Rolf Becker *"Wir glauben, dass die Menschen gut sind."(1)Urteilsanmerkung zu LG Osnabrück, OLG Oldenburg "Kennzeichnung von Händlerangeboten bei Internetversteigerungen"JurPC Web-Dok. 115/2003, Abs. 1 - 14 |
Vorbemerkung |
Das OLG Oldenburg(2) hatte mit seinem Beschluss vom 20.01.2003 im Rahmen einer sofortigen Beschwerde über die Entscheidung des LG Osnabrück(3) vom 06.11.2002 u.a. über die Form eines Händlerauftritts bei der Internetversteigerungsplattform ebay zu befinden. Der Antragstellerin, einer Verbraucherschutzvereinigung, ging es darum, dem beklagten Händler aufzugeben, seine Angebote in der Plattform durch eindeutige Hinweise als gewerbliche zu kennzeichnen. Sowohl das LG Osnabrück, als auch das OLG Oldenburg stuften im Ergebnis das (anonyme) Angebot eines Händlers ohne ausdrückliche Kennzeichnung der Händlereigenschaft als zulässig und nicht wettbewerbswidrig ein. Der Beitrag soll zeigen, dass die Gründe der Entscheidungen wesentliche Normsetzungen mit Verbraucherschutzcharakter im Bereich der Kennzeichnungsverpflichtungen nicht ausreichend gewichtet haben und ein anonymes Angebot des Händlers nicht in Betracht kommt. | JurPC Web-Dok. 115/2003, Abs. 1 |
Sachverhalt und Urteilsargumentation |
Der interessierende Sachverhalt, den die Erstentscheidung unterbreitet, bezieht sich auf ein Angebot auf der Internet-Auktionsplattform ebay. Dort waren unter dem Verkäuferpseudonym "hr-au" in der Zeit vom 8.10.2002 bis zum 14.10.2002 insgesamt 9 Kraftfahrzeuge zum Kauf angeboten worden. Offenbar war schon streitig, ob der Antragsgegner hinter den Angeboten stand. Die Antragstellerin berief sich hinsichtlich der von ihr reklamierten Wettbewerbswidrigkeit auf die Rechtsprechung zur Schaltung von Kleinanzeigen. In diesem Zusammenhang wird einem Händler nach einhelliger Ansicht die Pflicht auferlegt, den gewerblichen Charakter seiner Angebote gegenüber dem Publikum offen zu legen. Der Verbraucher verbindet mit Angeboten von Privat günstigere Preise, da dort mutmaßlich nicht immer nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten kalkuliert wird, sondern die Motivation häufig darin liegt, nicht mehr benötigte Dinge noch "zu Geld zu machen"(4). Es wird also durchweg angenommen, dass Privatangebote günstiger sind und den Händler also ein Irreführungsvorwurf trifft, wenn er seine Angebote nicht als Händlerangebote kennzeichnet. | Abs. 2 |
Das Landgericht stellte bezüglich der Angaben des Anbieters bei den ebay-Angeboten keine Aussagekraft hinsichtlich der Händlereigenschaft fest. Dennoch scheide eine Irreführung aus, da "ein durchschnittlich informierter und verständiger Nutzer der Plattform nicht davon ausgeht und auch nicht davon ausgehen kann, dass dort nur Angebote von Privaten zu finden sind.(5)" Ebay akzeptiere laut AGB jeden Anbieter. Die AGB seien damit "allgemeinkundig" und insoweit für die Entscheidung berücksichtigungsfähig. | Abs. 3 |
Kritische Anmerkungen |
Abgesehen davon, dass man bei den AGB mehr auf die ebenfalls getroffene Feststellung zur Einbeziehung abstellen müsste, vermag diese Begründung schon im übrigen Kern nicht zu überzeugen. Allein der Umstand, dass mit gewerblichen Angeboten unter Pseudonym gerechnet werden muss, kann nicht generell den Vorwurf der Irrtumserregung beseitigen. Ein Händler, der sich aufgrund der Möglichkeit der Anonymität einer anzunehmenden Kennzeichnungspflicht entzieht, nutzt lediglich die allgemein fortbestehende Erwartungshaltung des Publikums aus. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass von den Kennzeichnungspflichten im Druckbereich bei Chiffre-Anzeigen eine Ausnahme gemacht würde(6). | Abs. 4 |
Argumentation des OLG Oldenburg |
