JurPC Web-Dok. 82/2005 - DOI 10.7328/jurpcb/200520781

Mechtild Stock, Wolfgang G. Stock*

Digitale Rechts- und Wirtschaftsinformationen bei LexisNexis

JurPC Web-Dok. 82/2005, Abs. 1 - 105


Inhaltsübersicht

Zusammenfassung
Abstract
 I. Einleitung
II. Ursprünge und Geschichte von LexisNexis
     1. OBAR, Data Corporation und Mead
     2. "The Boston Globe" und NewsLib
     3. LexisNexis und Reed Elsevier
     4. Technologische Entwicklungen
III. LexisNexis im Konzernverbund von Reed Elsevier
IV. Content im Überblick
 V. Deutsches Recht bei LexisNexis: Das Produkt LexisNexis Recht
       1. Rechtsnormen
       2. Entscheidungen
       3. News und Zeitschriftenartikel
       4. Kommentare, Lexika und Arbeitshilfen
       5. Retrievaloberflächen
  VI. Wirtschaft und News bei LexisNexis: Das Produkt LexisNexis Wirtschaft
 VII. Das Vorgängermodell: LexisNexis Professional
VIII. lexis.com
        1. Retrievaloberflächen
        2. Shepardizing
IX. nexis.com
 X. Systemfunktionalität
      1. Retrievalsystem
      2. Automatische Indexierung durch SmartIndexing
XI. LexisNexis im deutschen Markt für Rechts- und Wirtschaftsinformationen
      1. Betriebswirtschaftliche Kennziffern
      2. Produktentwicklung
XII. Fazit und Ausblick
       1. Stärken
       2. Schwächen
       3. Chancen
       4. Risiken
       5. Ausblick: Offene Fragen
Literatur
Zusammenfassung. LexisNexis ist einer der weltgrößten Anbieter von Wirtschafts- und Rechtsinformationen. Die Geschichte des heute zu Reed Elsevier gehörenden Unternehmens reicht bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Von Anfang an verfolgte LexisNexis Volltextretrieval. Die internationale Abteilung von LexisNexis führt auf wichtigen nationalen Märkten jeweils regionale Produkte ein. In Deutschland sind dies "LexisNexis Recht" und "LexisNexis Wirtschaft". Eher für den amerikanischen Markt sind "lexis.com" und "nexis.com" bestimmt. Spezielle Dienste wie die Suche nach Zitationen (Shepardizing) oder die assoziative Suche (More Like This) zeichnen lexis.com im praktischen Einsatz aus. Der Artikel beschreibt auf der Basis von Nutzertests die genannten Produkte und analysiert den deutschen Markt und sein Umfeld. Abschließend werden Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken von LexisNexis auf dem deutschen Informationsmarkt diskutiert. JurPC Web-Dok.
82/2005, Abs. 1
Digital Law and Business Information at LexisNexis. Abstract. LexisNexis is one of the leading global suppliers of business and law information. Today, it is a group of Reed Elsevier; its history goes back into the sixties of the 20th century. From the beginnings LexisNexis was engaged in full text retrieval. LexisNexis' international division introduces specialized regional products into important national markets. In Germany, these are "LexisNexis Recht" for law information and "LexisNexis Wirtschaft" for business and news information. The products "lexis.com" and "nexis.com" are very popular on the American market. Special services by lexis.com as the citation search (Shepardizing) or the associative search (More Like This) are important for practical use. Based upon user tests, our article describes the products and analyses the German market and its environment. Finally, we discuss LexisNexis' strengths and weaknesses, opportunities and threats on the German information market. Abs. 2

I. Einleitung

LexisNexis ist ein etablierter Anbieter von digitalen Rechts- und Wirtschaftsinformationen (vgl. Danner 2003, 191). In letzter Zeit sind starke Aktivitäten dieses Unternehmens im deutschen Markt zu beobachten (vgl. Kraft 2005, 6). Dienste wie LexisNexis Recht und LexisNexis Wirtschaft sprechen deutsche Kunden an; LexisNexis Deutschland investiert massiv in den Aufbau dieser lokalen Informationsprodukte. Willi Bredemeier, Herausgeber von "Password", dem zentralen Newsletter der deutschen Informationswirtschaft, wählt LexisNexis zum "Unternehmen des Jahres 2004", weil u.a. dieser Global Player den deutschen Informationsmarkt ernst nimmt, weil LexisNexis "den Wettbewerb in den bis dahin monopolisierten Markt für Rechtsinformationen gebracht hat, und weil auch die Zahl wichtiger Wirtschaftsquellen stark zunahm" (Bredemeier 2005, 9). Abs. 3
Es gibt bereits einige vergleichende Studien zu juristischen Online-Informationsanbietern in Deutschland (vgl. z.B. Fleckenstein 2002; Kremer 2004; Münch/Priller 2004; Noack et al. 2004; Schulz/Klugmann 2005), eine umfassende kritische Analyse von LexisNexis aus deutscher Sicht steht noch aus. Es gibt lediglich eine Detailstudie zu einem kleinen CD-ROM-Produkt (LEXsoft) von Ulrich Noack und Mitarbeitern vom Zentrum für Informationsrecht der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (vgl. Noack et al. 2004; Kremer 2004). Diese Lücke wollen wir mit diesem Beitrag schließen. Abs. 4
Die Analyse des Informationsangebots von LexisNexis ist in ein größeres Projekt (vgl. Bredemeier/Stock/Stock 2003) einzuordnen, in dessen Verlauf die Online-Hosts auf dem deutschen Markt für Wirtschaftsinformationen (Factiva, GBI, GENIOS, die Produkte der Dialog Corp.) und für WTM-(Wissenschaft/Technik/Medizin-)Informationen (DIMDI, FIZ Technik, Ovid, Questel-Orbit, STN International, Web of Knowledge) beschrieben worden sind (vgl. Stock/Stock 2003a-j, 2004a-c, 2005). Abs. 5
Die vorliegende LexisNexis-Studie beruht auf Systemtests im Februar und März 2005, auf publizierter Fachliteratur, einschlägigen Patenten sowie (zu betriebswirtschaftlichen Kennzahlen) einer Unternehmensbefragung (mittels strukturiertem Fragebogen sowie - bei Unklarheiten - weiterführender Interviews). Unsere empirischen Systemtests sind stets aus der Warte der Benutzer durchgeführt worden. Wir haben uns vor allem auf die Produkte für Rechtsinformationen (also LexisNexis Recht sowie lexis.com) konzentriert und eher am Rande die Wirtschaftsprodukte (LexisNexis Wirtschaft und nexis.com) untersucht. Schwerpunkte der Tests sind der angebotene Content (einschließlich inhaltsabbildender Methoden der Wissensrepräsentation) sowie die Funktionalität und Bedienbarkeit des Information-Retrieval-Systems. Ziel des Beitrags ist sowohl eine Beschreibung der Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Risiken von LexisNexis auf dem deutschen Markt für kommerzielle Fachinformationen als auch eine Abschätzung der Einsatzmöglichkeiten in der Rechtspraxis. Abs. 6
Der Gegenstandsbereich unserer (deskriptiven) Forschungsarbeit liegt im Überschneidungsbereich von Rechtswesen und elektronischen Informationsdiensten. Entsprechend sollte die Herangehensweise transdisziplinär sein, als "Kooperation" rechtswissenschaftlicher, vor allem rechtsinformatischer, und informationswissenschaftlicher Forschung, ergänzt - bei Aspekten des Unternehmens und des Marktes - um wirtschaftswissenschaftliche Methoden. Da im vorliegenden Artikel LexisNexis primär als elektronischer Informationsdienst im Vordergrund steht, ist die Studie vorwiegend aus informationswissenschaftlicher Perspektive angegangen worden. Abs. 7

II. Ursprünge und Geschichte von LexisNexis

1. OBAR, Data Corporation und Mead

Wir sind in den USA in den 60er Jahren und zoomen auf Ohio (vgl. für das Folgende Bjørner/Ardito 2004a, 2004b). Durch das Rechtssystem der Vereinigten Staaten, das stark auf Fällen gründet, haben Rechtsanwälte zunehmend Probleme, den Überblick über die gesamte Rechtsliteratur, also auch über die vielen Tausend Gerichtsurteile zu behalten. Die Initiative, Fälle mittels des seinerzeit neuen Mediums Computer zu speichern, geht von der Rechtsanwaltkammer in Ohio aus. Die Ohio Bar Association gründet 1965 OBAR (Ohio Bar Automated Research) mit dem Ziel, juristische Texte (Gesetze und vor allem Fälle aus Ohio) elektronisch zu verwalten. Den Auftrag für die Erstellung der Retrievalsoftware für OBAR bekommt die Firma Data Corporation aus Dayton, Ohio, bis dahin spezialisiert für Photodarstellungen und mehrfarbigen Tintenstrahldruck und seinerzeit experimentierend mit Information Retrieval. Vorangetrieben werden die Forschungen mit Volltextretrieval von William Gorog, dem Präsidenten von Data Corp. Gorog wird später Vize-Präsident von Mead (1972-1975) und danach (1975-1976) Berater von Gerald Ford. 1968 demonstriert Richard H. Giering, jüngst zu Data Corporation gewechselt, das System Data Central, ein Online-Retrievalsystem für Volltextsuchen. Außer Stoppworten gehen alle Wörter der kompletten Texte in eine invertierte Datei ein. Das System ist ideal für die Volltexte der Ohio-Urteile geeignet, das Unternehmen ist "vor Ort" und wird folgerichtig mit dem OBAR-Projekt betreut. Abs. 8
Im Jahr 1968 erwirbt Mead, ein Unternehmen der Papierherstellung (ebenfalls in Dayton) Data Corporation und damit das laufende OBAR-Projekt. Der Kauf hängt mit der weit fortgeschrittenen Drucktechnik von Data Corp. zusammen, die Mead zu diesem Schritt motiviert. In einer Zeit, in der man befürchtet, der Computer würde das Papier ersetzen, setzt Mead auf moderne, computergestützte Drucktechnik. Das OBAR-Projekt wird mit der Data Corp. übernommen, ohne dass dem Käufer dieses Vorhaben bekannt ist. Charles P. Bourne und Trudi Bellardo Hahn schreiben in ihrer Geschichte der Online-Informationsdienste, "They (the Mead people, St./St.) bought it for other reasons, and then they took inventory and found the OBAR activity" (Bourne/Hahn 2003, 246). Die Entwicklung geht zügig voran. Das OBAR Retrievalsystem verfügt schon 1969 über Boolesche Operatoren und Abstandsoperatoren, den Focus-Befehl (eine Suche innerhalb einer Treffermenge), über informationslinguistische Basisfunktionalität (regelmäßige und unregelmäßige Pluralformen des Englischen) und ab 1970 über ein Highlighting der Suchterme im Treffer als KWIC (Keyword in Context; hier - da farblich markiert - Keyword in Color). Keyword in Color konnte allerdings kommerziell nicht eingesetzt werden, da zu dieser Zeit kein Kunde Farbbildschirme haben wollte. Abs. 9
In einer Unternehmensumorganisation im Jahr 1970 werden alle OBAR-Aktivitäten von Data Corp. in eine eigene (allerdings weiterhin zu Mead gehörende) Firma ausgelagert: Mead Data Central (MDC). MDC konzentriert sich auf Rechtsinformationen, Data Corp. behält alle nicht-rechtsbezogenen Aktivitäten. "In-house, the split was described as the legal market and the illegal market" (Bourne/Hahn 2003, 256). Giering, bis dahin maßgeblich für das Volltextretrieval zuständig, bleibt bei Data Corp; Jerome S. Rubin wird 1971 Präsident von Mead Data Central (bis 1981). Die Volltextbasis von OBAR wird massiv ausgebaut. Im April 1973 geht MDC mit dem Online-Dienst LEXIS (LEX Information Service) auf den Markt (vgl. Rubin 1974). LEXIS wird auf der Basis von Subskriptionen vertrieben, Kunden sind außer den juristischen Hochschuleinrichtungen vor allem größere Unternehmen bei Vernachlässigung von kleineren Firmen, die nicht zur Zielgruppe gerechnet werden. In diese offene Marktlücke wird im Laufe der 70er Jahre Westlaw vorstoßen. Abs. 10

