auch durch Handlungen erfolgen könne, durch die dem Berechtigten der Gebrauch seines Namens zur Kennzeichnung der eigenen Person oder Selbstdarstellung erschwert oder unmöglich gemacht werde.(7)Die zweite Auffassung ist überzeugender, da nur sie in bestimmten Konstellationen verhindern kann, dass das Recht, seinen Namen für die eigene Person zu gebrauchen, nicht leerläuft. Dies könnte also eine Anwendung des Bestreitungstatbestandes auf Streitigkeiten um Domain-Namen rechtfertigen, wenn man davon ausgeht, dass durch einen Domain-Namender hinter der Homepage stehende Betreiber bezeichnet bzw. auf seine Person verwiesen wird. | Abs. 6 |
Wenn man dagegen - was wohl näherliegend scheint - annimmt, dass mit dem Domain-Namen nur die Homepage als solche bezeichnet wird (und im Falle der Verwendung eines Namens als Domain-Namen als Einrichtung des Betreibers gekennzeichnet wird), muss man einen weiteren Schritt gehen und aus dem Namensrecht auch das Recht ableiten, den eigenen Namen als Domain-Name zu verwenden. Dann wäre die Blockade dieses Domain-Namens durch einen anderen ein faktisches Bestreiten des Rechtes zum Gebrauch des Namens (sc. zum Gebrauch als Domain-Name). | Abs. 7 |
Das Reichsgericht(8)und im Anschluss daran in ständiger Rechtsprechung der BGH(9)haben die Ansicht vertreten, dass jeder das Recht habe, sich in redlicher Weise unter seinem Namen im geschäftlichen Leben als selbständiger Gewerbetreibender zu betätigen. In der Regel könne dem Namensträger auch nicht verwehrt werden, seinen Namen zur Kennzeichnung seiner Waren (also als Marke) zu verwenden.(10)Bei den zitierten Urteilen ging es in jedem Fall um natürliche Personen, die ihren Namen zur Bildung von Firmen oder Marken benutzen wollten. Die Frage wäre also eigentlich, ob dies auf die Verwendung des eigenen Namens als Domain-Name übertragen werden kann. Hierauf wird unten zurückzukommen sein. | Abs. 8 |
3. Anwendung des Tatbestands der Namensbestreitung auf Domain-Streitigkeiten in der Rechtsprechung |
In frühen Entscheidungen zu Domain-Streitigkeiten gingen das LG Frankfurt, das LG Braunschweig und das LG Düsseldorf jeweils ohne nähere Begründung von einem "Recht, sich unter [dem eigenen] Namen...im Internet zu präsentieren" aus.(11)Das OLG Düsseldorf wurde etwas ausführlicher und leitete aus § 12 Satz 1 BGB ein Recht der Klägerin ab, sich unter Gebrauch des eigenen Namens im Internet durch eine Homepage vorzustellen.(12)Die Blockade des Domain-Namens führe dazu, dass die Beklagte sich ein Ausschlussrecht gegenüber der Klägerin verschaffe, worin ein Bestreiten liege, da die Klägerin in dieser Hinsicht von ihrem Namensrecht nicht Gebrauch machen könne. Ansonsten wurde die Frage auf das "Recht auf den eigenen Domain-Namen" in der Rechtsprechung aber nicht explizit aufgegriffen. | Abs. 9 |
Ohne dass dies so ausgesprochen wurde, kam das LG Düsseldorf im Fall "nazar.de" aber zum selben Ergebnis.(13)Es stellte nämlich fest, dass unabhängig von der Branchennähe eine Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen des Namensträgers schon dann vorliege, wenn sein Name überhaupt von einem anderen als Domain-Name verwendet werde, denn er werde dann an der Verwendung seines Namens als Domain-Name gehindert. Daher setze sich das Namensrecht branchenunabhängig gegenüber demjenigen durch, der weder ein besserrangiges noch (bei Branchenverschiedenheit) überhaupt ein Recht an der betreffenden Bezeichnung geltend machen könne. Anders aber das LG Bremen:(14)Ein Recht auf Führung des eigenen Namens oder der (namensrechtlich geschützten) Kurzbezeichnung ohne Zusätze als Kennung im Internet bestehe nicht; nur wenn ein anderer kein eigenes Recht am Domain-Namen habe und darüber hinaus in vorwerfbarer Weise unrechtmäßig handele, etwa den Domain-Namen nur gewählt habe, um den Namensinhaber zu behindern oder zu erpressen, gebe es Ansprüche aus § 12 BGB gegen ihn. | Abs. 10 |