Begnügte sich das Landgericht noch mit diesem Argumentationsstrang, so stellt sich die im Ergebnis bestätigende Entscheidung des Oberlandesgerichts als differenzierter dar. Zunächst konzedierte das Gericht, dass die Grundsätze zur Kennzeichnung gewerblicher Anzeigen auch im elektronischen Geschäftsverkehr Anwendung finden. Allerdings bestehe bei den Versteigerungsangeboten kein vergleichbarer Schutzbedarf (es ging offenbar nicht um die Direktkaufoption, die ebay auch ermöglicht). Dem Gericht ist allerdings zunächst in der aufgeführten Begründung dieser Feststellung zu folgen. Die Preisfindung hängt bei der Internetversteigerung nicht vom Anbieter ab, der jedenfalls in den meisten Fällen aus Anreizgründen ein theoretisches Erstgebot von einem Euro verlangt. Der Preis ergibt sich vielmehr aus den im Wettbewerb stehenden Geboten der Bieter, so dass sich insoweit keine Fehlvorstellung der Erwerber aufgrund der fehlenden Händlerkennung hinsichtlich des Preises ergeben kann. Das Gericht sah sodann auch keine weiteren Gründe für eine Kennzeichnung. Sonstige, einen Schutzbedarf auslösende Rechtsfolgen ziehe der Erwerb durch einen Vertragsschluss mit einem Unternehmer (statt mit einem privaten Anbieter) nicht nach sich. Im Gegenteil werde der Meistbietende durch die beim Abschluss mit einem Unternehmer anzuwendenden gesetzlichen Regeln des Gebrauchsgüterkaufs effektiver geschützt als bei einem Geschäft zwischen Privatpersonen. | Abs. 5 |
Gesetzliche Kennzeichnungspflichten nach dem Teledienstegesetz |
An dieser Stelle ist mit der Kritik anzusetzen. M.E. übersehen beide Entscheidungen die gesetzgeberische Wertung und gar klare Anforderungen, die mit zahlreichen Vorschriften zur Kennzeichnungsverpflichtung nicht nur im elektronischen Geschäftsverkehr getroffen wurden. | Abs. 6 |
So verlangt das Teledienstegesetz, zuletzt geändert durch Gesetz v. 14.12.2001 im Rahmen der Umsetzung der EGRL 31/2000 (CELEX Nr: 300L0031) zum e-Commerce in § 6 die Einhaltung von Informationspflichten. Zu den Informationen, die "leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar" gehalten werden müssen, gehören auch Name und Anschrift, unter der der Händler niedergelassen ist, bei juristischen Personen zusätzlich der Vertretungsberechtigte, ferner Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Händler ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde, das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das der Anbieter eingetragen ist und die entsprechende Registernummer. Angesichts der Fülle der verlangten Informationen kommt dies einer Identifikation als gewerbliches Angebot nahezu gleich. | Abs. 7 |
Diese Anforderung findet auch auf Versteigerungsangebote im Rahmen von Plattformen wie ebay Anwendung. Unter einem Teledienst nach § 2 TDG ist die Gesamtheit aller elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die "für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt", zu verstehen. Neben dem Teledienst, den ebay als Plattformbetreiber veranstaltet, betreiben auch die Händler im Rahmen der Plattform einen solchen Dienst dort, wo sie konkretisierenden Einfluss auf die Inhalte eines Angebots haben. Nach dem Gesetz ist "Diensteanbieter" jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Teledienste zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Da es hier auch um konkrete Kaufangebote geht, kann die Frage, ob diese notwendiger Bestandteil des "Auftritts" sein müssen, um die Kennzeichnungspflichten auszulösen, dahinstehen. Eines alleinigen Rückgriffs auf diese streitbare Einordnung bedarf es allerdings nicht. | Abs. 8 |
Gesetzliche Kennzeichnungspflichten nach dem Fernabsatzrecht |