2. "The Boston Globe" und NewsLib

Ab Mitte der 70er Jahre entwickelt Data Corp. für mehrere Verlage Lösungen für deren Archive. Die Aktivitäten, vornehmlich von Giering betreut, beginnen 1975 mit "The Boston Globe" und 1977 mit dem "Philadelphia Inquirer". Die Übernahme des vorhandenen Volltextsystems macht jedoch partiell Schwierigkeiten. Richard Giering berichtet von einem Autor, der einem ihm bekannten Artikel recherchieren möchte, und zwar über "The Who". Gefunden wird nichts, da sowohl "The" als auch "Who" als Stoppworte hinterlegt sind. Die Lösung liegt in der Verwendung unterschiedlicher Stoppwortlisten für unterschiedliche Felder. "We already had the capability for setting up different sets of stop words by field, by group. ... The solution was for the librarian to put 'The Who' in the index terms group. So now, a search for 'the Who' found that document" (Giering in Bjørner/Ardito 2004b). Das Archiv des "Boston Globe" stellt bereits 1977 sein Presseclipping per Schere und Kleber zugunsten der digitalen Lösung ein. Ebenfalls mit dem "Boston Globe" wird die Geschäftsidee geboren, die ja ohnehin digital vorhandenen Artikel dieser Zeitung aus einer Archivdatenbank heraus zu verkaufen. Data Corp. (bzw. - da inzwischen umbenannt - Mead Technology Laboratories) startet das Projekt NewsLib. Das erfolgreiche Vorhaben wird in der Folge von den Mead Technology Laboratories ausgelagert und dem Schwesterunternehmen Mead Data Central zugeordnet. MDC startet 1980 diesen neuen Dienst als NEXIS. Abs. 11

3. LexisNexis und Reed Elsevier

LEXIS-NEXIS baut seine Volltextbasis konsequent aus: LEXIS umfasst bald das gesamte us-amerikanische Recht mit Urteilen ab der 70er Jahre, ergänzt durch internationales Recht (z.B. aus UK und der EU); Patentdatenbanken runden LEXIS ab. NEXIS entwickelt sich zu einem Anbieter von mehreren tausend Zeitungen und Zeitschriften, die durch Firmendossiers ergänzt werden. Im Jahr 1991 öffnet LEXIS-NEXIS eine deutsche Niederlassung in Frankfurt/M. Abs. 12
Im Jahr 1994 kauft der Wissenschaftsverlag Reed Elsevier LEXIS-NEXIS von Mead für 1,5 Mrd. US-$. Reed Elsevier ist der fünftgrößte Medienkonzern und darunter der umsatzstärkste Fachverlag der Welt. Im Laufe der Jahre werden unter dem Unternehmenszweig LexisNexis Group große Verlage integriert, darunter Butterworths, Les Editions du Juris Classeur und Martindale-Hubbell. In Deutschland wird 2002 der MBO Verlag übernommen, so dass LEXIS-NEXIS nunmehr mit Münster über einen zweiten deutschen Standort verfügt. Ende des Jahres 2004 wird das gesamte Unternehmen in Münster konzentriert und der Standort Frankfurt aufgegeben. Abs. 13

4. Technologische Entwicklungen

In den 90er Jahren erfährt LEXIS-NEXIS einen Technologieschub. Ab 1993 patentiert unser Unternehmen Erfindungen zum Relevance Ranking (Holt et al. US 5,692,176; US 5,761,497; US 5,771,378). Das erstgenannte Patent wird als sehr wichtig eingestuft und breit international angemeldet. Grundgelegt wird hier ein Service, der als "Freestyle" den Kunden angeboten wird. Neben Westlaw (WIN) und DIALOG (Target) betritt LEXIS-NEXIS damit den Bereich des automatischen Indexierens. Obwohl Freestyle hoch gelobt wird (vgl. Bjørner 1994, O'Leary 1994, Pritchard-Schoch 1995, Stock 1998, Tenopir 1994, Tenopir/Cahn 1994) und durchaus Pionierarbeit in Sachen Informationslinguistik und Informationsstatistik leistet, kommt der Dienst bei den Information Professionals nicht an. LEXIS-NEXIS verfolgt automatisiertes Indexieren jedoch weiter und beteiligt sich mit seiner Suchmaschine an den großen Text-Retrieval-Konferenzen TREC (vgl. Lu/Keefer 1995, Lu/Ayoub/Dong 1996, Rao/Humphrey/Parhizgar/Wilson/Pliske 1998, Rao/Lu/Meier 2000). Da bei LEXIS-NEXIS vorwiegend Volltexte vorliegen, die nicht intellektuell erschlossen sind, erscheint eine automatische Klassierung der Dokumente in eine Dokumentationssprache sinnvoll. Die von LEXIS-NEXIS entwickelte Technik wird durch ein Patent von Joseph Mehrle (US 5,794,236) geschützt und in der Folge erfolgreich als "SmartIndexing" und "Topical Indexing" eingesetzt (vgl. Schmeer/Sidlo 1998, Funke 2001). Weitere Erfindungen im Rahmen von Suchmaschinen gelingen dem Forscherteam von LEXIS-NEXIS. Wir erinnern an das Textklumpenverfahren bei der Phrasenidentifikation (Lu/Miller/Wassum, US 5,819,260), an den Einsatz eines statistischen Thesaurus' bei der Suchfrageerweiterung (Miller/Lu/Holt, US 5,926,811) sowie an Methoden zur klassifikatorischen Erfassung von Dokumenten und darin enthaltenen Begriffen bzw. Rechtsnormen (Wiltshire, Jr. et al, US 6,502,081; Humphrey et al., US 6,684,202; Morelock et al., US 6,772,149). Abs. 14
Lexis-Nexis ist - ähnlich wie Westlaw - als führender Anbieter von Rechtsinformationen in den Vereinigten Staaten, zunehmend auch international geschätzt. Es gibt eine beachtliche Palette an Einführungen und praktischen Führern zu diesem Anbieter; stellvertretend wollen wir hier die Bücher von Steven L. Emanuel (1997) und von Adam J. Piacente (1999a, 1999b) nennen. Lexis-Nexis und Westlaw gelten als die "traditionellen" Anbieter von Rechtsinformationen, denen aber in steigendem Maße neue Wettbewerber erwachsen. "(L)egal information with various levels of quality and value-added services is available on the Internet not only from the now 'traditional' computer-assisted legal information vendors, LexisNexis and Westlaw, but from other commercial publishers, as well as from courts and legislatures, and from law libraries, law firms, and other non-commercial sources" (Danner 2003, 191). Wie reagiert Lexis-Nexis auf diese Herausforderung? Abs. 15

III. LexisNexis im Konzernverbund von Reed Elsevier

Reed Elsevier gehört zu je 50% Reed Elsevier PLC (London) und Reed Elsevier NV (Amsterdam). Das Unternehmen ist in vier Abteilungen eingeteilt, die sich fachlich orientieren und in denen jeweils ein Unternehmen federführend agiert:
  • Wissenschaft und Medizin: Elsevier (mit Scirus, Science Direct, Scopus usw.) - Umsatz (2003): 2,0 Mrd. €
  • Bildung: Harcourt - Umsatz (2003): 1,3 Mrd. €
  • Wirtschaft: Reed Business - Umsatz (2003): 1,9 Mrd. €
  • Recht: LexisNexis Group - Umsatz (2003): 1,9 Mrd. €.
Abs. 16
Der Gesamtumsatz von Reed Elsevier beträgt rund 7,14 Mrd. € (2003); insgesamt arbeiten 35.000 Mitarbeiter global für das Unternehmen. Im Jahr 2003 erwirtschaftet der Konzern einen Gewinn vor Steuern von 1,7 Mrd. € (alle Daten nach: Reed Elsevier 2004, 7). Abs. 17
Die LexisNexis Group ist in sechs Arbeitsbereiche eingeteilt:
  • North American Legal Markets,
  • U.S. Corporate and Federal Markets,
  • LexisNexis Asia/Pacific,
  • LexisNexis Latin America,
  • Martindale-Hubbell,
  • LexisNexis Europe, Africa & Middle East.
Abs. 18
Letztere besteht aus einer Vielzahl landespezifischer Aktivitäten, die sich - soweit vorhanden - um eine "große" Marke scharen, so in Großbritannien um Butterworths, in Frankreich um Les Editions du Juris Classeur und in Deutschland um den MBO Verlag. Die LexisNexis Group hat bei einem Jahresumsatz von rund 1,9 Mrd. € (2003) rund 13.000 Mitarbeiter weltweit. In Deutschland beschäftigt die LexisNexis Deutschland GmbH 208 feste und weitere 240 freie Mitarbeiter. Mit dem Aufkauf des MBO Verlages sind Mitarbeiterzahl und Umsatz in Deutschland sprunghaft gestiegen, hatte LexisNexis am ehemaligen Standort Frankfurt im Jahr 2001 doch nur 21 Mitarbeiter. Über Umsatzzahlen zu konkreten Produkten bekommt man keinerlei Auskünfte. Unsere Schätzungen für die Web-Produkte Professional, Wirtschaft und Recht einschließlich lexis.com und nexis.com (also für das "alte" Lexis-Nexis) belaufen sich auf rund 5,5 Mio. € Umsatz auf dem deutschen Markt im Jahre 2004. Abs. 19
Im Unterschied zur Strategie anderer internationaler Informationsanbieter - sagen wir: Dialog DataStar, Dialog NewsEdge, Ovid oder auch Factiva - wird bei LexisNexis in Deutschland nicht nur ein Vertriebsbüro eingerichtet, sondern es findet dezidiert Produktentwicklung für den deutschen Markt statt. Wenn man bedenkt, dass das deutsche Rechtsprodukt bei Null startete, sind große Investitionen nötig, um etwas Brauchbares zu entwickeln. Hier erweist es sich als komparativer Vorteil gegenüber (insbesondere kleineren) Wettbewerbern, Teil eines kapitalstarken Großverlages zu sein. Abs. 20

IV. Content im Überblick

Das Online-Angebot von Lexis-Nexis beläuft sich auf gut 4,5 Mrd. Volltext-Dokumente aus über 32.000 Quellen (Vergleich: Google 8 Mrd. Webseiten; Stand: 3/2005). Im Wirtschafts- bzw. Pressebereich sind folgende Informationstypen integriert:
  • Firmeninformationen; z.B. Hoppenstedt, Creditreform, Dun & Bradstreet (mit Bonitätsinformationen), Investext, MarkIntel,
  • Zeitungen, Agenturmeldungen, Magazine; z.B. DPA, Börsen-Zeitung, Financial Times Deutschland, FAZ, Der Spiegel, Stern, taz; international: z.B. New York Times, Financial Times, El Pais, Le Monde, Fortune, Les Echos
  • Fachpresse (tausende Fachzeitschriften und Newsletter)
  • Länderprofile; z.B. Bundesagentur für Außenwirtschaft (BfAI), EIU Länderberichte,
alles in allem rund 13.500 Datenbanken bei News und 5.000 Datenbanken mit Wirtschaftsinformationen.
Abs. 21
Im Rechtsbereich sind die dort typischen Informationsarten
  • Rechtsnormen
  • Urteile
  • Fachkommentare
  • Fachliteratur
gesammelt, hinzu treten Kommentare zu praxisrelevanten Rechtsgebieten und News, erstellt von Mitarbeitern von LexisNexis. Der Rechtsbereich kommt auf über 6.000 Datenbanken. Eine "schwebende Mittelstellung" zwischen Wirtschaft und Recht nehmen - da in beiden Bereichen relevant - Patente ein. Hier sind Volltextdatenbanken des Europäischen und japanischen Patentamtes sowie des US Patent and Trademark Office zu nennen.
Abs. 22
Das Angebot ist in Produkte sortiert, die jeweils Ausschnitte des gesamten Content zusammenfügen. Zu nennen sind aus deutscher Sicht folgende Produktreihen:
  • LexisNexis Recht
  • LexisNexis Wirtschaft
  • LexisNexis Professional
  • LexisNexis Executive
  • Lexis.com
  • Nexis.com
  • LEXsoft
  • LEXonline
  • Wissensmanagement
  • Wissensmanagement für Städte und Gemeinden.
Abs. 23
LexisNexis Wirtschaft, Professional, lexis.com und nexis.com sind jeweils das "Gesamtprodukt" von LexisNexis. Je nach Abonnement kann stets der komplette Inhalt recherchiert werden. LexisNexis Recht spricht den deutschen Markt für Rechtsinformationen an, LexisNexis Wirtschaft den Markt für Wirtschaftsinformationen. Lexis.com und nexis.com sind die Gegenstücke für den Markt der Vereinigten Staaten. LexisNexis Professional ist der europäische Vorgänger von LexisNexis Wirtschaft, LexisNexis Executive ein Teil davon. Abs. 24