Auch das OLG Köln hielt es für "zumindest zweifelhaft", ob durch die Reservierung eines Domain-Namens ein Namensrecht des rechtmäßigen Namensträgers i.S.v. § 12 BGB bestritten werden könne.(15)Denn der Namensträger könne seinem Namen Zusätze, etwa den abgekürzten Vornamen, beifügen. Ein Recht darauf, eine Domain zu führen, die dem eigenen Namen entspricht, gebe es nicht. Dagegen hielt es das LG Magdeburg 1998 für "heute fast einhellige Meinung", dass die Reservierung eines Domain-Namens im Internet eine Namensleugnung darstelle.(16) | Abs. 11 |
Auch einige Zeit nach diesen Urteilen zur "ersten Welle" von Domain-Streitigkeiten der späten 90er Jahre hatte sich jedoch noch keine einheitliche Ansicht gebildet. So führte das LG Düsseldorf in der Entscheidung "canalgrande.de"(17)aus, in der Reservierung einer Domain könne durchaus eine Namensleugnung i.S.v. § 12 BGB liegen. Allerdings, so fügte es dogmatisch korrekt hinzu, müsse der fragliche Domain-Name dann Namensfunktion aufweisen, also etwa dem Namen einer Person oder eines Unternehmens entsprechen. Das OLG Düsseldorf wiederum lehnte es in seiner Entscheidung zu "solingen.info" ab, in der Registrierung und Nutzung einer Domain eine Bestreitung der Berechtigung des Namensträgers zur Führung seines Namens zu sehen.(18)Das OLG Stuttgart schließlich hielt es für "unstreitig", dass trotz der Ausschlusswirkung gegenüber dem Berechtigten eine Namensleugnung nicht vorliegen könne, da es am Element des Bestreitens fehle.(19) | Abs. 12 |
In der Literatur wurde dieser Aspekt von Domain-Streitigkeiten wenig behandelt. Einige Stimmen haben sich dagegen ausgesprochen, die Nutzung eines Domain-Namens als Namensbestreitung anzusehen. So gibt Wegner zu bedenken, dass in einem "eindimensionalen Namensraum" wie dem Internet nicht dieselben Regeln gelten könnten wie für das Namensrecht außerhalb des Internets. Nur bei einer unredlichen Anmeldung eines Domain-Namens könne sich daher der Namensinhaber auf den Tatbestand der Namensbestreitung berufen.(20)Auch Stroemer spricht sich dagegen aus, diesen Tatbestand auf die Nutzung eines Domain-Namens anzuwenden, da dem Namensinhaber noch die Möglichkeit bleibe, mit seinem Namen im Internet unter mehr als 180 anderen Top Level Domains aufzutreten.(21) | Abs. 13 |
4. Die Entscheidungen des BGH und des BVerfG zu "maxem.de" |
Im Urteil des BGH(22)ging es nun um folgenden Fall: Ein Anwalt, der den Familiennamen Maxem trug, klagte gegen den Inhaber der Domain "maxem.de". Dieser reklamierte die Domain mit der Begründung für sich, ihm stünde ein Recht auf den Namen Maxem zu, weil er ihn seit 1991 als Pseudonym im Internet benutze. | Abs. 14 |
Die Vorinstanz, das OLG Düsseldorf, hatte ausgeführt, dass der Kläger zwar ein ideelles oder wirtschaftliches Interesse daran habe, einen seinem bürgerlichen Namen entsprechenden Domain-Namen zu verwenden; solange es aber keine Zuordnungs- und Identifikationsverwirrung gäbe, werde ein solches Interesse von § 12 BGB nicht geschützt. Der BGH sah dies anders: Zwar sei (wie schon im früheren Urteil zu "shell.de"(23)ausgeführt) die Verwendung eines Namens als Domain-Name durch einen Nichtberechtigten keine Namensleugnung, da in ihr kein Bestreiten liege. Gleichzeitig sieht der BGH aber eine Namensanmaßung gegeben, weil "ein besonders schützenswürdiges Interesse" des Namensträgers durch die Registrierung des Domain-Namens seitens des Nichtberechtigten beeinträchtigt würde. Denn jeder Träger eines Namens habe das berechtigte (wenn auch normalerweise mit einer größeren Zahl Gleichnamiger geteilte) Interesse, mit dem eigenen Namen unter der im Inland üblichen Top Level Domain ".de" aufzutreten. (Der BGH führte im Weiteren aus, warum dem Beklagten aus seinem Pseudonym keine gleichwertigen Rechte an dem Namen zustünden, was für die vorliegende Analyse aber ohne Interesse ist.) | Abs. 15 |
Der Beklagte erhob Verfassungsbeschwerde, weil er sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf Verwendung eines Pseudonyms verletzt sah. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Im Nichtannahmebeschluss führte es zum Schutz des Namens unter anderem Folgendes aus: | Abs. 16 |