Das Fernabsatzrecht verlangt zunächst, dass der Unternehmer den Verbraucher vor Abschluss eines Fernabsatzvertrages über seine Identität und Anschrift sowie weitere Rechtsfolgen informiert, die nur den Unternehmer, also im weitesten Sinne gewerbliche Angebote, betreffen. In erster Linie geht es hier um die Information über das Bestehen eines Widerrufs- und Rückgaberechts nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Informationspflichtenverordnung i.V.m. § 312 c Abs. 1 Nr. 1 BGB. | Abs. 9 |
Schließlich verlangt die vorgenannte Vorschrift in Abs.1 Nr. 2 ausdrücklich eine klare und verständliche Information des Verbrauchers rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages zum "geschäftlichen Zweck des Vertrages". Nach Lütcke(7) spricht das Gesetz hier missverständlich vom Zweck des Vertrages. Gemeint sei der Zweck des Kontakts zwischen Verbraucher und Unternehmer. Die Vorschrift wolle ein Vorgehen verhindern, bei dem zunächst der geschäftliche Charakter verborgen bleibe. Dem ist zuzustimmen. Die Vorabinformation des Verbrauchers ist klassisches Schutzinstrument der Verbrauchergesetzgebung und kann seine Wirkung nur erfüllen, wenn die Information umfassend "klar und verständlich" erfolgt. Die Differenzierung mag jedoch eher in Telefonverkaufsfällen ihre komplette Relevanz zu entfalten. Für den hier zu untersuchenden Fall ist die Feststellung ausreichend, dass im Fernabsatz die geschäftliche Zweckbestimmung jedenfalls des angedachten Vertragsschlusses für den Verbraucher deutlich hervortreten muss. Dies gilt ungeachtet der umstrittenen Ausnahmevorschrift des § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB für Versteigerungen nach § 156 BGB, die bestimmte Versteigerungen vom Widerrufsrecht ausnimmt. Denn hiervon werden nicht die Informationspflichten berührt, sondern allenfalls die Möglichkeit eines Widerrufs im Fernabsatz. Schon mit diesen Hinweisen dürfte der Nachweis erbracht sein, dass es unmittelbare Rechtsvorschriften gibt, die eine Kennzeichnung von Angeboten als "geschäftliche Kennzeichnung" ausdrückl ich verlangen. Ein Verstoß gegen die Informationspflichten im Fernabsatz ist gleichzeitig als unlautere Wettbewerbshandlung zu qualifizieren, die Unterlassungsansprüche nach § 1 UWG nach sich zieht. Es soll allerdings an dieser Stelle nicht untersucht werden, ob solche Ansprüche im konkreten Verfahren bei Berücksichtigung des kritisierten Antrags hätten durchgesetzt werden können. Eine Erörterung wäre sicherlich geboten gewesen. | Abs. 10 |
Sonstige Verbraucherrechte im Geschäftskontakt mit dem Händler |
Auch der Feststellung des OLG Oldenburg unter Hinweis auf die günstigen Regelungen im Verbrauchsgüterkauf seien einen Schutzbedarf auslösende Rechtsfolgen nicht feststellbar, kann nicht gefolgt werden. Wie aufgezeigt, werden zugunsten des Verbrauchers auch bei Internetversteigerungen weitgehende Informationspflichten ausgelöst. Auf diese Informationen "verzichtet" der Verbraucher, der nicht um den Händlerstatus des Anbieters weiß. Der Händler, der sich im Schutz der Anonymität den Informationspflichten entzieht, verschafft sich durch diesen Rechtsbruch einen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern. Der Händler, der den Informationspflichten folgt, gibt hierdurch regelmäßig den gewerblichen Charakter seines Angebotspreis. Insbesondere wird dem Kunden bei anonymen Angeboten verschwiegen, dass ihm ein Widerrufsrecht im Fernabsatz zusteht. Hier ist nicht der Ort, um die Meinungsstreitigkeiten über die Anwendbarkeit des Widerrufsrechtes bei Internetversteigerungen auszubreiten. Immerhin sind erste Urteile feststellbar, die diesen Versteigerungen mangels Zuschlag eine Qualifikation als solche des § 156 BGB absprechen und damit zur Anwendbarkeit des Widerrufsrechts kommen(8). In diesem Fall wird dem Kunden mangels vorvertraglicher Aufklärung die effektive Wahrnehmung seiner Rechte erschwert. | Abs. 11 |