V. Deutsches Recht bei LexisNexis: Das Produkt LexisNexis Recht

Recht ist stets national orientiert. "(L)aw is still very much dependent on territoriality", schreibt Caroline Christiansen in ihrem Artikel über elektronische Rechtszeitschriften. Im Gegensatz zu Wirtschaftsinformationen muss ein Anbieter von Rechtsinformationen jeweils genau einen nationalen Markt bedienen - und dies in Landessprache. Das Phänomen der Nationalisierung im Recht (und in gewissen Geistes- und Sozialwissenschaften) wird von Jean-Claude Guedon (2001) als "Babelisierung" (babelization) bezeichnet. Abs. 25
Seit September 2004 bietet LexisNexis ein dezidiertes Rechtsprodukt für den deutschen Markt an, federführend aufgebaut von Andreas Bock. Zielgruppe sind nicht nur Großunternehmen, sondern auch die großen wie kleinen Kanzleien der Anwälte. Es umfasst Rechtsnormen, Kommentare, Entscheidungen und bibliographische Datensätze (mit Abstracts) juristischer Fachzeitschriften, demnächst zusätzlich auch einige Volltexte von Zeitschriftenartikeln. Abs. 26

1. Rechtsnormen

Außer den Rechtsnormen der Europäischen Union (derzeit - Anfang 2005 - knapp 2.000 originale Rechtsakte; Planzahl für Ende 2005: zusätzlich knapp 3.000 konsolidierte Rechtsakte), dem deutschen Bundesrecht (derzeit gut 8.000 Rechtsakte), liegen rund 20.000 Gesetze aus allen 16 Bundesländern vor. Die Anzahl der Gesetze, Verordnungen, Staatsverträge und Abkommen, der Verwaltungsverordnungen, Richtlinien und Bekanntmachungen schwankt je nach Land zwischen knapp 600 (Berlin) und knapp 1.800 (Niedersachsen). Die Sammlungen sind - nach eigenen Angaben von LexisNexis - für die Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen komplett (diese Länder setzen LexisNexis bei ihren Behörden ein). Zusätzlich finden wir allgemeinverbindliche Tarifverträge, Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, technische Regeln, Verwaltungsanweisungen der Finanzbehörden sowie Doppelbesteuerungsabkommen. Im Volltext sind insgesamt rund 550.000 Einzelvorschriften aus über 35.000 Normen zugänglich. Abs. 27
Da wir nicht (genau) wissen, wie groß die tatsächliche Anzahl der geltenden sowie aller Rechtsnormen im deutschen Bundesrecht und bei den jeweiligen Länderrechten ist, verzichten wir an dieser Stelle auf eine Einschätzung des Abdeckungsgrads (bei LexisNexis, aber auch bei den anderen Anbietern). U.E. besteht an dieser Stelle Forschungsbedarf: Die genannte Wissenslücke sollte in entsprechenden künftigen Studien geschlossen werden. Abs. 28
Abbildung 1 zeigt am Beispiel des Mediendienstestaatsvertrages (in der niedersächsischen Veröffentlichung) die Darstellung einer Rechtsnorm: gezeigt wird neben dem Pfad (oben) das Inhaltsverzeichnis (links) sowie der Volltext des Gesetzes (rechts), ergänzt um Hinweise zum Stand, um Links innerhalb des Dokuments und zu allen (bei LexisNexis aufliegenden) Paragraphen sowie u.U. um weitere redaktionelle Anmerkungen. Abs. 29

Abbildung 1:
LexisNexis Recht.
Rechtsnorm (Beispiel)

2. Entscheidungen

Bei den Entscheidungen verfügt LexisNexis über knapp 300.000 Urteile (darunter rund 210.000 Volltexte) und liegt damit mit den Wettbewerbern LEGIOS und Westlaw quantitativ in etwa gleichauf (siehe Abbildung 2). Juris hat mehr als das Doppelte an Urteilen; man muss aber bedenken, dass Juris z.T. nur die Leitsätze bereithält und nicht den kompletten Entscheidungstext. Die Menge der "Langtexte" (mit Tatbestand und Entscheidungsgründen) beträgt bei Juris rund 260.000. (Hier lauert eine mögliche Fehlerquelle: Der Juris-"Langtext" kann gegenüber dem Originaltext gekürzt sein. Konkrete Zahlen über die Menge ungekürzter bzw. gekürzter Langtexte liegen uns nicht vor.) Abs. 30
Die Sammlung der Entscheidungen wächst derzeit bei LexisNexis (aber auch bei den Wettbewerbern) besonders stark. Insofern ist Abbildung 2 nur ein Schnappschuss zum Stand der Dinge im Februar 2005. Abs. 31
Die aktuellen Entscheidungen werden im Volltext von allen Bundes- und Europagerichten sowie von den Landesoberinstanzen der deutschen Bundesländer laufend bezogen und durch redaktionelle Leitsätze und Zusammenfassungen durch eigene Mitarbeiter qualifiziert. Die Texte werden mit den zu Grunde liegenden Normen und mit vorhandenen Vorinstanzen verlinkt. Zusätzlich sichten Mitarbeiter die Fachpresse nach Urteilen, die sie - sofern noch nicht bei LexisNexis aufgelegt - bei den betreffenden Gerichten anfordern. Ist kein Volltext zu beschaffen, erstellt LexisNexis ein eigenes Leitsatzurteil mit Schlagworten, Fundstellen und dem Leitsatz. Pro Monat wächst die Sammlung der Entscheidungen um 1.800 aktuelle Urteile sowie um durchschnittlich 6.500 "historische" Urteile. Abs. 32

Abbildung 2:
Größe der Sammlungen mit deutschen Entscheidungen
bei JURIS, LEGIOS, Westlaw und LexisNexis.
Quellen: Homepages der Anbieter (Stand: Februar 2005).

In Abbildung 3 sehen wir einen kleinen Ausschnitt aus einem Datensatz einer Entscheidung. Stets vorhanden sind formale Angaben (Gericht, Datum, Aktenzeichen, Vorinstanzen usw.), Volltext mit Links sowie Fundstellen (in der Abbildung nicht sichtbar). Abs. 33
LexisNexis führt derzeit für den Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eine Retrodigitalisierung der Entscheidungen seit Aufnahme der Amtstätigkeit (BGH 1950; BVerwG 1953) durch; die Bestände werden eingescannt und durch die Gerichte anonymisiert. Anschließend werden die Entscheidungen mittels OCR suchbar gemacht. Ende 2005 werden 100.000 Entscheidungen des BGH, Ende 2006 werden 150.000 Urteile des BVerwG bei LexisNexis recherchierbar sein. Abs. 34

Abbildung 3:
LexisNexis Recht.
Entscheidung (Beispiel): Urteil des Bundesarbeitsgerichts

In Zusammenarbeit mit dem Verlag Walter de Gruyter (Berlin, New York) wird LexisNexis im Laufe des Jahres 2005 über alle diejenigen Entscheidungen des Reichsgerichts für Zivilsachen (RGZ) aus den Jahren 1880 bis 1945 verfügen, die in einem bei LexisNexis aufliegenden Kommentar zitiert werden (rund 7.500 Urteile). Abs. 35
Bei Sammlungen von Entscheidungen deutscher Gerichte ist zu beachten, dass die Publikationsdichte in Deutschland sehr gering ist (Bock 2000, S. 101). Reinhard Walker (1998) untersucht die Veröffentlichungslage bei gerichtlichen Entscheidungen im Zeitraum 1987 bis 1993 und findet einen Anteil der veröffentlichten Urteile an allen erledigten Verfahren von rund 0,5%. Roland Wagner-Döbler (1994) kommt bei seiner Analyse des Jahrgangs 1991 bei Juris zu einer Veröffentlichungsrate von durchschnittlich 1%, wobei es große Unterschiede bei den Instanzen gibt: Erstinstanzen veröffentlichen ihre Entscheidungen äußerst selten (weit unter 1%), Berufungsinstanzen kommen auf rund 10% und die Bundesgerichte (ohne das Bundesverfassungsgericht) auf ca. 30%. Ob sich diese Zahlen seitdem grundlegend geändert haben, wissen wir nicht. Es kann jedoch sein, dass durch die digitalen Publikationen von Gerichten aller Instanzen die Publikationsdichte inzwischen angestiegen ist. Ob damit bereits ein zufriedenstellender Zustand erreicht worden ist, können wir mittels empirisch gesicherter Zahlen derzeit nicht beantworten. Abs. 36
Ein weiteres Spezifikum deutscher Entscheidungspublikationen ist die Anonymisierung von Namen. Während wir etwa in den USA sowie bei europäischen Gerichten nach den Namen aller Prozessbeteiligter suchen können, werden diese Angaben in deutschen Urteilen vor der Publikation auf die Initialen gebracht, so dass keinerlei Namensrecherchen möglich sind. Eine spezifische deutsche Rechtsnorm haben wir hierfür nicht gefunden, wohl aber ein Grundsatzurteil. In einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 1997 heißt es, "Die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen ist eine öffentliche Aufgabe. ... Zu veröffentlichen sind alle Entscheidungen, an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit ein Interesse hat oder haben kann. Veröffentlichungswürdige Entscheidungen sind durch Anonymisierung bzw. Neutralisierung für die Herausgabe an die Öffentlichkeit vorzubereiten" (BVerwG, Az. 6 C 3/96). Nach Gerhard Knerr (2004) ist eine abstrakte Anonymisierungspflicht allerdings nicht gegeben. "Entscheidend für die Abwägung ist vielmehr der jeweilige Einzelfall, dessen Besonderheiten für oder gegen die Befugnis zur nicht anonymisierten Veröffentlichung sprechen können" (Knerr 2004, Abs. 53). U.a. kann die Namensnennung erfolgen, wenn durch Medienberichte dies ohnehin bekannt ist oder wenn es um Straftaten geht, die zeitgeschichtlich bedeutsam sind. Abs. 37
Zu beachten ist bei diesem Verfahren der nicht unerhebliche Arbeitsaufwand bei der Anonymisierung, was u.U. auch ein Grund für die geringe Publikationsdichte sein kann. An dieser Stelle sollte überlegt werden, ob es für die Recherchepraxis im Rechtsbereich sinnvoll oder gar geboten sein kann, gezielt nach Personennamen suchen zu können (wie dies problemlos in den US-Datenbanken bei LexisNexis möglich ist). Abs. 38