Eine Maßnahme, die den Gebrauch des Zeichens einschränke, das einer Person als Name dient, berühre nur dann den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn das Zeichen gerade in seiner Identität und Individualität stiftenden Funktion als Name benutzt werden soll. Das sei der Fall, wenn der Namensträger gehindert werde, am kommunikativen Verkehr unter seinem Namen teilzunehmen, so dass für andere Kommunikationsteilnehmer die Zurechnung bestimmter persönlicher Verhältnisse wie Lebensgeschichte, Äußerungen oder Handlungen zu dem Namensträger beeinträchtigt oder sogar verhindert werde. Werde dagegen der Name lediglich als Zeichen zur technischen Adressierung bestimmter Inhalte genutzt, wie z.B. im Internet, berühre das Verbot des Zeichengebrauchs die Identität und Individualität des Namensträgers grundsätzlich nicht, denn er sei nicht daran gehindert, die Inhalte, die unter der von ihm genutzten Adresse verfügbar seien, als Äußerungen seiner durch seinen Namen benannten Person zu kennzeichnen. Da der Beschwerdeführer lediglich die Verwendung des Namens "Maxem" als alleiniger Bestandteil des Domain-Namens unter der Top Level Domain ".de" zu unterlassen habe, sei sein allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht berührt.(24)Auch der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, der in dem Unterlassungstenor des BGH-Urteils liege, wurde als gerechtfertigt angesehen, da es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass der BGH dem bürgerlichen Namen den Vorrang vor einem Pseudonym ohne Verkehrsgeltung gegeben habe, anstatt nach dem Prioritätsprinzip dem Beschwerdeführer Recht zu geben, der die Domain als erster registriert hatte.(25) | Abs. 17 |
5. Stellungnahme |
Nimmt man die Aussage des BVerfG ernst, dass die Verwendung eines Namens als Domain lediglich zur technischen Adressierung bestimmter Inhalte diene, findet man sich auf die ersten Anfänge der Rechtsprechung zu Domain-Streitigkeiten zurückgeworfen: eine solche Ansicht vertraten nur ganz vereinzelte Urteile(26), nach denen einem Domain-Name die Namensfunktion abzusprechen sei (mit der Folge, dass kein Namensgebrauch vorliegen könne und somit Ansprüche aus § 12 BGB ausschieden). Allerdings hatte das BVerfG, das die Angelegenheit zugegebenermaßen nur aus dem verfassungsrechtlichen Blickwinkel zu beleuchten hatte, keine Bedenken dagegen, dass der BGH bei der Verwendung des dem Namen des Klägers entsprechenden Domain-Namen einen Eingriff in dessen durch § 12 BGB geschütztes Namensrecht sah. Ganz konsequent ist das wohl nicht. Entweder man sagt, der Ausschluss des Namensträgers von der Verwendung "seiner" Domain berühre seine persönlichkeitsrechtlichen Interessen (zu denen das in § 12 BGB geschützte Namensrecht zählt) nicht, weil der Domain-Name nur ein Zeichen zur Adressierung technischer Inhalte sei. Dann kann die Registrierung dieses Domain-Namens keine Namensleugnung sein. Aber dann fehlt es auch an der Namensfunktion des Gebrauchs des Zeichens als Domain-Name durch den Nichtberechtigten, und damit kann kein Namensgebrauch im Sinne der zweiten Alternative des § 12 BGB vorliegen. Folglich wäre der Gebrauch jeglichen Domain-Namens gemeinfrei und dem Bereich des Kennzeichenrechts entzogen. Angesichts der offenkundigen Tatsache, dass sich nicht nur Privatpersonen, sondern auch und gerade Unternehmen bemühen, ihren Internetauftritt unter dem ihrem Namen oder Unternehmenskennzeichen entsprechenden Domain-Namen zu veröffentlichen, und der komplementären Erwartung der Internetnutzer, die Homepage eines Namensträgers auch unter einem entsprechenden Domain-Namen zu finden, kann eine solche Lösung nicht im Sinne der Rechtssicherheit sein. Die Auffassung, dass es jedenfalls einen gewissen rechtlichen Schutz für die Beziehung zwischen Name (oder Unternehmenskennzeichen) und Domain-Name geben muss, wird daher heutzutage wohl auch von niemandem mehr ernsthaft in Frage gestellt. | Abs. 18 |
