Wolfgang Kuntz *Buchvorstellung - Nikolaj Fischer, Justiz-KommunikationJurPC Web-Dok. 32/2005, Abs. 1 - 12 |
Nikolaj Fischer Justiz-Kommunikation VWF-Verlag, Berlin 1. Aufl. 2004 ISBN 3-89700-419-4 |
Der Autor beschäftigt sich in seiner ohne Literaturverzeichnis 71 Seiten starken Monographie mit den "grundsätzlichen Fragen der Justizkommunikation". Seine Untersuchung fokussiert insbesondere auf die gerade aktuelle Reformnovelle des Justizkommunikationsgesetzes (JKomG), wobei der Autor den Stand von Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung von September 2004 zugrundelegt. | JurPC Web-Dok. 32/2005, Abs. 1 |
Fischer stellt in der Einleitung ein Diskursdefizit in Grundsatzfragen bei der Elektronifizierung der Justiz fest. Nach einem kurzen Überblick über die bisherigen und aktuellen Reformschritte wird die voranschreitende Elektronifizierung der Justiz und von Gerichtsverfahren einer kritischen Betrachtung im Hinblick auf die bisher vernachlässigten Grundsatzfragen unterzogen. | Abs. 2 |
Zunächst beschäftigt sich Fischer mit den bisherigen justiziellen E-Technik-Reformen und zeigt die bisherigen Elektronifizierungsschritte in verschiedenen Einzelgesetzen auf. Danach widmet sich der Autor der Reform durch das geplante JKomG. Hier stellt der Autor die Kernstücke der Reform (§ 130b ZPO und elektronische Aktenführung, § 298a ZPO) im Bereich des Zivilprozessrechts heraus und geht danach auf die geplanten Änderungen in den übrigen Verfahrensordnungen ein. | Abs. 3 |
Im Hauptabschnitt widmet sich der Autor den Grundsatzfragen der Elektronifizierung der Ziviljustiz und des Zivilprozesses und ist der Ansicht, dass bislang bereits mit der Regelung kleinster Details begonnen worden sei, ohne über die Grundsatzfragen angemessen nachgedacht und diskutiert zu haben. Diesen Befund skizziert er mit den Schlagworten und Gegensätzen: | Abs. 4 |
- Pragmatismus versus Konzeption (1) - Verfahrens-Form versus Verfahrens-Inhalt (2) - Verfahrensdetailregelung versus Verfahrensgrundlagen (3) - Technikfixierung versus Theorieorientierung (4) | Abs. 5 |
Zu (1): Fischer merkt an, dass über Notwendigkeit und Ausgestaltung der Justiz-Elektronifizierung im wesentlichen unter Ausschluss der Rechtswissenschaft, insbesondere der Zivilprozessrechtswissenschaft, diskutiert worden sei. Er stellt eine defizitäre Auseinandersetzung mit Grundsatzfragen auch im Zusammenhang mit dem JKomG fest. Als Kritikpunkte am JKomG nennt er: weitgehende Formfixierung, Defizite in der Justiz hinsichtlich der Ausstattung mit moderner Informationstechnologie, Fehler der technisch-organisatorischen Infrastruktur für die Umsetzung der Regeln des JKomG. Außerdem äußert der Autor den Vorwurf, den Reformschritten liege kein einheitliches vorausschauendes Grundkonzept zugrunde, vielmehr würden den alten Regelungssystemen der Verfahrensordnungen neue E-Normen "aufgepfropft". Fischer erhebt die Forderung, dass die Elektronifizierung der Justiz mit einer Reform der Justizorganisation einhergehen müsse. Vor einem massiven EDV-Einsatz in der Justiz sei eine vorhergehende Wiederbelebung der Strukturanalyse der Rechtspflege erforderlich. | Abs. 6 |
Zu (2): Viele vorgebrachte Sicherheitsbedenken hält Fischer für praxisfern und führt das allgemeine Misstrauen der Justiz auf einen Mangel an geschultem Personal und doppelt qualifizierten Experten zurück. Zudem meint der Autor, dass eine deutliche Dominanz der Form über die Inhalte von Verfahren zu erkennen sei. Die Reformen seien "Reformen der Form, aber nicht der Inhalte". Fischer spricht auch einen anderen Aspekt an: nämlich die Gleichheit des Zugangs zur Justiz ("Waffengleichheit") unter dem Gesichtspunkt, dass die Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr bei unterschiedlich leistungsstarken Teilnehmern unterschiedlich hohe Kosten verursachen kann. Nachfolgend widmet er sich Fragen der Datenauthentizität, Datenintegrität und Datenvertraulichkeit. Der Autor plädiert am Ende für eine Reform des Schriftsatzwesens in dem Sinne, dass überholte prozessuale Formvorschriften geändert werden und die Gleichstellung gleichwertiger Informationsmittel geregelt wird und tritt ein für eine Reform des gesamten E-Verfahrensrechts, bei der die Inhalte im Vordergrund stehen. | Abs. 7 |
Zu (3): Fischer stellt die Frage zur Diskussion, ob sich die Elektronifizierung von Gerichtsverfahren mit den bisherigen Verfahrensgrundsätzen vereinbaren lässt. Er hält die Diskussion um eine Modifizierung der Verfahrensgrundsätze für ein Thema der Zukunft. | Abs. 8 |
Zu (4): Der Autor vermisst bei der bisherigen Reformdiskussion ein methodisches Vorgehen. Stattdessen seien die Reformen, auch die des JKomG, auf Technikfragen fixiert. Nach Ansicht Fischers habe hingegen die Technik in erster Linie dienende Funktion. | Abs. 9 |
Angesichts des Standes September 2004 kann die Schrift im Hinblick auf die angesprochenen Fragen des JKomG nur eine Momentaufnahme sein. Der vom Autor angesprochene Termin des Inkrafttretens des JKomG zum 01.01.2005 erwies sich nach der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung (http://dip.bundestag.de/btd/15/040/1504067.pdf) als zu optimistisch, aufgrund der nun vorliegenden Beschlussempfehlung vom 23.02.2005 (http://dip.bundestag.de/btd/15/049/1504952.pdf) wird das Gesetz zum 01.04.2005 in Kraft treten. | Abs. 10 |
Der Autor legt die zur kritischen Auseinandersetzung gedachten Thesen und Argumentationen knapp und prägnant dar, ohne jedoch oberflächlich zu sein. Der Fußnotenapparat ist sehr umfangreich und das knapp 30-seitige Literaturverzeichnis bietet einen guten Überblick über alle wichtigen Veröffentlichungen im Bereich Elektronischer Rechtsverkehr. | Abs. 11 |
Fischer will mit seiner Schrift Fragen aufwerfen und die Diskussion um
die Justiz-Kommunikation weiter anstoßen. Er sagt selbst (S. 70), dass
das Buch seinen Zweck schon dann erfüllt habe, "wenn es das
Problembewusstsein im Hinblick auf die - bisher vernachlässigten -
Grundsatzfragen" schärft. Diesen Zweck dürfte die Schrift allemal
erreichen.
| JurPC Web-Dok. 32/2005, Abs. 12 |
* Ass. iur. Wolfgang Kuntz ist Mitarbeiter der Recht für Deutschland GmbH und daneben im Sekretariat der Gemeinsamen Kommission "Elektronischer Rechtsverkehr" des Deutschen EDV-Gerichtstages e.V. tätig. |
[online seit: 11.03.2005 ] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
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Zitiervorschlag: Kuntz, Wolfgang, Buchvorstellung Nikolaj Fischer, Justiz-Kommunikation - JurPC-Web-Dok. 0032/2005 |