3. News und Zeitschriftenartikel

Unter der Rubrik News geschehen einerseits eine dokumentarische Auswertung der Fachpresse als auch das Auflegen von Rechtsnachrichten. Letztere setzen sich aus News zu wichtigen Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union, des Bundes und der Länder (u.a. Stellungnahmen verschiedener Interessengruppen und politischer Parteien) sowie aus News zu wichtigen Urteilen (i.d.R. Pressemitteilungen der Gerichte) zusammen und wachsen um gut 250 Texte pro Monat. LexisNexis-Autoren bearbeiten 155 deutsche juristische Fachzeitschriften, indem sie die darin enthaltenen Aufsätze zusammenfassen. Eine Trefferliste solcher Abstracts bringt Abbildung 4. Bei Urteilen wird teilweise (ohne jede Zusammenfassung) lediglich die Fundstelle notiert und dem Entscheidungsdatensatz angehängt. Die bearbeiteten News teilt unser Host in bestimmte Rechtsgebiete ein. Die Klassifikation erfolgt derzeit als intellektuelle redaktionelle Leistung. Eine semi-automatische Klassifikation ist in Vorbereitung. Der Bearbeiter markiert dann intellektuell nur noch eine Rechtsnorm (z.B. BGB §535), der Rechner führt automatisch eine Klassierung in ein Rechtsgebiet (hier ins Mietrecht) durch. Als Werkzeug wurde ein Klassifikationssystem der Rechtsgebiete mit Relationen zu den Rechtsnormen hinterlegt. Abs. 39
Bei LexisNexis existieren für das deutsche Recht zur Zeit nur wenige Zeitschriften-Volltexte. Ansonsten erstellen Redakteure Abstracts. (Für Zeitschriften anderer Länder gilt dies nicht, ganz im Gegenteil: Die Volltextsammlungen etwa britischer oder us-amerikanischer Rechtszeitschriften sind reichhaltig.) Pro Artikel können durchaus mehrere solcher Abstracts kreiert werden, wenn unterschiedliche Sachverhalte im Text angeschnitten werden. Durchschnittlich erstellen die Autoren monatlich ca. 750 Abstracts. Es verwundert nicht, dass das Angebot an News (noch) etwas spärlich ausfällt, da deren Verfügbarkeit erst seit April 2003 in die Wege geleitet wurde. Bei den "News" durchbricht unser Informationsanbieter sein ansonsten durchgängig realisiertes Prinzip, dem Kunden Volltexte bereitzustellen. Nutzerseitig entsteht ein Medienbruch: Man recherchiert digital bei LexisNexis und bekommt bei den Fachzeitschriften zwar einen Überblick bzw. eine Orientierungshilfe, aber nicht die Artikel im Wortlaut. Hierzu muss man entweder zu seiner Bibliothek greifen und das gedruckte Heft zur Hand nehmen oder man wechselt zu einem Anbieter, der die betreffende Zeitschrift digital im Web anbietet, oder man wählt den Weg über einen Dokumentlieferdienst (wie Subito, Ingenta oder The British Library Document Supply Centre) und fordert dort eine Kopie an (vgl. Oßwald 2004). Andererseits bietet LexisNexis mit den Abstracts einen informationellen Mehrwert. Die Zusammenfassungen referieren punktgenau in wenigen Zeilen Sachverhalte, die im Originalartikel ggf. weitschweifig und eingebettet in weitere Zusammenhänge vorliegen. Hier wird bei LexisNexis mit großem Personal- und Finanzaufwand ein brauchbarer Produktbaustein geschaffen, der allerdings sein Leben vorwiegend dem Umstand verdankt, dass LexisNexis derzeit kaum über Lizenzen bei deutschen Fachzeitschriften verfügt. Abs. 40

Abbildung 4:
LexisNexis Recht.
News (Abstracts von Artikeln der Fachliteratur, Rechtsnachrichten):
Beispiel einer erweiterten Trefferliste

4. Kommentare, Lexika und Arbeitshilfen

Bei den Kommentaren bietet LexisNexis sowohl selbstverfasste (wie im Beispiel von Abbildung 5) als auch lizenzierte Volltexte an. Ende 2005 werden LexisNexis-Autoren über 13.000 Paragraphen kommentiert haben. Schwerpunkte bilden Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Öffentliches Recht, Strafrecht, Familien- und Erbrecht, Arbeitsrecht sowie Immobilienrecht, hinzu kommen Aspekte des Sozialrechts, Verkehrsrechts und Steuerrechts. Lizenziert sind einige wenige Kommentare wie z.B. Erman BGB und Lippross Basiskommentar Steuerrecht vom Verlag Dr. Otto Schmidt, Praxiskommentar Erbrecht (Zerb Verlag), Miete Handkommentar (de Gruyter Verlag), Handkommentar zum Kündigungsschutzgesetz (Nomos Verlag) oder AnwaltKommentar RVG (Verlag des Deutschen Anwaltsvereins). Abs. 41
Ergänzt werden die Online-Angebote von LexisNexis Recht durch Lexika (Verwaltungsrecht, Sozialversicherungsrecht) sowie Arbeitshilfen u.a. zum Steuerrecht (Formulare) und Verwaltungsrecht (Checklisten, Mustertexte, Formulare). Abs. 42

Abbildung 5:
LexisNexis Recht.
LexisNexis Kommentar (Beispiel)

5. Retrievaloberflächen

Der Nutzer kann bei der Retrievaloberfläche von LexisNexis Recht eine von den sechs verschiedenen Suchmasken der Navigationsleiste auswählen und - je nach Interessensgebiet - eine von diesen als persönliche Startseite bestimmen. Abbildung 6 zeigt die allgemeine Suche ("Start"). Der Direktzugriff dient für die gezielte Recherche nach einer bestimmten Entscheidung, Kommentierung, Rechtsnorm oder einem Lexikoneintrag. Während hier eine genaue Kenntnis z.B. eines Aktenzeichens vorausgesetzt wird, können die anderen Felder und Verlinkungen dieser Maske auch für umfassendere Fragestellungen genutzt werden. Unter "Favoriten" finden wir die wichtigsten Quellen zu Entscheidungen, Rechtsnormen und Kommentaren vorgegeben, wobei aber auch eine individuelle Modifikation der Favoriten durch "Anpassen" möglich ist. Unsere Orientierungssuche nach dem Thema Jugend und Filmveranstaltung in allen Quellen der Entscheidungen, Rechtsnormen und Kommentaren listet uns 20 Treffer auf, z.B.: Paragraphen aus dem Jugendschutzgesetz sowie Kommentare dazu, einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts oder etwa Urteile des Bundesgerichtshofs. Abs. 43

Abbildung 6:
Allgemeine Suche bei LexisNexis Recht


Die anderen fünf Suchmasken sind eher den speziellen Suchanforderungen der jeweiligen Quellenarten angepasst. So existieren bei den Entscheidungen Felder für Aktenzeichen, Fundstelle, Gericht bzw. Aktenzeichen der Vorinstanz sowie Normverweise. Bei den Rechtsnormen lassen sich die Rechtsnorm eingeben sowie Land bzw. Region und Rechtsstand auswählen. Die Recherche in den Kommentaren kann durch Eingabe einer kommentierten Rechtsnorm, eines Entscheidungsverweise eines Gerichtes und einer Fundstelle eingeschränkt werden. Abs. 44
Die Suchoberfläche zu den News beinhaltet die Auswahl bestimmter Rechtsgebiete und die Eingabe von Titel oder Fundstelle der News, Autor, Norm- und Entscheidungsverweise. LexisNexis hat noch andere Suchmodalitäten eingebaut, die erwähnenswert sind. Für den Nutzer zeitsparend ist die konkrete Suche und Anzeige gewisser Dokumentabschnitte. Dies gilt bei den Entscheidungen für die Abschnitte Beteiligte, Gründe, Leitsatz, Rechtsfrage, Tatbestand, Tenor oder Titel und bei den Kommentierungen für Autor, Kommentierung oder Normtext. Nützlich ist ferner die Option, "verwandte Dokumente" bei den Kommentaren, Entscheidungen bzw. News suchen zu lassen. Abs. 45
Sucht man quellenübergreifend in der allgemeinen Suche, so hat der Nutzer die Option, sein Retrievalergebnis nach Dokumenttypen (also Rechtsnormen, Entscheidungen, News usw.) sowie nach Quellen gruppieren zu lassen. Abbildung 7 zeigt eine solche Gruppierung von 220 Treffern. Ausgegeben wird die Quellenliste (analog zur linken Seite von Abbildung 5) als Überblick schaffendes "Inhaltsverzeichnis". Ist man beispielsweise zunächst auf die Aspekte des Patent- und Markenrechtes fixiert, so kommt man über den genau einen Treffer direkt zum zutreffenden Datensatz (in diesem Fall zu einem Urteil des Bundespatentgerichtes). Insbesondere bei größeren Treffermengen ist diese Option ausgesprochen hilfreich, das Retrievalergebnis zu strukturieren. Abs. 46

Abbildung 7: LexisNexis Recht:
Gruppierung der Retrievalergebnisse nach Quellen

VI. Wirtschaft und News bei LexisNexis: Das Produkt LexisNexis Wirtschaft

LexisNexis Wirtschaft ist die deutsche Oberfläche zum Gesamtangebot von LexisNexis. Derzeit sind die Quellen des deutschen LexisNexis Recht (noch) nicht integriert. Immerhin sind rund 32.000 Quellen vorhanden. Im Unterschied zu den deutschen Rechtszeitschriften sind die englischsprachigen Zeitschriften in großer Menge im Volltext vorhanden (knapp 90 Zeitschriften aus Großbritannien und rund 400 aus den USA). Es liegen Tausende von Tageszeitungen, Newslettern und Magazinen auf, Patente sind für die USA, für Japan und das Europäische Patentamt vorhanden. Abs. 47
Michael Krake hat LexisNexis Wirtschaft für den deutschen Markt aufgebaut. Es ist ein noch junges Produkt, dessen Entwicklungsarbeiten im April 2004 begonnen haben und das kontinuierlich weiterentwickelt wird. Ziel ist, die derzeit in Deutschland eher genutzten Produkte Professional und nexis.com zu ersetzen. Abs. 48
Als Suchmasken gibt es die allgemeine Suche (vgl. Abbildung 8) einerseits und die Navigationen über Nachrichten, Firmen, Industrienachrichten, Marktstudien, Länder oder Personen andererseits. Welche Suchoberfläche als persönliche Startseite angezeigt werden soll, entscheidet der Nutzer. Alle Suchmasken sind übersichtlich aufgebaut und einfach zu handhaben. Neben einer Freitextsuche können zahlreiche Suchen über Pull-down-Listen, die sich den gewählten Quellen stets neu anpassen, durchgeführt werden. So wird die schwierige Arbeit, bei 32.000 Quellen das Richtige zu finden, wesentlich erleichtert. Abs. 49

Abbildung 8:
LexisNexis Wirtschaft:
Suchmaske mit geöffneter Schlagwortsuche


Die allgemeine Suche erlaubt - falls erwünscht - eine nutzerspezifische Auswahl und Recherchestrategie. Die benötigte Quellenliste lässt sich je nach Bedarf zusammenstellen und bearbeiten. Im Quellenverzeichnis können wir navigieren, nach bestimmten Quellen suchen, Quellenbeschreibungen sichten und Quellen selektieren. Symbole kennzeichnen die Quelle(n) als Einzelquelle, Zusammenstellung von Einzelquellen oder als nach Lizenzgeber geordnete Gruppenquelle (z.B.: ABI/INFORM). Möchte der Nutzer seine Suchanfragen nur auf einzelne Dokumentabschnitte bestimmter Quellen beschränken, so findet er unter "Suche in Dokumentabschnitten - anzeigen" eine Auflistung der jeweils vorhandenen Strukturierung. Selbstverständlich ist eine entsprechende Eingabe der Suchsyntax auch in Feld "Suchbegriff(e)" möglich. Hilfestellung für die Eingabe in das Feld "Suchbegriff(e)" bietet das Schlagwortverzeichnis, dem wir uns an anderer Stelle noch etwas genauer widmen. Abs. 50
Die Suchoberfläche der Nachrichten kann u.a. Quellen der deutschen und englischsprachigen Presse, der überregionalen deutschen Tagespresse, der Presse aus Asien/Pazifik, Dänemark Frankreich, Spanien oder etwa wichtige europäische bzw. internationale Publikationen beinhalten. Wirtschafts- und Finanzinformationen über deutsche Firmen lassen sich z.B. im Handelsregister, bei Creditreform, Hoppenstedt, Dun&Bradstreet oder Investext erfragen, bzw. Auskünfte amerikanischer Unternehmen sucht man auch unter den US-Firmeninformationen. Die Branchen der Industrienachrichten sind in 13 Klassen aufgeteilt, und jeder Branche sind spezifische Quellen zugeordnet (unter EDV&Informatik sind beispielsweise Computer World oder Information World Review vertreten). Die Suchmaske Marktstudien enthält Pull-down-Listen zu Branchen, zu Themen aus der Marktforschung (z.B. Angebot und Nachfrage, Fusionen/Akquisitionen, Firmenstatistiken, Aktienkurse) und Analysten innerhalb und außerhalb der USA. Freitextsuchen sind nur im Bereich der Berichtstitel und im Inhaltsverzeichnis möglich. Drei Quellentypen werden für die Suche spezifischer Informationen der Länder bereit gestellt: Nachrichten aus Wirtschaft und Politik (mit BBC Worldwide Monitoring, EIU News, World Markets Analysis), Länderberichte und  profile (mit bfai-Länderberichten, Länderberichten der EIU, Quest Economics Database) und Risikoanalysen (EIU Risk-Reports, PRS Group Country Risk Guides). Navigiert der Nutzer zur Suchoberfläche der Personen, werden ihm Informationen aus Biographien und Verzeichnissen z.B. zu Führungskräften, internationalem Finanzwesen, Wirtschaft Europas oder aus Marquis Who's Who vermittelt. Abs. 51