Also ist die Lösung des BGHs vorzugswürdig - aber ist sie dogmatisch korrekt? | Abs. 19 |
Ein interessanter Aspekt des vorangegangenen BGH-Urteils zu "shell.de", in dem die wesentlichen Aspekte der Anwendung von § 12 BGB auf Domain-Streitigkeiten durch den Senat schon vorgegeben worden waren, lag darin, dass der Senat, nachdem er in gleicher Weise wie bei "maxem.de" die Anwendung des Namensleugnungstatbestands abgelehnt und die Prüfung auf den Namensanmaßungstatbestand gestützt hatte, konstatierte, dass dieser zwar das Tatbestandsmerkmal der Zuordnungsverwirrung erfordere. Eine rechtswidrige Namensanmaßung läge jedoch auch bei der bloßen Registrierung eines einem fremden Namen entsprechenden Domain-Namen vor, denn die den Berechtigten ausschließende Wirkung setze bereits damit ein. Abgesehen von dem Widerspruch in der Begründung passt dieses letzte Argument viel besser in die Dogmatik der Namensleugnung; die Argumentation des BGH kann man getrost als paradox bezeichnen: keine Namensleugnung trotz Ausschlusswirkung, aber Namensanmaßung trotz fehlender Zuordnungsverwirrung. | Abs. 20 |
Das Element des Ausschließens ließe sich m.E. deutlich besser im Tatbestand der Namensleugnung einordnen. Denn wie ließe sich eine stärkere, das Recht des Berechtigten bestreitende Wirkung erzielen, als durch den faktischen Ausschluss des Gebrauchs des Namens? Demgegenüber scheint mir eine "Identitätsverwirrung durch Ausschluss von der Verwendung des Namens als Internet-Adresse" ein die Logik des Begriffs "Identitätsverwirrung" über Gebühr zu strapazierendes Konstrukt zu sein.(27)Hierauf hat auch Kitz in seiner Besprechung des BVerfG-Urteils hingewiesen.(28) | Abs. 21 |
Richtiger wäre es doch wohl, in Fällen, wo es mangels Zuordnungsverwirrung (etwa bei bloßer Registrierung einer Domain ohne Nutzung, oder wenn die Zuordnungsverwirrung mit Hilfe des Inhalts der Homepage ausgeschlossen wird) keine Ansprüche wegen Namensanmaßung geben kann, auf den Tatbestand der Namensbestreitung zurückzugreifen. Dies würde neben den gerade genannten rechtlichen Erwägungen auch dem "juristischen Bauchgefühl" mehr entsprechen: Denn Kitz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es in Fällen wie dem hier besprochenen dem Berechtigten meistens weniger darum geht, dass ein anderer unter der von ihm begehrten Domain auftritt und es zu Verwechslungen kommen könnte. Vielmehr stört ihn, dass er die Domain selber nicht nutzen kann. Also geht es ihm um die Ausschlusswirkung und um sein Recht, seinen eigenen Namen zu verwenden, und zwar als Domain-Namen.(29) | Abs. 22 |
Dann aber muss man sich der oben schon erwähnten Frage stellen, ob sich aus dem Namensrecht auch das Recht ableiten lässt, den eigenen Namen als Domain-Namen zu verwenden. Im Bereich der von § 5 MarkenG geschützten Unternehmenskennzeichen lässt sich eine Analogie zum Recht, den eigenen Namen als Marke zu verwenden, angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung von Domain-Namen leicht herleiten.(30)Da dieses Recht auf die dem eigenen Namen entsprechende Marke jedoch aus dem Postulat abgeleitet wurde, dass jeder das Recht habe, sich in redlicher Weise unter seinem Namen im geschäftlichen Leben als selbständiger Gewerbetreibender zu betätigen, kann diese Idee nicht ohne weiteres auf die nichtgewerbliche Nutzung von Eigennamen übertragen werden. | Abs. 23 |
Sicher ist es auch für den Privaten angenehm, im Internet unter einer einprägsamen und mit seiner Person assoziativ verbundenen Adresse aufzutreten. Aber nicht nur das: Er steht zwar nicht im wirtschaftlichen Wettbewerb, aber doch im Aufmerksamkeitswettbewerb, denn das Internet ist nicht nur ein wirtschaftliches Medium, sondern auch eines, das kulturellen Zwecken, dem Meinungsaustausch, der Information und kreativer Betätigung dient. Deswegen spricht einiges dafür, die Möglichkeit, unter einer dem eigenen Namen entsprechenden Adresse an diesem Forum teilzunehmen, ähnlich zu gewichten wie das parallele Interesse eines Unternehmens an einem geschäftlichen Auftritt im Internet. | Abs. 24 |
