JurPC Web-Dok. 235/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/20001511228

Hajo Rauschhofer *

Kurzbeitrag: Der Stand der Rechtsprechung bei allgemeinen Domain-Namen

JurPC Web-Dok. 235/2000, Abs. 1 - 7


Als eines der stärksten Felder der Auseinandersetzung im Online-Recht hat sich das Gebiet des Domain-Rechts herausgebildet. Neben namens- und markenrechtlichen Streitigkeiten finden Gerichtsentscheidungen über allgemeine Domain-Namen besondere Beachtung, da eine Vielzahl von Unternehmen hiervon betroffen sind.JurPC Web-Dok.
235/2000, Abs. 1
Der aktuelle Stand der Rechtsprechung darf zusammenfassend als uneinheitlich bezeichnet werden, wobei die Tendenz hin zur Zulässigkeit von beschreibenden Domain-Namen geht.Abs. 2
Während das Landgericht München I in der Entscheidung "freundin.de"(1) die Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Domain-Namens im Hinblick auf eine Kanalisierungsfunktion noch nicht erörterte, befasste sich der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt als erstes Gericht mit der Frage der Zulässigkeit eines allgemeinen Begriffes als Domain-Namen. Das Gericht entschied damals für die konkrete Domain "wirtschaft-online.de", dass zum einen eine analoge Anwendung des Markengesetzes auf Domains ausscheide, zum anderen eine Wettbewerbswidrigkeit nicht anzunehmen sei, insbesondere die dem Senat nicht näher bekannten Nutzergewohnheiten mit den Mitteln des vorliegenden Eilverfahrens nicht geklärt werden könnten(2). Abs. 3
Zu dem selben Ergebnis kam rund einen Monat später auch das Landgericht München I, das einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG verneinte(3). Das Gericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, dass zwar durch die Registrierung und den Gebrauch des Domainnamens "sat-shop.com" im Internet ein Marktvorteil gegenüber der Konkurrenz entstehen könne. Dieser Marktvorteil sei aber nicht ungerechtfertigt, da er nicht durch einen Verstoß gegen geltendes Recht erzielt würde.
Insoweit schien vorerst die Frage der Zulässigkeit allgemeiner Domains geklärt, bis etwas mehr als zwei Jahre später das Hanseatische Oberlandesgericht mit einer im Internet für Aufruhr sorgenden Entscheidung hinsichtlich der Domain "mitwohnzentrale.de" die Wettbewerbswidrigkeit annahm und ausführte, dass die Verwendung eines Gattungsbegriffs zu einer wettbewerbswidrigen Kanalisierung der Kundenströme und faktischen Monopolisierung des Gattungsbegriffs im Internet führe. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, dass die angegriffene Domainbezeichnung zu einer unlauteren Absatzbehinderung durch ein "Abfangen" von (potentiellen) Kunden führe, die sich ohne detaillierte Kenntnis der konkreten Anbieter das Leistungsangebot erschließen wollten(4).
Nachdem nunmehr der norddeutsche Rechtsboden für Angriffe auf allgemeine Domain-Begriffe bereitet schien, begab sich ein bekannter Anbieter von Lastminute Reisen an das Landgericht Hamburg, um dort die Verwendung der Domain "lastminute.com" verbieten zu lassen. Das Landgericht Hamburg versagte jedoch die begehrten Unterlassungsansprüche und stellte fest, dass aus der beschreibenden Second-Level-Domain "lastminute" kein Anspruch nach § 1 UWG unter dem Aspekt unzulässiger Behinderung gegeben sei. Das Gericht beleuchtete hierbei die konkreten Nutzergewohnheiten und stellte fest, dass, anders als beim Abfangen von Kunden in unmittelbarer Nähe des Ladengeschäfts, bei dem sich der Kunde der physischen Präsenz eines Verkäufers ausgesetzt sehe, der er sich nur schwer widersetzen könne, sich ein Nutzer im Internet völlig frei und anonym bewege. Dem Nutzer sei es mit einem höchst geringen körperlichen und finanziellen Aufwand möglich, weitere Angebote einzuholen. Das Gericht sah in tatsächlicher Hinsicht auch, dass derjenige, der als erster eine bestimmte Gattungsbezeichnung für sich besetzt, einen Vorteil bei denjenigen erlangt, die sich mit der Suche mit einem Gattungsbegriff begnügen, weil sich dieser Begriff leichter merken lässt als andere, hinweisende Bezeichnungen. Die Verwendung von Gattungsbegriffen als Domain ist jedoch im deutschen Recht nicht verboten. Ebenso scheidet eine analoge Anwendung des Markenrechts (§§ 50 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) aus. Die Hamburger Richter stellten insbesondere darauf ab, dass der Gesetzgeber es versäumt hat, für den Internetzugang rechtzeitig Regeln aufzustellen und so von vornherein beschreibende Domains auszugrenzen. Auch sei es nicht die Aufgabe der Gerichte, diese Versäumnisse zu kompensieren(5).
Abs. 4
In der jüngst ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig hatte sich das Gericht mit der gleichen Fragestellung zu befassen und zu prüfen, ob dem beschreibenden Domain-Namen "stahlguss.de" nicht der Einwand der Wettbewerbswidrigkeit entgegensteht.
Das Gericht schloss sich zunächst der nunmehr als herrschende Meinung zu bezeichnenden Rechtsprechung an, wonach eine Domain in ihrem rechtlichen Gehalt nicht mit der Sperrwirkung eines Markenrechts vergleichbar sei, weshalb die Analogiefähigkeit der Vorschriften über die markenrechtliche Löschungsklage auch hier abgelehnt wurde.
Im Hinblick auf die sich stellende wettbewerbsrechtliche Frage der Kanalisierung von Kundenströmen führte das Gericht aus, dass Gattungsbegriffe als Domains unter Umständen zu einer faktischen Monopolisierung und einer damit einhergehenden, dem fairen Leistungswettbewerb widersprechenden Kanalisierung der Kundenströme führen könne. Dies sei jedoch nicht schon in der Wahl des beschreibenden Domain-Namens selbst, sondern erst darin zu sehen, dass den Mitbewerbern eine Mitbenutzung und damit eine Partizipation am Suchvorgang ausdrücklich verweigert werde. Das erkennende Gericht führte weiter aus, dass eine mit den Suchgewohnheiten der Internetnutzer einhergehende Kanalisierung durch Registrierung rein beschreibender freihaltebedürftiger Domain-Namen für sich allein nicht wettbewerbswidrig und jedenfalls dann nicht zu beanstanden sei, wenn den Mitbewerbern eine faire Chance eingeräumt werde, an der beschriebenen Kanalisierungswirkung teilzuhaben.
In dem zu entscheidenden Fall bot die Beklagte nämlich an, dass sich interessierte Branchenangehörige über einen dort gesetzten Link gegen Entgelt präsentieren lassen können(6).
Trotz des auf den ersten Blick freizeichnenden Ergebnisses dürfen die dargestellten Entscheidungsgründe nicht überbewertet werden, da das Gericht mit Blick auf die Entscheidung des Hanseatischen OLG offen ließ, ob Mitbewerbern die Möglichkeit einer Aufnahme als Link - wenn auch gegen Entgelt - eröffnet werden muss.
Insoweit mag man in den Entscheidungsgründen des Oberlandesgerichts Braunschweig ein im Vergleich zu den liberaleren Entscheidungen aus Frankfurt, Hamburg und München eine nuancierte Beschränkung der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit erblicken, wobei sich das Gericht hierzu mangels Entscheidungserheblichkeit nicht abschließend geäußert hat.
Abs. 5
Als Zwischenstand der domain-rechtlichen Auseinandersetzung um Gattungsbegriffe bleibt festzuhalten, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen wurde, da allen voran der Bundesgerichtshof in der Sache "mitwohnzentrale.de" voraussichtlich generelle Ausführungen zur Zulässigkeit von beschreibenden Domainnamen machen wird. Überdies weisen die dargestellten Entscheidungen feine Unterschiede in der Beurteilung auf, ob und gegebenenfalls welchen Erfordernissen genügt werden muss, um eine Wettbewerbswidrigkeit zu vermeiden.Abs. 6
Es bleibt daher abzuwarten, ob seitens des BGH allgemeine Rechtsausführungen zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit gemacht werden und der liberalsten Meinung des Landgerichts Hamburg gefolgt wird, wonach mangels eines gesetzlichen Verbotes die Verwendung eines Gattungsbegriffs als rechtmäßig angesehen wird.
Diesbezüglich sei angemerkt, dass es bei Wettbewerbssachen immer auf die Konstellation des konkreten Einzelfalls ankommt, so dass allein hieraus auch in Zukunft gewisse Rechtsunsicherheit bestehen bleiben. Dieses Dilemma der derzeit insbesondere für Investitionen bestehenden Unsicherheiten kann weitgehend nur dadurch beseitigt werden, dass höchstrichterlich eine grundsätzliche Zulässigkeit angenommen wird, da eine nachträgliche gesetzgeberische Neuorganisation der Domainvergabepraxis für die bereits weitgehend vergebenen generischen Domain-Namen zu keinem befriedigenden Ergebnis mehr führen kann.
JurPC Web-Dok.
235/2000, Abs. 7