Abbildung 9:
LexisNexis Wirtschaft:
Erste Hierarchieebene der Taxonomie des Quellenverzeichnisses


Das System gestattet, die Quellen individuell auszuwählen. Das Quellenverzeichnis ist sowohl in alphabetischer Sortierung als auch in Form einer Taxonomie vorhanden. Die erste Hierarchieebene des Quellenverzeichnisses ist in Abbildung 9 wiedergegeben. Der Nutzer kann bis zu 40 Quellen in seine persönliche Auswahl einstellen. Abs. 52
Das System berücksichtigt einige Feinheiten der deutschen Schreibweise: Umlaute, Singular/Plural, alte und neue Rechtschreibung. Allerdings sollte der Nutzer darauf achten, dass für die Suchmaske "Personen" die Umlaute aufgelöst werden müssen, da für diese Suche nur englischsprachige Quellen zur Verfügung stehen. Abs. 53

Abbildung 10: LexisNexis Wirtschaft:
Inhaltserschließende Schlagworte eines Beispieldokuments


Ebenfalls, wie bei LexisNexis Recht, ist die Ausgabe einer erweiterten Trefferliste mit markierten Suchworten möglich. Sortieren lassen sich die Treffer nach Datum oder Relevanz. Als störend empfinden wir das Vorhandensein verhältnismäßig vieler Dubletten vorwiegend aus der deutschen Presse. Laut LexisNexis werden die Dubletten schnellstmöglich entfernt, dennoch gelingt diese Bereinigung zum Teil auch für ältere Dokumente nicht. Im Alert-Modus kann durch die Funktion "Doppelte Dokumente ausschließen" dieses Manko umgangen werden. Die Dublettenkontrolle wird für LexisNexis Wirtschaft in Kürze implementiert. Abs. 54
In der Recherchepraxis nützlich, insbesondere für die Verfeinerung innerhalb großer Treffermengen, ist das Suchfeld "Suchergebnis einschränken" (die deutsche Variante des alten Focus-Befehls) am oberen Rand der Trefferliste. Ist man daran interessiert, wie und mit welchen Schlagworten der Volltext automatisch indexiert wurde, muss als Ergebnisansicht "Volltext mit Schlagwortansicht" gewählt werden. Abbildung 10 zeigt die Inhaltserschließung eines Artikels aus der Frankfurter Rundschau. LexisNexis zeigt dem Nutzer mittels der Prozentangabe hinter dem Schlagwort, wie das automatische Indexierungs- und Suchsystem den entsprechenden Volltext bearbeitet hat. Sich bei einer Recherche ausschließlich auf die automatische Erschließung zu verlassen, erscheint uns problematisch. Vergleicht man den Textinhalt mit der entsprechenden Indexierung, so ist man nicht immer mit dem Suchergebnis zufrieden. Besonders, wenn der Prozentwert des Schlagwortes unter 80 liegt, werden Treffer erzielt, die wenig mit dem eigentlichen Suchthema zu tun haben. Das Indexierungssystem bildet möglicherweise so manches Dokument nicht präzise ab, weil es die Gewichtung des einzelnen Schlagwortes im Verhältnis zum eigentlichen Thema des dazugehörigen Textes zu hoch bewertet, weil es nicht das passende Schlagwort verwendet, weil die Schlagworte zu allgemein sind und auch in einer Kombination keine abbildende Zusammenfassung des Textes liefern. Ein Nutzer wird akzeptieren, wenn er auf die Schlagwortsuche "Schwimmen" (Branche) einen Treffer erhält, in dem es zwar nur um Fußball geht, die Spieler aber als Synchronschwimmer auf dem Rasen beschrieben werden. Nicht mehr ganz einverstanden wird unser Nutzer sein, wenn er auch einen Treffer zur selben Suchfrage bekommt, der über die Fußball Oberliga (Baden Württemberg) handelt und nur im Nebensatz des Textes der Schwimm- und Sportverein Reutlingen erwähnt wird. Bei der Verwendung des Schlagwortes "Messen" (Themen) erhalten wir eine große Menge an Informationen zu Handelsmessen oder Ausstellungen u.a., genauso, wie es auch die Schlagwortbeschreibung vorsieht. Aufgelistet wird jedoch auch eine Vielzahl von Treffern, die nur die Zeichenfolge "messen" beinhalten oder die kirchliche Messen meinen. Positiv gesehen, bringt das automatische Indexierungs- und Suchsystem eine wesentliche Erleichterung der Suche nach Dokumenten in verschiedenen Sprachen: Unsere im Schlagwortverzeichnis formulierte deutschsprachige Suchfrage wird übersetzt und auf englische und französische Dokumente angesetzt. Abs. 55
Befindet man sich bei einem Volltext und möchte nicht zum nächsten Volltext, sondern zur Trefferliste zurück, dann geht dies nur auf umständlichem Wege über das Pull-down-Liste der Ergebnisansicht. Es fehlt hier ein einfacher Link zur Trefferliste. Abs. 56

VII. Das Vorgängermodell: LexisNexis Professional

LexisNexis Wirtschaft hat ein Vorgängermodell. Eigens für den europäischen Markt wurde - mit landesspezifischen Oberflächen - LexisNexis Professional aufgebaut. Es handelt sich wie bei LexisNexis Wirtschaft um das Gesamtangebot von LexisNexis mit einigen Einschränkungen. Der Nutzer hat die Möglichkeit, den "Suchassistenten" zu bemühen, der vordefinierte Quellensammlungen zu Nachrichten, Firmen, Analysten-Reports, Recht und Personen bereitstellt. Er kann aber auch in der "Allgemeinen Suche" selbst nach konkreten Quellen oder Quellengruppen recherchieren. Über das Klassifikationssystem (SmartIndexing) sind Klassen auswählbar, zusätzlich kann man den Gewichtungswert einstellen. Abs. 57

VIII. lexis.com

Sowohl lexis.com als auch nexis.com sind eigens für den amerikanischen Markt konzipiert worden (was jedoch auf keinen Fall hindern sollte, diese Produkte auch in Deutschland zu nutzen). lexis.com und nexis.com sind beides Gesamtprodukte, die sich mit jeweils unterschiedlichen Oberflächen und Features einerseits an den Markt für Rechtsinformationen, andererseits an den Markt für Wirtschaftsinformationen und News wenden. Abs. 58

1. Retrievaloberflächen

lexis.com bietet alle bei LexisNexis aufliegenden Informationen unter einer Oberfläche an. Im Rechtsbereich sind die regionalen Einheiten stets einheitlich (wie in Abbildung 11) gegliedert. Wir haben als Beispiel die Jungferninseln gewählt, damit der Screenshot klein und übersichtlich bleibt. Klappt man nämlich bei größeren Regionen jeweils "view more sources" auf, bekommt man eine Vielzahl von Quellen zu Fällen, Gesetzestexten, Verwaltungsdokumenten, Rechtszeitschriften (fehlen bei den Virgin Islands), Rechtsnews, Gesetzgebungsverfahren usw. Nützlich ist jeweils die Option, alle Quellen einer Gruppe gemeinsam abzufragen. Abs. 59

Abbildung 11:
lexis.com.
Ausschnitt aus der Taxonomie der Quellensuche


Die Suchoptionen bei lexis.com verfahren zweigleisig: Neben der Booleschen Suche und der umfangreichen Palette an Abstandsoperatoren unter "Terms and Connectors" gibt es die natürlichsprachige Suche Freestyle unter "Natural Language". In der Suchmaske (wie in Abbildung 12) sieht man oben den Pfad zur selektierten Quellenmenge, in unserem Fall also alle Entscheidungen in Alaska. Wir suchen nach Texten, in denen im selben Abschnitt (Befehl: w/seq) über einen Bärenangriff und Alaska gesprochen wird. Nach dem Erhalt der Volltexte ist es wichtig zu erfahren, inwieweit das dort publizierte Urteil noch Bestand hat bzw. wie es in der einschlägigen Literatur abgehandelt worden ist. Hierbei helfen Shepardizing und LexCite. Abs. 60

Abbildung 12:
lexis.com.
Suchmaske


2. Shepardizing

In den USA haben die Fälle eine besondere Relevanz. Es ist demnach an Urteilen und ihrer Geschichte abzulesen, was zu einer gegebenen Zeit "gutes Recht" ist. Zu einer festen Rechtsinstitution hat sich der juristische Zitationsindex von Shepard's entwickelt (vgl. Stock 2000, 303 ff.). Seit dem Jahr 1873 werden die Referenzen auf Urteile gesammelt und bewertet. Im Jahr 1997 hat Reed Elsevier Shepard's Citations Index von McGraw-Hill aufgekauft und kurz darauf verständlicherweise vom Host des Wettbewerbers Westlaw abgezogen. Westlaw hat mit KeyCite inzwischen ein eigenes Hilfsmittel für Zitatenindexierung kreiert. Beide Produkte unterscheiden sich nach Meinung ihrer Kritiker nur marginal (vgl. Teshima 1999; Charles 2003). "Because of the substantive similarities, it is hard for researchers to make a bad choice. Which one is right for a particular firm probably depends more on personal preferences and which online giant offers the better deal. In any event, the consequence of this war of citators has resulted in substantial improvement to both products, making legal researchers the ultimate victor" (Teshima 1999, 87). Shepard's berücksichtigt rund 400 Rechtszeitschriften sowie alle Urteile, die bei LexisNexis vorliegen. Negative Referenzen, besonders wichtig, um zu erkennen, ob ein Urteil noch Bestand hat, sind nach Aussagen von LexisNexis in zwei bis drei Tagen in der Datenbank. Im Unterschied zur "einfachen" Indexierung von Referenzen bzw. Zitationen (wie sie z.B. beim "Science Citation Index" verwendet wird), werden bei Shepard's die Arten der Zitation intellektuell erhoben und dokumentiert. Wenn wir Abbildung 13 betrachten, sehen wir deutlich vor den Zitationsdetails ein gelbes Dreieck, was "Vorsicht" signalisiert. Abs. 61

Abbildung 13:
lexis.com.
Shepardizing


Die Zitationen werden in folgende Gruppen eingeordnet (und dort noch feiner untergliedert):
  • Warnung: negative Referenz (Signalfarbe: rot),
  • in Frage gestellt - Gültigkeit eines Urteils wird hinterfragt (orange)
  • Vorsicht: mögliche negative Sicht (gelb),
  • positiv - Fall wird zustimmend diskutiert (grün),
  • neutral - weder negativ noch positiv (blaues "A"),
  • Zitationsinformationen in anderen Quellen zugänglich (blaues "I").
Abs. 62
Zusätzlich bietet LexisNexis die Option LexCite an. Wie bei Shepard's geht es darum, Zitationen zu einem bestimmten Fall zu finden. Hier gibt es zwar keine Bewertungen, aber der Nutzer kann nach Gerichten (etwa Federal Courts, State Courts, District Courts, Special Courts) sowie nach dem Datum einschränken. Abs. 63
In Deutschland hat das Fallrecht keine so große Bedeutung wie in den Vereinigten Staaten, aber wenn man bei lexis.com Shepardizing und LexCite erfolgreich durchspielt, stellt sich durchaus die Frage, warum diese Optionen nicht auch hier angeboten werden. Abs. 64