Zieht man mit dem OLG Oldenburg die Verbrauchrechte im Verbrauchsgüterkauf bei der Folgenbetrachtung heran, so bringt hier zumindest die Ausnahme des § 474 Abs. 2 BGB Probleme für die Argumentation. Denn danach gelten die Verbrauchsgütervorschriften nicht für gebrauchte Sachen, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann. Ist man der Ansicht, dass ein Widerrufsrecht bei Internetversteigerungen nicht existiert, so wäre es konsequent - allerdings nicht zwingend - diese Versteigerungen unter die genannte Ausnahmevorschrift fallen zu lassen. Dann gilt aber die vom Senat als Vergünstigung herangezogene Regelung des Verbrauchsgüterkaufs gerade nicht, sollte es sich bei den Angeboten um Gebrauchtfahrzeuge gehandelt haben. In jedem Fall hätte dieses Argument ebenfalls einer näheren und vertieften Erörterung bedurft. | Abs. 12 |
Sonstige Kennzeichnungspflichten |
Abschließend sei noch auf die Vorschriften zum elektronischen Geschäftsverkehr in § 312e BGB verwiesen, die ebenfalls auf der Angebotsseite einen Unternehmer voraussetzen und damit an "gewerbliche" Verträge im Internet weitere Informationspflichten knüpfen, die ebenfalls Verbraucherschutzinteressen dienen. Auch im sonstigen Ablauf einer Internetversteigerung werden je nach Rechtsform des Händlers Kennzeichnungspflichten auf den "Bestellformularen" ausgelöst, denn solche gelten nach der gesetzlichen Anordnung als "Geschäftsbriefe". Dort sind z.B. nach § 125a HGB die "Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist," anzugeben. Bei juristischen Personen als Gesellschafter erstreckt sich die Angabepflicht auf die Firma und die Angaben, die sich beispielsweise nach § 35a GmbHG und § 80 AktG ergeben. Kennzeichnungsvorschriften ergeben sich für Bestellscheine auch aus § 37a HGB. Demnach ist auch unter diesen Gesichtspunkten ein anonymes Versteigern nicht denkbar. | Abs. 13 |
Fazit |
"Wir glauben, dass die Menschen gut sind." heißt es bei ebay in den öffentlichen Grundsätzen der Gemeinschaft. Der Gesetzgeber vertraut hierauf nicht alleine. Er verlangt regelmäßig und stringent ein klares "Outing" des Händlers und des gewerblichen Zwecks des Angebots vor Vertragsschluss. Jedenfalls lässt sich die von den beiden Gerichten getroffene Entscheidung, dass das Fehlen eines Hinweises des Händlers auf seine Händlereigenschaft nicht wettbewerbswidrig sei, aus Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht rechtfertigen.
| JurPC Web-Dok. 115/2003, Abs. 14 |
Fußnoten:(1) Ziffer 1 der "Grundsätze der Gemeinschaft" von ebay , http://pages.ebay.de/help/community/values.html(2) JurPC Web-Dok. 47/2003, Abs. 1 - 8 (3) JurPC Web-Dok. 19/2003, Abs. 1 - 8 (4) JurPC Web-Dok. 47/2003, Abs. 2 (5) JurPC Web-Dok. 19/2003, Abs. 7 (6) vgl. z.B. BGH, WRP 1987, 724ff. - Getarnte Werbung II -; OLG Stuttgart, WRP 1990, 847, 849 (7) Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c, Rdnr. 52 (8) LG Hof, JurPC Web-Dok. 368/2002, Abs. 1 - 9 |
* Rolf Becker ist als Rechtsanwalt in der Kanzlei WIENKE & BECKER in Köln tätig. Er ist seit 1990 als Rechtsanwalt zugelassen. Er ist Autor in zahlreichen werberechtlich orientierten Publikationen, Redaktionsmitglied DMR-konkret, Buchautor (Fernabsatzgesetz, Kanzleiführung für rechtsberatende Berufe) und Autor der Seiten www.Versandhandelsrecht.de und www.Urteilsticker.de . Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden der gewerbliche Rechtsschutz, insbesondere das Werbe- und Wettbewerbsrecht und das Markenrecht sowie das Versandhandelsrecht/eCommerce. |
[online seit: 31.03.2003] |
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Becker, Rolf, "Wir glauben, dass die Menschen gut sind." - JurPC-Web-Dok. 0115/2003 |