Gero Himmelsbach *Anmerkung zur Entscheidung des LG Hamburg - 312 O 271/03 - vom 02.09.2003 = JurPC Web-Dok. 263/2003JurPC Web-Dok. 268/2003, Abs. 1 - 4 |
Die Entscheidung des LG Hamburg ist deshalb von besonderem Interesse, da das Gericht die Wettbewerbswidrigkeit der Domain tipp.ag angenommen hat, ohne überhaupt auf die Inhalte des dahinter liegenden Internet-Angebotes einzugehen. Bislang ist anerkannt, dass jedenfalls eine markenrechtliche Beurteilung von Internet-Domains eine isolierte Betrachtung des Domain-Namens nicht zulässt. Denn die Domain hat für sich genommen eben keine kennzeichenrechtliche Aussagekraft. Diese erlangt sie etwa erst im Zusammenwirken mit dem konkreten Internet-Angebot (vgl. Fezer, Markenrecht, § 3 MarkenG Rn. 303). Für die Irreführung nach § 3 UWG hat der BGH in seiner "Mitwohnzentrale.de"-Entscheidung sogar festgestellt, dass eine Irreführung nach § 3 UWG nicht alleine aufgrund der (Sub-Level-)Domain angenommen werden kann (JurPC Web-Dok. 219/2001). Ganz anders hat nun das LG Hamburg entschieden: Demnach soll der informierte und verständige Internet-Nutzer eine Top-Level-Domain (TLD) gerade als Hinweis auf die Rechtsform des Anbieters interpretieren. Es bestünde demnach eine relevante Irreführung, wenn der Anbieter - wie hier - eine GmbH sei. Es reiche aus, wenn der Internet-Nutzer durch diese Irreführung angelockt werde. Darauf, ob letztlich ein Vertragsschluss getätigt werde, komme es nicht an. | JurPC Web-Dok. 268/2003, Abs. 1 |
Das LG Hamburg hat vor allem drei ganz wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt. Erstens: Der verständige Internet-Nutzer sieht in einer TLD vor allem eine Länderkennung, jedenfalls aber nicht einen Hinweis auf die Rechtsform des Internet-Anbieters. Es gibt keine einzige TLD, die nur von Gesellschaften mit einer bestimmten Gesellschaftsform genutzt werden dürfte. Selbst eine TLD wie ".org" wird "missbraucht": Unter www.deutsche-bank.org befindet sich zum Beispiel das kommerzielle Internet-Angebot der Deutschen Bank. Ist das dann auch irreführend? | Abs. 2 |
Zweitens: Das Landgericht lässt bereits eine Anlockwirkung durch die TLD genügen. Es ist schon gewagt, anzunehmen, dass auf die Seite einer Tippgemeinschaft ein Internet-Nutzer gerade deshalb geht, weil er als Veranstalter eine Aktiengesellschaft vermutet. Vor allem aber kann für das Internet-Angebot tipp.ag eine (ohnedies wohl nur theoretisch bestehende) Anlockwirkung nicht ausreichend sein: Wirbt ein großes Elektronik-Warenhaus mit einem besonders günstigen PC und ist dieser nur in einigen wenigen Exemplaren vorhanden, werden sicherlich zahlreiche Verbraucher durch dieses Angebot angelockt. Wer dann schon den Weg zum Kaufhaus angetreten hat, lässt sich möglicherweise verleiten, seine Anfahrt durch einen Einkauf zu amortisieren, auch wenn das gewünschte Gerät nicht mehr vorhanden ist. Außerdem können Verkäufer auf den potentiellen Kunden einwirken und versuchen, diesem ein anderes und womöglich teureres Gerät zu verkaufen. Dies alles lässt sich jedoch auf ein Internet-Angebot wie tipp.ag nicht übertragen: Der Besuch der Seite erfolgt anonym. Er kann jederzeit ohne jede Konsequenzen für den Besucher abgebrochen werden. Der Besucher muss sich nicht registrieren. Und: Das Internet-Angebot von tipp.ag ist rein monothematisch. Es wird ausschließlich die Teilnahme an Tipp-Abgabegemeinschaften angeboten. Wer also auf der Seite in der irrigen Annahme, das Angebot werde von einer Aktiengesellschaft veranstaltet, landet, dann auf der Homepage die Erklärung "Abgabegemeinschaft" für die Abkürzung wahrnimmt, wird nicht mit anderen verlockenden Angeboten konfrontiert. Eine Gefahr für den Nutzer geht damit von der Bezeichnung "tipp.ag" für den Verbraucher nicht aus. | Abs. 3 |
Drittens: An der Tipp-Gemeinschaft kann nur teilnehmen, wer sich registrieren lässt. Gleich zu Beginn des Registrierungsvorganges wird darauf hingewiesen, dass tipp.ag eine Veranstaltung der Moramis GmbH ist. Die AGB klären deutlich darüber auf, dass Vertragspartner eine GmbH ist. Selbstverständlich sind auch die Anbieterangaben gemäß § 6 TDG ordnungsgemäß enthalten. Der Nutzer kommt also gar nicht umhin, vor einem Vertragsschluss zu erfahren, dass er mit einer GmbH und nicht mit einer AG kontrahiert. Der Nutzer kann den Registrierungsvorgang jederzeit abbrechen. In seiner Konkursvermerk-Entscheidung hat der BGH (GRUR 1989, 682, 683) bereits festgestellt, dass eine Irreführung dann ausscheidet, wenn noch weitere Vertragsverhandlungen erforderlich sind und bei diesen eine mögliche Irreführung dann beseitigt wird. Genauso liegt der Fall hier.
| JurPC Web-Dok. 268/2003, Abs. 4 |
* Dr. Gero Himmelsbach ist als Rechtsanwalt in der Kanzlei Romatka & Collegen, München, tätig. Der Autor war in dem besprochenen Verfahren - 312 O 271/03 - vor dem LG Hamburg als Rechtsanwalt für die Beklagte beteiligt. |
[online seit: 22.09.2003] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Himmelsbach, Gero, Anmerkung zur Entscheidung des LG Hamburg - 312 O 271/03 - vom 02.09.2003 - JurPC-Web-Dok. 0268/2003 |