Abbildung 14:
lexis.com:
Assoziative Suche mit "More Like This"

Hat ein Nutzer ein "ideal passendes" Dokument gefunden und möchte er noch weitere, ähnliche Informationen erhalten, so ist die Option "More Like This" hilfreich. LexisNexis leitet eine assoziative Suche ein, die entweder über die gemeinsamen Referenzen aus dem Ausgangsdokument und den Zieldokumenten oder über gemeinsame Terme arbeitet (Abbildung 14). Das Ausgangsdokument wird durch extrahierte sog. "Core Terms" abgebildet, die für die assoziative Suche übernommen werden können. Abs. 65

IX. nexis.com

Wie lexis.com ist auch nexis.com ein Zugang zum Gesamtsystem. Es gibt diverse Systemeinstiege, u.a. über ein Klassifikationssystem, dessen erste Hierarchieebene in Abbildung 15 veranschaulicht ist. Abs. 66

Abbildung 15:
nexis.com:
Einfache Suche ("Quick Search") mit Klassifikationssystem


Alle englischsprachigen Nachrichten werden mittels SmartIndexing Technology automatisch indexiert und in vordefinierte Klassen eingeordnet. Die Taxonomie ist hierarchisch geordnet; auf jeder Hierarchieebene sind Dokumente zu finden. In unserem Beispiel in Abbildung 16 kommen wir von "Land- und Forstwirtschaft / Fischerei" und stehen bei der Klasse "Feldfrüchte, Getreide und Samen". Die 125 Treffer behandeln dieses Thema als Ganzes. Schränkt man im nächsten Schritt auf "Rice Farming" ein, so erhält man über 300 Dokumente genau zu diesem Thema. Sucht man nach einem Unternehmen, so werden - wie gewohnt - die News angezeigt, zusätzlich aber, soweit vorhanden, Links, die Suchen bei Unternehmensdatenbanken oder Datenbanken zum gewerblichen Rechtsschutz einleiten. Man kann auf diese Weise recht schnell Nachrichten, Firmendossiers, Marken oder Patente eines Unternehmens zusammensuchen. Abs. 67

Abbildung 16:
nexis.com.
Stöbern im Klassifikationssystem

X. Systemfunktionalität

1. Retrievalsystem

Ein besonderes Augenmerk richten wir auf die verschiedenen Suchoperatoren und Suchbefehle, die in allen LexisNexis Produkten angewandt werden können. Vorzugsweise, wenn zu einem Suchthema große Treffermengen zu erwarten sind oder etwa eine stark eingeschränkte und zielgenaue Suche angestrebt wird, erweist sich die Beherrschung und der Einsatz dieser Befehle als ausgesprochen hilfreich. Neben den üblichen Booleschen Operatoren UND (AND), ODER (OR) sowie UND NICHT (AND NOT) existieren folgende Suchmodalitäten:
  • I/n (W/n): Festlegung des Abstands zwischen zwei Begriffen, in dem bestimmte Suchbegriffe im Dokument n-Wörter (maximal jedoch 255) voneinander entfernt liegen sollen. Hiermit kann der Nutzer ungefähr abschätzen, dass seine Suchbegriffe in einer Wortfolge oder in einem gewissen Wortabstand vorkommen.
  • VOR/n (PRE/n): Im Dokument soll sich - unter Beachtung der Reihenfolge - der erste Suchbegriff nicht weiter als n-Wörter entfernt vor dem zweiten Suchbegriff befinden.
  • I/s (W/s): Die Suchbegriffe sollen im selben Satz des Dokumentes stehen.
  • I/a (W/p): Suchen von solchen Dokumenten, in denen die Suchbegriffe im selben Abschnitt oder Absatz bzw. Paragraphen enthalten sind.
  • I/seg (W/seg): Die Suchbegriffe müssen innerhalb eines Feldes (Segments) vorgefunden werden.
  • NICHT I/n (NOT W/n): Es werden alle Dokumente gesucht, die den ersten Suchbegriff enthalten und den zweiten auszuschließenden Suchbegriff mindestens im Abstand von n-Wörtern nicht enthalten.
  • NICHT I/s (NOT W/s); NICHT I/a (NOT W/p); NICHT I/seg (NOT W/seg): Mithilfe dieser Operatoren werden jeweils Dokumente gesucht, die den ersten Suchbegriff mindestens einmal in einem Satz / Absatz / Feld beinhalten, in dem der zweite Suchbegriff aber nicht erscheint.
  • ZUMINDEST (ATLEAST): Durch diesen Befehl und der zusätzlichen Angabe von n (1 bis 255) kann die Suche auf all diejenigen Dokumente beschränkt werden, die den Suchbegriff mindestens n-mal erwähnen.
  • GROSS (CAPS): Das Kommando begrenzt die Suchfrage auf Worte, die aus Großbuchstaben bzw. einer Kombination aus Groß- und Kleinbuchstaben besteht.
  • ALLESGROSS (ALLCAPS) bzw. umgekehrt NICHTGROSS (NOCAPS): Die Suchbegriffe in den Dokumenten sollen ausschließlich Groß- bzw. Kleinbuchstaben vorweisen.
  • PLURAL oder SINGULAR: Normalerweise werden die Suchbegriffe automatisch sowohl im Singular als auch im Plural gefunden. Auf die deutsche Sprache bezogen ist dies kein leichtes Unterfangen. Das Suchsystem von LexisNexis arbeitet in dieser Beziehung zuverlässig und findet sogar Beugungsformen. Mittels der Spezialbefehle SINGULAR oder PLURAL lässt sich die Numerus der Begriffe allerdings auch einengen.
Abs. 68

2. Automatische Indexierung durch SmartIndexing

LexisNexis bearbeitet die Dokumente mittels automatischer Indexierung. Im Rechtsbereich werden die Paragraphen erkannt und dem jeweiligen Rechtsgebiet zugeordnet; im Nachrichtenbereich arbeitet LexisNexis mit einem Klassifikationssystem, zusätzlich werden wichtige inhaltsabbildende "Core Terms" aus den Texten extrahiert. Abs. 69
Für englischsprachige Nachrichten wird (bei Professional, lexis.com, nexis.com und LexisNexis Wirtschaft) die SmartIndexing Technology eingesetzt. Wie funktioniert die Automatisierung für die (kompliziertere) deutsche Sprache? Hierzu schauen wir uns in LexisNexis Wirtschaft einige Normeinträge etwas genauer an und erörtern aufgetretene Unstimmigkeiten. Die Suchmasken der allgemeinen Suche, der Nachrichten und der Firmen beinhalten als Hilfestellung zur Auffindung von Suchbegriffen die Verlinkung zum Schlagwortverzeichnis mit kontrolliertem Vokabular. Als Grundlage dient ein Indexierungssystem, das automatisch alle englisch-, französisch- und deutschsprachigen Nachrichtenquellen verschlagwortet und diese kontrollierten Terme in die vier Bereiche Themen, Branchen, Firmen und Regionen unterteilt. Mit Ausnahme der Kategorie "Firmen" können die Schlagworte neben der alphabetischen Sortierung auch in ihrer hierarchischen Ordnung eingesehen werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, im Gesamtverzeichnis innerhalb aller oder in den vier Einzelbereichen innerhalb der jeweils eingeordneten Schlagworte zu suchen. Die Schlagworte des Verzeichnisses lassen sich einzeln anklicken, mit UND, ODER kombinieren bzw. mit NICHT ausschließen und alsdann zur Suche hinzufügen. Nähere Beschreibungen zur Definition und Verwendung des einzelnen Schlagwortes finden sich unter "i", Firmennachweise ausgenommen. Die extrahierten und evtl. verknüpften Schlagworte erscheinen daraufhin - teils codiert - im Feld "Suchbegriffe". Abbildung 8 demonstriert die Nachrichtensuchmaske mit geöffneter Schlagwortsuche. Auf unsere Anfrage nach Telekommunikation in allen Schlagworten werden uns elf Branchen und vier Firmen zur Auswahl offeriert. Der Nutzer darf nicht etwa davon ausgehen, dass nach Eingabe eines bestimmten Suchbegriffs in der Kategorie "Firmen" Unternehmen aufgelistet werden, die in dem gewünschten Themengebiet definitiv tätig sind. Dies ist schon in unserem Beispiel leicht erkennbar, denn mit Sicherheit widmen sich nicht nur vier Unternehmen der Telekommunikation. Als Ergebnisse werden vielmehr alle Firmen genannt, die im Namen "Telekommunikation" enthalten. Den einzigen Service, der innerhalb dieser Kategorie dem Nutzer geboten wird, ist die automatische Suche nach genau den Zeichenfolgen, die im Firmennamen vorkommen. Akzeptabel ist dies, wenn jemand nach "Siemens" forscht und 132 verschiedene Firmenbezeichnungen von Siemens vorfindet. Welchen Nutzen zieht der Rechercheur aber daraus, wenn seine Suchfrage "Wein" als Vorschlag die Firma Gottlieb Weinmann (Hersteller medizinischer Geräte) bekommt? Eine sinnvolle Zuordnung kann wohl nur mit intellektueller Leistung zustande kommen. Hier versagt die automatische Bearbeitung. Abs. 70
Die Zuordnung der Klassenbezeichnungen untereinander und damit auch die Suche im Schlagwortverzeichnis zeigt an verschiedenen Stellen Unzulänglichkeiten. Warum folgt auf unseren Suchbegriff "Lastkraftwagen" die Auflistung einer Branche, auf "Lastwagen" vier Branchen und letztendlich auf "LKW" zehn Branchen? Was hat unsere Suche "Mode" (außer den vier gleichen Buchstaben) mit dem Schlagwort "Modem" (Branche) oder "Reis" mit Hepatitis zu tun? Abs. 71
Am Rande: Geben wir englische Begriffe als Suchbegriffe ein, so erhalten wir ebenfalls als Trefferangebot deutsche Schlagworte. "crime" zählt 14 passende Themen auf, eine vergleichbare Suche mit deutschen Begriffen (Kriminalität, Verbrechen, Straftat, Delikt, Betrug) erzielt nicht so viele Hinweise. Dies hängt mit dem unterschiedlichen semantischen Umfeld deutscher bzw. englischer Begriffe zusammen, das eine eins-zu-eins-Übersetzung verbietet. Abs. 72
Jedem Schlagwort, das ja die Aufgabe hat, den Inhalt eines Textes abzubilden, wird im Dokumenttext jeweils ein prozentualer Wert zugeteilt. Verschiedene Tests haben uns zu der Überzeugung geführt, dass es zweckmäßig ist, immer mit einer Relevanz von mindestens 85% zu arbeiten. Entscheidet man sich jedoch für "alle" Relevanz, d.h. indexierte Schlagworte auch unter 85%, so bekommt man häufig als Suchergebnis jede Menge Ballast oder unzutreffendes Material geliefert. Nur bei Recherchen, die auf optimalem Recall bei geringer Precision abzielen, sollte man mit Gewichtungswerten von unter 85% arbeiten. Abs. 73
Die automatische Indexierung von Volltexten (bei lexis.com) auf sog. Core Terms funktioniert bei den Datenbanken für die englische Sprache einigermaßen zuverlässig, insofern dem Nutzer Worte angegeben werden, die über die Titelterme des Dokuments hinausgehen. Für die deutsche Sprache kommt eigentlich stets nur Unsinn heraus. Wir suchten z.B. ein Patent von Henkel über Textilweichmacher und erhalten folgende Liste von Core Terms: "der, oder, und, von, die, mit, eine, sind, gew, auch". Die Erklärung ist: Die Indexierungstechnik ist nur für die englische Sprache konzipiert, Stoppworte für die deutsche Sprache sind nicht definiert. (Vielleicht sollten die Core Terms bei nicht-englischsprachigen Dokumenten unterdrückt werden.) Abs. 74
Bei LexisNexis Wirtschaft ist im Gegensatz zu nexis.com das neuere multilinguale SmartIndexing wirksam, und das heißt, englische, französische und deutsche Terme werden dort sprachtechnologisch verarbeitet. Abs. 75
Problematisch kann es für einen Nutzer sein, wenn er die Namensansetzungen in den verschiedenen Sprachen nicht beherrscht. Wir müssen nicht unbedingt an russische oder chinesische Namen und ihren vielfältigen Transliterationsvarianten denken, es reicht schon der Name des derzeitigen deutschen Bundeskanzlers (der als Schröder und als Schroeder in den Datenbanken auftaucht). LexisNexis bietet zur Nutzerhilfe weder eine Synonymliste für Namen noch einen Index an. Wäre es nicht sinnvoll, auch in diesem Bereich Einheitlichkeit mittels Normierung anzustreben, z.B. durch Verwendung der Personennamennormdatei der deutschen Bibliotheken (vgl. PND o.J.)? Abs. 76

