Ausgabe vom 12. Juni 2024
69/2024   BGH: Ausgangskontrolle bei fristwahrenden Schriftsätze (Beschluss vom 26.03.2024, XI ZR 95/23)
 Der Vortrag einer ordnungsgemäßen Ausgangskontrolle muss beinhalten, wie in der Kanzlei nach der allgemeinen Anweisung die allabendliche Ausgangskontrolle vorzunehmen war. Insbesondere ist darzulegen, dass ein Abgleich der erfolgreichen Übermittlung fristwahrender Schriftsätze mit dem Fristenkalender durch eine dazu beauftragte Bürokraft angeordnet war, durch welche die unterbliebene Fristenkontrolle sowie Vorlage und Übersendung des fristwahrenden Schriftsatzes aufgedeckt worden wäre. Eine solche Kontrolle ist schon deshalb notwendig, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt.
70/2024   BGH: Versandkontrolle bezüglich des richtigen Adressaten (Beschluss vom 26.03.2024, VIa ZR 600/23)
 Ein Verschulden der Rechtsanwaltskanzlei bei Versendung eines schriftwahrenden Schriftsatzes steht einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung (hier: Kontrolle der Versendung an den richtigen Adressaten vor der Fristlöschung) Vorsorge dafür getroffen wurde, dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist trotz des Versehens des Rechtsanwalts mit Sicherheit gewahrt worden wäre. (Eine solche ausreichende Ausgangskontrolle war vorliegend glaubhaft gemacht worden.)
71/2024   Thüringer Verfassungsgerichtshof: Vorlage von Rohmessdaten (Beschluss vom 03.04.2024, 107/20)
 Art 88 Abs 1 S 2 ThürVerf (RIS: Verf TH) gewährleistet für das Strafverfahren über den Anspruch auf rechtliches Gehör hinaus, sich zu verteidigen. Art 88 Abs 1 S 3 Verf TH gewährleistet für alle gerichtlichen Verfahren, sich eines rechtlichen Beistandes bedienen zu können. Das inhaltlich mit seiner grundgesetzlichen Gewährleistung deckungsgleiche Rechtsstaatsprinzip des Art 44 Abs 1 S 2 Verf TH garantiert iVm dem allgemeinen Freiheitsrecht des inhaltsgleich zu Art 2 Abs 1 GG ausgestalteten Art 3 Abs 2 Verf TH das Recht des Beschuldigten auf ein rechtsstaatliches und faires Strafverfahren. Dieses Verfassungsgebot ist nicht nur Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Es ist auch Leitlinie für die Gerichte, die den Strafprozess mit seinen möglichen weitreichenden Folgen für Beschuldigte nicht auf eine Weise führen dürfen, dass sie zum bloßen Objekt des Verfahrens werden. Dem ist nur genügt, wenn Beschuldigte nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich die Möglichkeit erhalten, zur Wahrung ihrer Rechte aktiv auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (VerfGH Weimar, 12.11.2002, 12/02 <RIS Rn 21>). Dieser Maßstab gilt auch für Ordnungswidrigkeitenverfahren (vgl BVerfG, 20.06.2023, 2 BvR 1167/20 <RIS Rn 32ff>).
72/2024   LG Limburg: Nachweis über Zugang durch sorgfältige Ausgangskontrolle (Beschluss vom 16.04.2024, 2 Qs 123/23)
 Bedient sich der Strafverteidiger - ggf. auch bei nur fakultativer Nutzung - zur Übermittlung eines Schriftstücks im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Strafgericht dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), gelten für ihn zugleich die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Ziviljustiz entwickelten Sorgfaltspflichten. Mit der Vergabe eines sinnvollen Dateinamens ist nicht nur der Reduzierung des Aufwands für Gerichte bei der Führung einer elektronischen Akte gedient, sondern auch dem Rechtsanwalt, der Fehlerquellen bei der Übermittlung fristgebundener Schriftstücke auf elektronischem Wege möglichst zu eliminieren gesucht.
 
Ausgabe vom 30. April 2024
65/2024   BGH: Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument (Beschluss vom 14.03.2024, V ZB 2/23)
 Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 - XII ZB 88/23, BeckRS 2024, 2621).
66/2024   OLG München: Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO im Falle von Daten-Scraping (Endurteil vom 24.04.2024, 34 U 2306/23 e)
 Nach Art. 82 der DSGVO ist Schadensersatz zu leisten, wenn der Nachweis eines Verstoßes gegen die DSGVO, eines tatsächlich erlittenen materiellen oder immateriellen Schadens und eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verstoß und dem Schaden erbracht wird; der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO reicht demnach nicht aus.
67/2024   LAG Rheinland-Pfalz: Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO - immaterieller Schaden (Urteil vom 08.02.2024, 5 Sa 154/23)
 Die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO stellt als solche keinen immateriellen Schaden dar (ebenso LAG Baden-Württemberg 27. Juli 2023 - 3 Sa 33/22).
68/2024   AG Zeitz: Wirksamkeit der automatischen Verlängerung eines online geschlossenen Partnervermittlungsvertrages (Urteil vom 15.02.2024, 4 C 171/23)
 Zur Wirksamkeit der automatischen Verlängerung eines online geschlossenen Partnervermittlungsvertrages. Dienste höherer Art; Kündigungsmöglichkeit nach § 627 BGB; Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 BGB.
 
Ausgabe vom 23. April 2024
61/2024   Joachim von Ungern-Sternberg: Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtsübertragung auf Verwertungsgesellschaften nach § 10 VGG - Änderungsvorhaben des Regierungsentwurfs des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes
 Für Verwertungsgesellschaften ist die kollektive Wahrnehmung der Ansprüche, die Rechtsinhaber bei ihnen einbringen, ein Massengeschäft. Der Regierungsentwurf des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) schlägt nunmehr in seinem Art. 28 im Interesse der Verwertungsgesellschaften, die bei der Erweiterung der Rechtsübertragung in ihren Wahrnehmungsverträgen Zustimmungsfiktionen vorsehen, eine Änderung des § 10 VGG vor. Danach soll § 10 Satz 2 VGG aufgehoben werden, in dem geregelt ist, dass eine Vereinbarung über die Wahrnehmung von Rechten durch die Verwertungsgesellschaft der Textform (§ 126b BGB) bedarf. Der Autor ist in dem hier veröffentlichten Beitrag der Ansicht, dass dieser Vorschlag mit dem Unionsrecht unvereinbar ist.
62/2024   BGH: Kopie der personenbezogenen Daten (Urteil vom 05.03.2024, VI ZR 330/21)
 Zum Begriff "Kopie der personenbezogenen Daten" in Art. 15 Abs. 3 DSGVO.