Zu bedenken ist dabei auch, dass das Namensrecht enge Beziehungen zum Persönlichkeitsrecht aufweist. Die wohl überwiegende Meinung in der Kommentarliteratur geht heute davon aus, dass zumindest da, wo es um Interessen aus der Privatsphäre geht, also um den Schutz des bürgerlichen Namens außerhalb des Geschäftsverkehrs, das Namensrecht ein Persönlichkeitsrecht sei. (Soweit der Kennzeichenschutz im Geschäftsverkehr berührt ist, handele es sich dagegen um ein Immaterialgüterrecht.)(31)Der Name dient unter anderem der Darstellung und Präsentation der eigenen Persönlichkeit und Individualität, wobei auch die Wiedererkennbarkeit eine Rolle spielt. | Abs. 25 |
Wenn man die Frage also vom Ergebnis her aufrollt, stellt die Blockade der seinem Namen entsprechenden Domain für den betroffenen Privaten aufgrund der persönlichkeitsrechtlichen Komponente einen ebenso spürbaren Eingriff in seine Rechtssphäre dar wie für das betroffene Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen. Daher ist auch hier die Anwendung des Tatbestandes der Namensbestreitung gerechtfertigt. | Abs. 26 |
Angesichts der Knappheit verfügbarer Domain-Namen muss man jedoch fragen, ob einer Privatperson ein Recht auf den Domain-Namen "nachname.de" zustehen soll oder nicht bloß ein Recht auf "vorname-nachname.de".(32)Die Problematik wird angesichts von Streitigkeiten um Domain-Namen wie "schmidt.de" oder "mueller.de" überdeutlich. | Abs. 27 |
Da es hier nicht um Verwechslungsgefahr und ein negatives Verbietungsrecht geht, sondern der Person ein positives Anrecht zugestanden werden soll, ist dieses Recht wohl außer in Fällen von sehr seltenen Nachnamen auf die zweite Variante zu beschränken. Demnach wäre die Blockade der Domain "nachname.de" für die Person mit dem entsprechenden Familiennamen keine Namensbestreitung, da sie nicht daran gehindert wäre, "vorname-nachname.de" zu registrieren.(33)(In gleicher Weise sollte das Recht einer Gebietskörperschaft auf den Domain-Namen beschränkt werden, der dem amtlichen Namen entspricht, also unter Hinzufügung des Bestandteils "Stadt", "Kreis" usw.(34)) Für diese Lösung spricht auch die Gerechtigkeitserwägung, dass auf diese Weise zwischen vielen, vielleicht Zehntausenden gleich berechtigten Gleichnamigen nicht nur einer zum Zuge kommen kann. | Abs. 28 |
Ob die Interessen dieser Person dagegen schon durch die Registrierung von "nachname.de" in einem Ausmaß verletzt sind, dass ihr ein Verbietungsrecht dagegen zugestanden werden muss - denkbar etwa in Fällen von Prominenten -, wäre dann eine Frage des Tatbestandes der Namensanmaßung und dort zu lösen. | Abs. 29 |
6. Zusammenfassung |
Weder der Beschluss des
BVerfG noch das Urteil des BGH zu "maxem.de" bieten
zufriedenstellende Lösungen dafür, wie der Tatbestand der
Namensbestreitung auf Domain-Namen angewendet werden kann.
Insbesondere die im Vordergrund stehende Ausschlusswirkung einer
Registrierung gegenüber einem berechtigten Namensträger
spricht dafür, diesen Tatbestand heranzuziehen, jedenfalls da,
wo der Tatbestand der Namensanmaßung nicht weiterführt.
Ein damit zusammenhängendes positives Recht auf einen
Domain-Namen, der dem eigenen Namen entspricht, sollte auch
Privatpersonen zugesprochen werden, jedoch nur für eine Domain,
der ihrem vollständigen, aus Vor- und Nachnamen gebildeten
bürgerlichen Namen entspricht.
| JurPC Web-Dok. 73/2007, Abs. 30 |
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* Dr. iur. Otfried Krumpholz ist als Partner der Rechtsanwaltssozietät Brum Jordan Dr. Krumpholz in Bad Vilbel tätig. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist der Gewerbliche Rechtsschutz, insbesondere Markenrecht und Domainrecht. |
[ online seit: 15.05.2007 ] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
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Zitiervorschlag: Krumpholz, Otfried, Namensbestreitung durch Domainregistrierung: Was bedeutet das BVerfG-Urteil zu „maxem.de“ für die Dogmatik zu § 12 BGB? - JurPC-Web-Dok. 0073/2007 |