XI. LexisNexis im deutschen Markt für Rechts- und Wirtschaftsinformationen

1. Betriebswirtschaftliche Kennziffern

In diesem Abschnitt berichten wir über die Ergebnisse der Fragebogenerhebung im Hause LexisNexis. In die Analyse einbezogen werden weitere Unternehmensschriften wie der Jahresbericht von Reed Elsevier (2004). Abs. 77
Die Zahl der Mitarbeiter hat sich in den letzten Jahren - durch die Übernahme des MBO Verlags und die Entwicklung der lokalen Informationsprodukte - in Deutschland stark nach oben entwickelt. Die Kurve startet 2001 mit 21 Mitarbeitern, klettert 2003 auf 141 und Ende 2004 auf 208 feste Mitarbeiter. Hinzu kommen weitere rund 240 freie Mitarbeiter. Der Personalstand dürfte sich auf diesem Niveau in nächster Zeit konsolidieren. LexisNexis benötigt hochqualifiziertes Personal, im Rechtsbereich naturgemäß schwerpunktmäßig Juristen, im Bereich News & Business sind Informationswissenschaftler (insbesondere in den Bereichen Produktentwicklung, Kundenservice und Training) essentiell. Produktübergreifend hat LexisNexis Deutschland insbesondere Wirtschaftswissenschaftler sowie Programmierer eingestellt. Abs. 78
Der Umsatz der digitalen Produkte des "alten" LexisNexis liegt nach unserer Schätzung in 2003 bei rund 5,5 Mio. €. Derzeit investiert LexisNexis massiv unter großem Mitteleinsatz in deutsche Informationsprodukte. Entsprechend strebt LexisNexis Deutschland jährliche Wachstumsraten beim Umsatz von mehr als 20% p.a. für die nächsten fünf Jahre an. Strategie ist, langfristig die Nummer 1 im deutschen Markt für Online-Rechts- und  Wirtschaftsinformationen zu werden. Als Wettbewerber werden im Segment Recht Juris, Beck, Legios und Westlaw, im Segment News & Business Factiva, Genios und die GBI wahrgenommen. Bei den Kooperationspartnern sind die Lizenzgeber und die Vertriebspartner besonders wichtig. Abs. 79
Als Weltkonzern importiert LexisNexis internationale Informationen nach Deutschland und exportiert deutschen Content. Hauptexportländer für deutsche Wirtschafts- und Nachrichteninformationen sind die USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich. Von dem globalen Angebot profitieren auch die lokalen Lizenzgeber. Die Rechtsinformationen werden erst im Laufe des Jahres 2005 international angeboten werden. Abs. 80
Die Preispolitik von LexisNexis ist vorwiegend auf Abonnements ausgerichtet. Der Preis wird kundenspezifisch geregelt; Kriterien sind die Anzahl der Nutzer sowie Art und Umfang der abonnierten Datenbanken. In Deutschland dürften etwa 7.000 Verträge bestehen. Geplant ist, beim Rechtsprodukt - derzeit ausschließlich mit Flat-Rate bepreist - ein Preismodell einzuführen, das konkret nach Dokumenten und Suchanfragen abrechnet. "Laufkundschaft" im Internet ohne Vertrag und mit Bezahlung per Kreditkarte kommt bei LexisNexis Deutschland gar nicht und auch international nur selten vor. Global erwirtschaftet LexisNexis nur rund 1 Mio. € mit solchen Gelegenheitskäufen. Abs. 81
Der Zugang der deutschen LexisNexis-Kunden zu den digitalen Produkten verteilt sich wie folgt:
  • Telnet: 5%
  • LexisNexis Wirtschaft: 30%
  • LexisNexis Professional / Executive: 50%
  • nexis.com und lexis.com: 15%
  • LexisNexis Recht: derzeit liegen noch keine Zahlen vor (Produkteinführung erst 9/2004).
Abs. 82
LexisNexis ist schon seit Jahrzehnten im Geschäft. Hat das Internet - auch angesichts neuer (und teilweise kostenloser) Angebote - dem Unternehmen eher genutzt oder geschadet? Für LexisNexis hat das Internet eindeutig genutzt. Die Chancen für den Bereich Rechtsinformationen werden als "sehr positiv" eingeschätzt, wenn es gelingen sollte, den PC am Arbeitsplatz des Rechtsanwalts zu etablieren und die Online-Recherche in die tägliche Arbeit des Anwalts zu integrieren. Dies gilt analog für andere Zielmärkte wie etwa die öffentliche Verwaltung. Der Bereich Nachrichten und Wirtschaft ist bereits seit Jahren mit dem Internet verwachsen. Hier könnten sich jedoch gut angenommene kostenfreie Services wie z.B. Google News eventuell negativ auf Paid Content bei News auswirken, insofern Nutzer bei einfachen Informationsproblemen eher auf Suchmaschinen zurückgreifen anstatt auf kommerzielle Informationsanbieter. Abs. 83
Nach eigener Einschätzung verfügt LexisNexis über mehrere Alleinstellungsmerkmale, die die Produkte von denen der Wettbewerber abheben. Im Rechtsbereich liegen diese Unique Selling Points vor:
  • einfach zu bedienendes Produkt, das eine Recherche über alle Quellen hinweg ermöglicht,
  • größte Abdeckung der Entscheidungen des BGH sowie des BVerwG,
  • größte Abdeckung der deutschen Rechtsnormen allgemein,
  • eigene Online-Kommentare mit hoher Aktualität,
  • Abstracts zu Artikeln der Fachpresse.
Abs. 84
Alleinstellungsmerkmale des Segmentes News und Wirtschaft sind nach Meinung des Unternehmens:
  • einfach und schnell zu bedienendes Produkt durch Aufbereitung nach lokalen Themenschwerpunkten,
  • umfassender Service aus einer Hand durch eine breite inhaltliche und dabei globale Abdeckung,
  • persönliche regionale Betreuung vor Ort,
  • Ergänzung der Wirtschaftsnews durch eine riesige Sammlung von Firmenprofilen (60 Mio. Dossiers aus 220 Ländern),
  • Bedienung von Informationsprofilen durch Current Awareness-Dienste und (demnächst) Medienpräsenzanalysen.
Abs. 85

2. Produktentwicklung

LexisNexis hat in den letzten Jahren - nicht nur in Deutschland - ständig Veränderungen bei den Produkten erlebt. Aus deutscher Sicht entscheidend war die Einführung von LexisNexis Recht auf der Basis der unternehmensweit agierenden "Global Legal Platform" (GLP; heutiger Codename: "Rosetta"), die Einführung von LexisNexis Wirtschaft auf der Grundlage von "Global News & Business" (GNB) sowie die Konvergenz von GLP mit GNB. Dies erlaubt den Mitarbeitern bei LexisNexis Deutschland eine "wirkliche Mitarbeit" an der Produktentwicklung (die für den europäischen Raum ansonsten in London stattfindet) und eine Priorisierung mit einem Fokus auf lokale, deutsche Kundenbedürfnisse. Die Produktentwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Im Bereich der Rechtsinformationen ist für das Jahr 2005 und darüber hinaus geplant:
  • Ausbau der deutschen Rechtsinhalte,
  • Integration von Inhalten aus dem Bereich der nationalen und internationalen Presse und Wirtschaft,
  • Integration internationaler Rechtsinhalte in das deutsche Rechtsprodukt (zunächst für Großbritannien, Frankreich und die USA),
  • Zusammenführen aller lokalen Produkte mittels der Plattform Rosetta,
  • Ausbau der Funktionalität (z.B. automatische Indexierung nach Sachgebieten).
Abs. 86
Im Bereich der News und der Wirtschaftsinformationen stehen ebenfalls Innovationen bevor:
  • Ausbau der deutschen News- und Wirtschaftsinhalte (darunter die Bonitätsinformationen von Creditreform),
  • Integration der Inhalte aus dem Bereich der Rechtsinformationen,
  • Weiterführung, Verfeinerung und Verbesserung der Begriffsbasis und ihrer Regeln bei der deutschsprachigen Taxonomie,
  • Klassifikation der Ergebnisse in Hauptklassen, so dass die Treffer nach Themenbereichen angezeigt werden,
  • Verbesserung beim Quellenverzeichnis (basierend auf Indexierungen),
  • als völlig neuartiges Feature auf informetrischer Basis: Medienpräsenzanalysen durch Methoden des Data Mining mit anschließender Visualisierung.
Abs. 87
Bei LexisNexis insgesamt ist mit weiteren Neuerungen zu rechnen:
  • Cross-Library-Search (Suche über alle LexisNexis-Datenbanken),
  • mehr Dokumente im Faksimile (PDF),
  • erweiterte Verlinkungsoptionen, auch über Datenbankgrenzen hinweg,
  • Dynamic Term Navigation (Vorschläge zur Einschränkung einer Suche),
  • Check Spelling, eine automatische Rechtschreiberkennung für die englische Sprache,
  • Ausgabeoption für Firmendaten-Download (im CSV-Format).
Abs. 88
Durchaus selbstkritisch wird über Nachholbedarf gesprochen. Die Lizenzierungsaktivitäten - gerade im Rechts- aber auch im News- und Wirtschaftsbereich - müssen verstärkt werden. Konkrete Lücken beim Content der lokalen Quellen können durch sog. "Content Surveys" erkannt werden, die regelmäßig mit den Kunden durchgeführt werden. Abs. 89

XII. Fazit und Ausblick

Kommen wir zu einer abschließenden Beurteilung von LexisNexis und zu einer Besprechung von Stärken und Schwächen sowie von Chancen und Risiken auf dem deutschen Informationsmarkt! Abs. 90

1. Stärken

Das nationale wie das internationale Produkt zeichnet sich durch viele Stärken aus. Beim deutschen Rechtsprodukt haben wir eine zwar ausbaufähige, aber dennoch brauchbare Startmenge an Rechtsinformationen vorliegen. Die Normensammlung berücksichtigt das deutsche Bundesrecht und die Länderrechte (bei einigen Bundesländern mit dem Anspruch auf Vollständigkeit). Volltexte zur Rechtsprechung liegen (in Kürze) für alle Urteile des BHG und des BVerwG vor, am Ausbau aktueller (und auch wichtiger zurückliegender "historischer") Urteile wird gearbeitet. Hervorzuheben ist das Schaffen eigener Kommentare. Das internationale Rechtsprodukt ist - wenn wir an Länder wie die USA oder an Großbritannien denken - weitaus elaborierter als das deutsche Pendant. Letzteres wird seit Ende 2004 angeboten, die USA-Produkte starteten vor über 30 Jahren. Dort werden alle Arten von Rechtsliteratur, auch die Zeitschriftenartikel, jeweils im Volltext offeriert. Zu erinnern ist auch an Highlights wie der bewerteten Zitationssuche des Shepardizing oder der natürlichsprachigen Suche via Freestyle bei lexis.com. Abs. 91
Das deutsche Wirtschaftsprodukt verfügt über eine (allerdings ausbaufähige) im Großen und Ganzen ausreichende lokale Quellenbasis. Lediglich Spezialanbieter für deutsche Wirtschaft wie GBI und GENIOS dürften umfangreichere Angebote haben. Bei den Firmeninformationen liegen mit Creditreform (demnächst mit Bonitätsnachweisen), Dun & Bradstreet (schon jetzt mit Bonitätsinformationen) und Hoppenstedt alle wichtigen Dossier-Datenbanken auf. Das deutsche Produkt für Business und News hat zwar eine eigene deutschsprachige Oberfläche, ist aber - was die Quellen betrifft - mit dem internationalen Wirtschaftsprodukt identisch. Im internationalen Bereich der News ist LexisNexis durchaus mit spezialisierten Nachrichtenanbietern wie Factiva vergleichbar. Abs. 92
Die Funktionalität des Retrievalsystems ist auch für spezielle Recherchewünsche i.d.R. ausreichend; denken wir nur an den Umfang der Operatoren und der Befehle wie z.B. Focus sowie dem Blättern innerhalb der Quellen und an Verlinkungen innerhalb der Dokumente und zwischen den Texten. Angesichts der Zahl an Patenten hat LexisNexis eine gute technische Ausgangssituation bei der Verarbeitung natürlicher Sprache und beim Information Retrieval. Abs. 93
Das Unternehmen hat die "Babelisierung" im Recht ernstgenommen und entsprechend nationale Produkte mit nationalen Teams entwickelt, und dies auf einer einheitlichen technischen Basis (GLP, GNB bzw. Rosetta). Abs. 94