Fußnoten:

(1) LG München I - "freundin.de", (Urteil vom 18.07.1997, Az.: 21 O 17599/96)

(2) OLG Frankfurt - "wirtschaft-online.de", (Beschluss vom 13.02.1997, Az.: 6 W 5/97) = JurPC Web-Dok. 2/1997.

(3) LG München I - "sat-shop.com" (Urteil vom 10.04.1997, Az.: 17 HKO 3447/97) = JurPC Web-Dok. 12/1997.

(4) Hanseatisches OLG - "mitwohnzentrale.de", (Urteil vom 13.07.1999, Az.: 3 U 58/98) = JurPC Web-Dok. 34/2000.

(5) LG Hamburg - "lastminute.com", (Urteil vom 30.06.2000, Az.: 416 O 91/00) = JurPC Web-Dok. 171/2000.

(6) OLG Braunschweig - "stahlguss.de", (Urteil vom 20.07.2000, Az.: 2 U 26/00 - nicht rechtskräftig)
* Dr. Hajo Rauschhofer ist als Rechtsanwalt in der Kanzlei Andreä, Pfeiffer, Rosa, Dr. Westenberger und Prof. Dr. Scholz in Wiesbaden tätig und daneben seit Sommersemester 1998 Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Wiesbaden. Seine Tätigkeitsgebiete sind Online-Recht, Medienrecht, EDV-Recht und Wettbewerbsrecht. Homepage: http://www.rechtsanwalt.de bzw. http://www.rauschhofer.de. E-Mail: kanzlei@rechtsanwalt-wiesbaden.de.
[online seit: 27.11.2000]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Rauschhofer, Hajo, Kurzbeitrag: Der Stand der Rechtsprechung bei allgemeinen Domain-Namen - JurPC-Web-Dok. 0235/2000