2. Schwächen

Trotz der Fülle an Stärken hat auch LexisNexis empfindliche Schwächen. Das Produkt (national wie international) verfügt viel zu wenig über Dokumente im Faksimile-Format (etwa PDF). Aus deutscher Sicht ist im Rechtsprodukt die geringe Anzahl der Zeitschriften-Volltexte zu bemängeln, da LexisNexis bisher offenbar kaum lizenzierungswillige Kooperationspartner gefunden hat. Durch die (allerdings teuer produzierten) Abstracts - in eigener Terminologie Rechts-"News" - wird das Defizit jedoch ausgeglichen, dem Nutzer wird dabei allerdings ein Medienbruch zugemutet. Im Wirtschaftsprodukt fallen Dubletten unangenehm auf. Das Klassifikationssystem, das sowohl bei der automatischen Indexierung der News eingesetzt wird als auch als Suchhilfe beim Retrievalsystem fungiert, arbeitet recht zuverlässig für die englische Sprache. Für das Deutsche klappt es nicht so gut: Die automatische Klassierung ist teilweise fehlerhaft, und die Gewichtungsangaben sind nicht immer nachvollziehbar. Da dieses Feature noch sehr jung ist, kann man noch nicht den Stand erwarten, der für die (informationslinguistisch gesehen ohnehin einfachere) englische Sprache bereits erreicht worden ist. Hier sind noch einige Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in der Begriffs- und Regelbasis des Deutschen zu bewältigen. Als Nutzervorteil ist sicherlich die Quellenlage mit 32.000 Einzeldatenbanken einzuschätzen, als möglicher Nachteil für ungeübte Benutzer, dass man die richtige Quelle nicht findet. Diese Schwäche wird behoben sein, wenn LexisNexis die (in Entwicklung befindliche) Recherche über alle Quellen gleichzeitig zulässt und die Ergebnisse automatisch unterschiedlichen Klassen zuordnet. Uns sind die 32.000 Quellen aber auch zu wenig: Reed Elsevier verfügt im eigenen Hause über weitere Datenbanken, die nicht in LexisNexis integriert sind. Diese Datenbanken liegen großteils im Bereich Wissenschaft-Technik-Medizin (WTM). Es handelt sich sowohl um wichtige bibliographische Datenbanken sowie um Volltexte von Periodika (gesammelt bei Science Direct). Es gibt sicherlich Kunden, etwa Großunternehmen, die Informationsbedarfe in den Segmenten Wirtschaft, Recht und WTM haben, und diese werden derzeit nicht "aus einer Hand" bedient. Abs. 95

3. Chancen

Wie sieht eine betriebswirtschaftliche Abschätzung der Chancen für LexisNexis auf dem deutschen Markt aus? Im Vergleich zu den Wettbewerbern JURIS, LEGIOS und Beck Online verfügt unser Unternehmen (dank des Mutterunternehmens Reed Elsevier) über genügende Investitionsbereitschaft und finanzielle Mittel, um umfangreiche notwendige Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen einzuleiten und auch durchzuhalten. Westlaw (als Tochter der Thomson Corp.) dürfte eigentlich ähnlich ausreichende Mittel im Hintergrund haben, verfolgt aber eine andere Strategie. Dort werden keine Abstracts zu deutschen Fachzeitschriften geschrieben; insgesamt ist das Westlaw-Team in Deutschland wesentlich kleiner als das von LexisNexis. Die größte Chance sehen wir in Unternehmenszusammenschlüssen. In Deutschland sind fünf Rechtsinformationsanbieter und mit ASV Infopool (vgl. M.Stock 2002), Dialog, GBI, GENIOS und Factiva fünf Wirtschafts- bzw. News-Hosts (vgl. Stock/Stock 2003a-f) am Markt - zehn Unternehmen für einen doch recht kleinen Markt. Eine Marktbereinigung zu wenigen, aber schlagkräftigen Einheiten würde sowohl aus Kundensicht als auch für die beteiligten Unternehmen von Vorteil sein. Bei dieser Formulierung ist zu beachten, dass eine empirische Bestätigung solch eines Kundenwunsches (noch) aussteht, da keine Nutzerbefragung durchgeführt worden ist. Insofern ist die Aussage keine gesicherte empirische Erkenntnis, sondern nur eine (informierte) Annahme. Abs. 96

4. Risiken

Risiken liegen zunächst darin, dass sich die großen Investitionskosten für die deutschen Produkte nicht rechnen. Dies hängt einerseits vom Informationsbewusstein der deutschen Kunden und andererseits von Marketingmaßnahmen seitens LexisNexis' ab. Das größte Risiko dürfte jedoch das Verhalten der Kunden sein. Im juristischen Bereich ist es (noch?) keineswegs selbstverständlich, bei Unsicherheiten im Berufsalltag in kommerziellen Rechtsdatenbanken zu recherchieren. Dies gilt für die öffentliche Verwaltung, und es gilt für die Kanzleien. Analoges kann man über die deutsche Wirtschaft berichten. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto weniger investiert es im Durchschnitt in Informationsbeschaffung über kommerzielle Hosts. Nun unterstellen wir, dass die Kunden grundsätzlich bereit seien zu recherchieren. Wohin werden sie sich wohl wenden? Doch wohl mehrheitlich ins kostenlose World Wide Web und bei der Suche garantiert zu Google. Entscheidungen und andere Informationen zum Recht lassen sich im WWW kostenlos abfragen. Diese liegen allerdings verstreut bei den Homepages der einzelnen Gerichte vor. Ein Jurist hätte unser Beispielurteil zur "Kündigung einer Verkäuferin wegen Tragens eines islamischen Kopftuchs" (Abbildung 3) auch direkt beim Bundesarbeitsgericht finden können. Um an diese Informationen heranzukommen, muss unser Jurist allerdings viel Zeit und Geduld mitbringen. Die Suchmöglichkeiten bei den Webauftritten der Gerichte sind nämlich längst nicht so vielfältig wie bei einem professionellen Retrievalsystem; eine direkte Verlinkung zu Kommentaren, Fundstellen, News usw. liegt überhaupt nicht vor, ganz zu schweigen vom Zugang zu älteren Dokumenten. Auf die lange Sicht werden sich kommerzielle Informationsanbieter neben den Suchmaschinen nur halten, wenn sie thematisch gebündelt fachlichen Content (etwa: alle deutschen Rechtsnormen und alle Entscheidungen deutscher Gerichte) und spezifische informationelle Mehrwerte (wie bei LexisNexis z.B. Shepardizing) liefern und dies in ihren Marketinganstrengungen gebührend kommunizieren. Abs. 97

5. Ausblick: Offene Fragen

Wir hoffen, das Ziel erreicht zu haben, eine erste Beschreibung der Angebote von Rechts- und Wirtschaftsinformationen des Online-Hosts LexisNexis vorgelegt zu haben. Auf dem Weg zu diesem Ziel mussten wir an einigen Stellen offene Fragen eingestehen und damit weiteren Forschungsbedarf reklamieren. Abs. 98
(1) Der Abdeckungsgrad der Rechtsnormen bei den jeweiligen Informationsanbietern ist nicht errechenbar, da die Werte für "alle Normen des deutschen Bundesrechts", "alle Normen des Landesrechtes NRW" usw. fehlen. Ebenso fehlen verlässliche Gesamtzahlen für "alle derzeit gültigen Rechtsnormen". Abs. 99
(2) Analoges gilt im Prinzip auch für die Entscheidungen. Hier spitzt sich das Problem u.E. auf die Frage zu, ob der Zugriff auf die (doch recht wenigen) Entscheidungen in digitaler Form ausreicht oder ob die Rechtspraxis eine Publikationsdichte in Richtung optimaler 100% benötigt. Abs. 100
(3) Allgemeine Rechtsauffassung ist, dass Entscheidungen in Deutschland vor der Publikation zu anonymisieren sind. Angesichts der Ergebnisse von Knerr (2004) muss dies bezweifelt werden. Aus informationspraktischer Sicht kann es - zumindest für gewisse Einzelfälle - wünschenswert oder gar geboten sein, auch Namensrecherchen bei Entscheidungen durchzuführen. Ist ein Umschwenken der deutschen Rechtspraxis auf z.B. us-amerikanische Gepflogenheiten anzustreben? Abs. 101
(4) LexisNexis demonstriert u.E. erfolgreich für das Rechtssystem der USA die praktische Bedeutung bewertender Zitationsindices (Shepards'). Ist dieses Konzept auf ein anders strukturiertes System wie das in Deutschland anwendbar? Brauchen deutsche Juristen einen deutschen Shepards' Citation Index? Abs. 102
(5) Um Vergleiche zwischen Anbietern methodisch sauber durchführen zu können, bedarf es eines allseits akzeptierten Katalogs an Qualitätskriterien für (juristische, aber auch andere) Informationsdienste, salopp gesprochen, einen "Prüfberichts-Vordruck" wie beim TÜV (vgl. Stock 2004). Hier gibt es bereits Vorarbeiten u.a. von Bock (2000) zum Kriterienkatalog sowohl von Noack et al. (2004) bzw. Kremer (2004) zu kriteriengestützten Vergleichen, von einer als verbindlich angesehenen Liste an Qualitätsmerkmalen als Basis komparativer Analysen und Evaluationen sind wir aber noch weit entfernt. Abs. 103
(6) Wir haben (methodisch recht ungesichert) behauptet, dass ein Nutzer nicht mit diversen Informationsanbietern arbeiten möchte, sondern mit möglichst wenigen. Ist es günstiger, viele eher kleine Angebote zu haben, diese aber jeweils mit exklusivem Inhalt und elaborierten Suchalgorithmen? Oder wünscht der Nutzer lieber einen Online-Host, der allen benötigten Content unter einem Dach anbietet? Oder sind gewisse Nutzer gar der Meinung, mit den kostenlosen Suchmaschinen im World Wide Web auszukommen? Abs. 104
Forschungsthemen der Arten (2) bis (6) dürften empirisch durch Nutzerforschung einer Klärung zugeführt werden. Vorangehen müssen zum Teil nicht unerhebliche theoretische und methodologische Diskussionen in der Informationswissenschaft sowie in der Rechtswissenschaft zum Thema "Digitale Rechtsinformationen" und dies möglichst im Dialog mit den Informationsanbietern und deren Nutzern. Da sich Produkte digitaler Rechtsinformationen auch unternehmerisch "lohnen" müssen, sind zusätzlich betriebswirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. In dieser transdisziplinären Trias aus Rechtswissenschaft, Informationswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft können derzeit offene Forschungsfragen aufgenommen und mit einer berechtigten Hoffnung auf Erfolg bearbeitet werden.
JurPC Web-Dok.
82/2005, Abs. 105

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[online seit: 07.07.2005 ]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Stock, Mechtild, Digitale Rechts- und Wirtschaftsinformationen bei LexisNexis - JurPC-Web-Dok. 0082/2005